Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

"Die Angebote in Rundfunk und Telemedien sollen einen Beitrag zur Vermittlung der deutschen Sprache und der Leitkultur leisten." – Wir haben in unser Integrationsgesetz allerdings noch andere Dinge hineingeschrieben, nämlich Aufgaben, die die Medien bei der Integration leisten können. Das ist zum Beispiel die Vermittlung der Medienkompetenz. Es geht nämlich nicht nur darum, wie Rundfunk, Fernsehen und Presse berichten, sondern auch darum, ob die Bürgerinnen und Bürger damit etwas anfangen können, ob sie damit umgehen können und ob sie Quellen richtig bewerten können. Das ist eine Aufgabe, die der Freistaat hat. Dafür sollte er im pädagogischen Bereich sorgen. Darauf müssen wir achten.

Frau Kollegin, Sie haben die Zeit überschritten. Ich bitte Sie, Ihr Referat zu beenden.

Wunderbar. Ein letzter Punkt – –

Nein! Ich entziehe Ihnen das Wort. Sie haben überzogen, und ich entziehe Ihnen das Wort.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Als Nächste hat Frau Kollegin Fehlner von der SPD das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Bravo!)

Moment bitte, bevor ich Ihnen das Wort erteile, möchte ich sagen, ich wurde gerade darauf hingewiesen, dass die SPD zu Artikel 11, bisher Artikel 10, namentliche Abstimmung beantragt hat. Ich werde die Abstimmung nach Ablauf von 15 Minuten durchführen, aber im Weiteren werde ich mit der Tagesordnung fortfahren. So viel zur Information. – Nun haben Sie das Wort, Frau Kollegin Fehlner.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Integrationsgesetz, das die Staatsregierung auf den Weg bringen will, brauchen wir nicht. Was wir allerdings brauchen, ist ein anderes, ein gutes, ein zukunftsweisendes und auf Zusammenhalt basierendes Gesetz. Halten wir fest: Angenommen, das Gesetz tritt in Kraft inklusive des Artikels 10 Satz 2, in dem es heißt: "Die Angebote in Rundfunk und Telemedien sollen einen Beitrag zur Vermittlung der deutschen Sprache und der Leitkultur leisten." Angenommen, ein Kommentator des Bayerischen Rundfunks kritisiert abends um

halb zehn in der "Rundschau" diesen Gesetzesartikel und erklärt mit Verweis auf die Meinungsfreiheit: Wir halten nichts von dieser Vorschrift, wir sind keiner Leitkultur verpflichtet, die von der Staatsregierung alles andere als schlüssig definiert werden kann; wir halten es mit der Kultur der Vielfalt, wir stehen zur Vielfalt der unterschiedlichen Kulturen in unserem Land; wir setzen uns ein für das Verbindende, nicht für das Trennende; wir machen bei diesem Gesetz einfach nicht mit.

(Beifall bei der SPD)

Angenommen, der Kommentator sagt das alles, was passiert dann? Muss dann der Rundfunkrat zusammenkommen? Muss der Intendant gehen? – Deshalb, Kolleginnen und Kollegen: Artikel 10 Satz 2 ist völlig überflüssig. Er greift in die Rundfunkfreiheit ein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Gerade das wollen wir nicht. Wir wollen die Unabhängigkeit, wir wollen die Vielfalt stärken, wir wollen keinen Raum für falsche Interpretationen bieten. Festzuhalten ist: Artikel 10 Satz 2 kollidiert auch mit dem Rundfunkstaatsvertrag, in dem es heißt, der öffentlichrechtliche Rundfunk habe als Medium und Faktor des Prozesses freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. In § 11 Absatz 1 verpflichtet der Rundfunkstaatsvertrag die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter, die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern zu fördern. Im ZDF-Staatsvertrag steht unter § 5, dass die Sendungen des ZDF die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland fördern sowie der gesamtgesellschaftlichen Integration in Frieden und Freiheit und der Verständigung der Völker untereinander dienen und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken sollen.

