Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Muthmann, Sie sagen "flächendeckend, aber besonders dort". Insofern muss es Unterschiede geben, je nachdem, ob eine Region tatsächlich von Bevölkerungsrückgang betroffen ist

(Benno Zierer (FREIE WÄHLER): Das hat damit nichts zu tun!)

oder ob es eine Region ist, wo die Wege weit sind. Das sind Kriterien, die in dieser ganzen Geschichte irgendwie einfließen müssen. Ansonsten sind wir uns, denke ich, hier im Hohen Hause der Problematik sehr wohl bewusst, wenn ich die Diskussionen auch im Innenausschuss Revue passieren lasse. Jetzt geht es um den Weg. Aber ich denke, es ist gut, jetzt diese

Evaluation zu beschließen und dann zu schauen, dass dieses Geld, das uns jetzt schon zur Verfügung steht, und das Geld, das wir vielleicht noch draufsatteln müssen, tatsächlich diejenigen Kommunen erreicht, die das Geld brauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Harry Scheuenstuhl (SPD): Damit es wirkt!)

Vielen Dank. – Jetzt hat sich für die Fraktion der FREIEN WÄHLER noch Herr Kollege Zierer gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Man hat den Eindruck, dass es gewisse Abgeordnete gibt, die offenbar mit Arbeit überlastet sind. Der Herr Flierl hat den Antrag offenbar nicht komplett gelesen, der Herr Scheuenstuhl auch nicht.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Einen so kurzen Antrag lese ich gern!)

Der Kollege Mistol meint, es gebe Menschen zweiter Klasse; in München würde man die Bürger anders als in Passau, als in Niederbayern behandeln.

Unser Antrag geht wesentlich weiter. Wir denken weiter. Wir denken in die Zukunft, und zwar nicht so, wie Sie gesagt haben, Herr Scheuenstuhl. Der Antrag ist ganz anders. Wir reden heute nicht von den Gräben und vom Oberflächenwasser und auch nicht vom Trinkwasser, sondern wir reden vom Abwasser. Das ist ein ganz anderes Thema. Da gibt es ganz neue Herausforderungen. Der Herr Kollege Muthmann und der Herr Kollege Hanisch haben zu dem Thema schon gesprochen. Ich möchte das Thema der organischen Spurenstoffe und der Mikroplastik ansprechen, wo wir tätig werden müssen. Auch das steht in unserem Antrag. Wir denken weiter. Wir stellen die Anträge umfangreicher.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Das ist keine Begründung!)

Es ist doch vollkommen klar, dass wir Medikamentenrückstände aus Gewässern herausbringen müssen. Diese wirken sich auf die Fische aus. Speziell bei Forellen sind Nierenschäden bereits erwiesen. Der Wirkstoff Diclofenac ist in Tieren nachgewiesen. Genau deshalb müssen wir weiter gehen, und zwar nicht nur bei den Kanälen, sondern auch bei den Kläranlagen. Wir brauchen in der nächsten Zeit Kläranlagen, die diese Stoffe herausfiltern. Es ist erwiesen, dass bei den modernen Kläranlagen mit der vierten Reinigungsstufe Mikroplastikteilchen, die leider in Zahnpasta, Duschgels und Kosmetikprodukten enthalten

sind, herausgefischt werden. Auch diese wollen wir nicht in den Seen und Flüssen haben.

Ganz neu ist dieses Thema nicht; aber andere Länder sind hier Bayern bereits voraus. Wir sollten uns nicht mit Pilotprojekten aufhalten, die jetzt in Bayern anlaufen, sondern von Baden-Württemberg lernen. BadenWürttemberg hat bereits 2003 in Ulm ein Forschungsprojekt gestartet. Da hätte man nur über die Grenze blicken müssen. In Baden-Württemberg haben mittlerweile zehn Kommunen Anlagen mit einer vierten Reinigungsstufe ausgerüstet. Dazu sind noch einige in Bau und Planung. In Nordrhein-Westfalen sind es acht Anlagen. Hier hinken wir hinterher. Wir hatten erwartet, Sie würden unserem Antrag zustimmen, weil er der weitestgehende ist. Darum bin ich da schon verwundert. In beiden Bundesländern gibt es Kompetenzzentren für Mikroschadstoffe. Dort gibt es eine starke finanzielle Förderung. Kommunen bekommen bis zu 80 % der Investitionskosten. Darüber sollten wir auch in Bayern nachdenken. Dahin müssen wir sogar kommen. Wir sollten nicht warten, bis in WeißenburgGunzenhausen in drei Jahren die Pilotprojekte abgeschlossen sind, sondern die Vorarbeit der anderen Bundesländer betrachten. Wir sollten uns bereits jetzt Gedanken über geeignete Förderinstrumente machen.

