Protokoll der Sitzung vom 22.02.2017

Ja, ganz genau!

Vielmehr geht es darum, eine Dienstleistungsrichtlinie auf der Metaebene zu befördern, um die Wirtschaft in Gesamteuropa anzukurbeln, und zwar durch verschiedene Maßnahmen. Es geht also gar nicht darum, dass irgendein verrückt gewordener Kommissar in Brüssel sagt: Den Bayern zeigen wir es jetzt. Wir schaffen jetzt deren Meisterprüfung ab. – Das hat sich nämlich so angehört. Die Kollegen argumentieren so. Es soll noch einmal klargestellt werden, dass diese Dienstleistungsrichtlinie keine "Lex-Bayern-Meisterprüfungsrichtlinie" ist.

Gleichwohl ist der Antrag, der aus anderen Gründen gestellt worden ist, in der Sache und isoliert betrachtet natürlich richtig. Kein Mensch in diesem Haus will den hohen Standard der Meisterprüfung oder der Ausbildung abschaffen. In diesem Sinne kann man dem Antrag zustimmen. Das werden wir auch tun. Das hat die Kollegin Karl schon gesagt. Aber wir sollten die Kirche im Dorf lassen und nicht bei jeder Zuckung, die in Brüssel vollführt wird, den Untergang des bayerischen Volkes an die Wand malen. In fast keiner Dienstleistungsrichtlinie oder sonstigen Verordnung, die in Brüssel fabriziert wird, wird ein direkt verpflichtender Vollzug vorgeschlagen, der bis nach Bayern durchschlägt. Das ist fast nirgends der Fall. Wir interpretieren das immer gern hinein. Mit diesen modischen Angriffen auf die Brüsseler Kommission kann man momentan Staat machen und politisch Kapital daraus schlagen. Aber in der Sache ist das eine ganz andere Frage.

Sehr geehrter Kollege, es würde mich jetzt wirklich reizen, all das den Kollegen noch mal zu erklären und zu bestätigen. Aber ich glaube, dann habe ich heute hier keinen guten Abend. Ich kann alles bestätigen, was Sie gerade gesagt haben. Wir werden den Antrag nicht ablehnen, sondern uns enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Jetzt hat für die Staatsregierung Frau Staatsministerin Aig

ner um das Wort gebeten. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich mich bedanken, dass wir heute – ich glaube sinnvollerweise – über dieses Thema diskutieren. Ich bedanke mich für die breite überwiegende Unterstützung aus offensichtlich allen Fraktionen. Das halte ich auch deshalb für besonders bemerkenswert – das muss ich jetzt mal sagen –, weil es in diesem Raum nicht allzu viele Handwerker gibt. Es gibt viele Freiberufler, aber aus dem Handwerksbereich gibt es hier, wenn ich das richtig weiß, nur drei Meister.

(Isabell Zacharias (SPD): Ich bin auch eine Meisterin!)

Vier. Deswegen habe ich "wenn ich das richtig weiß" gesagt. – Es sind also nicht allzu viele, die selbst diese Berufsausbildung durchlaufen haben. Das finde ich deshalb besonders positiv und bemerkenswert. Das wollte ich ausdrücklich hervorheben.

Zweitens. Frau Celina, Sie haben gefragt, ob wir nicht meinen, dass es wichtigere Probleme gibt. – Ja, diese gibt es durchaus. Umso unverständlicher ist mir, dass die Regelungen, die eigentlich jetzt schon bestehen, noch mal auf die Tagesordnung gesetzt werden. Es gibt meines Erachtens keinen zwingenden Grund, diese Richtlinie überhaupt anzupacken, um irgendwo mehr Wirtschaftswachstum zu generieren. Das sehe ich definitiv anders. Lieber Herr Pfaffmann, glauben Sie mir: Ich habe in meinem politischen Leben ein paar Richtlinien umsetzen dürfen. Natürlich müssen Sie Richtlinien umsetzen. Wie Sie sie ausgestalten, liegt immer in der nationalen Hoheit.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Es gibt aber keine Vorgabe zur Abschottung der Meisterprüfung! Die gibt es nicht!)

Aber Sie müssen die Vorgaben natürlich umsetzen.

(Zuruf von der SPD)

Doch, glauben Sie es mir. In Richtlinien – da könnte ich Ihnen viele Beispiele nennen – wird einiges abverlangt.

