Natürlich brauchen wir auch – ich habe es mehrfach betont – ein Digitalkonzept. Ich bin bereit, da ins Gespräch zu kommen. Die Frau Landtagspräsidentin arbeitet daran, dass alle Ausschusssäle mit entsprechender Technik ausgestattet sind, um diese Dinge alle zu ermöglichen. Wir sind gerne bereit, dazu das Gespräch aufzunehmen.
Werter Kollege Reiß, ich bin zumindest positiv überrascht, dass es jetzt offensichtlich eine gewisse Gesprächsbereitschaft gibt. Allerdings stellt sich mir schon die Frage: Wie soll das bei einer situativen Zuschaltung funktionieren? Das ist hochpolitisch. Wir haben gerade deswegen in § 138 der Geschäftsordnung die Öffentlichkeit relativ klar geregelt und relativ klar gesagt, wann zum Beispiel eine Petition nicht öffentlich behandelt werden soll, dass aber Ausschüsse grundsätzlich öffentlich tagen.
Ich stelle mir schon wirklich die Frage: Wer soll es denn festlegen, ob ein Ausschuss auch noch gestreamt wird? Wir hätten dann zwei verschiedene Formen von Öffentlichkeit. Dafür fehlt mir, ehrlich gesagt, die Bewertungsgrundlage. Es kann ja nicht so sein, dass es am Ende nur eine Show-Veranstaltung ist. Wenn ein Minister in den Ausschuss kommt, dann würde gestreamt; ansonsten wäre es mehr oder weniger ein stilles Kämmerlein mit den wenigen Beteiligten.
Noch mal: Wir sind doch tatsächlich kein stilles Kämmerlein. Natürlich kann das nicht rein situativ passieren, etwa nach dem Motto, dass im Ausschuss beantragt wird: Jetzt wollen wir auf einmal streamen. – Wenn, dann braucht es dafür natürlich ganz konkrete Vorgaben und Regelungen in der Geschäftsordnung. Das ist ja völlig klar. Wir können nicht praktisch auf Zuruf die Art der Zuschaltung oder des Streamens im Einzelfall regeln.
Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass es am Ende natürlich Regelungen bräuchte, die im Vorfeld klar festlegen, wie, wann und unter welchen Umständen welche Möglichkeiten bestehen sollen. Das kann nicht situativ in der Sitzung und im Einzelfall passieren. Ich bin da ganz bei Ihnen. Es braucht natürlich ein klares Regelungskonzept. Das kann nur im Vorfeld und im Einvernehmen geschaffen werden. Auch müssen die Ausschussvorsitzenden ja wissen,
wie wir unsere Ausschussarbeit organisieren. Wie gesagt: Wir stehen gerne zur Verfügung, um da weiter und zu einem tatsächlichen Ergebnis zu kommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, der SPD und den Liberalen, für diesen Vorschlag, die Geschäftsordnung zu ändern, gibt es heute durchaus mal Applaus von rechts. Dieser Vorschlag ist wirklich zeitgemäß und modern. Das hätte, wenn Sie uns hätten mitmachen lassen, auch ein Antrag von der AfD sein können.
Meine Damen und Herren, es ist bürgerfreundlich, die Bürger auch an unseren Ausschusssitzungen teilhaben zu lassen und zu dokumentieren, was da passiert. Die arbeitende Bevölkerung sitzt zu den Uhrzeiten, zu denen wir zusammenkommen, logischerweise zum Großteil an ihrem Arbeitsplatz.
Wir haben hier den Vorschlag, dass mehr Transparenz geschaffen werden soll. Meine Damen und Herren, sagen wir mal ganz offen und ehrlich: Es schadet – wenn man sich anschaut, was da beispielsweise passiert – unser aller Arbeit durchaus nicht, das Niveau der Arbeit in den Ausschüssen etwas zu erhöhen. Es schadet auch nicht, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger draußen ein genaueres Bild machen können.