Dem Antrag der CSU stimmen wir zu, weil er in die richtige Richtung geht. Auch dem Antrag der SPD werden wir zustimmen, weil ihr auf unser Pferd aufgestiegen seid. Wir freuen uns, dass ihr durchblickt habt, dass wir hier etwas tun müssen. Darum: Zustimmung zu den Anträgen von SPD und CSU, und ich würde erwarten, dass ihr unserem Antrag auch zustimmt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege, kommen Sie bitte noch einmal zurück an das Rednerpult für eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Flierl. – Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Kollege Zierer, Sie haben mich zu ein paar Anmerkungen veranlasst. Ich glaube, Sie haben weder an dem Antrag Ihrer Fraktion mitgeschrieben noch scheinen Sie ihn verstanden zu haben; denn was Sie gerade gesagt haben, ist eine komplette Themaverfehlung und nichts anderes.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Genau! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ach, Schmarrn!)

Sie wollen, dass im bestehenden Richtliniensystem bei der bestehenden Förderung die Zuwendungen für die Sanierung von Abwasseranlagen erhöht werden. Den Weg dorthin lassen Sie aber wie immer im Unkla

ren. Das ist typisch dafür, wie Sie hier Politik betreiben, und diese Politik machen wir nicht mit; ich habe das in meinen Ausführungen bereits erläutert. Immer bloß zu jammern, es sei nicht genug getan worden, man müsse mehr tun, ist keine zielführende, keine sachliche und keine richtige Politik. Auch den Kommunen ist nicht damit geholfen, wenn hier zum einen irgendetwas an die Wand gemalt wird und zum anderen Forderungen erhoben werden, wie bei der Förderung einer Anlage die Einbeziehung der vierten Klärstufe, die Sie angesprochen haben und die in Ihrem Antrag, der immer nur pauschal von Zuwendungen spricht, aber nicht enthalten ist.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Zwischen den Zeilen lesen!)

Herr Kollege Flierl, genau das unterscheidet uns voneinander. Wir denken einen Schritt weiter.

(Lachen bei der CSU)

Wir haben die Zukunft im Blick. Dort müssen wir ansetzen, und der Kollege Hanisch hat das erste Thema bereits abgearbeitet. Die FREIEN WÄHLER wiederholen nicht, sondern wir erweitern. Im letzten Teil steht es. Lesen Sie zwischen den Zeilen. Ein Abgeordneter sollte so etwas schon lesen können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Zurufe von der CSU: Oh!)

Dieses Thema wird uns in der Zukunft genauso belasten wie undichte Abwasserkanäle. Genau darum sollten wir hier vorwärtskommen, und darum wurde das von den FREIEN WÄHLERN angesprochen, nicht mehr und nicht weniger. Sonst noch Klärungsbedarf? – Danke.

(Allgemeine Heiterkeit)

Sie müssen wissen, ob Sie ausreichend geantwortet haben, Herr Kollege. – Gut, vielen Dank. Jetzt hat für die Staatsregierung Frau Staatsministerin Scharf das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine spannende Debatte: Im vorliegenden Antrag der FREIEN WÄHLER wird die Staatsregierung aufgefordert, die Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben dahingehend zu ändern, dass die Zuwendungen für die Sanierung von Abwasseranlagen erhöht werden. Dieser Antrag betrifft zwei Aspekte. Zum einen geht es um die finanzielle Situation kleinerer bzw. finanzschwacher Kommunen bei anstehenden Sanierungsmaßnahmen. Zum anderen geht

es um weitergehende Maßnahmen, die sich zum Beispiel aus der Wasserrahmenrichtlinie ergeben.

