Gesetzentwurf der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Gülseren Demirel u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Ministergesetzes Einführung der Karenzzeit (Drs. 18/14928) - Erste Lesung
Die Fraktionen sind übereingekommen, dass die beiden Gesetzentwürfe in der heutigen Plenarsitzung gemeinsam in Erster Lesung behandelt werden. Begründung und Aussprache werden jeweils miteinander verbunden. Damit gibt es 20 Minuten Redezeit für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich eröffne zugleich die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach Vereinbarung der Fraktionen 54 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Ich erteile das Wort an die Kollegin Katharina Schulze von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitten in einer tödlichen Pandemie bereichert sich ein CSU-Landtagsabgeordneter offenbar beim Handel mit knapper medizinischer Schutzausrüstung, während gleichzeitig so viele Menschen, Unternehmen, Familien und Kinder unter der Pandemie leiden. 1,2 Millionen Euro Provision gab es wohl dafür. Danach wird schnell noch eine lokale Spende gemacht, nachdem das schmutzige Geschäft schon öffentlich war. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt jetzt. Das ist gut. Aber das ist nicht alles. Kurz danach kommt ans Licht, dass wohl auch Provisionen für die Vermitt
lung der Zulassung von Schnelltests in die Staatskanzlei geflossen sein sollen, ebenfalls an Alfred Sauter.
Jetzt frage ich Sie, liebe CSU-Fraktion: Wundert Sie das? – Sie können mir doch nicht erzählen, dass niemand in der CSU etwas mitbekommen haben soll. Herr Sauter blickt auf eine über 40-jährige Parteikarriere in der CSU zurück. Sie alle kannten sein Geschäftsmodell doch wenigstens vom Hörensagen. Haben Sie sich nie gefragt, ob er seinen Job als Abgeordneter vielleicht weniger ernst nimmt als seinen Job als Anwalt? Wurde das mal in der Fraktion oder in der Partei thematisiert?
Meine Fraktion und ich sind überzeugt: Man kann nicht zu 100 % Abgeordneter sein, um dann nebenbei noch in Vollzeit etwas anderes zu machen und seine politischen Kontakte am besten noch an der Schnittstelle zum Staat zu versilbern.
Damit das klar ist: Wir GRÜNE sprechen uns damit nicht für ein Berufsverbot neben dem Abgeordnetenmandat aus; denn Abgeordnete oder Abgeordneter zu sein, ist immer eine Ehre und eine Verpflichtung auf Zeit. Aber bei unzähligen Nebeneinkünften und Honoraren, die gefühlt ins Unermessliche steigen, hört es für uns auf; denn die Abgeordnetentätigkeit muss weiterhin im Mittelpunkt stehen. "Nebenjob Abgeordneter", wie das Herr Sauter mal genannt haben soll, ist absurd und wird keinem Parlament gerecht.
Sie von der CSU können mir auch nicht erzählen, das wäre ein Einzelfall. Als Union haben Sie ein strukturelles Problem, ein Haltungsproblem. Medienberichte und Ermittlungen der Staatsanwaltschaften haben viele Vorwürfe ans Licht gebracht. Ich nenne nur mal ein paar: Eduard Lintner und Tobias Zech von der CSU und Alex Fischer von der CDU sind allesamt in die Aserbaidschan-Affäre verstrickt. Nüßlein, Löbel, Hauptmann, Sauter – allesamt von der Union – bereichern sich wohl persönlich im Rahmen der Maskenaffäre und betreiben Geschäftemacherei durch die Corona-Krise. Gauweiler, bis 2015 CSU-Bundestagsabgeordneter, hat während seiner Zeit dort Beraterhonorare in Höhe von 11 Millionen Euro kassiert. MdB Dr. Joachim Pfeiffer hatte 15 Nebenjobs. Und dann gibt es natürlich noch die berüchtigten "schwarzen Kassen", die Amigo-Affäre, die Affäre um die Scheinselbstständigkeit, die Amthor-Affäre, die Maut-Affäre, die Aserbaidschan-Connection und natürlich die Masken-Geschäftemacherei. Die im Raum stehenden politischen Landschaftspfleger als Alltagsmodell sowie Vetternwirtschaft sind eindeutig zu viel!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen heute: Ohne eine persönliche und politische Haltung der Abgeordneten ist kein Staat zu machen. Wir mussten in den letzten Jahrzehnten leider mehrfach die schmerzhafte Erfahrung machen, dass Menschen mit Macht immer wieder aus einem egoistischen und aus einem kulturellen Selbstverständnis heraus denken und dachten, sie könnten mit dieser Macht alles machen. Diese schwarzen Affären und Skandale schaden den vielen rechtschaffenen Abgeordneten und Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern auf allen Ebenen, und sie bringen die Politik in Gänze in Verruf.