Jetzt geht es noch mal um die Sache. Natürlich wird hier nicht der Meister abgeschafft. Sie dürfen den Meister weiterführen, auch als Qualitätsmerkmal. Aber allein darum geht es letztendlich nicht, sondern es geht darum, ob der Vorbehalt, dass Sie einen Betrieb nur als Meister oder mit einer vergleichbaren Ausbildung aufmachen dürfen, möglich ist. Wenn Sie

noch eines Beweises bedürften, dass der Schuss nach hinten losgeht, wenn man dies entkoppelt, dann sind das die Fliesenleger. Bei den Fliesenlegern kann man es am besten ablesen. Definitiv.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄH- LERN)

Natürlich können Sie den Meister machen. Aber welches Interesse hat man als Meister in Zukunft noch daran, die Ausbildung zu machen? – Keines. Man hat gesehen, wie die Ausbildungszahlen zurückgegangen sind.

Auch das Dritte kann ich ausdrücklich sagen: Der Qualitätsmaßstab hat seinen Sinn. Es macht überhaupt keinen Sinn, zu fragen, ob man zum Lehrling zum Haareschneiden geht. Der Lehrling muss von irgendjemanden ausgebildet werden. Ich kann Ihnen nur sagen, dass das eine große Qualitätssteigerung für Deutschland, für Bayern und diejenigen Länder bedeuten sollte, die eine berufliche Qualifikation haben. Ich kann eine Öffnung für das Handwerk dezidiert ablehnen. Deshalb geht es zum einen um Folgendes: Ist es notwendig? – Dazu sage ich Nein. Zum anderen frage ich: Ist es für uns zwingend erforderlich, dass wir dabei einen hohen Qualitätsstandard in der Zukunft haben? – Er hat etwas mit dem Meister zu tun. Er hat etwas mit der Ausbildung zu tun. Wenn jemand bei uns diese Qualitätsstandards erfüllt, kann er sich heute schon anmelden. Dann kann er seine Ausbildung nachweisen und sich niederlassen. Aber ich bin nicht dafür, dass wir diese Qualitätsstandards absenken. Das halte ich für falsch.

(Beifall bei der CSU und des Abgeordneten Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER))

Sie führten an, mehr Flexibilität sei im Sinne Europas. Ich kann nur sagen: Dass wir ein Erfolgsmodell haben, zeigt sich in den deutschsprachigen Ländern. Das Erfolgsmodell, mit dem junge Menschen bei uns ausgebildet worden sind, steht in einer zwingenden Verbindung zu diesem Bereich.

Ich sage Ihnen noch einmal, wie wir dieses berufliche Qualifikationssystem in andere Länder transportieren können: Dazu braucht man Arbeitgeber, die Geld in die Hand nehmen, um junge Menschen auszubilden. Diese Kultur gibt es nur in den deutschsprachigen Ländern, in denen es die berufliche Qualifikation gibt. Deshalb funktioniert die berufliche Qualifikation in anderen Ländern nicht. Dort erwarten die Arbeitgeber, dass die Kräfte von der Schule bzw. vom Staat ausgebildet werden. Das kaputt zu machen, halte ich für einen schweren Fehler.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das will doch keiner!)

Deshalb spreche ich mich persönlich dagegen aus – genauso wie die Staatsregierung und wahrscheinlich auch die Bundesregierung in der jetzigen Konstellation.

(Beifall bei der CSU – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Eine postfaktische Argumentation!)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Die Anträge werden wieder getrennt. Wer dem Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 17/15591 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – CSU, SPD und FREIE WÄHLER. Ich bitte Gegenstimmen anzuzeigen. – Keine. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/15607 der Fraktion der FREIEN WÄHLER seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der FREIEN WÄHLER. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich rufe jetzt zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Bernhard Roos, Annette Karl u. a. und Fraktion (SPD) Pläne zur Einführung der PkwMaut nicht weiter verfolgen (Drs. 17/15592)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) PkwMaut verhindern kein Einstieg in die Nutzerfinanzierung von Straßen (Drs. 17/15608)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und darf als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Roos das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht autori- siert) Werte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Wir haben uns wiederholt mit der sogenannten Ausländermaut, also der Infrastrukturabgabe befasst. Wiederholt bekamen wir aus dem

Bundesverkehrsministerium, aus dem Hause Dobrindt, die Auskunft: Wir bekommen das schon hin. Die Kriterien werden im Einklang mit dem Koalitionsvertrag der Großen Koalition vom Herbst 2013 stehen. Es gab viele Ankündigungen, aber nur wenige belastbare Ergebnisse. Das wird vor allem deutlich, wenn man den Maßstab anlegt, welche Entlastungen es für den Steuerzahler geben wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man sollte Politik erfolgsorientiert betreiben. Herr Ministerpräsident Seehofer ist nicht im Raum, aber wie man hört, wird Herr Dobrindt beim politischen Aschermittwoch in Passau, meiner Heimatstadt, sprechen. Es heißt, er sei deswegen ausgewählt worden, weil er ein strategischer Kopf ist.

