Protokoll der Sitzung vom 22.06.2022

(Beifall bei der AfD – Dr. Simone Strohmayr (SPD): Vor dem nächsten Mal sollten Sie das Lesen üben!)

Nächster Redner ist der Kollege Martin Stümpfig von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Dringlichkeitsantrag von den FREIEN WÄHLERN und der CSU, den wir heute hier vorgelegt bekommen haben, zeigt klar das Gesicht der Regierungsparteien. Was hier heute auf dem Tisch liegt, ist höchst unsozial.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deutschland ist ein Mieter*innen-Land. Bayern ist ein Mieter*innen-Land. Rund 49 % aller Wohnungen sind vermietet, und die Preise für die fossilen Energien gehen durch die Decke. Es ist dann eben nicht die Schuld der Mieter*innen, wenn sie in einer schlecht sanierten Wohnung leben – davon haben wir gerade genug –, dass die Heizkosten buchstäblich zum Fenster hinausgeblasen werden und man

sozusagen zur Kaltmiete mit den Energiekosten eine zweite Miete hat. Der einzig richtige Weg ist hier einfach eine energetische Sanierung und eine Umstellung auf erneuerbare Energien, um dieser Preisspirale zu entkommen. Dafür brauchen wir Anreize zur Sanierung. Genau dafür ist dieser CO2-Stufenplan ein wichtiger Anreiz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie gesagt, rund die Hälfte unserer bayerischen Mietgebäude hat einen sehr schlechten energetischen Standard. Die Bundesregierung hat hier jetzt beschlossen, dass der CO2-Preis, den wir haben, entsprechend aufgeteilt werden soll. Das sähe dann so aus: Wenn man ein sehr gutes Haus hat, kann der CO2-Preis komplett auf den Mieter umgelegt werden; wenn es ein sehr schlechtes Haus ist, sollte der Vermieter bis zu 90 % der Kosten tragen. Von sehr schlechten Häusern reden wir wirklich nur, wenn sie den fünffachen Energiebedarf der guten Häuser haben. – Herr Friedl, Sie haben vom Nutzerverhalten gesprochen; das kommt dann hier irgendwo an seine Grenze, wenn es hinten und vorne durch die Ritzen bläst; es wäre schön, wenn Sie zuhörten. Da kann sich der Mieter oder die Mieterin noch einmal warme Gedanken machen, aber er oder sie kann dann nichts mehr durch sein oder ihr Nutzerverhalten dazu beitragen, die Energiekosten zu reduzieren, wenn das Haus einfach einen sehr schlechten Standard hat. Ihr Antrag geht komplett in die falsche Richtung. Das geht wirklich total am Thema vorbei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Anstatt jetzt immer wieder den Bund zu kritisieren, was er denn macht, fordern wir Sie auf, endlich hier mal in Bayern etwas zu machen. Wir haben in Bayern kein Förderprogramm für eine energetische Sanierung. Ein solches ist überfällig. Wir fordern es schon seit Langem. Sie von der CSU und den FREIEN WÄHLERN schreiben nun in Ihren Dringlichkeitsantrag rein, dass der Bund es mal machen soll. Was hindert Sie denn daran, hier etwas in Bayern zu machen? Wir forderten ein Bayerisches Wärmegesetz, das Sie abgelehnt haben. Einen Sozialfonds mit 300 Millionen Euro haben Sie abgelehnt. Der Bund macht hier viel mehr. Er hat Förderprogramme. Er hat eine Umgestaltung der Modernisierungsumlage geplant. Er hat eine Umstellung auf ein (Teil-)Warmmietensystem geplant. Hören Sie also endlich auf, immer nur den Bund zu kritisieren! Machen Sie hier in Bayern Ihre Hausaufgaben!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Abschließend nur noch eine kurze Bemerkung. Sie hatten einen Bundesinnenminister, der für das Bauen zuständig war. Horst Seehofer war der Einzige, der in Berlin seine Klimaziele gerissen hat. Es war Ihr Gesetz von der CSU, als Sie das Bundesklimaschutzgesetz mit verabschiedet haben. Das sind natürlich Bausteine davon. In Berlin sitzt jetzt jemand, der nicht nur Ziele macht, sondern auch Maßnahmen hinterlegt. Deswegen ist es schon mehr als ein Witz, was Sie hier heute vorlegen. Ihr Antrag ist höchst unsozial und klimaschädlich. So kommen wir nicht aus unserer Abhängigkeit. Deswegen werden wir ihn ablehnen. Wir hoffen darauf, dass wir jetzt endlich vorankommen und man sagt: Man geht auch hier in Bayern in eine energetische Sanierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt zwei Meldungen zu je einer Zwischenbemerkung. Die erste kommt vom fraktionslosen Abgeordneten Markus Bayerbach.

Sehr geehrter Herr Stümpfig, Sie sagen, wir haben eine relativ niedrige Eigentumsquote. Meinen Sie, es wird besser, wenn wir jetzt den kleinen Mann, der sich für seine Altersvorsorge eine Eigentumswohnung leistet, zwingen, energetische Sanierungen mitzuzahlen? Das geht von seinem Budget her nicht.

