Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Anfangszitat passt sehr gut zu dem, was wir nach dieser Unterbrechung als Anfangsdebatte gehabt haben.
hingenommenen Staat, der unter den Deutschen zwar keine überschwängliche Begeisterung auslöste, dessen Macht aber derart gefestigt war, dass sich die antidemokratischen Feinde bei ihren Unterwanderungsversuchen demokratisch tarnen mussten.
Heute erleben wir an vielen Stellen eine Erodierung des Systems. Viele Bürger sehen sich mit ihren Anliegen und Ängsten nicht mehr vertreten. Der Sieg Trumps in Amerika beschleunigte noch einmal diesen Diskurs.
Besonders die deutsche Politik im konservativen Bereich reagierte alarmiert und besorgt. Das Bayerische Integrationsgesetz zeigt diese Alarmkultur und Aufgeregtheit und steht in dieser Provenienz.
Souveränität und Festigkeit – das haben wir in dieser ewigen Debatte erlebt – sehen anders aus. Ich zitiere Günter Grass:
Unsere Geschichte lehrt uns, welche folgenreichen Irrtümer wir einzuschlagen bereit sind. Widerstandslos hat sich die zarte Pflanze Vernunft immer wieder unter den Rasen pflügen lassen. Lasst uns dafür sorgen, dass in unserem Land endlich die Vernunft siegt und Aufklärung sich ausbreitet wie eine heilsame Epidemie! Noch liegt die Wahl bei uns.
Auch in Artikel 8 manifestiert sich das sehr spezielle Verhältnis der Mehrheitsfraktion und der Bayerischen Staatsregierung zur Integration.
Ich zitiere Dr. Markus Löffelmann: Das Fremde soll durch die eigene Leitkultur einverleibt werden, und zu diesem Zweck wird auch das Instrument des erziehenden und strafenden Staates eingesetzt. Tendenz zur kulturellen Dominanz der politischen Mehrheit über die Minderheit. Seine Conclusio: "In mancherlei Hinsicht ist Bayern das westeuropäische Ostafrika."
Welche Chancen werden hier vertan? Ich zitiere Kollegen Huber von der CSU-Fraktion aus dem Sopo: Hochschulen werden verstanden als Ort, um Sprachkenntnisse zu verbessern und sich zu informieren. – Wie zurückhaltend ist das und wie defizitär?
Die Migranten – ich zitiere weiter – können entsprechende Bildungsangebote erfahren. – Welche Bildungsangebote zur Verfügung stehen und welche davon für sie passend sind: Fehlanzeige!
Konkret geht es um Angebote für studieninteressierte, nichtimmatrikulierte Migrantinnen und Migranten. In unserem Änderungsantrag ist ein wichtiger Unter
schied aufgezeigt. Es heißt da: "Die Kosten hierfür sind den Hochschulen aus dem Staatshaushalt zu erstatten."
Im Gesetzentwurf der Staatsregierung steht zur Kostenerstattung nichts. In der Begründung heißt es, dass das aus den eigenen Mitteln zu finanzieren ist. Mit stiller Post wird auf die Finanzmittel des Bundes verwiesen. Tenor: Die Mittel stehen dort ausreichend zur Verfügung. So sieht Bildungspolitik in der Mehrheitsfraktion des Bayerischen Landtags aus.
Eine zeitliche Beschränkung von zwei Jahren wird genannt. Warum zwei Jahre? Begründung: keine! In den Protokollen findet man als Äußerung des Ministerialrats im Sopo auf eine Nachfrage: Zwei Jahre liegen zwischen einem Jahr und drei Jahren. Deshalb passen zwei Jahre.
Das hätten wir uns auch ausdenken können. So wollen Sie Ressourcen heben. Sie wollen Bildungslücken schließen. Was für ein defizitorientierter Blick auf die Hochschulen ist das? Welche Armut kennzeichnet das? Sie haben gut aufgestellte bayerische Hochschulen, wie wir immer wieder in vielen Reden von Ihnen hören können. Ermutigen Sie die Hochschulen aktiv? – Nein! Welche Ressourcenmöglichkeiten haben die Hochschulen? – Sie zeigen es bei der Hochbegabtenförderung. Sie zeigen es bei Exzellenzinitiativen. Auf welches Kreativpotenzial bauen Sie denn bei den Hochschulen ansonsten? – An dieser Stelle Fehlanzeige.
An die Universitäten werden Aufgaben übertragen, Bildungslücken auszugleichen und Unterstützung zu gewähren. Anhörung der Hochschulen? – Ja, sie hat schriftlich stattgefunden. Ministerialrat Günter Megger vom Kultusministerium sagt, vonseiten der Hochschulen hat es keine Probleme gegeben, die übermittelt worden wären. Auf Nachfrage wurde ergänzt: Es sind alle angeschrieben worden. – Alle? – Ich zitiere aus dem Schreiben der Hochschule Bayern vom 5. April 2016: Allerdings ist der Artikel 8 in der vorliegenden Fassung sehr offen formuliert und damit nicht geeignet, alle vorliegenden Fragestellungen abschließend zu klären. Zudem berücksichtigt er nicht den originären Bildungsauftrag der Hochschulen
im Bildungssystem des Freistaats Bayern, nämlich den der akademischen Qualifizierung breiter Bevölkerungsteile. Der Aufwand abseits ihres eigentlichen speziellen Bildungsauftrags, für den die Hochschulen finanziert werden, ist nicht planbar. Räumlichkeiten, Einrichtungen, Ausstattungen – alles Fehlanzeige.
