Protokoll der Sitzung vom 22.02.2017

Diese Qualifikationsanforderungen an Handwerksberufe beeinträchtigen unserer Meinung nach gerade nicht die Mobilität von Selbstständigen und Beschäf

tigten im europäischen Binnenmarkt; denn diese ist durch die Richtlinie zur Anerkennung von Berufsqualifikationen bereits geregelt. Bei der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen gilt schon jetzt überwiegend der Grundsatz der automatischen Anerkennung.

Ähnliches gilt bei den Qualifikationsanforderungen in reglementierten Berufen wie bei Ingenieuren oder Architekten. Es gibt deshalb unserer Meinung nach keinen Grund, in den Bereichen Ausbildung und Bildung in die Souveränität der Mitgliedstaaten einzugreifen und hier neue Regelungen einzufordern. Die bestehenden Regelungen auf EU-Ebene sind ausreichend. Wir werden beiden Anträgen zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nun hat für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Celina das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und den FREIEN WÄHLERN, ich wundere mich heute schon, wo Sie Ihre Prioritäten im Hinblick auf die EU sowie auf deutsche Bürger und Unternehmer setzen. Wir haben vielleicht bald wieder eine Eurokrise. Wir stehen kurz vor den Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich. In beiden Ländern werden rechtspopulistischen Kandidatinnen und Kandidaten gute Chancen eingeräumt, die Wahlen zu gewinnen. Wenn Geert Wilders und Marine Le Pen die Wahlen gewinnen, wird uns die EU so was von um die Ohren fliegen, und dann ist der Meisterzwang nur noch ein marginales Problem, und das wissen Sie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Doch statt sich für ein starkes Europa der Bürger zu engagieren, bleiben Sie darin stecken, die Entwicklung einer neuen EU-Richtlinie zu mehr Transparenz im Dienstleistungsbereich anzugreifen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich auch ansonsten über Ihren Antrag gewundert: Die CSU schreibt in der Begründung ihres Antrags lauter kluge Dinge, aber die Überschrift ihres Antrags passt nicht dazu und trifft einfach nicht den Kern der vorgelegten Dienstleistungsrichtlinie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In der Begründung Ihres Antrags schreiben Sie doch ganz konkret, die Europäische Kommission habe ein Maßnahmenpaket vorgelegt, um es Unternehmen und Freiberuflern zu erleichtern, Dienstleistungen zu er

bringen. Genau darum geht es doch. Wir leben alle gern in einem Europa, das für Freizügigkeit steht, für Freiheit in einem großen Wirtschaftsraum, in dem die vier Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes gelten: der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Danach ist es den EUStaaten doch jetzt schon verboten, den grenzüberschreitenden Handel mit Waren zu beschränken oder ausländische Anbieter von Dienstleistungen zu behindern, und danach sind doch schon jetzt Ausnahmen nur aus triftigem Grund möglich, zum Beispiel, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder den Gesundheitsschutz umzusetzen oder nationale Kulturgüter zu schützen. Die EU-Bürger können doch jetzt schon in jedem Mitgliedsland arbeiten oder investieren. Zu diesen Grundlagen der EU stehen Sie doch auch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daran ändert diese neue Richtlinie doch überhaupt nichts. Ziel dieser Richtlinie ist es – Sie sagen es korrekt –, neue Impulse für den Dienstleistungssektor zu setzen, die Verbrauchern, Arbeitsuchenden und Unternehmern zugutekommen und dadurch das Wirtschaftswachstum in Europa ankurbeln. Die Vorschläge der EU zielen doch nicht darauf ab, den Meisterbrief oder die Kammern abzuschaffen oder unsere hohen Qualitätsstandards bei der Ausbildung anzutasten. Das haben Sie doch längst zugegeben, Herr Straub. Sie greifen auch nicht massiv ein, Herr Häusler. Dort, wo wir hohe Qualität liefern, dürfen wir diese doch auch weiter liefern, und ich sage als GRÜNE ganz klar: Wir stehen zu der Qualitätsarbeit, die unsere Meister, unsere Azubis und unsere Kammern liefern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber fragen Sie bitte mal die Bürger, die einen Handwerker suchen und keinen finden, weil unsere Betriebe bis zum Gehtnichtmehr ausgelastet sind. Der Bürger wäre froh, wenn er einen italienischen Handwerker fände, der hier den Job übernähme und dieser wüsste gern, welche Voraussetzungen hier gelten, um arbeiten zu dürfen. Fakt ist: Wenn jemand einen Handwerker sucht und keinen findet, dann wird der Job entweder gar nicht oder durch einen unqualifizierten Schwarzarbeiter erledigt, an der Steuer vorbei, und das können Sie so doch nicht wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Häusler, Sie haben das Beispiel der spanischen Fliesenlegerfirma genannt, die keine gute Leistung erbracht hat. Das ist doch genau der Grund, warum wir Schadenersatzforderungen über Landesgrenzen hinaus ermöglichen und erleichtern müssen: damit die spanische Fliesenlegerfirma Schadenersatz zahlt,