Mir ist bei der Betrachtung dieses Antrages eine Szene im Gesundheitsausschuss vor wenigen Wochen eingefallen. Wir hatten da eine Petition behandelt. Es ging darum, ob man Friseursalons während der Corona-Krise mit 3G öffnen könnte. Kollegin Waldmann von der SPD hat sich durchaus dafür ausgesprochen. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich das auch sehr gut fand, hier mehr Lockerheit zu schaffen. Damals war es noch so, dass man zum Friseur nur mit 2G, mit Test und allem Drum und Dran gehen konnte. Es gab halt auch ein großes Bedürfnis in der Bevölkerung, sich mal wieder ein bisschen der Körperhygiene zuwenden zu können.
Was ist passiert? – CSU und FREIE WÄHLER haben sich in einem Trommelfeuer von Anschuldigungen ergangen: Wie könne man so etwas bloß machen? Das würde Menschenleben gefährden usw. usf. – Drei Tage später hat der Ministerpräsident selbst bekannt gegeben, dass gelockert wird und dass man in Zukunft mit 3G zum Friseur gehen kann.
Meine Damen und Herren, dieses Theater, bei dem stur an der Parteilinie festgehalten wird, bei dem eben hier im Haus nicht mehr der Austausch von Meinungen stattfindet, sondern nur noch das reproduziert wird, was einem vorgegeben wurde, hat nichts mehr mit Debatte zu tun. Meine Damen und Herren, es ist gut, dass sich der Bürger in Zukunft durch so ein Modell selber darüber eine Meinung bilden kann, wer seine Meinung im Parlament auch in den Ausschüssen repräsentiert.
Insofern ist das ein guter Antrag. Es sind ein paar kleine Fehler drin. Hätte man mit der AfD vorher gesprochen, hätten wir den Antrag gerne unterstützt. Wir können den Antrag nur unterstützen. Ungeklärt ist aber beispielsweise die Nutzung der Bildrechte: Gibt es Verfügbarkeit nur aufseiten des Landtagsamts? Können die Fraktionen darüber verfügen? – Das ist alles ungeklärt. Wir hätten das gerne mit drin gehabt. Wir werden uns insofern enthalten.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass Rednerinnen und Redner der Regierungsfraktionen an dieses Pult treten, um einigermaßen wortreich Initiativen der Oppositionsfraktionen abzulehnen, ist der Logik unserer Demokratie inhärent. Das sind Sie sozusagen gewohnt.
Etwas seltener ist es, dass Vertreter der Regierungsfraktionen an das Pult treten, um die Opposition und die Art und Weise ihrer Zusammenarbeit mit der Regierung zunächst einmal zu loben. Ich möchte genau das tun. Hören Sie deshalb gut zu, und genießen Sie den Moment. – Nein, Spaß beiseite, ganz im Ernst: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Corona-Pandemie unser Land und dessen Menschen in die größte Krise der Nachkriegszeit gestürzt hat und dass dies auch an unserer bayerischen Demokratie nicht spurlos vorbeigegangen ist. Auch der Bayerische Landtag war bei der Organisation seiner Prozesse so herausgefordert wie in der Nachkriegszeit noch nie.
Wir FREIEN WÄHLER – und ich persönlich – sind fest davon überzeugt, dass wir dabei dauerhaft mindestens zwei großen Aufgaben ausgesetzt waren, die wir im interfraktionellen Konsens – das ist das Bemerkenswerte – der demokratischen Oppositionsfraktionen und der Regierungsfraktionen ganz hervorragend gemeistert haben. Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe bestand zum einen darin, eine
geeignete Balance zu finden. Wir mussten immer wieder die Ausfallsicherheit auf der einen Seite – die Herzkammer der Demokratie muss gerade in der Krise funktionieren – mit dem Momentum des Demokratieprinzips auf der anderen Seite ausbalancieren. Wir durften uns durch Infektionen innerhalb des Parlaments nicht lahmlegen. Wir mussten aber auch beschlussfähig bleiben und demokratische Prozesse abbilden können. Ich finde, dass uns das zwei Jahre lang durch reduzierte Besetzung, Installation der Scheiben, Maskenpflicht, das Testregime – Frau Kienle sei Dank – ganz hervorragend gelungen ist.
Kolleginnen und Kollegen, die zweite Aufgabe, die wir miteinander zu bestreiten hatten und ebenfalls im interfraktionellen Konsens bestreiten konnten, bestand darin, die Balance zwischen dieser Stunde der Exekutive, was Krise nun einmal notwendigerweise immer und immer wieder bedeutet, und der parlamentarischen Legitimation von Regierungshandeln – es ging ja doch um sehr sensible Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten – zu finden.