Was den ersten Aspekt betrifft, glaube ich, ist in der Debatte klar geworden, dass dieser Antrag ins Leere läuft. Ich möchte ein Stück zurückblicken, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Erstausstattung der bayerischen Kommunen mit Abwasseranlagen ist dank massiver Förderung durch den Freistaat Bayern abgeschlossen. Wir haben die Zahlen von Herrn Kollegen Flierl gehört: 97 % der Bevölkerung in Bayern sind an eine kommunale Kläranlage angeschlossen und 99 % an die Wasserversorgung. Seit den 1950erJahren haben die bayerischen Städte und Kommunen 35 Milliarden Euro in den Gewässerschutz investiert. Der Freistaat Bayern hat diese Anstrengungen massiv unterstützt, nämlich mit rund neun Milliarden Euro. Ich denke, dass jeder dieser Euros gut investiertes Geld war. Hier davon zu sprechen, der Freistaat Bayern lasse die Kommunen im Stich, ist also danebengegriffen.

Durch die staatliche Förderung von Kleinkläranlagen mit 187 Millionen Euro sind bereits über 92 % aller Kleinkläranlagen auf den Stand der Technik nachgerüstet worden, und auf diese Ergebnisse können wir zu Recht stolz sein.

(Beifall bei der CSU)

Richtig ist auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass viele Anlagen in die Jahre gekommen sind. Ich habe es erwähnt: Seit den 1950er-Jahren werden Kanäle gebaut. Diese Anlagen kommen in die Jahre und bedürfen einer Sanierung. Das ist zunächst eine kommunale Pflichtaufgabe – dies sollten wir auch klar formulieren –, die Städte und Gemeinden über Gebühren und Beiträge zu finanzieren haben.

Für diejenigen Kommunen, die aufgrund ihrer besonderen Situation diese Aufgabe nicht oder auch nicht vollumfänglich erledigen können, haben wir eine Sonderförderung aufgelegt. Wir haben Haushaltsmittel von bis zu 70 Millionen Euro für diese Härtefälle eingeplant, und angesichts der Zielrichtung – hier sollten wir uns noch einmal darüber klar werden, wohin wir wollen –, nämlich nur Härtefälle zu fördern, ist das ein angemessener Betrag. Eine flächendeckende Förderung ist auch weiterhin nicht vorgesehen. Dabei würden wir vor allen Dingen in eine unglaubliche Gerechtigkeitsdebatte innerhalb der Kommunen gelangen. Ich möchte nur, dass Sie auch einmal diejenigen Kommunen erwähnen, die ihre Hausaufgaben, ihre Sanierungsaufgaben fortlaufend erledigt haben.

Die Härtefallregelung befindet sich in der Anlaufphase. Ein gutes Jahr ist sie in Kraft, die Förderzahlen steigen ständig, und als Zwischenbilanz kann ich

Ihnen sagen: Wir haben Bescheide ausgegeben, und es sind Mittel in Anspruch genommen worden. Die zur Verfügung stehenden Mittel sind zwar noch nicht ganz ausgeschöpft, aber das Entscheidende ist, dass die Reste auf die Folgejahre übertragen werden können und somit nicht verloren gehen. Die von den FREIEN WÄHLERN geforderte Mittelaufstockung im Nachtragshaushalt 2018 ist aus unserer Sicht unnötig und daher abzulehnen.

Damit zum zweiten Teil des Antrags, der Förderung weiterer Maßnahmen, zum Beispiel zur Erfüllung weitergehender Reinigungsanforderungen. Auch hier kann ich Ihnen sagen, dass die Staatsregierung nicht untätig ist. Der Freistaat Bayern unterstützt die bayerischen Gemeinden bereits auf den Gebieten der Energie- und Ressourcenschonung, bei Maßnahmen gegen den Klimawandel und zur Beseitigung von Mikroschadstoffen. Ich darf Ihnen folgende Beispiele nennen: Wir haben ein Programm zu den Energieanalysen bei Kläranlagen mit vielen Millionen Euro ausgestattet. Wir haben den Abwasserinnovationspreis, den wir alle drei Jahre vergeben, oder auch das Pilotprojekt für die vierte Reinigungsstufe in der Kläranlage in Weißenburg.

