Wir müssen dicke Bretter bohren. Das werden wir schaffen, wie wir es bei vielen anderen unserer Forderungen auch geschafft haben. Ich darf übrigens die Frage stellen, was Sie von den FREIEN WÄHLERN erreicht haben. Gar nichts!
Sie sind nicht einmal im Deutschen Bundestag vertreten. Sie werden es auch in Zukunft nicht sein, auch wenn Sie meinen, mit Fernsehdarstellern in den Wahlkampf ziehen zu müssen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei uns in Bayern herrscht großes Vertrauen in die politische Führung. Zu verdanken ist dies natürlich auch unserem Ministerpräsidenten und der Arbeit der CSU-Landtagsfraktion, die nahe am Bürger, näher am Menschen sind. Wir pflegen die Koalition mit dem Bürger. Auch insoweit lassen wir uns von niemandem etwas vormachen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite des Hauses, Sie nennen das oft Populismus. Wir nennen es Nähe zum Bürger, Nähe zum Menschen. Das ist der richtige Weg; denn nur so können wir unser Land weiterentwickeln.
die Änderungen in Richtung direkte Demokratie vornehmen wollen, nehmen uns als Vorbild. Ich darf daran erinnern, dass Mehr Demokratie e.V. in diesem Jahr das Jubiläum "20 Jahre Bürgerbegehren in Bayern" hier im Hause gefeiert hat. Die Mitglieder des Vereins wurden von allen Seiten gelobt – zu Recht –; denn sie leisten hervorragende Arbeit und haben viel durchgesetzt. Mehr Demokratie e.V. hat übrigens eine Statistik erstellt, die sehr interessant ist: Seit der Einführung der Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gab es bayernweit 2.220 Bürgerbegehren, 456 Ratsbegehren und 1.629 Bürgerentscheide. Das ist eine hohe Zahl. Sie entspricht fast 40 % aller Bürgerbeteiligungsverfahren, die im gesamten Bundesgebiet durchgeführt worden sind.
Die Themenvielfalt ist enorm. Es geht nicht nur darum, etwas zu verhindern, sondern auch darum, etwas zu beschleunigen bzw. voranzutreiben. Es zeigt sich auch, dass Bürgerbeteiligung eine hohe befriedende Wirkung hat. Dies gilt gerade bei strittigen Themen; ich erinnere an den Volksentscheid zum strikten Rauchverbot. Bürgerbeteiligung ist ein Instrument, um Zufriedenheit in der Bevölkerung herzustellen und widerstreitende Interessen auszugleichen; denn wenn das Volk gesprochen hat, dann schweigt oft der politische Kampf.
Liebe Kollegen von der Opposition, Sie wollen Bürgerentscheide und Volksentscheide als Kampfinstrument der Wahltaktik einsetzen.
Wir wollen das nicht. Wir setzen darauf, dass sich die Bürger für unseren Staat engagieren und dabei die richtige Einschätzung treffen.
In Bayern sind viele – nahezu alle – Themen als Gegenstand von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf kommunaler Ebene zulässig. Das ist eine Besonderheit. In anderen Ländern dagegen sind viele bei uns zulässige Themen ausgespart. Das gilt auch für die Volksbegehren. Dort ist Bayern ebenfalls Vorbild. Insgesamt gab es 36 Anträge auf Zulassung, 20 Volksbegehren wurden durchgeführt. Immerhin haben 8 Volksbegehren die erforderliche Unterstützung von 10 % der stimmberechtigten Bürger erhalten. Davon waren 3 Volksbegehren erfolgreich.
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das war aber nicht euer Verdienst! Ihr habt gegen das Volksbegehren gekämpft!)
Ich erinnere nur an die Volksbegehren zum Nichtraucherschutz und zur Abschaffung des Senats. Zwar habe ich die Abschaffung des Senats persönlich bedauert, man muss jedoch die Entscheidung des Vol
kes akzeptieren. Im Übrigen haben auch gescheiterte Volksbegehren und Volksentscheide Folgen nach sich gezogen.