Was hat man nicht alles über andere Länder gelesen, in denen Parlamente gewissermaßen zum Bremsklotz am Bein von Regierungen geworden sind, indem notwendige Entscheidungen zu langsam getroffen werden konnten, weil Parlamente nicht schnell genug beschlussfähig waren. Was hat man nicht alles darüber gelesen, dass Regierungshandeln nicht parlamentarisch legitimiert gewesen sei. – In Bayern war all das nie der Fall. Der bayerische Weg, den wir von Anfang an gewählt haben, hat dafür gesorgt, dass wir als erstes Landesparlament in Deutschland und die gesamte Pandemie hindurch alles, was die Staatsregierung getan hat, auch parlamentarisch legitimiert haben. Das geschah über den von uns interfraktionell definierten Modus: zuerst Ministerpräsidentenkonferenz, dann Tagung des bayerischen Kabinetts
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde also, dass wir das durchaus sehr, sehr gut gemacht haben. Ich will mich an dieser Stelle zunächst ausdrücklich bei meinen demokratischen Kolleginnen und Kollegen, die Parlamentarische Geschäftsführer sind und die das möglich gemacht haben, bedanken: Jürgen Mistol, Simone Strohmayr, ihrem Vorgänger Volkmar Halbleib, Tobias Reiß und Matthias Fischbach.
Ich bin der festen Überzeugung – auch das gehört in einer solchen Debatte gesagt –, dass die Art und Weise, in der wir den Schulterschluss der Demokraten geübt und in der Stunde der Not Parteipolitik zurückgestellt haben, eine Sternstunde unserer bayerischen Demokratie war. Wir können darauf sehr stolz sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben zudem die Chance in der Krise genutzt, einen Modernisierungsschub für dieses Parlament auf den Weg zu bringen. Wir haben über elektronische Abstimmungen, über digitale Beratungen und digitale Beschlussfassungen dieses Parlament zu einem der modernsten Parlamente in Europa gemacht. Heute geht es um nicht mehr als um die Frage, was davon wir in die Zeit nach der Pandemie mitnehmen und was wir nach der Pandemie nicht mehr brauchen. Bei elektronischen Abstimmungen sind wir uns sicher einig. Bei der Frage des Video-Streamings divergieren dagegen die Auffassungen: Herr Kollege Fischbach würde, mit Ausnahme des Toilettengangs, am liebsten alles streamen, was im Landtag stattfindet. Andere Kolleginnen und Kollegen halten es dagegen mit einem Zitat meines Fraktionsvorsitzenden: Wer die Wurscht
und die Gesetze mag, der sollte bei der Produktion lieber nicht zusehen. – Ich denke, es ist wie immer im Leben: Die Wahrheit liegt in der Mitte.
Das ist der Grund, warum ich unserem Koalitionspartner einen Vorschlag unterbreitet habe. Ich danke an dieser Stelle meinen Mitarbeitern und dem Landtagsamt für die Zuarbeit. Über diesen Vorschlag diskutieren wir gerade innerkoalitionär. Anschließend wollen wir über diesen Vorschlag auch mit den demokratischen Oppositionsfraktionen diskutieren. Ich bin mir sehr sicher, dass wir dann, wie in der Pandemie auch, zu einer gemeinschaftlich und interfraktionell getragenen guten Lösung kommen werden, die die Türen dieses Parlaments auch nach der Pandemie für die digitale Welt offen hält. Das ist die Zusage und das Ansinnen der FREIEN WÄHLER.
Deshalb bitte ich Sie, heute nicht verärgert oder verstört über die Ablehnung Ihres Antrags zu sein. Ich verbinde diese Ablehnung mit der Zusage, dass wir das Gespräch mit einem konkreten Vorschlag suchen werden. Ich werde weiterhin versuchen, in der Moderatorenfunktion zu bleiben und dafür zu sorgen, dass wir gemeinsam interfraktionell eine gute Lösung auf den Weg bekommen. Ich freue mich auf konstruktive Diskussionen und bin mir sicher, dass uns das gelingen kann.