Thema "bezahlbares Wohnen": Wenn Sie heute mal mit Mietern reden, dann stellen Sie fest: Sie interessieren sich weniger für die energetisch sanierte Wohnung als für die Wohnung, die sie sich noch leisten können. Sie sorgen dafür, dass die älteren Gebäude, die zum Teil noch in Ordnung sind und nur mit überproportionalem Aufwand energetisch saniert werden können, dann für viel Geld zu teurem Wohnraum werden. Meinen Sie wirklich, dass das für den normalen Arbeiter Sinn macht? – Das ist vielleicht etwas für Münchner Elfenbeintürme und für Grünwald, aber bestimmt nicht für irgendein Arbeiterviertel und auch nicht für den Mann, der versucht, mit wenig Geld seine zwei oder drei Kinder über die Runden zu bringen.

(Beifall bei der AfD)

Man muss schon auf dem Boden der Tatsachen bleiben; denn wenn man sich eine Standardmietwohnung anschaut, sind wir vielleicht bei einem Energiebedarf von 1.500 Kubikmeter Erdgas. Das sind dann rund drei Tonnen CO2, das dadurch emittiert wird. Multipliziert mit 30 Euro – das ist der aktuelle CO2-Preis – geht es um 90 Euro. Wenn diese 90 Euro bei einem nicht sanierten Haus zu etwa 90 % der Vermieter trägt, sind das circa 80 Euro für ihn. Dann muss man sagen: So ein Anreiz, dass der Vermieter jedes Jahr daran erinnert wird, seine schlecht sanierte Wohnung doch einmal zu sanieren, geht vollkommen in die richtige Richtung. Deswegen unterstützen wir das auch. Dieser Beitrag der CO2-Preise hat nichts damit zu tun, dass Bauen insgesamt teurer wird, wie Sie das hier anmerken. Er ist ein wichtiger Baustein, den wir hier haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu einer zweiten Zwischenbemerkung hat sich der Kollege Hans Friedl von den FREIEN WÄHLERN gemeldet.

Herr Kollege Stümpfig, verstehen Sie es nicht, oder wollen Sie es nicht verstehen? – Der Ansatz geht doch vollkommen an der Praxis vorbei. Wir sagen: Das wird ein Bumerang für die Mieter, und zwar ein Bumerang deswegen, weil im nächsten Jahr die ganzen Nebenkostenabrechnungen kommen. Die Energiekosten sind gestiegen. Dazu kommen noch die Mieterhöhungen, bei denen die Kosten für die Sanierung umgelegt werden können. Diese werden mit Sicherheit von den Vermietern umgelegt werden. Was sagen Sie dazu?

Herr Friedl, das ist sehr kurzfristig gedacht. Man muss ja sehen: Die einzige Lösung, mit der man von den Kosten herunterkommt, ist, dass man sanierte Gebäude hat. Sie wissen ganz genau, dass es sehr viele gute Beispiele gibt, etwa die Gewobau. Dieses Beispiel hatte ich schon im Rahmen der Beratungen zum Wärmegesetz gebracht. Sie schaffen es, für eine Mieterhöhung von einem Euro pro Quadratmeter den Bedarf um mehr als das Doppelte runterzubringen, also wirklich den Verbrauch zu reduzieren. Jetzt zu sagen: Nur weil der CO2-Preis von 50 Euro pro Jahr ansteht, wird nicht saniert, ist vollkommen rückwärtsgewandt.

Außerdem muss ich Sie daran erinnern: Sie haben ein Klimagesetz, bei dem Sie 65 % CO2-Einsparung bis zum Jahr 2030 geplant haben. Diese Maßnahme, bei der man die Schlechtesten der Mietgebäude anpackt, würde vier Millionen Tonnen pro Jahr CO2-Einsparung bringen. Wir haben extra eine Studie dazu machen las

sen. Vier Millionen Tonnen! Sie lehnen sich einfach nach hinten und setzen irgendwelche Ziele fest, kümmern sich aber überhaupt nicht um Maßnahmen. Wenn es einmal konkret wird, dann schreiben Sie solche depperten Anträge, wo Sie sagen: Nein, ich habe damit überhaupt nichts zu tun, und irgendwann gibt es die Lösung in der Zukunft.

Herr Stümpfig, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Das ist nicht unser Ansatz.

(Beifall bei den GRÜNEN – Tanja Schorer-Dremel (CSU): Das ist reine Ideologie!)

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Natascha Kohnen für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und der CSU fordern die Staatsregierung mit Ihrem Antrag auf, sich auf Bundesebene gegen das sogenannte Stufenmodell des CO2-Preises zu wenden, das eine differenziertere Aufteilung des CO2-Preises zwischen Vermieter und Mieter aufsetzt und vorschlägt.

Die Idee und der Vorschlag der FREIEN WÄHLER und der CSU lautet dagegen darauf, dass die Mieter*innen den CO2-Preis allein tragen müssen. Es stehen also im Moment auf Ihren Vorschlag hin zwei Modelle gegeneinander. Die FREIEN WÄHLER und die CSU sagen: Mieter zahlen allein. SPD, GRÜNE und FDP sagen in der Bundesregierung: Mieter und Vermieter, teilt euch den CO2-Preis nach Gebäudezustand!

