Protokoll der Sitzung vom 14.03.2017

Er definiert dabei aber auch die Kriterien für seine freiwillige Unterstützung.

Das Förderprogramm "Jugendsozialarbeit an Schulen" begann mit der Modellphase 1999. Dieser schloss sich dann im Jahre 2002 das Regelförderprogramm mit 350 Stellen an. Mit dem Beschluss des Ministerrates aus dem Jahr 2009 sollte der weitere Ausbau gestaffelt auf 1.000 Stellen bis zum Jahre 2019 erfolgen. In diesem Zuge wurde im Hinblick auf die Bedeutung der Frühprävention auch der Einsatz von staatlich geförderten Jugendsozialarbeitsstellen an den Grundschulen ermöglicht, wenn diese einen Migrantenanteil von mindestens 20 % aufweisen.

Es ist davon auszugehen, dass sich aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen auch der Bedarf an Unterstützung für diese Kinder erhöhen wird, wenn sie aus den Übergangsklassen in die Regelklassen kommen. Das wird sich natürlich auch im Hinblick auf sozialpädagogische Leistungen der Jugendsozialarbeit deutlich zeigen. Deshalb wurde auch noch im Oktober 2015 der Beschluss gefasst, das Ausbauprogramm zu beschleunigen, um die Umsetzung von 1.000 Stellen bereits 2018 realisieren zu können und nicht erst 2019. Zum 01.03.2017 haben wir bereits 814 Stellen an 1.095 Einsatzorten in der staatlichen Förderung und sind daher in Bayern auf einem guten Weg und bundesweit das Best-PracticeBeispiel.

Nach Auslaufen der aktuellen Förderrichtlinie wird bei der Fortschreibung der Richtlinie der Vorschlag zur Aufhebung der festgesetzten und der vorausgesetzten Migrantenquote von mindestens 20 % auch auf der Grundlage der Entwicklung der Migrantenzahlen erneut geprüft.

Außerdem wurde eine Evaluation seitens des Ministeriums mit dem Bayerischen Landesjugendamt und dem Institut INSO im Bereich der Jugendsozialarbeit an Schulen durchgeführt. Die Ergebnisse wurden im Februar im Rahmen von Regionalbereisungen in allen Regierungsbezirken von allen Trägern und Jugend

ämtern vorgestellt. Dabei wurden auch Anregungen für die Weiterentwicklung der JaS im Hinblick auf die Fortschreibung der Förderrichtlinien abgefragt. Diese werden derzeit ausgewertet und auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft.

Auch die Quote von 20 % wird zur Diskussion gestellt werden. Anstatt aber diesem Prozess vorzugreifen, werden wir uns erst dann für eine endgültige Festsetzung in der Richtlinie aussprechen, wenn alle Erkenntnisse, die in den letzten Monaten gesammelt wurden, in die Überlegungen einfließen konnten.

Wir sind klar für einen weiteren Ausbau der Jugendsozialarbeit an Schulen, aber wir lehnen ein flächendeckendes pädagogisches Parallelsystem zur Schule ab, was die Jugendsozialarbeit einfach nicht ist. Die Jugendsozialarbeit ist für eine bestimmte sozial benachteiligte Zielgruppe gedacht und soll da auch bedarfsgerecht und zielgerichtet ankommen und nicht nach dem Gießkannenprinzip überall verteilt werden. Viel hilft nicht viel und schon gar nicht in einem Bereich, in dem es darum geht, dass einige wenige Unterstützung benötigen, die sie dann aber auch individuell bekommen sollen und die nicht in einem allgemein pädagogischen Angebot untergehen. Ziel dieses niederschwelligen sekundär präventiven Angebotes ist es, dass junge Menschen, die vielleicht nicht ausreichend durch Eltern oder Umfeld unterstützt sind, ein von sozialen Unterstützungssystemen befreites eigenständiges Leben führen können.

