Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

(Beifall bei der SPD)

Offensichtlich haben die Verfasser dieses Textes ein schlechtes Gewissen, weil sie sofort den jüdischen Beitrag zur Identität angefügt haben. Meine Damen und Herren, dadurch wird es nicht besser. Ist schon der Begriff "christliches Abendland" eine Fiktion und ein Kampf- und Abgrenzungsbegriff, historisch belastet und anrüchig, wird er durch die Bezugnahme auf jüdische Beiträge nur noch schlimmer. Es gab kein

christlich-jüdisches Abendland. Das Christentum war über Jahrhunderte hinweg vom Kampf gegen die Judaisierung des Abendlands geprägt. Sie setzen diesen Begriff hier zusammen. Das passt nicht. Das ist kulturhistorisch völlig falsch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Bei der Leitkultur ist es dankenswerterweise so, dass durch die Ergänzung, die Sie eingebracht haben, klargestellt wird, dass es Ihnen um eine kulturelle Grundordnung geht, die den Migranten entgegengehalten werden soll. Und dann wird das zu einem, wie Sie es nennen, Verfassungswechsel in Deutschland in Bezug gesetzt. Meine Damen und Herren, der Verfassungswechsel, wie es in der Begründung heißt, war die Befreiung am 8. Mai 1945. Das kann man nicht mit dem Begriff "Verfassungswechsel" bezeichnen. Das ist völlig abwegig.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben eine Bayerische Verfassung, nach deren Artikel 3 Absatz 1 Satz 1 wir ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat sind. In dieser Verfassung ist die Rede von einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Aber die Väter und Mütter dieser Verfassung wären nie auf die Idee gekommen, den Menschen eine kulturelle Grundordnung vorschreiben zu wollen, wie Sie sich das anmaßen. Auch deswegen können wir diesem Gesetz nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer der Präambel zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen! – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen! – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Dann ist das so beschlossen.

Nun rufe ich auf:

Artikel 1 "Integrationsziele"

Zu den beschlossenen Änderungen verweise ich hier auf die Neufassung im Beschluss zur Zweiten Lesung. Die Gesamtredezeit beträgt wieder 24 Minuten. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Kamm.

(Markus Blume (CSU): Und das um diese Uhrzeit!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich erzähle Ihnen jetzt noch etwas über Ihren Artikel 1, den Sie formuliert haben. In diesem Artikel 1 haben Sie keineswegs dargelegt, wie Sie Integration in Bayern schaffen wollen. Sie haben in diesem Artikel 1 wieder auf den fragwürdigen Begriff der Leitkultur abgestellt, zu dem schon sehr viel gesagt worden ist. Sie haben in diesen Artikel 1 eine minimale Änderung eingebracht: Sie haben den ursprünglichen Begriff "Gastrecht", mit dem die Menschen, die zu uns kommen, auf die unabdingbare Achtung der Leitkultur verpflichtet werden sollen, geändert und haben ihn durch die Begriffe "Gast- und Aufenthaltsstatus" ersetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wem von Ihnen das eingefallen ist. Dieser Begriff Gaststatus macht die Sache nicht besser. In unserem Asylund Aufenthaltsrecht gibt es keinen Gaststatus. Keiner weiß, was das ist. Keiner weiß, was die Leitkultur ist. Sie haben es versäumt, in diesem Artikel 1 Integrationsziele zu benennen, die darauf abzielen, eine Gesellschaft zu fördern, die geeint ist, die Integration betreibt und die zusammenrückt.

(Unruhe bei der CSU)

Was ist denn da so lustig? Wer macht denn da bei Ihnen so nette Witze? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wahrscheinlich denken Sie: Wenn wir jetzt hier schön sitzen, brav sind und fast keinen Mucks machen, dann haben wir es bald hinter uns. – Das ist aber nicht so.

(Lachen bei der CSU)

Dieses Gesetz wird Sie einholen. Dieses Gesetz wird die Gesellschaft in Bayern spalten. Es wird die Gesellschaft so spalten, wie es dieses Parlament spaltet.

(Anhaltende Unruhe bei der CSU)

Ich bitte um etwas Ruhe.

Durch dieses Gesetz schwächen Sie die Bürgerinnen und Bürger Bayerns. Sie schwächen die Gesellschaft Bayerns. Sie glauben, wenn Sie immer wieder das Gleiche wiederholen,

(Lachen bei der CSU)

dann kämen Sie durch. Sie haben in den Ausschussberatungen zu diesem Gesetz nicht einmal vernünftig

Stellung bezogen. Sie haben sich mit diesem Gesetz nicht auseinandergesetzt. Sie setzen sich auch jetzt mit diesem Gesetz nicht auseinander. Sie glauben, dass Sie so einfach durchkommen. Aber Sie kommen so nicht durch. Das werden Sie noch sehen. Wir brauchen ein Integrationsgesetz, das Bayern voranbringt und Bayern nicht spaltet.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Josef Zellmeier (CSU): Zugabe!)

Danke schön. – Ich bitte darum, wieder etwas mehr Ruhe einkehren zu lassen. Herr Kollege Pfaffmann hat das Wort.