wenn sie schlechte Leistungen abliefert. Aber wir müssen deshalb nicht diese Dienstleistungsrichtlinie blockieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Abschottung ist der falsche Weg. Dort, wo es Subsidiaritätsverletzungen geben könnte, müssen wir natürlich prüfen, und dort sind wir GRÜNEN auch dafür, nämlich, wenn es um das sogenannte Notifizierungsverfahren oder die Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung geht. Aber die Einführung einer europäischen elektronischen Dienstleistungskarte blockieren zu wollen, ein vereinfachtes Verwaltungsverfahren für die Genehmigung einer grenzüberschreitenden Dienstleistungstätigkeit blockieren zu wollen, widerspricht eindeutig der von uns allen unterstützten Freizügigkeit in der EU. Es schränkt auch unsere Freiberufler und Handwerker im Ausland ein, und ich frage mich, ob Sie das ernsthaft wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie gesagt, wir schätzen die Kammern sehr. Ich schätze die Menschen, die sich in den Kammern engagieren. Ich schätze die, die eine lange Ausbildung auf sich nehmen, die die Azubis gut ausbilden und ihren Beruf verantwortungsvoll ausüben. Die hohen Qualitätsmaßstäbe und die gute Ausbildung, die wir in Deutschland seit vielen Jahren umgesetzt haben, sind ein Basiselement für unseren wirtschaftlichen Erfolg. Aber das mit Abschottung schützen zu wollen und einen falschen Titel über den Antrag zu schreiben, ist gerade jetzt, während es in der EU noch um ganz andere Themen geht und gehen müsste, einfach zu kurz gesprungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, bleiben Sie bitte hier. – Vielen Dank. Es gibt eine Zwischenbemerkung des Kollegen Straub, bitte.

Sehr geehrte Frau Celina, ich bin jetzt, ehrlich gesagt, ein wenig schockiert. Ich glaube, Sie haben da überhaupt nichts gelesen. Erst einmal steht natürlich die CSU klar zur EU, aber die CSU steht auch klar zu ihren Handwerkern und zu den freien Berufen. Wir wollen uns außerdem nicht abschotten, sondern wir wollen, im Gegenteil, die hohe Qualität der Berufsausbildung in Deutschland erhalten, und wir wollen die Meisterpflicht erhalten. Gleichzeitig fordern wir die Staatsregierung auf, mehr Transparenz in die Berufsreglementierungen zu bringen. Aber Sie greifen viel zu weit. Was Sie alles in die ganze Geschichte hineininterpretieren, ist fast Wahnsinn.

Wollen Sie sagen, dass dieser Antrag weniger Bürokratie bringt? Mir ist noch nicht bekannt geworden, dass, wenn ich eine zusätzliche Behörde schaffe, eine sogenannte Koordinierungsbehörde, die Bürokratie geringer wird. Ich möchte mir nicht von einem anderen Mitgliedstaat Karten ausstellen lassen, die es ermöglichen, dass hier bei uns in Deutschland der Standard der Reglementierung festgelegt wird. Ich dachte, dieser Antrag sei ganz klar. Ich glaube, wir sollten hier an der Seite unserer Handwerker und unserer freien Berufe stehen, nicht mehr und nicht weniger. Anscheinend sind Sie nicht vom Fach. Anscheinend waren Sie noch nie im Handwerk unterwegs.

