Wir müssen natürlich zwei Punkte sehen: Erstens. Ohne die Änderung des Finanzausgleichs im Jahr 2001 müsste der Freistaat Bayern heute noch wesentlich mehr Geld in den Länderfinanzausgleich zahlen als jetzt. Damals haben wir eine objektive Verbesserung erreicht.
Zweitens. Wir müssen auch sehen, dass sich die Situation sehr stark verändert hat. Die Finanzkraft der Länder hat sich drastisch auseinanderentwickelt. Sie haben heute gesagt, Bayern würde auch in Zukunft der Zahler Nummer eins sein. Das heißt mit anderen Worten: Bayern wird mit einer soliden Politik weiterhin stark bleiben, und die anderen Länder, die hauptsächlich rot-grün-regiert sind, werden schwach bleiben. Herr Kollege Rinderspacher, das hätten Sie sagen müssen, dann hätte ich Ihnen recht gegeben. Genauso wird es kommen. Deswegen werden wir auch weiterhin zahlen müssen.
Niemand konnte vorhersehen, dass sich die Finanzkraft der Länder so drastisch auseinanderentwickeln würde. In Bayern ist das Bruttoinlandsprodukt nun einmal seit dem Ende der Finanzkrise im Jahr 2010 am stärksten gestiegen. Nordrhein-Westfalen hat es dagegen im Jahr 2015 als einziges Bundesland geschafft, trotz hervorragender gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen ein Nullwachstum hinzulegen. Herr Rinderspacher, das ist ein Ergebnis der unterschiedlichen Politik in den Ländern. Trotz aller strukturellen Unterschiede zeigt sich hier wiederum, dass es eben nicht egal ist, wer regiert und wer die Wirtschaftspolitik in einem Land betreibt.
Ich sage Ihnen ganz offen: Dies macht mir natürlich Sorgen. Der Länderfinanzausgleich ist nur eine Seite der Medaille. Niemand zahlt gern zu hohe Summen. Bedenklicher dabei ist jedoch, was hinter dieser Entwicklung steht, nämlich dass sich die Länder sehr massiv auseinanderentwickeln. Offensichtlich ist in gewissen Teilen der Bundesrepublik, auch bedingt durch politische Entscheidungen, nur noch ein minimales Wachstum gegeben. Diese Länder können ihre Aufgaben nicht mehr finanzieren. In diesem Jahr nimmt das Land Nordrhein-Westfalen wiederum fast zwei Milliarden Euro an neuen Schulden auf, trotz Rekordsteuereinnahmen. Dadurch wird dieses Land in Zukunft belastet.
Diese Entwicklung ist für Bayern und für die Menschen, die hier leben, nicht gut. Die anderen Bundesländer sind unsere Handels- und Wirtschaftspartner. Wir wollen mit den anderen Bundesländern Handel treiben und ihnen unsere Produkte verkaufen. Deswegen ist diese Entwicklung unerfreulich. Außerdem werden diese Länder ihre Staatsaufgaben nicht erfüllen und sich nicht an der Finanzierung beteiligen können, da sie eine miserable Steuerkraft haben. Deshalb kann ich nur hoffen, dass in diesen Ländern politische Entscheidungen getroffen werden, die die Abstände nicht immer noch größer werden lassen; denn das wäre schlecht für das ganze Land und schlecht für Bayern. Herr Rinderspacher, diese Probleme sind in erheblichem Umfang politisch bedingt.
Im Jahr 2005 gab es noch fünf Geberländer mit rund 50 Millionen Einwohnern, die den Ausgleich für die restlichen 30 Millionen Einwohner geschultert haben. In den letzten Jahren hatten wir nur noch drei Geberländer mit etwa 30 Millionen Einwohnern, die den Ausgleich für etwa 50 Millionen Einwohner schulterten. Fest steht aber auch, dass Bayern ohne die damalige Reform des Länderfinanzausgleichs noch wesentlich schlechter dastehen würde. Die jetzt gefundene Einigung liegt nicht nur im Interesse Bayerns; sie liegt auch im gesamtstaatlichen Interesse. Auch die übrigen Geberländer, wie etwa Baden-Württemberg, werden durch die Reform deutlich entlastet. Die Nehmerländer stehen durch diese Reform nicht schlechter, sondern häufig sogar besser da. So erhalten beispielsweise Bremen und das Saarland mehr Geld, um die Zinsen für ihre hohen Altschulden bezahlen zu können. Schließlich ist der durchschnittliche Bremer stärker verschuldet als der durchschnittliche Grieche, allerdings nicht deswegen, weil die CDU in Bremen zu lange regiert hätte. Das sind erschreckende Zahlen.
