Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

Das gibt die CSU auch klammheimlich zu.

(Volkmar Halbleib (SPD): Interessante Information!)

Das nennt man in den USA Gerrymandering. Dort hat man das zur Perfektion getrieben. Aber die CSU kann das schon auch ganz gut.

(Beifall bei der SPD)

Aus diesen Gründen stimmen wir dem Gesetzentwurf nicht zu.

(Beifall bei der SPD – Volkmar Halbleib (SPD): Treffende Analyse!)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Fahn.

(Isabell Zacharias (SPD): Eine sogenannte Lex Spaenle!)

– Die Lex Spaenle, ja gut. Das letzte Mal waren es 31,9 %. – Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Lassen Sie mich zunächst – ich bin ja ein Abgeordneter aus Unterfranken – mit einem Leserbrief aus der "Main-Post" vom 22.04.2016 beginnen. Unter der Überschrift "Machtkonzentration in München" schreibt ein Leser:

In der derzeitigen Form wird es zur Konzentration der Macht in München kommen und die Fläche bleibt außen vor, da die jetzige Bevölkerungswanderung die Fläche weiter ausdünnt. Ein geändertes Gesetz muss diese Tatsache berücksichtigen, um eine gerechte Vertretung der Fläche zu gewährleisten. Der Großraum München ist jetzt schon gegenüber der Fläche … stark vertreten. … das derzeitige Gesetz bietet keine Chancengleichheit in ganz Bayern …

Ich finde, dieser Leser hat recht. Der Leserbrief wurde verfasst, nachdem die Änderung der Stimmkreise bekannt geworden war. Formal ist der Sachverhalt natürlich ganz klar: Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung muss Unterfranken einen Sitz an Oberbayern abgeben. Daran ist nicht zu rütteln, auch wenn wir das nicht gutheißen. Der Grundsatz der Wahlgleichheit gebietet das.

Hinsichtlich des anderen Stimmkreises in München kann man die ganze Sache auch anders sehen. Darauf hat auch Herr Schindler schon hingewiesen. Auch parteipolitische Aspekte können hier eine gewisse Rolle spielen bzw. spielen eine gewisse Rolle. Deshalb werden auch wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Zu den Folgen für das Landeswahlrecht sei gesagt: Wir sehen den Trend der Bevölkerungsentwicklung und die Folgen mit großer Sorge. Der Trend zeigte sich auch schon in der vergangenen Wahlperiode. Da gab es in den Wahlkreisen in Ober- und Unterfranken einen erheblichen Bevölkerungsrückgang. Gleichzeitig konnte aber Oberbayern einen großen Zuwachs verzeichnen. Nun soll Unterfranken nur noch 19 Abgeordnete bekommen und Oberbayern insgesamt 61. Wenn man die Interessen der unterfränkischen Bevölkerung vertritt, dann muss man auch sagen: Man kann mit dem Wahlrecht keine Politik betreiben. Aber wenn man sieht, dass die Bevölkerung und dadurch auch die Zahl der Abgeordneten abnimmt, dann muss von der Strukturpolitik her nachgelegt werden. Deshalb muss Unterfranken auch weiterhin noch attraktiver gemacht werden. Hier sei nur gesagt, dass viele bleibewillige Lehrer von Unterfranken nach Oberbayern versetzt werden. Stattdessen sollte man die Lehrerversorgung in Unterfranken sicherstellen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

Laut der Antwort auf meine Schriftliche Anfrage hatten zum Beispiel 2016 nur 58,9 % der Haushalte in Unterfranken eine Breitbandversorgung mit mindestens 50 Mbit/s, in Oberbayern waren es 77 %. Auch bei der Versorgung mit Haus- und Fachärzten steht Oberbayern besser als Unterfranken da. In Bayern droht 48 Schwimmbädern die Schließung; davon befinden sich 5 in Unterfranken. Dazu wird es später noch einen interessanten Tagesordnungspunkt geben.

