Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

Ich bitte, entweder die Gespräche einzustellen oder die Gespräche, die jetzt im Stehen stattfinden, draußen zu führen.

Bitte, Kollege Hanisch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anzahl der Mitglieder in dieser Plenarsitzung hat sich deutlich verringert. Ich gehe davon aus, dass der Kanal weniger interessant ist als G 8 bzw. G 9.

Trotzdem haben wir ein großes Problem, was die kommunale Ebene und letztlich auch den Bürger anbelangt, der nämlich die Kosten zahlen muss. Der Staat hat in der Vergangenheit Abwasserbeseitigungsanlagen, die von den Kommunen gebaut werden, mit Zuschüssen gefördert. Das war eine tolle Geschichte. Jetzt geht es darum, dass diese Kanäle in die Jahre gekommen sind und saniert werden müssen. Hierbei lässt der Staat die Kommunen mit Ausnahme dieser Härtefallregelung weitgehend im Stich. Einen ähnlichen Antrag haben wir schon einmal gestellt. Daraufhin kam dann mit einem gewissen zeitlichen Abstand die Härtefallregelung, die bestimmten Kommunen, aber nicht der Masse der Kommunen zugutekommt. Deshalb wollen wir über dieses Thema heute noch einmal diskutieren.

Ich bin dankbar dafür, dass sowohl die SPD als auch die CSU noch eigene Anträge eingebracht haben. Wir werden beiden Anträgen zustimmen, weil sie in die gleiche Richtung gehen. Der Antrag der CSU ist allerdings etwas schwächer, da in ihm nur ein Bericht darüber gewünscht wird, welche Möglichkeiten sich bieten könnten. Der Antrag der SPD geht relativ stark ins Detail. Ich glaube aber, dass die Richtung in allen Anträgen in Ordnung ist.

Wo liegt das Problem, meine Damen und Herren? – Wir haben ein riesengroßes Problem damit, dass wir in unserem Flächenstaat Bayern kleine Kommunen und auch mittelgroße Kommunen haben, die sogenannte Flächenkommunen sind, das heißt: ein kleines bis mittelgroßes Zentrum und in kilometerweiten Abständen Ortsteile mit 10, 20 oder 30 Häusern. Die Kommune muss die Kosten des Kanalsystems auf die Anlieger, auf die Bürger umlegen. Das heißt, die Kommune finanziert die Kosten vor, aber tragen muss sie letztlich der Bürger. Daher besteht natürlich ein Unterschied zwischen einer kompakt gewachsenen Gemeinde und einer Flächengemeinde. Damit die Flächengemeinde ihre Satelliten draußen erreicht, baut

sie kilometerweite Kanalstränge, die letztlich vom Bürger bezahlt werden müssen, weil es sich um kostendeckende Einrichtungen handelt und deshalb die Kosten auf den Bürger umgelegt werden müssen.

Hier wollen wir ansetzen, meine Damen und Herren. Diese Bürger draußen zahlen in Bayern – ich kann Ihnen die Zahlen und die Kommunen nennen – teilweise das Drei- bis Vierfache dessen, was die Bürger kompakter Kommunen zahlen. Meine Damen und Herren, das ist etwas, was wir nicht verstehen können. Wir glauben: Hier müssen wir den Bürger entlasten, wenn wir der Prämisse "Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern" gerecht werden wollen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, die jetzige Regelung mit den Härtefällen ist zu kurz gesprungen. Es muss mehr getan werden. Hier ist der Staat in der Verantwortung. In die Bayerische Verfassung das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse für alle hineinzuschreiben, ist zu wenig. Das muss auch mit Leben erfüllt werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, wir haben zwei grundsätzliche Probleme: Das eine sind die Kosten, das andere sind die veralteten Anlagen, die eine Gefahr darstellen; denn wenn ein Kanal undicht ist, besteht die Gefahr, dass Wasser in den Untergrund eintritt. Wenn Abwasser in den Untergrund eintritt, treten natürlich auch die sich im Abwasser befindlichen Verunreinigungen in den Untergrund ein. Das ist etwas, was wir nicht wollen.

