Protokoll der Sitzung vom 14.03.2017

Herr von Brunn, schreien Sie ein bisschen lauter, dann höre ich Sie besser. Schreien Sie lauter. Sie können das. Ich möchte mit einem Quiz einsteigen. Ich erinnere mich an eine Partei, die den hier so inkriminierten Gesprächspartner als lupenreinen Demokraten qualifiziert hat. Es war ein SPD-Vorsitzender, Kanzler a. D.

(Markus Rinderspacher (SPD): Nein!)

Ich glaube, das war er zu dieser Zeit. Vielleicht kommen Sie selber drauf, wer das war.

Aber lassen Sie mich zunächst beleuchten, welche tatsächliche Bedeutung Russland für die bayerische Wirtschaft hat. Russland ist ein wichtiger Handelspartner, auch wenn die Zahlen rückläufig waren. Die Gründe hierfür werde ich noch benennen. Die erfreulichen Entwicklungen, die sich im bayerisch-russischen Außenhandel in jüngster Zeit abzeichnen, lassen sich an Zahlen festmachen. So haben wir für 2016 – die Zahl fiel vorhin bereits – einen Zuwachs von 1,6 % zu verzeichnen. Tatsächlich gab es in den Vorjahren Rückgänge im zweistelligen Prozentbereich. Es muss das Anliegen der bayerischen Wirtschaftspolitik sein, diese Rückgänge zukünftig wieder aufzuholen. Russland ist und bleibt ein wichtiger Handelspartner in Osteuropa, trotz der insgesamt gesunkenen Dynamik im bayerisch-russischen Außenhandel. Dabei sind die Zahlen immer noch beeindruckend: Das Volumen des Außenhandels zwischen Deutschland und Russland betrug 51 Milliarden Euro. Davon entfielen 2015 allein auf Bayern 8,1 Milliarden Euro. Das ist eine Größenordnung, die man keinesfalls vernachlässigen darf. Auch die Steigerung von russischen Importen aus Bayern gegenüber dem Vorjahr deutet auf eine Erholung im bilateralen Außenhandel hin. Diese Steigerung gab es insbesondere in den Sektoren Chemie, Maschinen- und Fahrzeugbau, Metallerzeugnisse, Glas- und Holzwaren, keramische Erzeugnisse, Gerätebau und Textilindustrie. Bayerische Unternehmen haben ein großes Interesse am russischen Markt, auch im Hinblick auf Unternehmensgründungen. Die Rahmenbedingungen müssen auch hier wieder verbessert werden.

Im Bundesländervergleich gehören bayerische Betriebe zu den wichtigsten Investoren in Russland. Von den etwa 5.600 in Russland ansässigen Unternehmen

mit deutscher Kapitalbeteiligung kommen schätzungsweise 1.400, also ein Viertel, aus Bayern. Das sind eben nicht nur die Global Player, die es möglicherweise auch mit weniger politischer Unterstützung schaffen würden. Es sind auch und gerade die mittelständischen Unternehmen. Neben den Global Playern wie Siemens, BMW, KNAUF, MAN, LEONI und Liebherr sind es insbesondere auch die Unternehmen Wolf, REHAU, NETZSCH, Irex, Schaeffler, GEALAN. Die jüngsten Beispiele von Ansiedlungen, alle aus dem bayerischen Raum, wären KNAUF, Lika, Knorr, Siemens, Linde, Bionorica usw. Diese Liste geht über Seiten.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Sehr gut!)

Das Interesse, das die bayerische Wirtschaft an guten Beziehungen zu Russland hat, ist also keinesfalls zu leugnen. Staatliche Förderprogramme spielen dabei für die Ansiedlung eine ganz große Rolle.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Wer hat das geleugnet?)

Umgekehrt gibt es auch russische Unternehmen, die in Bayern investieren. Derzeit sind mehr als 350 Firmen mit russischer Kapitalbeteiligung im Freistaat angesiedelt, mit steigender Tendenz. Die Betriebe beschäftigen in Bayern rund 4.800 Mitarbeiter. Wir sind hier deutschlandweit an der Spitze. Unter den genannten Firmen befinden sich namhafte Softwareentwickler wie ABBYY, Kaspersky und Luxoft, aber auch Unternehmen wie Krost und LSR, ohne dass ich weitere nennen möchte. Ausschlaggebende Faktoren für die Ansiedlung dieser Unternehmen in Bayern liegen in unserer bekanntermaßen guten Infrastruktur.