Kolleginnen und Kollegen, deswegen geht es uns heute nicht nur um Aufklärung und Transparenz. Uns GRÜNEN geht es um mehr: Es geht um das Vertrauen in
unsere Demokratie, um das Ansehen von Politik und, ja, auch um Anstand. Beginnen wir einmal mit der Aufklärung: Herr Holetschek, ich halte es für einen Skandal, dass sich das Gesundheitsministerium immer noch weigert, eine Liste mit den Namen der Abgeordneten zu veröffentlichen, die sich zum Thema Beschaffung an das Ministerium wandten, und mitzuteilen, was daraus folgte. – Herr Holetschek ist gerade nicht da. Ich gebe das an die Staatskanzlei weiter. – Es wäre doch wichtig zu erfahren, warum Ministerien auf Hinweise von einzelnen Abgeordneten eingegangen sind, auf die Hinweise anderer Abgeordneter aber nicht. Außerdem wäre interessant, warum Firmen, die Schutzmaterial günstig angeboten hatten, nicht zum Zuge gekommen sind.
Die Landtagsfraktion der GRÜNEN hat unzählige Schriftliche Anfragen an die Staatsregierung gestellt. Entweder haben Sie uns darauf ausweichend geantwortet, oder Sie haben uns die Anfragen mit der Bitte um Fristverlängerung bis zum August 2021 zurückgeschickt. August 2021! Ganz ehrlich: Das ist keine Aufklärung. Das ist Mauern à la CSU.
Als ob das nicht genug wäre, kommen aus der CSU auch noch Ablenkungsmanöver von ganz oben. Ich fand es unglaublich dreist, als Generalsekretär Markus Blume bei der Pressekonferenz am 11. März sagte, ich zitiere:
Wir reden hier nicht über eine Krise der Union, sondern über Vorkommnisse, die überall vorkommen können. Wir fordern alle auf, diesen Weg auch mitzugehen.
Nein, Markus Blume, das lasse ich so nicht stehen. Die CSU hat das SchwarzeFilz-Problem, nicht wir. Hören Sie auf, uns alle da mit reinzuziehen!
Dass es in Bayern so laxe Regeln gibt, das liegt einzig und allein an der CSU, die seit Jahrzehnten die Vorschläge der GRÜNEN für mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit ablehnt. Ich fordere Sie jetzt auf: Schlagen Sie unseren Weg ein, und stimmen Sie unseren Vorschlägen für mehr Transparenz zu.
Im Gegensatz zu Ihnen müssen wir GRÜNEN nicht erst lang und breit darüber diskutieren, was jetzt zu tun ist. Ich hörte aus der CSU-Fraktion, dass die Söder-Vorschläge doch nicht bei allen auf Gegenliebe stoßen. Wir haben schon längst Vorschläge auf den Tisch gelegt. Sie können heute und in den anderen Runden diesen Vorschlägen gern zustimmen.
Die GRÜNEN möchten ein verbindliches Lobbyregister, einen legislativen Fußabdruck, eine Karenzzeit für ehemalige Mitglieder der Staatsregierung und Veränderungen im Abgeordnetengesetz, mit denen in Bayern endlich unter anderem eine Offenlegungspflicht für Nebeneinkünfte ab dem ersten Euro gelten soll. Die Kolleginnen und Kollegen, die schon länger im Landtag sind, wissen, dass wir im Jahr 2013 einen Vorschlag für eine Veränderung des Abgeordnetenrechts hier ins Parlament eingebracht haben. Dieser wurde damals natürlich abgelehnt. Wir geben Ihnen aber eine Chance, dieses Mal zuzustimmen. Wir haben Ihnen heute zwei Gesetzentwürfe vorgelegt.
Ich beginne mit dem ersten Gesetzentwurf. Mit unserem Vorschlag zur Änderung des Abgeordnetenrechts hätten wir in Bayern endlich klare Regeln. Ich nenne Ihnen jetzt ein paar:
Die Annahme von Spenden durch Abgeordnete würde verboten werden. Ebenso wäre eine bezahlte Lobbytätigkeit durch Abgeordnete verboten. Das bedeutet: Mitglieder des Landtags dürften kein Geld von Dritten dafür annehmen, dass sie politische Interessenvertretung betreiben oder Kontakte in Ministerien und Regierungen herstellen.