Ich nenne die Abschaffung der Studienbeiträge und das Konnexitätsprinzip. Die CSU hat die Anliegen des Volkes aufgenommen und in diesem Hohen Hause thematisiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir treten auch für die Einführung von Plebisziten auf Bundesebene ein. Dazu gibt es auch einen Ministerratsbeschluss von Dezember 2012. Wir wollen, dass das Volk bei wichtigen Entscheidungen befragt werden kann. Dabei soll es sich nicht um ein obligatorisches Referendum handeln. Jedoch sollte es bei wichtigen Entscheidungen, beispielsweise im Falle einer Kompetenzübertragung auf die europäische Ebene, die Möglichkeit geben, das Volk zu befragen. Gerade in letzter Zeit erleben wir, wie kritisch die Bevölkerung bestimmten Vorhaben auf europäischer Ebene gegenübersteht. Dies kann man durch Referenden kanalisieren und somit der Volksmeinung Ausdruck verleihen.
Im Übrigen sind wir als CSU in dieser Frage der Partner in der Koalition, der die Durchführung von Plebisziten am entschiedensten vertritt. Wir wollen das auch weiterhin so handhaben. Deshalb haben wir eine Mitgliederbefragung durchgeführt. Selbstverständlich gibt es auch in unserer Partei Stimmen, die sagen: Brauchen wir das wirklich auf Bundesebene? Wir haben unsere Mitglieder befragt. Das Ergebnis war eindeutig: Mehr als zwei Drittel der Mitglieder haben sich dafür ausgesprochen. Deshalb wird dies in das nächste Wahlprogramm und in den nächsten Bayernplan aufgenommen. Wir werden weiter engagiert daran arbeiten. Sie können sicher sein, dass die CSU nicht die Partei ist, die von ihrem Vorhaben ablässt, selbst wenn es dauert und die Einsicht bei unseren Partnern in Berlin noch nicht vorhanden ist. Gerade im vergangenen Jahr gab es viele negative Beispiele auf der Seite der SPD. In vielen Punkten ist die SPD der Entwicklung nachgehinkt. Das gilt insbesondere für die Flüchtlingskrise.
Wir haben das Instrument der Volksbefragung eingeführt. Das ist eine großartige Leistung. Mit dem Instrument der Volksbefragung ist es im Vergleich zum Volksentscheid möglich, die Bevölkerung zu haushaltsrelevanten Themen und zum Regierungshandeln zu befragen. Das Ergebnis ist nicht verbindlich, weil letztendlich noch eine politische Debatte möglich sein muss. Das Ergebnis einer Volksbefragung und die Höhe der Beteiligung entscheiden am Ende über den Einfluss auf die politische Debatte.
Vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof sind zwei Klagen anhängig. SPD und GRÜNE sind gegen mehr Bürgerbeteiligung ins Feld gezogen.
Das halten wir für verfehlt. Wir hoffen, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine Änderung der Verfassung nicht für notwendig erachtet. Ich bin davon überzeugt, dass wir hierfür keine Zweidrittelmehrheit erhalten. Sie reden zwar von Bürgerbeteiligung, wollen diese in der Praxis jedoch nicht. Deshalb hoffe ich, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof die einfache gesetzliche Regelung der Volksbefragung für zulässig erklärt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine Verfassungsänderung notwendig ist. Wir glauben es nicht. Wir werden mit Ihnen in diesem Hause voraussichtlich keine Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung erreichen. Davon bin ich überzeugt. Deshalb wäre es die beste Lösung, wenn der Bayerische Verfassungsgerichtshof unser Vorhaben im Rahmen der aktuellen verfassungsrechtlichen Vorgaben für zulässig erklärt.