Die Stadtstaaten konnten den Ausgleich für die Mehrbelastungen gegenüber den Flächenländern verteidigen. Die ostdeutschen Staaten profitieren besonders vom höheren Anteil an der Umsatzsteuer und von den Bundeszuweisungen. Diese Regelung ist angesichts ihrer schlechteren Steuerkraft richtig. Wir müssen aber dafür sorgen, dass die Schere bei der Finanzkraft innerhalb Deutschlands nicht immer noch weiter auseinandergeht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der tiefgreifenden Differenzen zwischen Geber- und Nehmerländern und der völlig unterschiedlichen Interessenlagen ist diese Einigung eigentlich eine Quadratur des Kreises. Diese Quadratur des Kreises ist aber gelungen. Bayern hat dabei seine wichtigsten Ziele erreicht. Kern der Reform ist die Abschaffung des Länderfinanzausgleichs in seiner heutigen Form. Mit der Zu
sammenlegung der zwei Stufen des Länderfinanzausgleichs wird das Ausgleichssystem einfacher, transparenter und auch gerechter. Ab dem Jahr 2020 wird es nur noch ein Ausgleichssystem geben.
Der erzielte Kompromiss sieht vor, dass der Bund den Ländern nach dem Auslaufen des Solidarpakts II und des bisherigen Ausgleichssystems ab dem Jahr 2020 rund 9,5 Milliarden Euro bezahlt. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass der Bund im Gegenzug mehr Kompetenzen fordert, um den Wirtschaftsstandort Deutschland durch mehr Investitionen zu stärken, zum Beispiel für den Straßenverkehr und die Digitalisierung. Diese Vereinbarung schmerzt uns jedoch bezüglich der Kompetenz des Bundes für die Bundesfernstraßen.
Ich weise darauf hin, dass bezüglich der Bundesstraßen eine Optionsklausel vorgesehen ist. Jeder, auch die Bundesregierung selbst, sagt, dass es diese Veränderung nicht gebraucht hätte, wenn man sich nur Bayern betrachtet. Ich habe kürzlich an einem Treffen der Unions-Fraktionsvorsitzenden teilgenommen. Der Staatssekretär beim Bundesverkehrsministerium, der aus Schleswig-Holstein stammt, hat bei diesem Treffen gesagt: Das einzige Land, in dem der Bundesfernstraßenbau funktioniert, ist der Freistaat Bayern.
Meine Damen und Herren, wir freuen uns über diese Änderung nicht. Wir müssen aber ganz klar sagen, wem sie geschuldet ist. In Deutschland gibt es Länder, die aus ideologischen Gründen über Jahre hinweg die Bundesfernstraßenmittel nicht abgerufen haben. So hat beispielsweise das Land SchleswigHolstein, seitdem Rot-Grün regiert, nicht einen einzigen Kilometer Autobahn gebaut. Ich verstehe deshalb den Bund, dass er diese Kompetenzen an sich zieht. Schließlich hat es keinen Sinn, im Bundeshaushalt Mittel bereitzustellen, wenn in den Ländern keine Planungen erfolgen und diese Mittel nicht abgerufen werden. Rot-Grün ist dafür verantwortlich, dass diese Änderung notwendig geworden ist, nicht der Freistaat Bayern.
Meine Damen und Herren, dass bei den Verhandlungen für Bayern dieser Milliardenbetrag erreicht werden konnte, ist alles andere als selbstverständlich; denn viele Länder haben aufgrund der Schuldenbremse, die den Ländern ab dem Jahr 2020 die Aufnahme von Schulden grundsätzlich untersagt, erhebliche Probleme. Länder wie das Saarland oder Bremen können von unserem Ziel des Schuldenabbaus bis zum
Jahr 2030 nur träumen. Ich begrüße es, dass der Bund im Stabilitätsrat mehr Kompetenzen bekommen hat, sodass das Finanzgebaren der Länder besser untersucht werden kann.
Meine Damen und Herren, der SPD fällt nichts anderes ein, als diese Einigung zu kritisieren. Herr Kollege Güller hat kürzlich gesagt, diese Korrektur sei längst überfällig gewesen und hätte schneller kommen können. Ich frage Sie: Warum haben Sie denn keine neuen Vorschläge oder Ideen zu den Finanzbeziehungen eingebracht?