Andere Länder sind hier mit ihren Rundfunkgesetzen schon viel weiter als wir in Bayern. Hier haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten partnerschaftlich und konstruktiv mit der Politik und der Zivilgesellschaft beim nationalen Integrationsplan zusammengearbeitet. Zukunftsweisend ist, dass in einigen Landesrundfunkgesetzen die Sender beauftragt werden, in ihren Angeboten die besonderen Belange von Migrantinnen und Migranten zu berücksichtigen und die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund nachhaltig zu unterstützen. Sie haben die Integration als Querschnittsaufgabe in Programmplanung und Berichterstattung fest verankert. Daher ist das Ziel, auch in der Entwicklung des Redaktionsper

sonals eine bevölkerungsrepräsentative Zusammensetzung zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Die erklärten Ziele der Medien, der privaten wie der öffentlich-rechtlichen, sind daher die interkulturelle Öffnung und die Diversität, also die Gewinnung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einer Zuwanderungsgeschichte. Das Ziel ist damit die interkulturelle Kompetenzerweiterung aller Beschäftigten. Bereits 2007 haben der WDR und RTL die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Das ist eine Initiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen. Diese steht unter der Schirmherrschaft von Angela Merkel. Es gibt eine Selbstverpflichtung dieser Unternehmen, kulturelle Vielfalt anzuerkennen, wertzuschätzen und damit ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen ist. Auch der Bayerische Rundfunk hat diese Charta vor zwei Jahren unterschrieben. Die Leitkultur als einen konkreten Programmauftrag in ein Gesetz zu schreiben, ist ein Eingriff in die Rundfunkfreiheit.

(Beifall bei der SPD)

Wir, die SPD-Landtagsfraktion, halten es deswegen für richtig und notwendig, die Öffnung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Gesetz zu formulieren. Das ist in anderen Landesgesetzen auch längst geschehen. Die Sender sollen in ihren Programmen und in den Belegschaften die alltäglich gelebte kulturelle Vielfalt und die Perspektivenvielfalt ihrer Verbreitungsgebiete als Teil der gesellschaftlichen Normalität widerspiegeln. Das unterstützt die Arbeit, die die öffentlich-rechtlichen Medien aus eigener Verantwortung bereits weitgehend aufgenommen haben. Wir wollen einen unabhängigen, einen qualitätsvollen öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Frau Kollegin, ich darf Sie an die Zeit erinnern. Sie haben Ihre Redezeit um 22 Sekunden überzogen.

In vielen Ländern wird die Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt oder staatlich kontrolliert.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge, für die keine namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Hier ist vorweg über die einschlägigen Änderungsanträge der Fraktionen abzustimmen. Dies sind die Nummer 9 des Änderungsantrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/13211 und der Änderungsan

trag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/13419.

Mit der Nummer 9 des SPD-Antrags soll der Artikel 8 – er entspricht dem Artikel 11 neu des Entwurfs der Staatsregierung – neu gefasst werden. Inhaltlich verweise ich auf die Drucksache. Der federführende Ausschuss empfiehlt die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum der Nummer 9 des SPD-Antrags zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist die Nummer 9 des Antrags abgelehnt.

Mit dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN soll im Artikel 10, jetzt Artikel 11, der Satz 2 aufgehoben werden. Der federführende Ausschuss empfiehlt auch hier die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen! – Das sind die Fraktionen der SPD und der FREIEN WÄHLER. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Über den Gesetzestext selber lasse ich dann abstimmen, wenn die 15 Minuten Karenzzeit abgelaufen sind.

Ich rufe auf:

Artikel 11 bisher "Ausgewogene räumliche Verteilung im Freistaat Bayern"

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Markus Blume u. a. (CSU) hier: Nummer 7 (Drs. 17/13604)

Mit dem Artikel 11 sollte die Staatsregierung ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung die Übernahme und Verteilung von Ausländerinnen und Ausländern im Freistaat zu regeln. Der Artikel 11 hat sich durch die Aufnahme in das Bundesgesetz erledigt und soll daher aufgehoben werden.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die CSU-Fraktion hat mit der Nummer 7 ihres Änderungsantrags, die als Nummer 8 in der Beschlussempfehlung aufgeführt ist, vorgeschlagen, den Artikel 11 aufzuheben. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass hierzu keine Aussprache erfolgen soll. Wir kommen damit gleich zur Abstimmung. Der

federführende Ausschuss empfiehlt die Aufhebung des Artikels 11. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN. Gegenstimmen? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Sehe ich auch nicht. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf:

