Protokoll der Sitzung vom 13.12.2016

Leider ist der zuständige Minister Markus Söder noch immer nicht im Haus. In den letzten Wochen und Monaten haben viele die Berichte gelesen, in denen es immer wieder hieß, Markus Söder nimmt am liebsten Fototermine wahr. Wahrscheinlich ist er gerade bei einem. Das hat man beim Thema "Vermessung der Mittelpunkte in Bayern" gemerkt.

(Unruhe bei der CSU)

So viel zu den Mittelpunkten in Bayern, die Söder vermessen hat. Das Programm ist bald abgeschlossen. Eines kann ich Ihnen aber sagen, und vielleicht können Sie den Tipp auch an Herrn Söder weitergeben: Die PR-Abteilung sollte einfach ein Konzept erstellen, in dem Sie die Tiefpunkte Ihrer Politik vermessen. Da gehen Ihnen die Fototermine nicht aus.

(Beifall bei den GRÜNEN – Markus Rinders- pacher (SPD): Sehr gut, schön gesagt!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zu einem ehemaligen Betätigungsfeld des Ministerpräsidenten Seehofer: die Energiewende. Erinnern Sie sich noch, Herr Ministerpräsident? – Es ist noch gar nicht lange her.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Ja, selbstver- ständlich! – Heiterkeit bei der CSU)

In sechs Jahren schreiben wir das Jahr 2022. Dann wird das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen. Mit dem Abschalten des letzten Atomkraftwerkes endet ein jahrzehntelanger Kampf gegen die Atomköpfe der CSU. Erwin Huber, der gerade nicht im Hohen Hause ist, ist wahrscheinlich noch immer ein Atomkraftfan. Nun aber beenden wir endlich diese lebensgefährliche Stromerzeugung. Vor gut fünf Jahren haben wir das alle gemeinsam beschlossen. Wir hatten ein Zeitfenster von elf Jahren vereinbart. In diesen elf Jahren wäre einiges zu schaffen, hin zu einem dauerhaft sicheren System der erneuerbaren Energien mit Wind und Sonne als Rückgrat der Versorgung und Biomasse zur flexiblen Unterstützung. Damit könnten wir ein klares Signal setzen im Hinblick auf unsere Verantwortung für den Klimaschutz. Wir könnten zeigen, dass moderne Technologien unsere Zukunft besser machen. Wir könnten damit Wohlstand und Arbeits

plätze sichern. Was aber haben Sie, die CSU-Regierung, gemacht? – Sie haben kapituliert. Sie haben aufgegeben. Seit drei Jahren findet keine Energiewendepolitik in Bayern mehr statt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Heute ist Ilse Aigner nicht da, Sie können es ihr aber vielleicht ausrichten. Sie hat im Kabinett erklärt, dass sie einen Zukunftsfonds haben möchte, mit dem die Energieumlage in Zukunft abbezahlt wird. Bei den Haushaltsreden von Herrn Kollegen Kreuzer haben wir gehört: Wir nehmen keine neuen Schulden auf, wir kommen mit dem Geld zurecht. – Was Sie dort machen, ist aber absolut verantwortungslos. Aktuell haben wir ein Energiesystem, das alle Kosten auf die nächste Generation abwälzt. Nun wollen Sie sogar noch die Kosten des Umbaus auf die nächste Generation schieben. Das ist verantwortungslos!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CSUFraktion, der Ministerpräsident hat vorhin davon gesprochen, was angeblich alles erledigt wurde, nachdem es versprochen worden ist. Erinnern sie sich noch: Bayernplan? Das waren ein paar Seiten, die Sie Wahlprogramm genannt haben. Da steht drin: Wir wollen, dass in Bayern so viel Strom erzeugt wird, wie wir verbrauchen. Dieses Versprechen wurde komplett gebrochen. Ihre zuständige Ministerin hat nämlich bereits vor einem Jahr bekannt gegeben, dass in Zukunft jede zweite Kilowattstunde aus anderen Bundesländern kommen muss, um die Versorgung in Bayern aufrechtzuerhalten. Wir werden also abhängiger von anderen Ländern. Es kommt aber noch schlimmer: Es wird dreckiger.

(Zuruf des Staatssekretärs Franz Josef Pschie- rer)

Dann kommt nämlich der schmutzige Kohlestrom. Auf Bundesebene steht die Große Koalition leider zusammen. Vorhin haben Sie sich doch noch gegenseitig gelobt, was Sie in diesen Bereichen alles gemeinsam machen. Sie haben leider auch gemeinsam dafür gesorgt, dass es in Deutschland keinen echten Kohleausstieg gibt. Damit kommt der dreckige Kohlestrom. Das ist Ihr Versagen!

(Beifall bei den GRÜNEN – Sandro Kirchner (CSU): Nordrhein-Westfalen!)

Wir GRÜNE wollen die Energiewende voranbringen. Das heißt ganz konkret: Weg mit Ihrem Windkraftverhinderungsgesetz. Nur weil ein Gesetz nicht gegen die Verfassung verstößt, ist es noch lange nicht sinnvoll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen den flexiblen Einsatz der Biogasanlagen in Bayern fördern.

(Sandro Kirchner (CSU): Die wollt ihr doch verhindern!)

Wir wollen, dass die Biogasanlagen nur noch dann laufen, wenn Wind und Sonne kein Angebot liefern. Es ist doch Unsinn, wenn das Wind- und Sonnenangebot ausreicht, zeitgleich eine Biogasanlage laufen zu lassen. Das muss bis 2022 erreicht sein. Wir wollen die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung in den Markt bringen. Wir wollen dafür ein Förderprogramm in Bayern haben. Vor allem wollen wir eines, womit die Energiewende viel zu tun hat: Wir wollen, dass die Menschen mitmachen können, dass sie sich gut beraten fühlen. Deshalb wollen wir ein flächendeckendes Netz von Energieagenturen in allen bayerischen Landkreisen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist ein Jahr her, seit Umweltministerin Ulrike Scharf ihre erste und einzige Regierungserklärung zum Thema Klimaschutz gehalten hat. Sie sprach davon, und zwar vollkommen richtig, dass in diesem Jahrhundert ein Temperaturanstieg um 4,5 Grad droht. Dieses Jahrhundert mag für einige von Ihnen vielleicht nach einer Ewigkeit klingen, das ist es aber nicht. Sie alle kennen das Kinderhaus des Bayerischen Landtags. An dieser Stelle ein Dank an die Präsidentin, die sich dafür eingesetzt hat. Auch ein Dank an die Mitarbeiterinnen dort, die wirklich eine tolle Betreuungsarbeit leisten. Es ist nämlich alles andere als eine Aufbewahrung, um dort seine kleinen Kinder abzugeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, für die Kinder, die dort heute gemeinsam spielen, gemeinsam lachen und vielleicht auch gemeinsam weinen, für diese Kinder ist dieses Jahrhundert nicht irgendwann, sondern das ist ihr Leben. Die Kinder, die heute im Kinderhaus spielen, das sind die Kinder Ihrer Kolleginnen und Kollegen, das sind die Kinder der geschätzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier im Hohen Haus. Das mögen auch Kinder der Landtagspresse sein. Diese Kinder werden diejenigen sein, die hier in Bayern mit den gravierenden Folgen der Erdüberhitzung zu kämpfen haben. Sie aber, die CSURegierung, tun trotz der Steuerrekordeinnahmen nichts für den Klimaschutz in Bayern. Dagegen nichts zu tun, ist eigentlich schon beschämend genug, Sie setzten aber sogar noch eines obendrauf: Mit Ihrem 10.000-Häuser-Programm fördern Sie den Austausch alter dreckiger Ölheizungen gegen neue dreckige Ölheizungen. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kol

legen, das ist kein Klimaschutz, das ist ein Klimaverbrechen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zu einem anderen wichtigen Zukunftsthema. Vielleicht ist auch Ihnen schon aufgefallen, dass kaum ein bayerischer Bürgermeister vor sein Rathaus treten kann, ohne auf Markus Söder zu treffen, der mit einem DSL-Förderbescheid und einem Kamerateam hinter seinem Rücken auftaucht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Thomas Kreuzer (CSU): Das ist Bürgernähe! – Karl Freller (CSU): Und die grünen Bürgermeister freuen sich! – Heiterkeit bei der CSU)

So ist das gerade in Bayern. Dort werden viele Millionen Euro ausgegeben. Markus Söder profitiert davon, die Ortschaften, die Städte aber leider nicht. Hier werden mit viel Geld alte Kupferleitungen aufgemotzt. Diese Technologie wird aber in ein paar Jahren schon veraltet sein. 300 bis 500 Megabit pro Sekunde wird bald die Richtgeschwindigkeit im Internet sein. Mit den alten Klingeldrähten der Telekom ist das nicht zu schaffen. Da ist wahrscheinlich bei 100 Megabit pro Sekunde Schluss. So droht uns vor allem auf dem Land ein Söder-Tempolimit im Netz. Tempo 100 auf den Straßen wäre ganz okay, im Netz aber nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Söders Tempolimit im Netz behindert nicht nur unsere Wirtschaft; es behindert auch in hohem Maße die Entwicklung im ländlichen Raum und ist damit komplett ungerecht und unsozial. Und es heißt auch, dass die Orte, die jetzt auf das Vectoring setzen, praktisch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten müssen, bis sie wirklich schnelles Internet bekommen. Wir GRÜNE sagen deshalb: Weg mit dem Söder-Tempolimit im Internet. Der Glasfaser gehört die Zukunft, und zwar flächendeckend in Bayern,

(Beifall bei den GRÜNEN)

flächendeckend bis zu jedem Haus. In zehn Jahren ist das zu schaffen, wenn man es wirklich will. Dann hätten wir die digitale Infrastruktur, die uns international konkurrenzfähig macht.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Das ist der erste Punkt, bei dem Sie recht haben!)

Und ich komme zu einem weiteren Punkt, bei dem Sie mir gleich noch mal recht geben werden – mit Sicherheit, jede Wette: Wer jeden Tag einen Förderbescheid überreicht, ist noch lang kein Stratege.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und Ab- geordneten der SPD)

Das stammt von Ihnen, Herr Ministerpräsident. Sie glauben ja gar nicht, wie sehr Sie damit recht haben.

(Zurufe von den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zu einem weiteren Thema, der Integration. Die SPD-Fraktion und die GRÜNEN-Fraktion haben darüber am vergangenen Donnerstag ausgiebig diskutiert, und Sie haben sich der Debatte verweigert. Trotz Ihrer Verweigerung ist durch Ihr Spaltungsgesetz klar geworden, dass Sie ein Riesenproblem mit allen Menschen haben, die nicht dem entsprechen, was Sie für sich als kulturell normal empfinden. Aber wie soll denn Integration gelingen, wenn die Zuwanderer an einer Art Leitkultur-Garderobe ihre kulturelle Identität abgeben müssen?

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Schauen Sie doch nach Berlin und Hamburg, wie es da läuft!)

Wir sind der Meinung: Dazu, dass Integration wirklich funktioniert und die Menschen Teil unserer Gemeinschaft werden, ist der erste Schritt – und das müssen Sie endlich mal begreifen –, dass Sie den Leuten nicht immer vermitteln, wir wollen sie eigentlich nicht hier haben. Eine moderne Gesellschaft bedeutet Vielfalt, und Vielfalt hält man mit dem Rechtsstaat zusammen, nicht mit Gleichmacherei durch einen kulturell normierten Leitkult. Gleiches Recht für alle, gleiche Regeln für alle – darauf kommt es an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zu einem finanziellen Schwerpunkt des Haushalts, zur Bildungspolitik. Da sind wir uns wahrscheinlich auch einig, und dann können Sie mir heute zum dritten Mal zustimmen.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Nein, das wäre dann erst das zweite Mal!)

Das dritte Mal kommt noch; da sind Sie dann auch dabei: Wir sind uns sicher alle darin einig, vor allem die Bildungspolitiker unter Ihnen: Kinder sind nicht deshalb dümmer, weil sie vom Land kommen oder weil ihr Papa oder ihre Mama nicht so viel Geld hat. Da sind wir uns doch einig. Aber die Chancen, Abitur zu machen, sind für diese Kinder deutlich schlechter, und das im reichen Bayern. Sie hängen vom Geldbeutel und vom Wohnort der Kinder ab. Das muss sich ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich weiß, einige von Ihnen denken jetzt wahrscheinlich: Es muss ja nicht jeder Abitur machen. – Ja, auch das stimmt: Nicht jeder muss Abitur machen. Aber ob einer Abitur machen möchte oder nicht, muss von seinem Willen und von seinen Fähigkeiten abhängen, darf nicht vom Wohnort bestimmt werden. Das muss unabhängig davon sein, ob ich in München oder in Bayerbach wohne, davon, ob mein Vater den Hauptschulabschluss oder das Abitur in der Tasche hat, davon, ob ich geduldet bin, ob meine Eltern aus der Türkei kommen oder ob ich in Bayern geboren bin,

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Das ist doch in der Realität so!)

unabhängig davon, ob der Papa Flüchtling oder Zahnarzt ist. Das ist Bildungsgerechtigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für uns GRÜNE heißt das, Kinder mitzunehmen und zu fördern, statt sie auszusortieren, Kinder zu fordern und zu ermutigen, statt sie zu entmutigen. So könnte Bildungsgerechtigkeit im reichen Bayern gelingen. Wir können es uns leisten, jeden dritten Euro für den Bildungsbereich auszugeben. Das ist sicherlich richtig, aber dazu gehört auch, das Geld richtig auszugeben. Es reicht nicht, einfach die Geldsumme in den Raum zu stellen. Ihnen fehlen einfach der Wille, der Mut und vor allem das Anpacken, um diese Herausforderung zu meistern.

(Beifall bei den GRÜNEN)