Der Unterschied zu einem allgemeinen pädagogischen Angebot und einem zusätzlichen schulischen Spezialdienst ist es ja gerade, dass die Fachkräfte der Jugendsozialarbeit über das gesamte Instrumentarium der Kinder- und Jugendhilfe verfügen können. Die Fachkräfte sind eng mit dem Jugendamt vernetzt und können gezielt Hilfe einleiten. Dieses System hat sich bewährt und wird auch weiterhin unsere Unterstützung erfahren.

(Beifall bei der CSU)

Danke sehr, Frau Kollegin Gerlach. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Gottstein. Bitte sehr.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sozialarbeit an Schulen – ich spreche jetzt nicht von Jugendsozialarbeit, sondern von Sozialarbeit an Schulen – ist nötiger denn je; das sollten wir uns durchaus noch einmal ins Gedächtnis rufen. Warum? –

Erstens. Wir haben inzwischen völlig andere familiäre Verhältnisse, die nicht einmal mehr die CSU wegdiskutiert. Das heißt, wir haben nicht mehr die Großfami

lie mit mehreren Bezugspersonen für ein Kind. Wir haben vielmehr vermehrt Alleinerziehende, wir haben noch viel mehr Patchwork-Familien, und über die Hälfte sind Ein-Kind-Familien, die haben also keine Geschwister.

Zweitens. Wir haben ein anderes Umfeld für die Kinder. Die Wohnverhältnisse sind anders, die Ernährung, die Medien und auch die Umweltbelastung. Das lässt sich nicht wegdiskutieren.

Drittens. Wir haben eine andere schulische Situation. Es gibt mehr Fächer, es gibt einen höheren Leistungsdruck – auch wenn er großteils durch die Eltern erzeugt wird –, und wir haben eine Lehrerausbildung, die auf diese geänderten Verhältnisse viel zu wenig eingeht. Wir haben Klassen mit vielen Kindern mit Migrationshintergrund, mit Kindern, die Störungen haben und die – in Anführungszeichen – "nicht normal zu behandeln sind". Das ist der Ist-Stand an unseren heutigen Schulen.

Was machen denn die Privatschulen wie beispielsweise die Montessori-Schule? Wir müssen uns überlegen, warum die einen so großen Zulauf haben. Sie arbeiten nicht mit Sozialarbeitern an den Schulen, sondern mit zwei Lehrern in einer Klasse oder zumindest einem Lehrer und einem Erzieher.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Und was machen wir? – Wir weichen auf die Jugendsozialarbeit aus. Die Kollegin Gerlach hat es schon gesagt; sie will es nicht. Sie will keine Parallelwelt zur Schule. Sie hat recht. Was wir mit der Jugendsozialarbeit an Schulen machen, ist eine Mogelpackung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Privaten trifft es nicht. Wir werden gleichwohl den Anträgen zustimmen, weil wir in diesem Hohen Hause anscheinend nicht zu einer echten Schulsozialarbeit kommen. Eine solche echte Arbeit wäre nötig. Wir bräuchten beides. Wir brauchen die Jugendsozialarbeit an Schulen, so wie es geschildert worden ist, die individuell fördert, und wir brauchen die Schulsozialarbeit, die den Lehrer unterstützt, um die vorhin von mir genannten Punkte aufzufangen.

Unter diesem Aspekt ist die Jugendsozialarbeit an Schulen natürlich nach wie vor notwendig. Wir wollen sie nicht wegdiskutieren. Sie ist aber eine Billiglösung, die auf Kosten der Kommunen geht, weil die Kommunen immer mehr in eine Aufgabe einbezogen werden, die teilweise die Schule leisten muss. Aber das ist noch immer viel zu wenig.