Nebeneinkünfte würden endlich ab dem ersten Euro und dem ersten Cent unter Nennung der Vertragspartner offengelegt. Eine Verschleierung der tatsächlichen Höhe der Nebenverdienste durch das momentane Modell, bei dem dies nur stufenweise geschieht, würden wir damit überwinden.
Mit unserem Gesetzentwurf treten wir außerdem für eine Offenlegungspflicht von Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften bereits ab 3 % der Beteiligungsquote ein. Der Name, der Sitz und der Zweck der Gesellschaft sind anzuzeigen. Außerdem wollen wir eine sofortige Offenlegungspflicht von Aktienoptionen, die durch Dritte gewährt werden.
Besonders wichtig ist unserer Fraktion, dass das sogenannte Anwaltsprivileg aufgebrochen wird. Wer in Zukunft als Mitglied des Landtags als Anwalt für oder gegen den Freistaat Bayern auftritt oder mit ihm Rechtsgeschäfte abschließt, hat dies offenzulegen, um Interessenkonflikte auszuschließen. Um Deals mit Kanzleien auszuschließen, soll das auch für Anwälte und Anwältinnen gelten, die in einem Kanzleiverbund arbeiten.
Wir wissen, dass es Berufsgeheimnisträger gibt. Das ist auch berechtigt. Nach unserem Vorschlag sollten deshalb wenigstens die Branche und das Ministerium und die Höhe des Betrages genannt werden. Wir glauben, damit einen guten Weg gefunden zu haben, einerseits transparent und offen zu sein und andererseits das Berufsgeheimnis zu schützen.
Mit unserem zweiten Gesetzentwurf wollen wir dafür sorgen, dass es nach dem Ausscheiden aus der Politik sauberer zugeht. Wenn Ministerinnen oder Minister, Staatssekretärinnen oder Staatssekretäre aufhören, sollten sie in Zukunft, wenn es nach uns geht, eine dreijährige Karenzzeit haben. Ein fünfköpfiges Gremium, das wir im Bayerischen Landtag wählen würden, sollte über die Genehmigung eines neuen Jobs entscheiden. Was bedeutet das konkret? – Sollte eine Interessenkollision bestehen, weil der nachfolgende Job in einer Branche liegt, für die der frühere Minister oder die frühere Ministerin tätig war, wird die Annahme dieses Jobs untersagt und für die Karenzzeit Übergangsgeld bezahlt. Sollte der Job in einer anderen Branche liegen, kann die Ministerin oder der Minister bzw. der Staatssekretär oder die Staatssekretärin diesen Job natürlich annehmen. Sollten Sie sich dagegen aussprechen, dann hätte ich ein großes Fragezeichen im Kopf; denn im Bund und in anderen Bundesländern gibt es schon längst eine Karenzzeit. Es ist Zeit, dass wir eine solche Karenzzeit auch endlich in Bayern einführen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind nicht unsere einzigen Vorschläge. Sie erinnern sich alle an den Januar. Damals haben wir über unsere Vorschläge zum Lobbyregister und zum legislativen Fußabdruck in Erster Lesung beraten. Diese Vorschläge wurden von den Fraktionen der Regierung in Bausch und Bogen abgelehnt. Ich lade Sie ein, bei der Zweiten Lesung einen Prozess anzustoßen und zu überlegen, ob Sie bei unseren Vorschlägen nicht doch mitgehen möchten. Alle unsere Vorschläge sind Schritte hin zu einem transparenteren Parlament.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen klargemacht, dass ein transparenteres Parlament überfällig ist, nach den diversen CSU-Skandalen erst recht. Wir haben klare Vorschläge auf den Tisch gelegt, wie wir ein transparenteres Parla
ment erreichen können. Liebe Kollegen und Kolleginnen von der CSU, seien Sie sich sicher: Die Bürgerinnen und Bürger in Bayern werden ganz genau hinschauen, ob sich die CSU über solche Fälle immer nur verbal empört oder ob sie es im Kreuz hat, wirkliche Veränderungen gesetzlich herbeizuführen. Daran werden Sie am Ende gemessen.
Nur parteiinterne Ehrenerklärungen aufzustellen, die schon in der Vergangenheit nicht das Papier wert waren, auf dem sie geschrieben standen, reicht aus Sicht der GRÜNEN nicht aus. Wir brauchen endlich klare gesetzliche Vorgaben. Ich lade Sie herzlich ein, unseren Entwürfen für mehr Transparenz zuzustimmen.