Lassen Sie mich zum ersten Punkt, zu den Kosten, zurückkommen. Die Flächengemeinden haben einen Nachteil. Wir haben die Situation, dass die Kosten abzüglich der staatlichen Zuschüsse zu 100 % auf den Bürger umgelegt werden müssen und dass in Bayern deutliche Unterschiede bestehen, was die Kosten anbelangt. Das wollen wir nicht. Das müssen wir angleichen. Wir haben die Situation, dass die Kosten in Flächenkommunen wesentlich höher als in dicht besiedelten Gebieten sind. Dies geht zulasten des Bürgers, meine Damen und Herren.

Seit Jahren wird vieles gefordert und gebaut, zum Beispiel Reinigungsstufen. Viele Kommunen sind dazu aber nicht in der Lage, weil sie erstens das Geld hierfür nicht haben und zweitens den Bürger nicht durch Vorauszahlungen vorher zur Kasse bitten wollen oder können. Für diese Kommunen besteht ein echtes Problem. Wir sollten uns überlegen, was wir tun.

Ich bin der Auffassung: Abwasserbeseitigung muss sich an den neuen Anforderungen messen und diesen neuen Anforderungen gerecht werden. Wir müssen veraltete Klärwerke und veraltete Kanäle ausbessern. Hier muss gehandelt werden. Es kann nicht sein, dass die Kommunen einen Berg von Milliardenbeträgen vor sich herschieben, wohl wissend, welche Gefahren damit verbunden sind, während vonseiten des Staates wenig getan wird.

Eines ist sicher – das sagen uns die kommunalen Spitzenverbände immer wieder –: Die Kommunen sind in der Masse nicht in der Lage, diese Kosten aufzubringen und den Bürger mit diesen Kosten zu belasten. Dies führt, wie ich Ihnen zu erklären versucht habe, zu Ungerechtigkeiten in der Bevölkerung. Wer in der Stadt wohnt, hat gegenüber demjenigen im ländlichen Raum Vorteile. Dem müssen wir gerecht werden. Diese Differenz müssen wir durch staatliche Mittel ausgleichen. Das ist unsere Pflichtaufgabe, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der Gemeindetag hat in seiner jüngsten Stellungnahme zu Beginn dieses Jahres ganz deutlich gesagt, dass die Fördersätze von den tatsächlichen Sanierungskosten weit abweichen. Tragen wir dem Rechnung. Tragen wir den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände Rechnung. Tun wir auf diesem Gebiet etwas, meine Damen und Herren. Ich bin überzeugt davon: Das lohnt sich.

Ich habe vorhin schon signalisiert: Den eingereichten Anträgen von SPD und CSU werden wir zustimmen. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege – – Nein, zuerst kommt die CSU-Fraktion dran. Kollege Flierl, bitte.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Der ist noch nicht Mitglied bei uns!)

Nein. Ich wollte Herrn Kollegen Scheuenstuhl vorziehen. Jetzt kommt aber erst der Kollege von der CSU-Fraktion. Bitte schön.

Werte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Scheuenstuhl, ich glaube, Sie werden es nicht mehr erleben, dass ich bei der SPD eintrete,

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Das weiß man nie!)

höchstens vielleicht auf dem Totenbett. Das ist ein alter Witz.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Seit Schulz ist alles möglich!)

Scherz beiseite, zurück zum Ernst der Sache! Ich glaube, die Tatsache, dass wir nach knapp über einem Jahr Laufzeit der neuen Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben dieses Thema bereits wieder aufgreifen, unterstreicht die Wichtigkeit des Wasser- und Umweltschutzes, zum anderen aber auch die Problematik, dass, nachdem durch die Ersterschließung 99 % aller Bürgerinnen und Bürger und der Kommunen an die Wasserversorgung und 97 % an die Abwasserentsorgung angeschlossen sind, jetzt die Sanierung ansteht. Dies stellt insbesondere für den ländlichen Raum eine besondere Problematik dar, da lange Leitungsstränge vorhanden sind, an die nur relativ wenige Menschen angeschlossen werden können. Wir haben auch die Problematik, dass die Gefahr besteht, dass die Bürgerinnen und Bürger über ihre Belastungsgrenze hinaus belastet werden, da diese Einrichtungen von den Kommunen nämlich kostendeckend zu betreiben und damit zu finanzieren sind. So viel zu den Gemeinsamkeiten.