Meine Damen und Herren, ich möchte das zusammenfassen. Die CSU ist für eine Beteiligung der Bürger auf Augenhöhe. Wenn Staat und Bürger auf Augenhöhe sind, schafft dies Vertrauen und die erforderliche Zustimmung für unsere politischen Vorhaben. Im Einzelfall wird es auch Ablehnungen geben. Das ist auch im Sinne des Erfinders; denn wenn der Bürger einmal seinen Unmut äußern kann, hat das eine hohe befriedende Wirkung. Bürgerentscheide, Bürgerbegehren und Volksentscheide schaffen hohe Akzeptanz. Sie stabilisieren das System der repräsentativen Demokratie. Wir wollen die repräsentative Demokratie stärken und beibehalten und sie nicht abschaffen. Das wäre völlig verfehlt. Eine Bürgerbeteiligung stabilisiert die repräsentative Demokratie. Jetzt besteht die Möglichkeit, dass der Bürger zu bestimmten Themen eine andere Meinung äußern kann als die Mehrheit im Parlament.
Unser Ohr ist nah am Bürger. Wir wissen, was die Menschen denken. Nur in Einzelfällen kann es sich dabei um eine Fehleinschätzung handeln. Das gebe ich zu. Wir sind so erfolgreich, weil wir bereit sind, auf die Stimme des Volkes zu hören und diese in politisches Handeln umzusetzen. Wir akzeptieren, wenn das Volk bei bestimmten Themen anderer Meinung
ist. Das ist unser Geheimnis. Wir sind näher am Menschen, wir sind nah am Bürger. Deshalb werden wir die direkte Demokratie auf Bundesebene durchsetzen und ausbauen, auch wenn es lange dauern wird. Davon werden wir nicht ablassen. Die Bürgerbeteiligung ist ein entscheidender Teil unserer Politik. Wir werden weiter voranschreiten. Sie werden vielleicht alle fünf oder zehn Jahre einen Volksentscheid gewinnen – das sei Ihnen vergönnt. Wir werden weiter regieren. Das ist die beste Kombination, die wir uns vorstellen können.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Schindler von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Zellmeier, vielen Dank, dass Sie das Geheimnis des Erfolgs der CSU gelüftet haben. Jetzt kennen wir es endlich auch. Wir werden uns danach richten.
Meine Damen und Herren, es ist richtig, dass Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern ein Musterland für direkte Demokratie ist. Die CSU versucht jedoch, den Eindruck zu vermitteln, als sei dies ihr Erfolg. Herr Kollege Zellmeier, mit Verlaub, das kann man nur als Chuzpe bezeichnen. Dass es die direkte Demokratie in dieser Form in Bayern gibt, hat nichts mit der CSU zu tun.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Klagen gegen das Instrument der Volksbefragung angesprochen. Wir als SPD haben nichts gegen Volksbefragungen. Ich darf daran erinnern, dass wir die erste Fraktion waren, die einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht hat. Wir klagen vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof mit einer anderen Argumentation als die GRÜNEN. Wir sind nicht gegen Volksbefragungen, sondern gegen die Art und Weise, wie Sie dieses Instrument konstruieren wollen. Sie wollen dies nur mit Beschluss der Staatsregierung und der Mehrheit auf den Weg bringen. Das ist unser Kritikpunkt. Wir kritisieren jedoch nicht das Instrument der Volksbefragung.
In diesen Tagen feiern wir das 70-jährige Jubiläum der Bayerischen Verfassung. Gelegentlich hat man den Eindruck, dass auch nach 70 Jahren nicht alle wissen, was dort steht. Die Bayerische Verfassung ist nicht nur als dogmatisches Werk verfassungsrechtlicher Art, sondern vor allem als Lesebuch konzipiert worden. Deshalb lese ich Ihnen vor, was dort steht. Es entsteht leicht der Eindruck, als wäre die Forderung nach mehr direkter Demokratie und der Durchsetzung des Bürgerwillens etwas Neues in diesen Zeiten. Deshalb will ich Ihnen vorlesen, was in der Bayerischen Verfassung steht: "Bayern ist ein Volksstaat." Das bedeutet, dass Bayern ein demokratischer Staat ist. Nach unserer Verfassung ist Träger der Staatsgewalt nicht etwa die Regierung oder gar die Regierungspartei, sondern das Volk selbst. Die Staatsgewalt geht auch nicht vom Volk aus, wie es in der Weimarer Verfassung stand und wie es im Grundgesetz heißt. Stattdessen ist das Volk selbst Träger der Staatsgewalt.