Frau Schulze, ich halte Ihre Kritik für mehr als berechtigt. Ich habe eine Frage: Die Interessenkonflikte, die Sie angesprochen haben, hören nicht bei Abgeordneten und Kabinettsmitgliedern auf. Sie bestehen auch bei der Parteienfinanzierung. Die GRÜNEN haben kürzlich eine Großspende in Höhe von 1 Million Euro bekommen, wie man lesen konnte. Können Sie dazu etwas sagen? Woher stammt diese Großspende? Glauben Sie nicht auch, dass man im Bereich Parteienfinanzierung ebenfalls aktiv werden müsste?
Wenn Sie den Entwurf für das Wahlprogramm der GRÜNEN zur Bundestagswahl angeschaut hätten, hätten Sie genau gesehen, dass wir auch an die Parteienfinanzierung ran wollen. Das ist schon seit Jahren ein Thema von uns. Im Moment sind die Regeln noch so, wie sie sind. Wir treten für eine Absenkung der Schwelle der Veröffentlichung ein, weil wir beispielsweise die Herstellung von Transparenz wichtig finden. Auch die letzte Spende, die wir als GRÜNE bekommen haben, ist öffentlich und transparent gemacht worden. Darüber kann sich jede Bürgerin und jeder Bürger informieren, so wie man das über alle Parteispenden auch bei anderen Parteien machen kann.
Danke schön. – Der nächste Redner ist der Kollege Prof. Dr. Winfried Bausback von der CSU-Fraktion. Herr Bausback, bitte schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich mich im Wesentlichen auf die Regelungen des Entwurfs zum Abgeordnetengesetz konzentrieren werde. Zum Ministergesetz wird dann der Kollege Reiß etwas ausführen. Ich möchte aber zum Lobbyregistergesetz schon einmal vorwegschicken, dass der Gesetzentwurf quasi fertig und auch in den Diskussionen der beiden Regierungsfraktionen abgestimmt ist und dass damit zu erwarten ist, dass wir uns in der nächsten Woche über den Text auseinandersetzen können.
Kolleginnen und Kollegen, jetzt haben wir konkret den Entwurf der GRÜNEN zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes in der Ersten Lesung. Frau Kollegin Schulze, um das einmal ganz klar zu sagen: Die CSU-Fraktion hat unmittelbar auf die Vorwürfe und Vorgänge um Kollegen Alfred Sauter reagiert. Ich sage Ihnen: Wir hätten Kollegen Sauter auch aus der Fraktion ausgeschlossen, wenn er nicht vorher die Fraktion verlassen hätte. Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Da geht es nicht um den strafrechtlichen Vorwurf, sondern um die Frage des Verhal
tens im Hinblick auf das Ansehen der Fraktion. Um das auch klarzustellen: Ich sehe für den Kollegen keinen Weg zurück in die Fraktion.
Diese klare Äußerung sei am Anfang vorweggeschickt. Aber ich finde es nicht in Ordnung, nicht fair und nicht gerechtfertigt, dass Sie der CSU und unserer Schwesterpartei insgesamt ein Haltungsproblem attestieren. Wir klären diese Vorwürfe mit auf, soweit wir können, und wir reagieren, und zwar nicht nur durch irgendwelche Lippenbekenntnisse, sondern wir werden auch politische und rechtliche Konsequenzen ziehen. Das ist notwendig und wird von der ganz großen Mehrheit unserer Fraktion getragen. Das ist wichtig und gut so.
Kolleginnen und Kollegen, Sie haben jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der im Kern bestehende Verhaltensregeln für Mitglieder des Bayerischen Landtags in den Artikel 4a des Bayerischen Abgeordnetengesetzes überführt und einiges an diesen Regeln ergänzen möchte. Sie wollen das Verbot bezahlter Lobbyvertretung durch Abgeordnete. Das wollen wir auch. Sie wollen im Übrigen im Wesentlichen Transparenzregeln schaffen, Frau Kollegin Schulze, unter anderem die Offenlegung für Nebeneinkünfte ab dem ersten Euro und die Nennung der Vertragspartner; Aktienoptionen müssen ab 3 % offengelegt werden, und die Spendenannahme durch Abgeordnete soll unzulässig sein. Auch da werden wir vom inhaltlichen Ziel her mitgehen.