Der Freistaat unterstützt die bayerischen Gemeinden bereits jetzt bei der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, zum Beispiel bei der weitergehenden Stickstoff- und Phosphatelimination. Beim Thema Mikroschadstoffe wissen Sie, dass vorrangig die EU und auch der Bund gefordert sind. Hier ist insbesondere die Spurenstoffstrategie des Bundes abzuwarten, und es wäre verfrüht, außer den Pilotprojekten, die immer richtig sind, bereits jetzt flächendeckend Kläranlagen nachzurüsten und damit Kosten zu verursachen. Ich kann Ihnen außerdem sagen: Die anderen Bundesländer sind bei diesem Thema genauso weit wie wir. Sie befinden sich in einer Pilotphase, um festzustellen: Was können wir mit einer vierten Reinigungsstufe erreichen? Was sind die Kosten für die Kommunen? Ist dies eine praktikable Lösung?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Freistaat Bayern hat die bayerischen Kommunen in den vergangenen 70 Jahren großzügig unterstützt und wird dies auch künftig tun. Wir stehen an der Seite unserer Kommunen. Einfach nur mehr Geld zu fordern, ist eine typische Haltung der Opposition. Entscheidend und zielführend ist, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln die richtigen Schwerpunkte setzen. Ein richtiger Schwerpunkt ist für mich eine leistungsfähige kommunale Infrastruktur zum Schutz der Menschen und der Natur. Der richtige Schwerpunkt ist für mich auch, auf zukunftsfähige Technologien und weiterhin auf günstige Trinkwasser- und Abwassergebühren zu setzen. Hier setzt unsere Härtefallregelung an.

Ich glaube, es ist heute deutlich geworden und übrigens von Anfang an auch mit berücksichtigt, dass die Richtlinien der Härtefallregelung auf den Prüfstand kommen und wir hier ein Stück weit korrigieren.

Wir lehnen die Anträge der SPD und der GRÜNEN ab.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Herr Kollege Scheuenstuhl, bitte.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Ministerin, ich bedanke mich zunächst einmal bei Ihnen dafür, dass Sie heute den bayerischen Kommunen versprochen haben, dass die in den Jahren 2017 und 2018 zur Verfügung stehenden 70 Millionen Euro unter Umständen komplett für die Härtefallregelung eingesetzt werden können – ich sage das einmal so; Ähnliches hat auch Herr Kollege Flierl angedeutet – und die restlichen Mittel, die noch vorhanden sind, übertragen werden. Das freut mich. Insgesamt gesehen werden diese Mittel wahrscheinlich nicht ausreichen, aber sie sind zunächst einmal besser als nichts. Im Ausschuss war immer von 30 Millionen Euro für die Härtefallregelung die Rede. Heute haben wir etwas anderes gehört, was aber nicht schlechter ist.

Die CSU-Fraktion hat heute zugegeben, dass die Kriterien überprüft werden müssen. Andernfalls hätte sie keinen solchen Dringlichkeitsantrag eingereicht. Die CSU gibt außerdem zu, dass die Kriterien bei Weitem nicht so wirksam sind, wie das für die Kommunen, die dringend Hilfe brauchen, notwendig wäre. Der Unterschied ist, dass die Kommunen inzwischen Investitionen für die Zukunft höher bewerten, als das in der Vergangenheit der Fall war. Ich bitte Sie, dies in Ihre Überlegungen einzubeziehen. Wir müssen es berücksichtigen, wenn eine Kommune viel Geld für verschiedenste Infrastrukturmaßnahmen ausgeben muss, Gewerbesteuereinnahmen verliert und unter Bevölkerungsrückgang leidet.

Wir sind gespannt, welche Vorschläge gemacht werden. Vielleicht können Sie zu meinen Feststellungen sagen, ob ich falsch oder richtig liege.

Frau Staatsministerin.

Herr Kollege Scheuenstuhl, entscheidend ist, dass wir die RZWas mit der Härtefallregelung nach dem Abschluss der Ersterschließung in ganz Bayern weitergeführt haben. Zudem ist ein sehr kluges Rechenmodell vorgelegt worden, mit dem wir die Unterschiede,