Protokoll der Sitzung vom 12.07.2016

(Beifall bei der SPD)

Ich fordere Sie dazu auf, heute unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, damit endlich vielen Eltern und Schülern hier in Bayern geholfen werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Kurzem haben wir zu einem Fachgespräch "Ganztag" eingeladen. Eltern, Erzieher und Lehrkräfte waren unisono der Meinung, dass die derzeitigen Ganztagsangebote in Bayern ganz und gar nicht befriedigend sind. Viele Eltern haben mir erzählt, dass sie ihren Beruf nicht oder nicht wunschgemäß ausüben können. Ich bin Kreisrätin im Landkreis Augsburg. Dort machen wir alle paar Jahre die Jugendhilfeplanung. In der letzten Umfrage hat jedes zweite Elternpaar angegeben, dass das Ganztagsschul- und das -betreuungsangebot und vor allem das Ferienbetreuungsangebot überhaupt nicht ausreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Eltern empfinden das von Ihnen – ich schaue vor allem die CSUFraktion an – immer wieder hochgepriesene Modell der Vielfalt als chaotisch. Das fand ich erstaunlich. Ich bin mir sicher, wenn ich jetzt auf einzelne Abgeordnete zugehen und sie nach den Unterschieden zwischen Mittagsbetreuung, verlängerter Mittagsbetreuung, offener Ganztagsschule, gebundener Ganztagsschule, Hort oder vielleicht noch Tagesheim fragen würde, dass viele von Ihnen die Unterschiede auch nicht genau kennen. Genauso geht es den Eltern.

(Widerspruch bei und Zurufe von der CSU)

Viele kennen die Unterschiede eben nicht. Viele wissen nicht, welche Qualität welches Angebot hat. Viele wissen nicht, wo Fachpersonal tätig ist und wo Hilfskräfte arbeiten.

(Widerspruch bei der CSU)

Hören Sie doch einmal in Ruhe zu. Ich habe Ihnen vorhin auch zugehört. – Viele Eltern wissen eben nicht, wo Fachpersonal arbeitet und wo nur Hilfskräfte arbeiten. Sie wissen nicht, wofür sie bezahlen müssen. Vor allem wissen viele nicht, warum es an den Ganztagsschulen immer noch keine Ferienbetreuung gibt.

Nahezu alle Eltern, mit denen ich gesprochen habe, haben mir erzählt, dass sie das Angebot angenommen haben, das ihnen wohnortnah zur Verfügung stand. Dabei waren aber viele ganz unglücklich, weil sie eben keine gute Betreuung gefunden haben. Viele haben beklagt, dass sich ihre Kinder stundenlang in viel zu kleinen Räumen aufhalten müssen, dass keine Hausaufgaben gemacht werden können und dass es nichts zu essen gibt. Ich frage Sie: Wie kann es sein, dass es für so viele Ganztagsschüler keine Ferienbetreuung und viel zu wenige Hortplätze gibt?

(Beifall des Abgeordneten Dr. Paul Wengert (SPD) – Zuruf von der CSU: Nur einer von der SPD klatscht!)

Auch der Ministerpräsident hat dieses Defizit erkannt. Er hat in seiner Regierungserklärung angekündigt, dass es bis 2018 an allen Schularten für jede Schülerin und jeden Schüler ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot geben soll. Bis 2018 sind es noch zwei Jahre. Ich frage mich, wie dieses Angebot ohne weiteres Zutun gewährleistet werden kann. Ich stelle jedenfalls bei Anfragen immer wieder fest, dass das Ganztagsangebot in Bayern mitnichten ausgebaut wird. Ich stelle fest, dass das Angebot stagniert. Nur 1,5 % der Schülerinnen und Schüler an staatlichen Gymnasien besuchen zum Beispiel eine gebundene Ganztagsschule. Das sind genauso viele wie im Jahr zuvor. Herr Tomaschko, Sie haben heute das Hohe Lied auf die Realschulen gesungen. Dort haben 1,3 % der Schülerinnen und Schüler einen gebundenen Ganztagsplatz. Im Vorjahr waren es 1,1 %. Auch an den Realschulen hat kein großartiger Ausbau der Ganztagsangebote stattgefunden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen sind ein Armutszeugnis für ein so reiches Land wie Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Beim Bildungsmonitor stehen wir insgesamt auf dem drittletzten Platz, in der Sekundarstufe sogar auf dem letzten Platz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie heute unserem Gesetzentwurf zu, damit wir den Eltern und Kindern einen Rechtsanspruch auf einen guten Ganztagsplatz geben können, damit jeder, der einen Ganztagsplatz braucht, in Zukunft auch einen bekommt.