Ich komme nun zu den Unterschieden. Ich denke, die Anträge der FREIEN WÄHLER und der SPD sind nicht tragfähig. Wir können ihnen nicht zustimmen.

(Zuruf von der SPD: Oh, oh!)

Die FREIEN WÄHLER decken mit ihrem Antrag nur einen Teil der Problematik ab, indem sie lediglich eine verstärkte Förderung im Bereich der Abwasserentsorgung fordern. Wir brauchen aber weiterhin eine ebenso hohe Unterstützung bei der Wasserversorgung. Wenn man nur die Abwasserentsorgung herausgreift, ist das zu kurz gesprungen.

Die Aussagen, wie es zu einer verstärkten Förderung kommen soll, lassen Konkretes vermissen. Nur die Zuwendungen zu erhöhen und mehr Haushaltsmittel bereitzustellen, sind ein typisches Oppositionsmuster. Da wird gejammert, es würde zu wenig getan,

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie tun gar nichts!)

man müsse mehr tun, und man bräuchte einfach nur mehr Haushaltsmittel zu fordern, dann werde das Problem gelöst – das ist alles zu nebulös. Es wird nicht gesagt, ob man höhere Fördersätze braucht oder andere Förderkriterien. Das alles bleibt im Unklaren.

Ebenso wird vergessen – das findet sich auch im SPD-Antrag nicht –, dass diese Förderung über FAGMittel geschieht. Das heißt, die bisherige gute Übung, im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden über diese Mittel nachzudenken und hier im Hohen Haus zu beschließen, bleibt unbeachtet. Von der SPD wird darüber hinaus übersehen, dass diese Mittel aufwachsen. Die Beträge, die wir nicht mehr für die Abwicklung der Ersterschließung brauchen, wachsen letztendlich in die Sanierungsförderung hinein und verstetigen sich. Sollten weiterhin die 70 Millionen Euro im FAG festgeschrieben werden können, würden wir bis zum Jahr 2019 circa 180 Millionen Euro den Kommunen und damit den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stellen. Insofern führt der Antrag der FREIEN WÄHLER nicht weiter und hilft den Kommunen nicht.

Die CSU hingegen wählt einen anderen Ansatz. Wir möchten uns über die ersten Erfahrungen berichten lassen und erwarten zudem, dass die Rückmeldungen, die wir von den Gemeinden und von den Wasserwirtschaftsämtern erhalten, aufgegriffen und bei einer Fortschreibung der Richtlinien berücksichtigt werden. Die Fortschreibung der Richtlinien soll im bestehenden System mit den vorgesehenen Mitteln erfolgen. Dass allerdings trotzdem weitere Verbesserungen eintreten können und durchgeführt werden können und eine höhere Zahl von Vorhabensträgern und damit letztendlich auch von Bürgern und Bürgerinnen davon profitiert und unterstützt wird, egal, ob es sich um Wasser oder Abwasser handelt, ist von Bedeutung.

Grundsätzlich ist die festgelegte Systematik der RZWas 2016 zielführend. Es ist eine gute Regelung. Mit der Festlegung einer Pro-Kopf-Belastung, einer Härtefallschwelle für die Förderung, wird insbesondere der Leitungsbau mit wenig bürokratischem Aufwand gefördert, indem man Pauschalsätze zur Verfügung stellt.

Das führt dazu, dass eine klare Förderhöhe für die Kommunen gegeben ist. Hier lässt der Freistaat Bayern niemanden im Stich. Wir unterstützen diejenigen Kommunen und diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die ohnehin schon sehr hoch mit Gebühren und Beiträgen belastet sind, und mildern diese Belastungen dementsprechend ab.