Zusammenfassend muss leider gesagt werden: Von einer aktiven Wirtschafts- und Strukturpolitik der Staatsregierung ist hier noch wenig zu sehen. Wir haben eine Enquete-Kommission zum Thema "Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern". Ich frage: Was unternimmt die Enquete-Kommission für die Sicherstellung gleichwertiger Lebensbedingungen in Bayern? Was unternimmt die Enquete-Kommission für die stärkere Berücksichtigung der Interessen von Unterfranken? Deshalb fordern wir von der Staatsregierung fundierte Maßnahmen, um dem Bevölkerungsrückgang auch außerhalb der Ballungsräume gegenzusteuern. Die gleichwertigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen des Freistaates müssen noch stärker als bisher gefördert werden.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Genau! Danke auch für den Beifall aus Unterfranken. Wir vermissen zukunftstaugliche Vorschläge, um dem Bevölkerungsrückgang wirksam gegenzusteuern.

Was Herr Schindler zu den Bezirkstagen gesagt hat, ist richtig. Man versteht nicht, warum manche so viele Sitze bekommen und beispielsweise Unterfranken lediglich 19.

(Manfred Ländner (CSU): Änderungsantrag!)

Darauf antworte ich Ihnen, Herr Ländner – das stand sogar in einem Protokoll –, dass die CSU bereit ist mitzuwirken, wenn es eine Änderung gibt.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Was?)

Die CSU ist gesprächsbereit. Herr Ländner, deswegen hoffe ich, dass Sie dann gesprächsbereit sind, wenn wir etwas tun, um bei den Bezirkstagen zu einer größeren Angleichung zu kommen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Entscheidungsbereit!)

Es gibt noch viel zu tun. Wir brauchen eine aktive Strukturpolitik, wenn wir den Bevölkerungsrückgang sehen und auch sehen, dass einige Teile Bayerns benachteiligt sind. Auch für Unterfranken brauchen wir eine aktive Strukturpolitik. Wir hoffen, dass die Enquete-Kommission Vorschläge erarbeitet. Wir hoffen, dass Herr Ländner einen zukunftsfähigen und nachhaltigen Vorschlag einbringt. Alle Landesteile müssen angemessen im Parlament vertreten sein. – Jetzt gebe ich das Wort – –

Noch erteile ich das Wort!

Das war nur ein Spaß.

Das ist genehmigt. – Herr Ländner hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Dr. Fahn, irgendwo habe ich gehört, dass das im Gesetz steht. Trotzdem lehnen Sie dieses Gesetz, das aufgrund gesetzlicher Vorschriften auf den Weg gebracht worden ist, ab. Das nehme ich zur Kenntnis.

Wenn Sie nicht wollen, dass Regionen, in denen weniger Menschen leben, Abgeordnete verlieren, brauchen Sie mehr Abgeordnete, um die Gleichheit der Stimmen beizubehalten. Ihre Art ist es, ständig Anträge und Schriftliche Anfragen zu stellen. Bringen Sie doch den Antrag ein, das Parlament auf über 180 Abgeordnete zu vergrößern! Auf diese Weise könnten vernachlässigte Landesteile – um Ihre Wortwahl aufzugreifen – wie Unterfranken, Oberfranken und die Oberpfalz mehr Abgeordnete nach München schicken. Wenn wir diesen Antrag einbringen, sind Sie wieder dagegen. Sie müssen diesen Antrag einbringen, um den Eindruck zu erwecken: Die FREIEN WÄHLER retten Unterfranken. Sie wollen mehr Abgeordnete im Landtag. Darüber können wir reden. Das wäre ehrlich. Herr Dr. Fahn, zu dem, was Sie hier machen, sage ich nichts mehr. Es gefällt mir aber nicht.

(Beifall bei der CSU)

Herr Ländner, ich habe vor einigen Wochen im Kommunalausschuss gehört, was Sie gesagt haben. Das hat mir auch nicht gefallen. Das sage ich aber nur am Rande.

(Manfred Ländner (CSU): Es war die Wahrheit!)