Frau Kollegin, beachten Sie bitte die Uhr.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Eiling-Hütig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Februar hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap in einer repräsentativen Schulstudie die Menschen in Deutschland unter anderem danach gefragt, in welchem Bundesland es ihrer Meinung nach das beste Schul- und Bildungssystem gibt. Darauf antworteten 44 %: in Bayern. Das nächste Bundesland auf Platz zwei folgte erst mit 30 Prozentpunkten Abstand. 30 Prozentpunkte sind, wie Sie von der SPD wissen dürften, ein riesiger Vorsprung.

(Beifall bei der CSU)

Dieser Vorsprung zeigt, dass wir in Bayern in den vergangenen Jahrzehnten in der Bildungspolitik vieles richtig gemacht haben. Dazu gehört, dass wir immer an unserem differenzierten Bildungssystem festgehalten haben, weil dieses die unterschiedlichen Talente der Schüler am besten fördert. Dazu gehört aber auch, dass bei uns die Wahlfreiheit der Eltern groß geschrieben wird. Wir schreiben den Eltern nicht vor, wo und wie sie ihre Kinder zu erziehen haben. Deshalb lehnen wir auch den vorliegenden Gesetzentwurf ab, weil er dieses bewährte und von den Eltern hoch geschätzte Prinzip der Wahlfreiheit abschaffen würde.

Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbildung an den bayerischen Schulen wäre das Ende dieser Wahlfreiheit. Dann könnte schon ein einziger Vater oder eine einzige Mutter eine Schule auf dem Klageweg dazu zwingen, Ganztagsbildung einzuführen, obwohl die große Mehrheit der anderen Eltern das gar nicht will. Dieser Forderung der SPD liegt ein merkwürdiges Demokratieverständnis zugrunde, wonach einige wenige bestimmen können, was die Mehrheit zu tun hat.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Sie verdrehen die Fakten, das ist schon sensationell!)

Das bedeutet im Klartext auch, dass der SPD diejenigen Eltern, die für ihre Kinder lieber ein Halbtagsangebot wählen möchten, vollkommen egal sind.

(Beifall bei der CSU)

Diese apodiktische Politik ist mir und meinen Kolleginnen und Kollegen der CSU-Landtagsfraktion zutiefst fremd. Die CSU will im Gegensatz zur SPD die Wahlmöglichkeit der Eltern stärken. Deshalb sollen in ganz Bayern Familien zwischen Halbtagsangeboten und flexibel gestalteten, qualitativ hochwertigen Ganztagsangeboten wählen können. In vielen bayerischen Familien verbringen die Schüler den Nachmittag lieber zu Hause, weil sich die Eltern selbst um sie kümmern können und wollen.

Wir brauchen keine Ganztagspflicht, die aus einem Rechtsanspruch entstehen würde, wie von der SPD gefordert. Über die konkreten Folgen für viele Arbeitsplätze haben wir bereits ausführlich diskutiert.

Eine Ganztagspflicht ist aber auch deshalb überflüssig, weil der Freistaat bereits massiv in den Ausbau und die Qualität der Ganztagsangebote investiert hat und es auch weiterhin tun wird. Allgemein machen bereits über 80 % der allgemeinbildenden Schulen ihren Schülern ein Ganztagsangebot. Außerdem wurden in den vergangenen Jahren alle genehmigungsfähigen Anträge auf Bildungs- und Betreuungsangebote an Schulen auch tatsächlich genehmigt. Das zeigt ganz klar, dass sich die Ganztagsbildung bei uns in Bayern mittlerweile zu etwas ganz Selbstverständlichem entwickelt. Selbstverständlich ist es für uns auch, dass die Ganztagesangebote auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingehen sollen. Das tun sie. Sie reichen von offenen Ganztagsgruppen über gebundene Ganztagsklassen bis zur Mittagsbetreuung. Das ist eine wirklich breite Palette.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Zahlen, die die SPD auf dem Vorblatt des Gesetzentwurfs zur derzeitigen Versorgung mit Ganztagsangeboten nennt, stark verzerrt und irreführend sind. Sie berücksichtigen ausschließlich Ganztagsschulen und übersehen die übrigen Angebote, die ich eben genannt habe. Vor allem übersehen sie die Horte und die Mittagsbetreuung. Selbstverständlich sind auch diese Angebote ein zentraler Bestandteil unseres bayerischen Ganztagskonzepts. Ein großer Vorteil unseres praxisnahen Konzepts liegt auch darin, dass Schulfamilie und Kommunen aus verschiedenen Ganztagsmodellen auswählen können, um vor Ort ein passgenaues Angebot zu schaffen.