(Reinhold Bocklet (CSU): Jetzt kommt der Ajatollah!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dafür, dass Sie sich seit Stunden nicht mehr an dieser Debatte beteiligen und dass Sie sich auch in den Ausschüssen nicht daran beteiligt haben, riskieren Sie jetzt eine große Lippe mit Geschrei und mit Häme. Wissen Sie, was das ist? – Das ist für einen Parlamentarier unterste Schublade.

(Beifall bei der SPD – Markus Blume (CSU): Sie sind doch Experte für unterste Schublade! – Harry Scheuenstuhl (SPD): Seien Sie einmal ruhig! – – Unruhe)

Bitte beruhigen Sie doch Ihre Gemüter. Herr Pfaffmann hat das Wort.

Danke schön. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden über den Artikel 1, über die Formulierung von Integrationszielen. Ich sage Ihnen von der Regierungsbank und auch den Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Hätten Sie bei der Formulierung der Integrationsziele in Ihren Gesetzentwurf hineingeschrieben "Wir wollen euch nicht", wäre es ehrlicher gewesen als das, was Sie hineingeschrieben haben.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Das ist unverschämt! – Franz Josef Pschierer (CSU): Das hat ja Unterhaltungswert!)

Wir wollen euch nicht. Wenn ihr doch kommt, dann legen wir euch Steine in den Weg. – Das wäre die ehrlichere Formulierung Ihrer Integrationsziele gewesen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dieser Zielbeschreibung für die Integration verschleiern Sie Ihr wahres Begehren. Sie wollen keine Integration; das

wird hier ganz deutlich. Sie wollen Assimilation. Sie wollen, dass sich die Menschen Ihnen ohne Wenn und Aber anpassen. Das ist Ihr ehrliches Ziel. Das versuchen Sie, durch Worthülsen zu verschleiern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir brauchen, ist eine menschenwürdige Integrationspolitik. Die ist jedoch bei Ihrer Integrationszielbeschreibung Fehlanzeige. Was wir brauchen, ist eine solidarische Integrationspolitik. Das ist eine Politik, die solidarisch mit den Menschen umgeht, die zu uns kommen, um Schutz zu suchen. Wir sprechen von Kriegsflüchtlingen. Wir sprechen von Menschen, die zu Hause ausgebombt sind. Wir sprechen von Menschen, die zu Hause Gewalt erfahren. Wir sprechen von Kindern und Frauen. All diesen Menschen legen Sie Steine in den Weg. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein schlechter Willkommensgruß.

Ziel einer vernünftigen Integrationspolitik muss es doch sein, eine gleichberechtigte Teilhabe der Menschen am Leben zu erreichen. Das ist doch das Mindeste. Dieses Ziel fehlt bei Ihrer Integrationsbeschreibung. Ziel einer vernünftigen Integrationspolitik ist es doch, die Menschen wertzuschätzen. Was wir hier und heute von Ihnen erlebt haben, ist keine Wertschätzung, das ist primitive Ablehnung.

(Beifall bei der SPD)

Das macht die Sache ganz schlimm.

(Markus Blume (CSU): Das ist üble Agitation!)

Sie haben diese Debatte mit einem Wortbeitrag Ihres Fraktionsvorsitzenden begonnen, der menschenverachtend gegenüber denen war, die bei uns Schutz und Asyl suchen. Das ist menschenverachtend. Deswegen ist dieses Gesetz abzulehnen. In Ihrer Zielbeschreibung haben Sie ausgeführt: Wir wollen unsere Verantwortung ernst nehmen. Gar nichts nehmen Sie ernst! Sie handeln verantwortungslos gegenüber allen, die aus Kriegsgebieten zu uns kommen, um hier Schutz zu suchen. Das ist verantwortungslos. Das ist Ihre Zielbeschreibung, die zwischen den Zeilen nachzulesen ist.

Ein paar Stunden lang haben Sie versucht, das mit Worthülsen und Programmsätzen zu vertuschen und zu verstecken. Nachdem Sie gemerkt haben, dass dieser Versuch scheitert, haben Sie die Diskussion eingestellt. Das ist Ihre Art und Weise der parlamentarischen Debatte über ein wichtiges Gesetz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu kann ich nur sagen: Pfui Teufel!

(Beifall bei der SPD)

Aber Sie sind ja diejenigen, die das christliche Menschenbild für sich gepachtet haben. Alleine Sie haben das Recht, ein christliches Menschenbild zu definieren. Liebe Leute, wenn das, was Sie heute hier abgeliefert haben, das christliche Menschenbild ist, dann kann ich dazu nur sagen: Gute Nacht, Kirchen. Das hat mit dem christlichen Menschenbild nichts zu tun, und mit einer Wertevermittlung schon gleich überhaupt nichts. Sind das denn Ihre Werte, Mauern aufzubauen, Zäune zu errichten und die Diktatoren dieser Welt einzuladen? Sind das Ihre Werte? – Darauf können wir verzichten. Und ich sage Ihnen: Die Menschen in diesem Land können auch darauf verzichten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist bei dieser Debatte klar geworden. Ich glaube, es ist Ihnen selber klar geworden. Wenn Sie sich morgen früh vor den Spiegel stellen, wird Ihnen klar werden, was Sie heute in diesem Parlament gegenüber den Menschen,

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende?

die bei uns Schutz suchen, angerichtet haben.

(Beifall bei der SPD)

Wunderbar, danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wer dem Artikel 1 zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen! – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe auf: