Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Als dritten Punkt nenne ich die Infrastruktur. Wir haben bei den Straßen und den Schienen einen großen Nachholbedarf. Eine historische Wahrheit, die nicht zu bezweifeln ist, lautet, dass SPD-Verkehrsminister, die zehn Jahre lang in Berlin regiert haben, diese Lücke verursacht haben.

(Beifall bei der CSU)

Damals ist nichts mehr gegangen. Erst nach der Übernahme durch die CSU-Verkehrsminister wurde wieder richtig investiert. Sie haben mit Zahlen so Ihre Schwierigkeiten. Wer aber Zahlen lesen kann, wird sehen, dass die Verkehrshaushalte im ersten Jahrzehnt immer nach unten gegangen sind. Sie kommen erst jetzt wieder hoch. Wir haben jetzt Gott sei Dank entsprechende finanzielle Mittel für die nächsten 15 Jahre, auch durch den Bundesverkehrswegeplan. In Bayern gehören dazu Schienenverbindungen, Autobahnen, die zweite Stammstrecke in München und die dritte Startbahn. Wir wissen: Eine Exportnation, die keine leistungsfähige Infrastruktur hat, wird auch in der Zukunft nicht mehr vorne dabei sein, meine Damen und Herren.

Als vierten wichtigen Aspekt nenne ich die Förderung von Start-ups, von Existenzgründungen, von jungen Unternehmen. Dafür haben wir eine ganze Reihe von Instrumentarien. Wir meinen, man muss bei der steuerlichen Förderung von jungen Unternehmen noch stärker rangehen, damit gerade die ersten Jahre der Existenzgründung, der Unternehmensgründung, des Aufbaues leichter sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine dynamische Volkswirtschaft wird nur dann ihre Dynamik entfalten, wenn es in diesem Prozess junge, bissige, kräftige, innovationsfreudige Unternehmen gibt, die auf die Märkte gehen und auf diese Art und Weise neue Märkte schaffen und eröffnen. Daher rufe ich den jungen Leuten zu: Habt den Mut, Existenzgründer zu sein! Wir brauchen Existenzgründungen.

(Beifall bei der CSU)

Fünftens möchte ich auf die Offenheit der Märkte und den freien Welthandel eingehen. Wir brauchen Ab

kommen wie zum Beispiel CETA. Wir brauchen auch ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich. Wir sollten außerdem ein Abkommen mit den USA anstreben, obwohl dies schwieriger geworden ist. Die SPD hat sich nach langem Bauchweh und Hin und Her dazu durchgerungen, dass wir das Abkommen mit Kanada ratifizieren. Die FREIEN WÄHLER sind in ihrer Holzschuhökonomie auf das Dorf orientiert. Aber wer die Zukunft will, muss auf den Weltmärkten sein, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU – Lachen bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Huber, denken Sie bitte an die Zeit?

Ja, ich sage wirklich nur noch einen Satz: Wir sind gut aufgestellt, und wir werden erfolgreich sein.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Bravo!)

Danke schön, Herr Huber. – Nächste Rednerin ist für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Karl. Bitte sehr.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Bayerns Wirtschaft hat einen guten Lauf.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Und ja, lieber Kollege Huber, Sie haben recht schön geredet. Aber mal ehrlich: Das alles haben wir in den letzten Jahren schon vielfach von Ihnen gehört. Es gibt also nichts Aktuelles von Ihnen unter der bayerischen Sonne.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allen Kennzahlen gibt es keinen Grund, sich selbstzufrieden zurückzulehnen, weder für die Staatsregierung noch für die CSU; denn eine starke Wirtschaft ist kein Selbstzweck, sondern muss dem Wohle der Bürgerinnen und Bürger dienen. Das sagt schon die Bayerische Verfassung. Natürlich können auf der einen Seite Gelder für Sozialleistungen nur dann ausgegeben werden, wenn sie vorher erwirtschaftet worden sind. Auf der anderen Seite darf aber wirtschaftlicher Erfolg nicht mit der Aufgabe von Sozialstandards oder Arbeitsschutzbedingungen erkauft werden. Kurzum: Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine aktive Wirtschaftspolitik muss dafür Sorge tragen, dass alle mitgenommen werden, auch die wirtschaftsschwächeren Regionen und auch die Menschen, die es im Leben nicht so leicht haben.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Selbst die von der CSU beauftragte Prognos-Studie stellt fest, dass sich in Bayern zwar die wirtschaftsstärksten Regionen in Deutschland befinden, aber auch periphere Räume, in denen es immer noch an Dynamik und Stärke fehlt. Wir haben zu diesem Thema im Landtag extra eine Enquete-Kommission eingerichtet. Darin ist deutlich geworden, dass wir eine effizientere regionale Wirtschaftsförderung brauchen, eine neue Ausrichtung von "Invest in Bavaria" und mehr freie Mittel für die Kommunen, um eine gute Infrastruktur und ein gutes Umfeld schaffen zu können. Die praktische Abschaffung der Landesplanung ist hier kein probater Weg.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Titel der heutigen Aktuellen Stunde enthält die Wörter: "Bayerns Wirtschaft … sozial". Da ist echt noch Luft nach oben. In Bayern sind 84.152 Menschen trotz Arbeit auf Hartz IV angewiesen. Am anderen Ende der Einkommensspanne bekommt eine Mitarbeiterin von VW zwölf Millionen nur dafür, dass sie vorzeitig geht, weil einfach die Chemie nicht stimmt. Ich sage Ihnen: Das kann ich im realen Leben niemandem mehr erklären. Da haben sich die Wertigkeiten verschoben, und zwar in eine komplett falsche Richtung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung hat festgestellt, dass die Hälfte aller Minijobber in Bayern – das sind ungefähr 600.000 Menschen – noch nicht einmal den Mindestlohn für ihre Arbeit erhält. Da wird getrickst und geschummelt, bei den Arbeitszeiten, bei Zusatzleistungen und bei vielem anderen. Ich fordere die Staatsregierung auf, diesen Missständen endlich ein Ende zu bereiten. Sorgen Sie für vernünftige Kontrollen und helfen Sie mit, dass der Zoll personell ausreichend aufgestockt wird!

(Beifall bei der SPD)

Die Zahl der Menschen, die Minijobs als Zweit- oder Drittjobs haben, um überhaupt noch über die Runden zu kommen, hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 4,6 % erhöht. Liebe Frau Aigner, bei einer derart stabilen Arbeitsmarktsituation ist es wirklich höchste Zeit,

die prekären und Niedriglohnjobs in den Blick zu nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Zur sozialen Realität in der Wirtschaft gehört auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich möchte nicht missverstanden werden. Ich möchte nicht, dass der Arbeitsfaktor Frau möglichst umfassend den Verwertungsinteressen der Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird. Ich möchte, dass Lebensentwürfe möglich gemacht werden. Bei meinen eigenen Kindern sehe ich: Für die Realisierung eines Kinderwunsches ist es nicht so entscheidend, ob man 150 Euro mehr oder weniger im Monat bekommt, sondern vor allen Dingen die Gewissheit, dass das eigene Kind gut betreut ist, wenn man dies braucht.

(Beifall bei der SPD)

Bayern hat gerade bei der Betreuung von Kindern unter zwei Jahren einen massiven Nachholbedarf. Wir erwarten hier eine große Initiative von uns allen für eine qualitätsvolle, kostenlose Kinderbetreuung, und zwar von dem Zeitpunkt an, zu dem die Eltern sie brauchen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Eine große Herausforderung für die Wirtschaft ist der drohende Fachkräftemangel. Gerade das Handwerk spürt jetzt schon die Auswirkungen des demografischen Wandels. Die Wirtschaft setzt deshalb zu Recht auch auf die Integration von Migranten und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Ich stelle fest: Hier ist die Wirtschaft deutlich weiter als die Staatsregierung; denn auf der einen Seite gibt es den wirklich löblichen Pakt der Staatsregierung mit der Wirtschaft "Integration durch Ausbildung und Arbeit", der ein großer Erfolg ist. Auf der anderen Seite unterläuft das Innenministerium durch ein Interministerielles Schreiben die 3-plus-2-Regelung durch eine Auslegung des Gesetzestextes, die den Sinn der Regelung vollkommen konterkariert. Der Sinn ist nämlich, geduldete junge Menschen nicht beschäftigungslos in Aufnahmeeinrichtungen hocken zu lassen, wo sie eh‘ nur auf dumme Ideen kommen, sondern sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sie den Lebensunterhalt selbst verdienen zu lassen, mit ihnen freie Lehrstellen zu besetzen und sie Fähigkeiten erwerben zu lassen, damit sie nach der Abschiebung in ihrem Heimatland sinnvoll am Aufbau mitwirken können.

(Beifall bei der SPD)

Allein die IHK Cham, mit der ich heute telefoniert habe, ist für 30 Afghanen zuständig, die erfolgreich die Berufsvorbereitungsklassen absolviert haben. Sie

wären jetzt so weit. Die Lehrherren stehen Schlange, um sie zu übernehmen. Sie dürfen das aber nicht, weil die Afghanen keine Arbeitserlaubnis bekommen. Sie machen sich bereit, wieder in der Aufnahmeeinrichtung herumzuhocken. Das ist wirklich Verschwendung von Ressourcen. Wozu richtet man eine Berufsintegrationsklasse ein, wenn die Schüler hinterher doch nur herumsitzen?

(Beifall bei der SPD – Markus Rinderspacher (SPD): Richtig!)

Eine weitere Herausforderung ist schon genannt worden: die Bedrohung des Freihandels, hier vor allen Dingen durch die US-Regierung. Mir erschließt sich nicht, wie man in diesem Zusammenhang Herrn Trump auch noch loben kann,

(Beifall bei der SPD)

zumal gerade die bayerische Wirtschaft mit über 50 % Exportanteil von seinem Kurs besonders betroffen ist. Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren, hierauf eine starke europäische Antwort zu finden.

Frau Ministerin, ein ganz wichtiges Thema ist der Schutz deutscher Schlüsseltechnologien und Kernkompetenzen. Hierzu hat unser ehemaliger Wirtschaftsminister Gabriel bereits vernünftige Vorschläge gemacht. Es ist purer Aktionismus, dass Sie jetzt ein Beratergremium schaffen wollen. Es gibt bereits den Außenwirtschaftsbeirat im Bundeswirtschaftsministerium. Wir brauchen nicht noch so eine "Quasselbude".

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Rad der technischen Entwicklung dreht sich rasant weiter. In diesem Bereich darf man nicht nur reden und ankündigen, sondern muss auch handeln, um im Boot zu bleiben. Frau Ministerin, Sie haben angekündigt, einen Innovationsbeirat zu gründen. Das klingt echt super. Aber wir haben bereits einen Digitalisierungsbeirat; in diesem bin ich selber Mitglied. Deswegen weiß ich, dass dieser nur alle heiligen Zeiten tagt. Beiräte zu installieren, ist so, wie 10-Punkte-Programme aufzustellen. Das suggeriert Aktivität, bringt aber erst mal überhaupt nichts. Deshalb fordern wir konkrete Maßnahmen. Setzen Sie in der Bundesregierung endlich die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung in kleinen und mittleren Unternehmen durch. Sie stellen schließlich den Finanzminister, und Sie hätten uns dabei auf Ihrer Seite und auch unsere komplette Bundestagsfraktion.

Führen Sie eine regelmäßige Überprüfung der Technologieförderprogramme durch. Kontrollieren Sie, ob diese noch zeitgemäß sind, ob nachgebessert werden muss bzw. ob es neue Fördertatbestände gibt und ob

es neue Zuschnitte braucht. All diese Programme müssen mit dem technischen Fortschritt mitwachsen.

Digitalisierung Bayerns: In den letzten Sitzungen hier ist zum Thema Breitbandausbau schon alles gesagt worden. Wir freuen uns, dass auch die CSU erkannt hat, dass die bayerische Wirtschaft 100 Mbit/s und mehr braucht. Schön wäre es, wenn uns die CSU immer gleich folgen würde. Das würde Zeit sparen.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): So ist es!)

Das Gleiche gilt für den Ausbau des Mobilfunknetzes. Auch in diesem Bereich haben wir bereits Anträge gestellt. Das nächste Mal sollten Sie die Anträge nicht erst ablehnen, sondern gleich umsetzen. Das geht schneller.

(Beifall bei der SPD)

Des Weiteren ist auch über die Gründerszene in Bayern bereits gesprochen worden. Diese ist noch deutlich ausbaufähig. Diesem Bereich muss noch mit viel Aufmerksamkeit begegnet werden. Die digitalen Gründerzentren sind sicher ein guter Ansatz. Hier können wir ein Stück weiterkommen. Digitalisierung Bayerns heißt aber auch, dass wir uns Gedanken machen müssen, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt, das Arbeitsrecht und die Arbeitskräfte hat. Einerseits sind flexible Arbeitszeitmodelle eine wahnsinnige Chance, andererseits dürfen sie nicht dazu genutzt werden, Arbeitsschutzbestimmungen im Bereich der Arbeitszeiten zu unterlaufen. Die Tarifpartner müssen die Arbeitsschutzbestimmungen für die Zukunft fit machen, dürfen aber nicht die Standards schleifen.

Zum Schluss sei noch etwas zur Infrastruktur gesagt. Wir brauchen eine vernünftige Infrastruktur. Wir haben viele marode Staatsstraßen und marode Brücken. In diesem Bereich gibt es viel zu tun. Die Schienen- und Flughafeninfrastruktur muss den gestiegenen Anforderungen angepasst werden. Hier werden wir hoffentlich gemeinsam die Pläne im Bund umsetzen. In diesem Sinne: Packen wir es an!

(Beifall bei der SPD)