Wo waren denn die Initiativen der bayerischen SPD im Bund oder in den SPD-regierten Ländern mit dem Ziel, für eine Entlastung Bayerns einzutreten? – Davon habe ich nichts bemerkt. Zumindest habe ich davon öffentlich nichts gehört.
Der Kollege Güller fühlt sich offensichtlich persönlich angesprochen. Nicht? – Ach so. Das hört sich so an.
Die SPD weiß ja kaum mehr, ob sie jetzt für oder gegen diese Reform des Länderfinanzausgleichs sein soll.
Bei Ihnen fehlt es nicht nur an Gestaltungskraft, sondern schon am Gestaltungswillen. Man muss lange suchen, bis man bei Ihnen eine klare Haltung zum Länderfinanzausgleich findet. Das habe ich jahrelang in diesem Hohen Hause erlebt.
Meine Damen und Herren, unser zweigleisiges Vorgehen mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hat am Ende bewirkt, dass wir in konstruktive Verhandlungen eingetreten sind. Erst diese Klage hat unserem Verhandlungswunsch Nachdruck verliehen. Ich muss feststellen: Viele Länder haben mit dem bestehenden System sehr gut gelebt, und sie konnten damit auch sehr gut leben. Erst als das Risiko auftauchte, dass ein Gericht über den Länderfinanzausgleich entscheiden könnte, ist eine Verhandlungslösung möglich geworden; denn vor Gericht, gerade vor dem Bundesverfassungsgericht, und auf hoher See, weiß man nie genau, wie man hinterher dastehen wird. Deswegen konnten wir uns einigen. Meine Damen und Herren, mit der SPD und mit den GRÜNEN wären wir bei diesen Verhandlungen niemals so weit gekommen.
Sie haben sich in Ihren Anträgen, zum Beispiel dem Antrag vom 01.06.2016, vor allem Sorgen um die "hohen personellen und finanziellen Kosten" für den Freistaat in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gemacht, meine Damen und Herren,
und haben gefragt, ob sich der Aufwand für dieses Verfahren überhaupt lohne. Er hat sich gelohnt, meine Damen und Herren. Dies bedeutet ab 2020 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Dagegen sind die Verfahrenskosten verschwindend gering. Mit Ihrer Einstellung hätten Sie überhaupt nichts erreicht. – Frau Stamm von den GRÜNEN behauptet, dass sich die Klage als völlig sinnlos herausgestellt habe.
Was hat da so lange gedauert? Meine liebe Frau Stamm, ich kann Ihnen Folgendes sagen: Die Verhandlungen waren ausgesprochen schwierig.
Am Anfang der Verhandlungen war bei vielen Ländern überhaupt keine Verhandlungsbereitschaft gegeben, da ein Änderungsbedarf nicht erkannt worden ist.
Diese Verhandlungsbereitschaft musste geweckt werden. Frau Stamm hat uns bereits am 1. September 2015 eine Rücknahme unserer Klage empfohlen, weil sie sich Sorgen um das gute Gesprächsklima gemacht hat. Glauben Sie im Ernst, dass eine vorzeitige Rücknahme der Klage unsere Verhandlungsposition
gestärkt hätte? – Nein, im Gegenteil. Wir wären dadurch massiv geschwächt worden, da wir keinen Plan B mehr gehabt hätten, wenn die Verhandlungen nicht zum Abschluss gekommen wären. Meine Damen und Herren, wir denken und handeln in erster Linie für die Interessen unserer bayerischen Bürgerinnen und Bürger. Dies kann ich bei Ihnen manchmal nicht erkennen, wenn sich parteipolitische Überlegungen nicht mit den Interessen des Landes decken. Ich wage die Prognose: Mit Frau Stamm als Verhandlungsführerin hätten wir höchstens eine deutliche Erhöhung unserer Zahlungen erreicht, aber keine Entlastung, meine Damen und Herren.
Das zeigt sich schon daran, dass die bayerischen GRÜNEN im März 2015 den Vorschlag aus BadenWürttemberg zur Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen begrüßt haben. Der damalige Kompromissvorschlag hat zwei Dinge enthalten: Zum einen hätte er den Soli dauerhaft in die Einkommensteuer integriert. Wir wollen den Soli abschaffen. Sie wollten mit diesem Vorschlag zusammen mit den GRÜNEN in Baden-Württemberg die Leute dauerhaft belasten, meine Damen und Herren.