Wir unterstützen deswegen die Anträge, möchten aber ganz klar darauf hinweisen: Das ist eine Notlösung, das ist – dies hat die Kollegin Stamm vorhin schon gesagt – eine Milchmädchenrechnung; denn alles, was wir jetzt hier sparen – inzwischen brauchen wir an allen Schulen Sozialarbeit; wir brauchen sie an allen Schularten und für alle Altersgruppen –, werden wir beim Übergang in die Berufswelt mehrfach wieder leisten müssen. Wir brauchen Programme für den Übergang von der Schule zum Beruf. Wir brauchen zusätzliche Förderungen, das duale System usw. Wenn wir an diesem Punkt ansetzen, dann könnten wir das Problem lösen.

Wie gesagt: Wir brauchen beides, nämlich die Jugendsozialarbeit an Schulen – die Anträge wollen das erweitern; deswegen unterstützen wir das –, aber auch eine echte Schulsozialarbeit. Aber dazu weigert sich das Kultusministerium nach wie vor. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum. In anderen Ländern wird das nämlich gemacht. Das ist die beste Möglichkeit, die Kinder im jetzigen Schulsystem zu fördern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Frau Gottstein. – Für die Staatsregierung hat sich Staatssekretär Hintersberger zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze: Die Jugendsozialarbeit an Schulen, JaS, ist eine Erfolgsgeschichte. Dies lassen wir uns nicht schlechtreden und auch nicht kaputtreden.

(Beifall bei der CSU)

Das ist kein Sparprogramm, sondern eine wichtige Lanze, die wir strukturell einsetzen, um für junge Menschen, die aus sozial schwächeren Familien kommen, einen Beitrag zu leisten, damit sie echte Chancen bekommen.

JaS – um dies noch einmal deutlich zu machen, Kollegin Gottstein; damit wir das nicht verkehren – ist eine Leistung der Jugendhilfe.

(Zuruf der Abgeordneten Eva Gottstein (FREIE WÄHLER))

Aber Sie haben es nicht so, sondern genau andersherum gesagt. – JaS ist eine Leistung der Jugendhilfe. Für die Jugendhilfe sind die Kommunen – und damit die Landkreise und kreisfreien Städte – zuständig. Es ist eine bewährte Einstellung und Philosophie des Freistaats, nicht nur hier, aber auch hier, sozusa

gen subsidiär, eine nachhaltige Unterstützung zu geben.

Frau Kollegin Stamm, das, was Sie gesagt haben, war falsch, nämlich dass die 40 %, die wir zahlen, nur auf ein Jahr befristet sind bzw. dass das mit einem Fragezeichen zu versehen ist. Nein, diese 40 %, die wir für eine kommunale Aufgabe zur Verfügung stellen, finanzieren wir belastbar, kontinuierlich und damit planungssicher für die Kommunen und für die Mitarbeiter, die bei JaS angestellt sind, meine Damen und Herren. Das ist ein wichtiger Aspekt.

Die Kollegin Gerlach hat die einzelnen Schritte schon dargestellt. Daher brauche ich sie nicht noch einmal aufzulisten.

Ich möchte nicht stehen lassen, dass man sagt, das sei ein Sparprogramm oder es sei eine Schande, wenn der Freistaat für diese kommunale Aufgabe nur 36 Millionen Euro in diesem Doppelhaushalt bereitstellt. Das war im letzten Doppelhaushalt eine Größenordnung von 32 Millionen Euro. Dies wurde kontinuierlich erweitert. Das ist ein kontinuierliches, konsequentes Programm. Zu sagen, dies sei eine Schande, meine Damen und Herren, ist falsch, und das lasse ich nicht so stehen.

Ich möchte zusammenfassen: Durch das JaS-Unterstützungsprogramm mit den 40 % konnte der Ausbau ohne Verzögerung kontinuierlich und planungssicher entwickelt werden. Alle entscheidungsreifen und richtlinienkonformen Anträge können bewilligt werden. Die Kalkulationsgrundlage, die wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden geschaffen haben, erweist sich als tragfähig und richtig.