Dabei muss es allerdings auch gerecht zugehen. Diejenigen, die bereits hohe Aufwendungen in der Vergangenheit getragen haben, die ständig investiert und damit letztendlich auch ihre Bürgerinnen und Bürger belastet haben, wollen wir weiter unterstützen. Auch sie sollen davon profitieren. Das ist genau der Gegensatz zu dem, was im SPD-Antrag festgeschrieben ist,

dass wir nämlich den Fokus auf die künftige Investition richten sollten. Dies halten wir nicht für gerecht. Wir müssen hier anders vorgehen und müssen auch diejenigen unterstützen und in den Genuss des Förderprogramms kommen lassen, die bereits in der Vergangenheit hohe Investitionen getätigt haben.

(Beifall bei der CSU)

Deswegen möchten wir auch einige Stellschrauben verändern und Anpassungen vornehmen, um eben genau diejenigen Kommunen stärker zu unterstützen, die sowieso schon mit einem Bevölkerungsrückgang zu kämpfen haben und damit weniger angeschlossene Nutzer an ihren Leitungen haben. Diese Kommunen sollen verstärkt profitieren. Sie sollen durch eine stärkere Gewichtung des Demografiefaktors eher in den Bereich der Härtefallschwelle kommen.

Wir wollen, dass die auch aus haushaltsrechtlicher Vorsicht heraus zunächst vorgesehene zeitanteilige Kürzung des Höchstförderbetrages nicht mehr eintritt, sondern dass alle Kommunen, die in den Bereich der Förderung kommen, den vollen Fördersatz erhalten, die Förderung also voll ausgeschöpft wird.

Uns ist auch klar, dass die Planungen und Festlegungen der Sanierungsschritte Zeit benötigen. Wir möchten diesen Kommunen die entsprechende Zeit zur Verfügung stellen.

Ich habe gerade davon gesprochen, wie wichtig es ist, auch die Investitionen in der Vergangenheit zu berücksichtigen; deshalb sehen wir es als notwendig an, dass der Betrachtungszeitraum für diese Investitionen von 1996 auf 1992 verlängert wird. Im Jahr 1992 trat die bayerische "Reinhalteordnung kommunales Abwasser" in Kraft. Damit gab es erhöhte Anforderung an die Elimination von Stickstoff und Phosphor. Da haben die Kommunen bereits erhebliche Investitionen getätigt, die in die Berechnung der Pro-Kopf-Belastung einfließen sollen.

Das sind wesentliche Punkte, in denen wir die Richtlinien verbessern können. Damit schaffen wir die Möglichkeit, dass mehr Vorhabenträger in den Genuss dieser Förderung kommen, damit wir den Kommunen und damit letztendlich den Bürgerinnen und Bürgern unterstützend unter die Arme greifen, und damit optimieren wir die kluge Regelung der RZWas 2016. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Die Anträge der SPD und der FREIEN WÄHLER werden wir in der vorliegenden Form ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Der Kollege Hanisch hat eine Zwischenbemerkung. Bitte schön.

Kollege Flierl, ist Ihnen bekannt, dass die FAG-Mittel nicht zweckgebunden sind, soweit sie nicht in einem Topf für bestimmte Zwecke enthalten sind? Dann müssten sie allerdings erhöht werden. Das ist unsere Forderung. Der Prozentsatz von 12,75 ist kein Almosen, sondern das ist der Anteil an den Steuereinnahmen des Bundes, der den Kommunen zusteht. Das hat gar nichts mit sachgebundenen Ausgaben zu tun.

Sie sagen nun, die Kriterien für die finanzschwachen Kommunen seien von Bedeutung. Ich habe versucht zu erklären, dass die Kommunen aufgrund der staatlichen Vorgaben kostenrechnend vorgehen müssen, dass die Kommunen also Ausgaben minus staatlichem Zuschuss auf den Bürger über Beiträge oder Gebühren umlegen müssen, das heißt, dass diese Kosten letztlich der Bürger trägt, der in manchen unserer Kommunen das Vierfache dessen zahlt, was er in einer Stadt zahlen würde. Das gehört ausgeglichen, und das ist die Forderung in unserem Antrag.

Sie argumentieren, in unserem Antrag fehle das Wasser. Das ist eine andere Geschichte. Auf diese Problematik werden wir mit Sicherheit auch noch kommen.