Man konnte es sogar in der Presse nachlesen. Warum lehnen wir dieses Gesetz ab? – Wir haben

festgestellt, dass die Staatsregierung beim neuen Stimmkreis in München parteipolitisches Interesse hat walten lassen. Dabei handelt es sich um den Stimmkreis, der der CSU landesweit am wenigsten Stimmen eingebracht hat. Das kann man nachweisen. Dort sind Sie gefährdet. Dieses Gefährdungspotenzial wollen Sie jetzt mit dieser Reform ausschalten. Das haben wir mitbekommen. Das ist ein Grund, warum wir dieses Gesetz ablehnen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Herr Ländner, jetzt warten wir einmal ab. Wir haben die Enquete-Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern" mit einem Vorsitzenden eingerichtet – er ist leider gerade nicht da –, der nachher noch zu dem Tagesordnungspunkt betreffend die Schwimmbäder reden wird. Der Stellvertreter ist aber da. Ich warte jetzt erst einmal ab, welche Ergebnisse die Enquete-Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern" erarbeitet. Herr Ländner, dann werden wir sehen, welche zusätzlichen Maßnahmen erforderlich sind. Ich werde wieder auf Sie zurückkommen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schulze.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf ist ein Beispiel dafür, wie die CSU mit Wahlrecht Politik macht.

(Widerspruch bei der CSU)

Dies sieht man jedes Mal, wenn es um die Stimmkreisreform geht. Das sieht man auch bei dieser Reform. Klar ist: Bayern verändert sich ständig. In einigen Gebieten gibt es eine Einwohnerzunahme, in anderen Gebieten eine Einwohnerabnahme. Der Trend, dass immer mehr Menschen in Ballungsräume ziehen, ist nicht von der Hand zu weisen. Selbstverständlich müssen wir alles für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Bayern tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In dieser politischen Debatte heute geht es jedoch nicht darum, welche Partei welche politischen Forderungen für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Bayern erhebt, sondern es geht ganz konkret um das Landeswahlgesetz. Für uns GRÜNE möchte ich feststellen: Wir tragen selbstverständlich die Forderung nach der Einrichtung eines neuen Beschwerdeausschusses als Wahlorgan mit. Wenn sich

die Einwohnerzahlen verändern, müssen wir auch mit Mandatsverschiebungen arbeiten. Wenn ein Mandat in Unterfranken entfällt, muss es nach Oberbayern kommen. Herr Kollege Schindler hat bereits ausgeführt, dass das Mandat nicht zwingend nach München gesetzt werden müsste; allerdings wäre es sinnvoll, dies zu tun. Bei einem Blick auf die Bevölkerungsentwicklung im Raum München stellt man schnell fest, dass es dort in Zukunft keine Bevölkerungsabnahme, sondern eine weitere Bevölkerungszunahme geben wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das tragen wir GRÜNE alle mit. Wir lehnen den Gesetzentwurf jedoch trotzdem ab. Das große Aber ist der Zuschnitt des neuen Stimmkreises in München. Dieser Zuschnitt ist rein politisch motiviert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bisher verfügt München über acht Stimmkreise mit unterschiedlicher Größe. Bei den Stimmberechtigten gibt es eine große Differenz. Die Differenz zwischen dem kleinsten und dem größten Stimmkreis in München liegt bereits heute bei 34.911 Stimmberechtigten. Die CSU-Fraktion hätte die neuen Stimmkreise fast gleich groß bezüglich ihrer Stimmberechtigten zuschneiden können. Man hätte sich um eine Ausgewogenheit kümmern können. Bei den Ausschussberatungen haben wir darauf hingewiesen. Die CSU hat das aber nicht gemacht. Vielmehr wird deutlich, dass sich die CSU die Stimmkreise so zugeschnitten hat, wie es für ihre Bewerber sinnvoll ist. Gleichzeitig hat die CSU Stimmkreise zerschnitten, in denen die Opposition bisher gute Ergebnisse eingefahren hat. Der Stimmkreis München-Giesing, der ein Plus von 24 % an Stimmberechtigten zu verzeichnen hat, ist fast nicht angetastet worden. Das ist interessant. Außerdem – auch das haben wir in den Ausschüssen angesprochen – werden die Stimmkreise willkürlich zerschnitten. Das gilt beispielsweise für den Stadtteil Neuhausen. Das ist nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, die leicht erkennen sollten, wer für sie im Landtag zuständig ist.

Ich kann nur wiederholen, was wir bereits mehrfach in diesem Hohen Hause formuliert haben: Wir können diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil mit diesem ein politisch motivierter Zuschnitt der Stimmkreise in München erfolgt.

(Beifall bei den GRÜNEN)