Die Antragstellung ist jederzeit möglich. Die Bedarfe von JaS sind im Rahmen der Jugendhilfeplanung durch das örtliche Jugendamt als kommunale Aufgabe, aber auch mit der Kompetenz der Kommunen festzustellen und zu beantragen.

Ich möchte noch einmal festhalten: Die Jugendsozialarbeit an Schulen ist und bleibt ein Erfolgsmodell. Sie trägt dazu bei, als eine Möglichkeit, als eine Säule, als ein Mosaikstein, dass Kinder und Jugendliche aus belasteten Familien zur sozialen Integration befähigt werden und dass ihnen ein erfolgreicher Schulabschluss gelingen wird. Die Programme greifen. Sie sind planungssicher und belastbar. Von daher bitte ich Sie, die Anträge abzulehnen und das Erfolgsmodell JaS in dieser Form weiterhin nachhaltig zu unterstützen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatssekretär. – Zu einer Zwischenbemerkung hat sich der Kollege Gehring gemeldet. Bitte schön, Herr Gehring.

Herr Staatssekretär, ich möchte es kurz machen. Es geht gar nicht darum, das System JaS infrage zu stellen. Jugendhilfe an Schulen ist eine Arbeit des Jugendamtes in Form einer Einzelfallhilfe. Diese kommunale Aufgabe wird vom Freistaat unterstützt. JaS ist aber keine Schulsozialarbeit. Daher kommt die Schieflage. Die Schulen greifen zum Teil auf JaS zurück und sagen: Dann schickt uns wenigstens jemanden von JaS, weil wir keine Schulsozialarbeiter haben. – Dadurch entsteht eine Schieflage.

Das Problem ist, dass wir unabhängig von JaS eine Schulsozialarbeit brauchen. Dafür sind Sie aber der falsche Ansprechpartner, sondern dafür ist das Kultusministerium zuständig. Vom Kultusministerium ist aber niemand mehr hier; es fühlt sich gar nicht angesprochen. Aber solange wir im Kultusministerium keine Schulsozialarbeit aufbauen, werden wir beim Thema JaS immer diese Schieflage und auch immer diese Ungereimtheiten haben. Wir werden da auf keinen grünen Zweig kommen und können keine sinnvolle Arbeit aufbauen, sondern wir werden immer irgendwelche Lücken schließen müssen. Deswegen brauchen wir auch die Schulsozialarbeit, so schön JaS auch ist. Vielleicht können Sie sich im Kabinett dafür einsetzen, dass das Kultusministerium hier seiner Aufgabe nachkommt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatssekretär, bitte schön.

Herr Kollege Gehring, ich möchte einen Eindruck vermeiden: Die Jugendsozialarbeit an Schulen gibt neben der offiziellen individuellen Arbeit, die sie im Auftrag leistet, gerade an den Schulen einen sehr starken Impuls. Das weiß ich aus vielen konkreten Beispielen. Ich denke nur an die Mentoringprogramme, die an den Mittelschulen engagiert, ehrenamtlich und mit Begleitung vor allem auch durch den Impuls der JaS laufen. Die Jugendsozialarbeit ist Gold wert.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatssekretär. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration empfiehlt beide Anträge zur Ablehnung. Besteht damit Einverständnis, dass wir über die Anträge insgesamt abstimmen und der Abstimmung das Votum des federführenden Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration zugrunde legen? – Das scheint der Fall zu sein. Dann lasse ich so abstimmen. Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des jeweiligen Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion in dem vorgenannten federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Auch nicht. Damit übernimmt der Landtag diese Voten. Die Anträge sind abgelehnt. Ich gebe nun noch das Ergebnis der vorher durchgeführten na

mentlichen Abstimmung zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend "Umsetzung der Ergebnisse der Enquete-Kommission ‚Jungsein in Bayern‘ I: Politische Bildungsarbeit für und mit jungen Menschen ausbauen" auf Drucksache 17/11616 bekannt. Mit Ja haben 57 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 71. Stimmenthaltungen gibt es keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)