Ich fasse zusammen: Sie schlagen sich im Artikel 8 unter Wert. Interkulturelle Kompetenz – nichts wird dazu gesagt. Sie schlagen sich unter Wert. Deshalb fände ich es gut, wenn Sie unserem Änderungsantrag zustimmen würden.
Vorweg ist über die Nummer 7 des Änderungsantrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/13211 abzustimmen, und zwar auf Antrag der SPD in namentlicher Form. Mit der Nummer 7 des SPD-Antrags soll Artikel 6 – er entspricht Artikel 8 des Entwurfs der Staatsregierung – neu gefasst werden. Inhaltlich verweise ich auf die entsprechende Drucksache.
Der federführende Ausschuss empfiehlt Ablehnung. Ich eröffne die namentliche Abstimmung und gebe dafür drei Minuten. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben anschließend die Abstimmung über Artikel 8.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist um. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte, das Ergebnis außerhalb des Saales festzustellen, und zwar möglichst schnell, weil ich mit der endgültigen Abstimmung über Artikel 8 nicht fortfahren kann, bevor wir nicht das Ergebnis dieser Abstimmung vorliegen haben. Ich bitte also um einige Minuten Geduld.
Ich darf das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt geben, die zu Artikel 6 "Frühkindliche Bildung" stattgefunden hat. – Ich bitte, die Plätze wieder einzunehmen und um Aufmerksamkeit. – Mit Ja haben 93 gestimmt, mit Nein haben 61 gestimmt; es gab 3 Stimmenthaltungen. Damit ist Artikel 6 angenommen.
Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Nummer 7 des Änderungsantrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/13211 bekannt. Mit Ja haben 64 gestimmt, mit Nein haben 90 gestimmt; es gab 2 Stimmenthaltungen. Damit ist die Nummer 7 des Änderungsantrags abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Artikel 8. Der federführende Ausschuss empfiehlt Zustimmung. Wer dem Artikel 8 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen! – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Sehe ich keine. Damit ist Artikel 8 so beschlossen.
Änderungsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Markus Blume u. a. (CSU) hier: Nummer 4 (Art. 9 neu) (Drs. 17/13604)
Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) hier: Nummern 10 bis 12 (Art. 9, 10, 11 neu) (Drs. 17/13211)
Mit der Nummer 4 des Änderungsantrags der CSUFraktion auf Drucksache 17/13604 soll nach dem Artikel 8 ein neuer Artikel 9 "Kommunen" eingefügt werden. Die SPD-Fraktion schlägt unter den Nummern 10 bis 12 ihres Änderungsantrags 17/13211 ebenfalls die Aufnahme dreier neuer Artikel in das Gesetz vor. Es sind dies Artikel 9 "Interkulturelle Öffnung der öffentlichen Verwaltung", Artikel 10 "Teilhabe in Gremien" und Artikel 11 "Förderung von Integrationsmaßnahmen freier Träger". Zum Regelungsinhalt verweise ich auf die entsprechenden Drucksachen. Besteht Einverständnis, dass ich die vier Artikel zur gemeinsamen Aussprache aufrufe? – Ich sehe keinen Widerspruch.
Dann rufe ich daher den Artikel 9 in der Fassung des CSU-Änderungsantrags und die Artikel 9 bis 11 in der Fassung des SPD-Änderungsantrags zur gemeinsamen Beratung und Aussprache auf. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt wie vereinbart 24 Minuten.
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Mistol vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich am Anfang noch sagen, dass ich schon gerne gehört hätte, was Kollege Hans Reichhart gesagt hätte. Nachdem Sie aber an der Diskussion nicht teilnehmen, kann ich leider nicht darauf reagieren. Wir hätten aber sicher einigermaßen diskutieren können, ohne dass wir uns irgendwie unter der Gürtellinie begegnet wären.
Kolleginnen und Kollegen, die Kommunen leisten einen unverzichtbaren Beitrag bei der Integration von Flüchtlingen. Ich behaupte sogar, die Kommunen tragen die Hauptlast bei der Integration, und zwar sehr selbstverständlich und vielerorts von ehrenamtlicher, aber auch von hauptamtlicher Seite sehr professionell.
Ich sage "selbstverständlich", weil die Kommunen vor einem Jahr, als viele Flüchtlinge gekommen sind, nicht zuerst im Gesetz nachgesehen haben, was zu tun ist, sondern aufgrund ihres gesunden Menschenverstands gewusst haben, was jetzt Sache ist, und angepackt haben. Das zeichnet unsere bayerischen Kommunen aus.
Unsere Städte, Gemeinden und Landkreise brauchen auch keine Nachhilfe von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Sie wissen schon, was zu tun ist. Sie bräuchten vielmehr eine gute Unterstützung, und die haben Sie mit diesem Gesetzentwurf verpasst. Sie brauchen eine gute Unterstützung ihrer Arbeit; aber die bekommen sie mit Ihrem Leitkultgesetz nicht.