Herr Kollege, Sie erhalten noch zwei Minuten Redezeit, weil zwei Meldungen zu je einer Zwischenbemerkung vorliegen. Die erste kommt von Herrn Kollegen Florian von Brunn.
Herr Kollege, zuerst einmal möchte ich mich im Interesse des Metzgerhandwerks Bayern dagegen verwahren, dass die Produktion von Wurst irgendetwas Anrüchiges wäre. Damit der Politikbetrieb und das Erstellen von Gesetzen nicht anrüchig werden, ist es wichtig, dass wir Transparenz herstellen. Sie bekommen wahrscheinlich wie wir viele Zuschriften von Kreuz- und Querdenkern, von Leuten, die Angst vor Impfungen schüren oder die der Meinung sind, dass wir alle hier nicht Bescheid wüssten. Würden wir zeigen, wie ernsthaft und sachbezogen wir in den Ausschüssen diskutieren, würden wir jedem die Möglichkeit eröffnen, an den Sitzungen teilzunehmen, und unabhängig davon, ob er in Aschaffenburg oder in München wohnt, wäre das ein großer Fortschritt und im Interesse der Demokratie. Das würde Politikverdrossenheit verhindern.
Deshalb mein Appell an Sie: Stimmen Sie dieser Transparenzoffensive, die wir vorhaben, zu, zusätzlich zu dem, was wir bereits erreicht haben und wofür ich der Landtagsverwaltung und der Präsidentin an dieser Stelle sehr herzlich danken möchte.
Herr Fraktionsvorsitzender, lieber Florian, ich hoffe, dass dir zwischen den Zeilen meiner diplomatischen Formulierungen klargeworden ist, dass die Sichtweise meiner Fraktion von dem, was du etwas zugespitzter ausformuliert hast, nicht so stark divergiert. Trotzdem möchte ich zwei Anmerkungen machen: Zum einen verwahre ich mich in der gleichen Weise, wie das Herr Kollege Reiß getan hat, gegen den Anwurf, wir wären derzeit in irgendeiner Weise intransparent. Wir sind bereits, Stand heute, dem Status quo nach das transparenteste Parlament in dieser Republik. Unsere Ausschüsse tagen öffentlich, anders als die Ausschüsse im Deutschen Bundestag. Das ist auch Teil der Wahrheit.
Davon unabhängig glaube ich, dass wir von dem Status eines Arbeitsparlaments leben. Davon profitiert insbesondere die Opposition. Wir pflegen in den Ausschüssen nicht die große Polit-Show, sondern haben ein gutes Benehmen zwischen Regierung und Opposition, ohne politischem Narzissmus nachzugeben oder uns selbst zu produzieren. Wir finden gute Lösungen. Deshalb glaube ich, dass das Streaming von allem und jedem nicht die Lösung ist. Ich bin aber sehr dafür, dass im Jahr 2022 ein weiteres Öffnen unserer Türen und mehr digitale Welt angesagt sind. Das war immer die Position der FREIEN WÄHLER. Ich glaube, dass wir mit dem Vorschlag, den wir vorgelegt haben, interfraktionell zu einem Konsens kommen können und kommen werden.
Herr Kollege Dr. Mehring, wir diskutieren jetzt seit anderthalb Jahren über das Thema Livestream, unabhängig von der Pandemie. Die Legislaturperiode des Landtags dauert nur noch anderthalb Jahre. Wir sollten deshalb nicht mehr zu lange diskutieren; denn sonst ist die Periode vorbei. Bekanntlich bin ich einer, der gern Kompromisse schließt. Ich sage aber auch: Kompromisse müssen tragfähig und zweckmäßig sein, sonst werden wir keine Kompromisse eingehen. Herr Kollege Reiß hat als Kompromiss vorgeschlagen, bestimmte Highlights im Livestream zu übertragen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Sollen wir wirklich bestimmen, was Highlights sind, vielleicht noch mit Mehrheit? Bei diesen "Highlights" sollen sich dann die Journalistinnen und Journalisten zuschalten dürfen, bei anderen Sitzungen aber nicht? – Das wird aus meiner Sicht nicht funktionieren. Ansonsten erwarte ich gerne Ihre Vorschläge.