Fazit: Für den bayerischen und den deutschen Mittelstand spielt Russland eine gigantische Rolle. Ein gutes Gesprächsklima, um die notwendigen politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, muss im allseitigen Interesse liegen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Völlig unbestritten!)

Ihr aktueller Kanzlerkandidat hat dazu in einem Interview vor 14 Tagen ausgeführt, dass momentan alle Kanäle genutzt werden müssen, auch und gerade in Richtung Russland.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das hat keiner bestritten!)

Dazu stehen wir. Das halten wir auch weiterhin für richtig. Europäische Werte, Frieden und Sicherheit sind nirgends besser als bei unserem Ministerpräsi

denten und bei der Christlich-Sozialen Union aufgehoben.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Rosenthal von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Überhöhungsdebatte, die wir gerade eben erlebt haben, ist es vielleicht gut, sich zu vergegenwärtigen, wer die Verantwortung für die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland trägt.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Rede des Herrn Kollegen Dr. Rieger und bei der Rede der Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN hatte es fast den Anschein, als ob es eine Aufgabenverteilung in Richtung des Bayerischen Ministerpräsidenten gäbe, dass er eine sonderaußenpolitische Rolle zu spielen hätte. Ich bin Herrn Kollegen Dr. Schwartz sehr dankbar, dass er dies auf die vermutlich wichtigste Motivlage reduziert hat, nämlich die wirtschaftlichen Interessen des Freistaates Bayern zu wahren und auszuloten, ob unterhalb des Schirms der Sanktionen der EU auch weitere Geschäftsausweitungen möglich sind. Das ist ehrlich. Das ist der Kern. Dahinter kann ich mich stellen, wenn wir dabei gleichzeitig die moralische Dimension im Auge haben.

Bei den Beispielen, die Herr Kollege Dr. Rieger genannt hat, die Reisen des früheren Ministerpräsidenten Strauß, Gott habe ihn selig, muss ich ein großes Fragezeichen dahinter setzen. Wir müssen uns nicht darauf verständigen, dass die Großmächte zuständig sind, die Brandherde dieser Welt zu löschen, oder dass die Großmächte dabei eine wesentliche Rolle spielen sollten. Nein, darum geht es nicht. Allerdings geht es auch bei dieser Reise um eine moralische Dimension.

Die Ukraine wartet weiter auf die Erfüllung des Minsker Abkommens. Hier ist vor allem Russland gefragt. Die Bekämpfung jedweder Opposition innerhalb Russlands und die Hinrichtung der Zivilgesellschaft durch Drangsalierungen, durch Entzug von Finanzen und durch Entzug von internationalen Kontakten – das ist auch Russland. Heute war auch schon von Deeskalierungspolitik die Rede. Ich erwarte mir von dieser Reise, dass der Bayerische Ministerpräsident im Rahmen seiner Möglichkeiten diese Punkte anspricht.

(Beifall bei der SPD)

Völlig unpassend ist es, wenn dabei Außenminister Gabriel oder Außenminister Steinmeier zitiert werden. Das ist unpassend, weil es die Kernaufgabe des Außenministers der Bundesrepublik Deutschland ist, die Interessen der Bundesrepublik wahrzunehmen.

(Beifall bei der SPD – Karl Freller (CSU): Und die Interessen Bayerns?)

Das ist etwas schwierig auszuhalten. Dann kommt eine Pause. Dann geht es erst auf die Augenhöhe der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Hier geht es also um die Rangfolge. Das ist unsere Erwartungshaltung an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt. Das kann ich mir gut vorstellen. Demut passt an dieser Stelle nicht. Das ist mir klar. Hier geht es aber darum, dass wir an dieser Stelle nichts verwerfen. Sie kommen uns immer mit Zitaten. Ich erinnere Sie an die historische Auseinandersetzung, als die CSU die Reisen von Bahr und Brandt bekämpft hat, als es um einen Ausgleich in der Ostpolitik ging. Das muss man sich doch einmal in Erinnerung rufen.

(Beifall bei der SPD)

Dass wir heute diese Beziehungen haben, verdanken wir auch der sozialdemokratischen Außenpolitik in schwierigen Zeiten. Diese Öffnungen haben einen Dialog unter schwierigen Bedingungen ermöglicht und Fortschritte gebracht. Wir befinden uns jetzt in einer Situation, in der diese Fortschritte innerhalb Europas verschüttet werden.