Mit unüberbietbarer Prägnanz heißt es weiter in unserer Verfassung: "Das Volk tut seinen Willen durch Wahlen und Abstimmung kund. Mehrheit entscheidet." Das Legitimationssubjekt staatlicher Entscheidungen und von Staats- und Hoheitsgewalt ist das Volk, das seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen kundtut. Artikel 7 Absatz 2 ist zu entnehmen: "Der Staatsbürger übt seine Rechte aus durch Teilnahme an Wahlen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sowie Volksbegehren und Volksentscheiden."
Nach Artikel 5 Absatz 1 steht die gesetzgebende Gewalt ausschließlich dem Volk und der Volksvertretung zu, nicht aber die vollziehende oder gar die richterliche Gewalt. Gesetzesvorlagen werden entweder vom Ministerpräsidenten namens der Staatsregierung, aus der Mitte des Landtags, meistens von der Opposition, oder vom Volk vorgelegt. Gesetze werden entweder vom Landtag oder vom Volk beschlossen – von sonst niemandem. Über Verfassungsänderungen entscheidet ausschließlich das Volk, sonst niemand. Damit ist an sich alles gesagt und geregelt, meine Damen und Herren. Und wer hat es erfunden? Wer hat es vor 70 Jahren gemacht? – Das war nicht die CSU, es waren aber auch nicht die GRÜNEN und auch nicht die FREIEN WÄHLER,
sondern es war die SPD. Es war der Sozialdemokrat Wilhelm Hoegner, der das vor 70 Jahren formuliert hat, als das Land noch auf FREIE WÄHLER verzichten konnte, ohne dass es ihm geschadet hätte.
Der Volksstaat der Bayerischen Verfassung hat eine repräsentativ parlamentarische und bekanntermaßen eine unmittelbar plebiszitäre Komponente. Gemäß Artikel 4 wird die Staatsgewalt durch die stimmberechtigten Staatsbürger selbst oder durch die Volksvertretung ausgeübt. Die Staatsregierung ist Vollzugsbehörde, meine Damen und Herren Staatssekretäre und Minister! Sie ist Vollzugsbehörde nach unserer Bayerischen Verfassung, trotz allem Pomp, den wir gelegentlich erleben, und trotz aller neuen Erscheinungen.
Ich wundere mich schon, dass mehrere Minister nicht mehr auf die Dienste der Post vertrauen, sondern jeden einzelnen Förderbescheid, sei der Betrag auch noch so gering, höchstpersönlich beim Bürgermeister mit großem Gefolge und Pressestäben abliefern.
So, wie früher Kolonialherren Perlen unters Volk verteilt haben, verteilt heute die Staatsregierung als Vollzugsbehörde ihre Förderbescheide. Ich sage das nur zur Erinnerung und Einordnung. Das steht in der Bayerischen Verfassung.
Von der gesetzgebenden Gewalt macht das Volk gelegentlich auch Gebrauch; das ärgert uns zwar manchmal, aber es ist nun einmal so. Den ersten Volksentscheid gab es vor genau 70 Jahren, als das Volk die Verfassung angenommen hat.
Wenn die FREIEN WÄHLER jetzt fordern, den Bürgerwillen zu respektieren, und sich für mehr Demokratie aussprechen, ist das gut und schön, aber 70 Jahre nach Inkrafttreten der Bayerischen Verfassung nicht sonderlich originell.