Herr Friedl, als kleine Anmerkung: Genau diese Auseinandersetzung gab es schon im Bundestagswahlkampf 2021. Damals hat sich interessanterweise Armin Laschet im Laufe des Wahlkampfes doch dazu bekannt: Auch die Vermieterinnen und Vermieter müssen an den CO2-Zusatzkosten beteiligt werden. Das nur mal zur Erinnerung.

(Alexander Hold (FREIE WÄHLER): Was hat es ihm gebracht?)

Was es gebracht hat, weiß ich nicht. Ihnen hat es sowieso nichts gebracht, weil Sie nicht in den Bundestag eingezogen sind – aber wurscht.

Also, was möchte dieser CO2-Preis? – Er soll Anreize schaffen, sich klimafreundlicher zu verhalten und mitzuhelfen, den Klimawandel zu bekämpfen. Wenn man ihn leugnet, ist man sowieso außen vor.

Wie sieht das denn aber im Bereich des Wohnens genau aus? Was kann ein Mieter tun, und was kann ein Vermieter tun? – Die Mieter können Energie sparen beim Heizen oder beim Wasserverbrauch. Die Vermieter sind zuständig für den Zustand ihrer Immobilie, ob und inwieweit diese energetisch saniert ist und wie der Zustand der Heizung ist. Das liegt in der Verantwortung des Vermieters.

Was sieht das Stufenmodell der Ampel vor? – Anhand von zehn Stufen wird die Aufteilung des CO2-Preises bestimmt. Je schlechter die Energiebilanz des Gebäudes, desto größer ist der Anteil der Vermieter und somit der Anreiz zu modernisieren. Herr Friedl, den Mietern sind in diesem Punkt aber die Hände gebunden, etwas an ihrer Lage zu verändern; denn sie sind nicht befugt zu modernisieren. Die Mieter verursachen nicht den energetischen Zustand ihres Gebäudes. Sie können nur zwei Dinge tun, nämlich die Heizung abstellen und kalt duschen. Genau diese

Mieter sollen jetzt nach Ihrem Antrag den kompletten CO2-Preis zahlen. Dazu sage ich: Liebe CSU und liebe FREIE WÄHLER, das ist echt eine steile These. Wir werden diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kohnen, bleiben Sie bitte noch am Rednerpult. Es gibt eine Meldung zu einer Zwischenbemerkung. Ich darf an dieser Stelle außerdem bekannt geben, dass die CSU zu diesem Tagesordnungspunkt namentliche Abstimmung beantragt hat. – Zu einer Zwischenbemerkung hat jetzt der Kollege Hans Friedl von den FREIEN WÄHLERN das Wort.

Frau Kollegin Kohnen, nur eine kurze Frage: Wenn es ältere Gebäude gibt, bei denen eine Sanierung anstehen würde, was wollen Sie machen, wenn der Vermieter sagt: Weißt du was, bevor ich viel Geld in die Sanierung stecken muss, tue ich mir das gar nicht an und lasse die Wohnung leer stehen? – Sie haben zwar heute noch einen Dringlichkeitsantrag zum Leerstand von staatlichen Immobilien des Freistaats, aber Sie wollen doch sicher nicht in das Eigentumsrecht der privaten Vermieter eingreifen.

(Martin Böhm (AfD): Das machen die, weil sie Kollektivisten sind!)

– Jetzt ist erst einmal seine Frage dran. Herr Friedl, Sie vermischen hier – und das war auch vorher bei den Zwischenfragen so – lauter Dinge miteinander. Wenn ich Leerstand habe – –

(Zuruf von der CSU)

Kommen Sie erst einmal in den Wohnausschuss, dort reden wir nämlich darüber. Herr Friedl, wenn Sie Leerstand haben, dann gibt es ein Zweckentfremdungsgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Dieses Zweckentfremdungsgesetz geht auf denjenigen zu, der seine Wohnung mit Absicht leer stehen lässt, damit er das nicht tut.

(Petra Guttenberger (CSU): Das ist mir aber neu!)

Gebäudesanierung wird aus einem Topf finanziert, im Übrigen auch von der Bayerischen Staatsregierung – da könnten Sie die Mittel auch einmal erhöhen –, aber auch vom Bund. Das ist der eine Topf. Der andere Topf: Wenn ein Mieter nicht das Geld hat, so etwas wie eine Modernisierung etc. mitzutragen, dann gibt es dafür eine andere Förderung. Dafür gibt es unter anderem auch Wohngeld, weil hier angesprochen wurde, was wir mit den Arbeiterinnen und Arbeitern machen. Sie vermischen hier die einzelnen Gesetze und die verschiedenen Töpfe. Das ist nicht legitim, das geht so nicht. Tut mir echt leid.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Den CO2-Preis können Sie niemals allein den Mietern aufbrummen, das ist echt asozial!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)