(Beifall bei der CSU)

Genau diese passgenauen Angebote laufen hervorragend. Die würden Sie zerstören. Mittagsbetreuung, schulische Ganztagsangebote sowie Kindertageseinrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind dabei gleichwertige Bausteine. Diese Bausteine können von den Entscheidungsträgern vor Ort bedarfsgerecht und passgenau kombiniert werden. Warum die SPD diesen bildungspolitischen Maßanzug gegen einen Einheitsanzug von der Stange eintauschen will, verstehe ich beim besten Willen nicht.

(Beifall bei der CSU – Dr. Paul Wengert (SPD): Blanke Polemik!)

Wie eingangs erwähnt, zeigt die Frage von Infratest dimap nach den besten Schulsystemen – 44 % nannten Bayern –, dass wir in Bayern in den vergangenen Jahrzehnten in der Bildungspolitik vieles, ja sehr vieles richtig gemacht haben. Wir werden diese Linie auch beim Ausbau der Ganztagsangebote konsequent fortsetzen. Unser Ziel ist es, bis 2018 an allen Schularten für jede Schülerin und jeden Schüler bis 14 Jahre ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot zu schaffen. Wir sind auf einem sehr guten Weg, dieses Ziel zu erreichen, und zwar gemeinsam mit den Eltern, nicht über deren Köpfe hinweg. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf der SPD ab.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben eine Zwischenbemerkung von der Kollegin Dr. Strohmayr.

Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie haben Ihren Beitrag sehr schön vorgelesen. Ich als Juristin möchte Sie nochmal darüber aufklären – ich nehme es Ihnen nicht übel, dass Sie selber das vielleicht nicht wissen; aber ich habe Ihnen das eigentlich schon bei der Ersten Lesung erklärt –, dass es einen Unterschied zwischen einer Verpflichtung und einem Anspruch gibt. Wir haben zum Beispiel seit 2005 einen Anspruch auf einen Kinderkrippenplatz für Kinder unter drei Jahren. Das hat mitnichten etwas mit einer Verpflichtung zu tun. Wir haben Gleiches im Kindergartenbereich. Nur im Schulbereich fehlt eine entsprechende Regelung. Wir wollten mit unserem Gesetzentwurf eine solche Regelung erreichen. Ich habe Ihnen das jetzt noch einmal ausführlich erklärt und hoffe, dass Sie es jetzt verstanden haben.

(Unruhe bei der CSU)

Sie haben stark auf das Wahlrecht abgestellt. Daher frage ich Sie: Welches Wahlrecht haben Eltern für ihre Kinder, wenn es in 65 Landkreisen und kreisfreien Städten keinerlei Ganztagsangebote zum Beispiel an

staatlichen Realschulen gibt? Welches Wahlrecht haben die Eltern dort?

(Beifall bei der SPD)

Sehr geschätzte Kollegin, auch auf die Gefahr hin, mich bei Ihnen unbeliebt zu machen: Sie mögen Juristin sein; aber ich glaube, Sie haben immer noch nicht begriffen, wohin Sie mit Ihrem Antrag auf eine Gesetzesänderung gehen.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe das letzte Mal ausführlich erklärt: Wenn Sie einen Gesetzesanspruch durchsetzen wollen, hat das zur Folge, dass das bestehende System von Ganztagsangeboten, nämlich Angebote mit nicht gebundenem Ganztag, zerstört wird. Darauf zielt der Antrag ab, den Sie für alleinseligmachend halten.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Wer sagt denn das? – Dr. Simone Strohmayr (SPD): Das unterstellen Sie! Wenn Sie das lesen würden, würden Sie das nicht sagen!)

Ich habe Sie reden lassen. Jetzt sind Sie still, Frau Strohmayr!

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr (SPD))

Sie wollen ja gar nicht zuhören.

Ich bitte doch um etwas Geduld!

Dieser Rechtsanspruch hätte zur Folge, dass genau dieses funktionierende System – –

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr (SPD))

Ich bitte doch um etwas Ruhe!