Es gibt drei Kriterien, nämlich erstens die EU-Konformität der sogenannten Ausländermaut oder Infrastrukturabgabe, zweitens ein auskömmliches Ergebnis – es sollen genügend finanzielle Mittel für den Straßenbau zur Verfügung stehen –, und drittens sollen die deutschen Autofahrer nicht überproportional belastet werden. In allen drei Kategorien reißt Herr Dobrindt die Latte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn dreimal ein Minus dasteht, kommt selbst beim Rechnen kein Plus heraus. Dreimal minus ist minus. Herr Dobrindt kann sich den wunderbaren Titel des Minusweltmeisters in dieser Frage ans Revers heften.

Ich werde das belegen. Zur EU-Konformität: Obwohl der Deutsche Bundestag dieses neue Konzept beschlossen hat, sagen die eigenen Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, dass das nicht EU-konform sei und dass es nach wie vor eine Benachteiligung ausländischer Pkw-Nutzer gebe.

Beim zweiten Kriterium des hohen Aufkommens ist der Aufschrei noch viel größer. Der ADAC sagt, dass es im Jahr 2019, also im ersten Jahr des Inkrafttretens nach den Plänen Dobrindts, ein Minus in Höhe von 71 Millionen Euro geben werde. Im Jahr 2023 werde dieses Minus 251 Millionen Euro betragen. Ich will mich nicht um eine Million Euro mehr oder weniger streiten. Das ist auf alle Fälle ein Minusgeschäft wegen des Aufwands, den man für Pickerl und Co treiben muss.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Vom Redner nicht autori- siert) Am Ende bitte.

Am Ende, gut.

(Vom Redner nicht autori- siert) Weitere Organisationen kommen zu einem ähn

lichen Ergebnis, etwa das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft oder auch der ACE, der Automobilclub der Gewerkschaften.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum dritten Kriterium: Wie sieht es mit der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bei uns aus? Da gibt es zum einen ein soziales Ungleichgewicht, weil diejenigen, die einen "Stinker" fahren müssen, weil sie sich nicht mehr leisten können, eher belastet werden. Hinzukommt, dass es nach der Rechnung, nach der im Jahr 2016 sage und schreibe 95 % der neu zugelassenen Autos Euro-6-Standard hatten, völlig irrsinnig ist, dies noch weiter zu befeuern und zu befördern. Das ist der Standard, den wir nicht mit Steuergeschenken auskleiden müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen ein klares Bekenntnis, Wahrheit und Wahrhaftigkeit, dass wir eine Nutzerfinanzierung wollen. Der beste Beleg dafür ist die Lkw-Maut, die wir in mehreren Stufen "hochpolieren". Es gibt weitere Möglichkeiten dafür in der nächsten Legislaturperiode, etwa die Maut für Fahrzeuge mit einem Gewicht zwischen 3,5 Tonnen und 7,5 Tonnen oder auch die Fernbusmaut. Das ist der richtige Weg. Wir sollten zu einem klaren Votum kommen, die Bürgerinnen und Bürger nicht dadurch zu besänftigen, dass wir ihnen Sand in die Augen streuen, und endlich sagen, dass die "bösen Ausländer" auch zahlen müssen, sondern es muss heißen "Butter bei die Fische", damit wirklich etwas für die Infrastruktur dabei herauskommt; denn das ist bitter notwendig.

Aus diesem Grunde bitte ich, unserem Antrag zuzustimmen. Beim Antrag der FREIEN WÄHLER werden wir uns nolens volens enthalten, da sie die Nutzerfinanzierung komplett ablehnen, obwohl das der richtige Weg ist.

Ich appelliere an die rechte Seite des Hauses: Stimmen Sie unserem Antrag zu und beerdigen Sie – ich habe heute keinen schwarzen Anzug an – dieses unselige Projekt der Ausländermaut.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Weidenbusch hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.