(Karl Freller (CSU): Sollen wir nicht mehr miteinander reden?)

Ich habe doch genau das Gegenteil gesagt, wenn Sie mir aufmerksam zugehört haben. Es geht um die Frage, wie man redet; ob man auf Augenhöhe redet, ob man etwas kleinredet oder ob man Konflikte anspricht, wie das innerhalb Europas der Fall ist. Darum geht es doch.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen Solidarität bei den Sanktionen, die die EU in großen und schwierigen Verhandlungen gemeinsam vereinbart hat. Das Minsker Abkommen wartet auf seine Erfüllung. Nur unter diesem Schutzschirm können wirtschaftliche Fortschritte erzielt werden. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit steht unter diesem Vorbehalt. Das ist die Erwartungshaltung, die wir in Bezug auf die große Delegationsreise unter der

Federführung des Bayerischen Ministerpräsidenten haben.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Martin Huber von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Titel der heutigen Aktuellen Stunde kann man kaum glauben, dass es sich dabei um die gleiche Person handeln soll, die vom ehemaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder noch als "lupenreiner Demokrat" bezeichnet wurde.

(Inge Aures (SPD): Ei, ei, ei, die alten Kamellen!)

Immerhin gestehen Sie nun grundsätzlich zu, dass der Gesprächsfaden aufrechterhalten werden soll. Normalerweise besteht Ihr außenpolitischer Ansatz eher darin zu sagen, mit wem man nicht reden darf. Gesprächsverbote, wie Sie sie wollen, zum Beispiel gegenüber Ungarn, führen aber nicht weiter, genauso wenig wie die öffentliche Übermittlung von Bedingungen. "Russland ist unlösbar in die europäische Geschichte verflochten, nicht nur als Gegner und Gefahr, sondern auch als Partner – historisch, politisch, kulturell und ökonomisch." Das ist ein Zitat von Willy Brandt, dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der ehemals stolzen Volkspartei SPD.

(Beifall bei der CSU)

Willy Brandt hat in schwierigen Zeiten erkannt, dass Gesprächskanäle zu wichtigen Partnern aufrechterhalten werden müssen. Sein Motto lautete "Wandel durch Annäherung". Herr Kollege Rosenthal, das war in der Tat wichtig für die Beziehungen zu Osteuropa.

(Volkmar Halbleib (SPD): Aha! Diese CSU war dagegen!)

Dass wir aber die Deutsche Einheit erreichen konnten, lag auch an Franz Josef Strauß und seiner Klage gegen den Grundlagenvertrag, womit deutlich gemacht wurde, dass es nicht zwei Deutschlands gibt, sondern nur eines. Das soll an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben.

(Beifall bei der CSU)

Franz Josef Strauß hat damals auch erkannt, dass die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion notwendig ist,

(Volkmar Halbleib (SPD): Milliardenkredit! Für die DDR!)

um Vertrauen zu schaffen und Brücken zu bauen. Sein Flug zu Gorbatschow nach Moskau ist bis heute legendär. Was fordert die SPD heute? – Außenpolitik der Bayern-SPD heißt immer nur festzulegen, mit wem man nicht reden darf.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das ist falsch! Zuspitzen gern, aber nicht so, wie Sie das hier machen, Herr Kollege!)

Aber letztlich kaschieren Sie damit nur, dass eigentlich niemand von Rang und Namen mit Ihnen reden will. Herr Kollege Rosenthal, Sie haben recht: Außenpolitik wird in Berlin gemacht, nicht in München. Ihr Außenminister Sigmar Gabriel war kürzlich zu seinem Antrittsbesuch in Russland. Ich bin mir sicher: Ihr Genosse hat dort bestimmt die Ihnen wichtigen Punkte angesprochen. Sigmar Gabriel war einmal Wirtschaftsminister. Als solcher hat er eine Lockerung der Sanktionen gefordert. Was war die Reaktion der SPD, Herr Rinderspacher? – SPD-Mitglieder haben einen Arbeitskreis gegen Gabriels Ostpolitik gegründet. Ich kann nur sagen: Klären Sie erst einmal innerhalb Ihrer Partei den Kurs gegenüber Russland, bevor Sie uns Belehrungen erteilen.