Artikel 12 "Landesleistungen"

Zu diesem Artikel liegen keine Änderungsanträge vor. Ich eröffne die Aussprache. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Schulze vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zu Artikel 12 mit der Überschrift "Landesleistungen". Wenn man das Gesetz durchliest, denkt man sich, dass nach den Vorschriften der Ausgrenzung, der Spaltung und des Misstrauens gegenüber Geflüchteten endlich einmal eine Landesleistung kommt. Man denkt sich, es geht darum, was das Land Bayern den Geflüchteten geben möchte oder wie das Land Bayern die Geflüchteten fördern möchte. Liest man aber weiter, dann stellt man zunächst fest, dass nicht definiert ist, was die Staatsregierung eigentlich mit Landesleistungen meint. Liest man dann noch weiter, findet man in diesem Artikel, dass sich Menschen, die eine Leistung vom Staat bekommen möchten, dafür ausweisen sollen bzw. eine Identitätsfeststellung durchführen lassen sollen. Liebe CSU und liebe CSU-Staatsregierung, hier muss ich schon fragen: Warum schreiben Sie diese Selbstverständlichkeit in dieses Gesetz hinein?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

In der Realität ist es doch schon längst so, wenn jemand kein Ausweisdokument oder keine Aufenthaltsbescheinigung hat und eine Leistung beantragt, dann werden die Daten im Ausländerzentralregister abgeglichen. Der Artikel 12 ist wieder ein typisches Beispiel für Ihr tiefes Misstrauen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Man bräuchte diese Selbstverständlichkeit nicht in diesen Artikel zu schreiben. Wenn man sich den Artikel 12 Absatz 2 Satz 1 näher anschaut, erkennt man, wie suggeriert wird, dass Geflüchtete absichtlich ihre Pässe oder Ausweisdokumente verlieren. Das ist reiner Hohn. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die aus einem Kriegsgebiet flüchten. Wer vor Bombenhagel flieht, hat vielleicht nicht die Zeit, zu

schauen, wo das Ausweisdokument liegt. Im Sozialausschuss wurde über dieses Thema auch länger debattiert. Es wurde gefragt, was es damit auf sich hat. Herr Dr. Sommer vom Innenministerium hat im Sozialausschuss selber ausgeführt, dass das BAMF in der Regel überhaupt nicht feststellen kann, ob jemand seine Papiere bewusst verschwinden hat lassen oder nicht. Sein Zitat kann man auch nachlesen:

Wenn Sie mir ein Verfahren mitteilen, wie man feststellen kann, ob jemand seine Papiere bewusst hat verschwinden lassen oder nicht, würde das dem Bundesamt sehr helfen bei der Prüfung von Asylgesuchen. – Das geht nicht, das gibt es nicht, und dazu gibt es auch keine amtlichen Statistiken. Das kann man nirgendwo feststellen.

Trotzdem schreiben Sie das in diesen Artikel 12 hinein. Sie unterstellen, dass Geflüchtete absichtlich ihre Pässe verlieren, um sich dann irgendwelche Leistungen zu erschleichen. Das ist genau das, worüber wir heute schon den ganzen Tag diskutieren. Das ist kein Zeichen von Integration. Das ist kein Zeichen von Miteinander. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie in diesem Artikel aufführen, welche Bildungsmaßnahmen Sie anbieten wollen, welche Fördermaßnahmen Sie bereitstellen, damit die Geflüchteten schneller in Beruf und Arbeit kommen, und wie Sie die freien Träger fördern möchten, die sich seit Monaten dafür einsetzen, dass das Miteinander gut gelingt. Davon höre ich von Ihnen nichts. Sie schreiben nur wieder Selbstverständlichkeiten in das Gesetz hinein. Diese Selbstverständlichkeiten haben ein negatives Grundrauschen, ein negatives Grundgefühl und eine negative Grundstimmung. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, wer ausgrenzt und spaltet, der schwächt das Land. Zusammenhalt macht uns stark, und nur gemeinsam gewinnen wir. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)