(Beifall bei der CSU – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Vorsicht!)

Was Sie hier gesagt haben, hat mit unserem Antrag erst mal gar nichts zu tun. Mit dem Vorwurf an eine europafreundliche Partei, mit diesem Antrag Abschottung zu betreiben, sind Sie weit weg von der Realität.

(Beifall bei der CSU)

Nicht ich interpretiere zu viel in Ihren Antrag hinein, sondern Sie interpretieren viel zu viel in diese Richtlinie hinein.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CSU)

Ich habe ganz klar gesagt, dass wir für die hohen Qualitätsstandards sind, dass wir für die duale Ausbildung sind, dass unsere Kammern gute Arbeit leisten, dass wir hinter unseren Handwerkern stehen und dass niemand an dieser hohen Qualität rütteln möchte. Das habe ich ganz klar gesagt. Ich glaube, es geht zu weit, mir da etwas Falsches hineininterpretieren zu wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, verbleiben Sie bitte noch. Der Herr Kollege Glauber hat sich noch für eine Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte, Herr Kollege.

Kollegin Celina, Sie sprechen davon, dass Europa durch unser Verhalten beeinträchtigt werde. Ich glaube, dass sich die Europäische Union um ganz entscheidende Dinge in Europa kümmern sollte. Aber sie sollte nicht in Ländern mit wertvollen Standards eingreifen. Ich halte das für grundverkehrt. Wenn wir ein gutes, gemeinsames und in die Zukunft gerichtetes Europa wollen, dann dürfen wir genau das nicht tun; denn die Menschen im Land verstehen nicht, dass wir unsere guten Standards durch eine europäische Nivellierung gleichmachen wollen. Das versteht niemand.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Bevor Sie antworten, sage ich Ihnen etwas aus meiner beruflichen Praxis. Es war verkehrt, den Fliesenlegermeister abzuschaffen. Es ist verkehrt, glauben Sie es mir.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das hat nicht Europa gemacht!)

Ja, aber es ist ein Vollzug des europäischen Rechts. Natürlich ist es so. Auch den Diplomingenieur haben mit Sicherheit nicht wir abgeschafft. Das sind Fehler, die letztendlich unserer Wirtschaft, unserem Mittelstand, auf die Füße fallen. Im Fliesenhandwerk fehlt der ausgebildete Nachwuchs. Genau das stärkt das duale System: Wir brauchen den Meister, wir brauchen die Ausbildung. Dann haben wir Vollbeschäftigung. Dann haben wir die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Deshalb will ich bitte keine Gleichmacherei, sondern man soll sich an den hohen Standards eines Lands messen lassen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Sehr geehrter Kollege, wenn Sie zum Friseur gehen, gehen Sie dann zum Meister oder zum Azubi,

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN – Hans-Ul- rich Pfaffmann (SPD): Das kommt darauf an!)

der den billigen Termin macht, um die Haare günstig schneiden zu können? Überlegen Sie sich genau, welche Qualität Sie haben möchten, und sind Sie dann bereit, für die bessere Qualität den höheren Preis zu zahlen? Das kann jeder mündige Bürger machen, und das wird jeder mündige Bürger machen. Ich bin stolz auf die Qualität unserer Betriebe. Deren Qualität wird durch diese Richtlinie der EU, die vorgeschlagen wird, nicht gefährdet. Das ist der Punkt. Das ist es, was hier deutlich gesagt werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, bitte am Rednerpult verbleiben! Frau Kollegin!

(Kerstin Celina (GRÜNE): Ich wollte nicht den ganzen Betrieb aufhalten.)

Es besteht die Möglichkeit zu drei Zwischenbemerkungen. Diese wird jetzt ausgeschöpft. Herr Kollege Pfaffmann, bitte.

Frau Kollegin Celina, würden Sie vielleicht den Vorrednern von CSU und jetzt FREIEN WÄHLERN noch einmal erklären, dass in Europa oder in der Kommission kein Mensch die Meisterprüfung in Bayern abzuschaffen in der Lage ist oder es will.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ja, ganz genau!