Protokoll der Sitzung vom 21.07.2021

Wir haben die Pflicht und Schuldigkeit, auch an unsere Kinder und Kindeskinder zu denken.

(Beifall bei der CSU)

Die Bewahrung der Schöpfung hat nicht nur eine technische, ökonomische und ökologische, sondern auch eine ethische Dimension. Das ist ein urkonservatives und urchristliches Anliegen. Wir wollen unseren Kindern versprechen, dass wir uns nicht aus Angst vor Lobbygruppen, vor Leugnern oder vor ewig Gestrigen vor der Verantwortung drücken. Am Ende geht es tatsächlich um unseren Fußabdruck in der Geschichte. Wir alle müssen uns bewegen, wir alle brauchen einen Klimaruck.

Wie sind denn die Fakten? – Das Klima in Bayern ändert sich. 2018 war das wärmste Jahr seit 139 Jahren. 2019 war es neunmal in Folge zu warm. Seit 2011 ist es in Bayern zu trocken. Faktum: Bayern ist im Klimastress. In den letzten 70 Jahren ist die Durchschnittstemperatur um zwei Grad gestiegen. Wenn es in den nächsten 20 Jahren so weiterginge, würde sie noch einmal um zwei Grad steigen.

Was sind die Folgen? – Manch einer sagt, was machen schon zwei Grad aus. Eine Folge ist deutlich mehr Hitze. Wir haben jetzt schon mehr Hitzetage als früher; früher waren es vier. Es werden noch bis zu elf oder zwölf neue Hitzetage dazukommen. Es gibt weniger Frost und weniger Schnee. Die Frosttage werden um 46 weniger, der Winter um drei Wochen kürzer, und das hat Folgen.

Die Wasserstruktur ändert sich. Zum einen haben wir in unserer Landwirtschaft viel Dürre, auf der anderen Seite haben wir auch Hochwasser und Starkregenereignisse, wie wir sie jetzt erlebt haben. Bayern ist besonders betroffen, weil die Alpen besonders betroffen sind. Die Alpen sind ein Brennglas des Klimawandels. Allein seit 1985 ist die Temperatur auf der Zugspitze um ein Grad gestiegen. 2020 war auf der Zugspitze das wärmste Jahr. Die Gletscher verschwinden. In zehn Jahren sind sie aus Bayern komplett verschwunden. Alle 30 Sekunden gehen dort 250 Liter Wasser weg. Dies führt übrigens zum einen dazu, dass die Speicherfunktion der Gletscher nachlässt. Damit besteht die Gefahr, dass es weder eine Speicherung im Wasserhaushalt bei Dürre noch eine Speicherung bei schnellen Hochwassern gibt. Zum anderen führt es zu einem Verlust an Permafrost im Gebirge selber. Auf der Zugspitze wird der Permafrost beispielsweise um ein Drittel weniger. Damit ist die Gefahr von Steinschlägen und Murenabgängen stärker. Die Berge sind damit eindeutig in Gefahr. Die TU München hat nachgerechnet, dass allein im Jahr 2020 mehr als eintausend Steinschläge in den Alpen durch den Klimawandel verursacht werden.

Weitere Folgen sind ein Artenschwund bei der heimischen Flora und Fauna. Hinzu kommen völlig neue und fremde Arten. Dadurch können neue Keime und Krankheiten, auch Tropenkrankheiten und eine längere Pollenbelastung entstehen und die Zunahme von Herz-Kreislauf-Belastungen verursacht werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Klimaschutz ist nicht nur ein Nischenthema. Er geht uns alle an, er betrifft alle Generationen und das gesamte Land. Sicher ist schon viel passiert. Aber wir müssen noch einen Zahn zulegen. Sonst wird irgendwann einmal der Point of no Return erreicht werden. Das ist nicht nur eine Meinung von Wissenschaftlern, die sich in ihrer Meinung einig sind. Es ist uns allen auch vom Bundesverfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben worden.

Daher geben wir heute den Startschuss für ein umfassendes Konzept. Wir schaffen ein neues Klimagesetz mit dem Ziel, 2040 klimaneutral zu sein. Wir schaffen ein ambitioniertes Klimaprogramm über fünf Sektoren hinweg mit 50 Maßnahmen und eine nachhaltige finanzielle Ausstattung mit einer Milliarde allein für das Jahr 2022 im Haushalt. Alle drei Maßnahmen greifen ineinander, Gesetz, Programm und Finanzierung. Viele Häuser sind davon betroffen. Diese Maßnahmen sind eine Gemeinschaftsaufgabe. Es ist nicht die Aufgabe eines Ministers oder einer Ministerin. Selbstverständlich hat der Umweltminister eine zentrale Rolle, aber es sind auch die Ministerien für Wirtschaft, für Bau und Verkehr und für Landwirtschaft betroffen. Wir müssen einen Teamgedanken entwickeln. Klimagesetz ohne Klimaprogramm ist bloße Theorie. Klimaprogramm ohne Finanzierung wäre eine unseriöse Luftbuchung. Alles miteinander verzahnt gibt eine einheitliche Klimastrategie mit einer nachhaltigen Substanz.

Eines will ich aber sagen, weil immer der Eindruck erweckt wird, Bayern wäre beim Klimaschutz rückständig. Das stimmt nicht. Wir müssen mehr machen. Das wissen

wir. Wir liegen aber im Vergleich mit allen anderen Bundesländern sehr gut im Rennen. Bayern hat ein Drittel weniger CO2-Ausstoß pro Kopf als der Bund. Bayern ist spitze bei den erneuerbaren Energien. Wir sind deutscher Meister mit der Sonnenenergie und der Photovoltaik. Wir haben doppelt so viel installierte Leistung wie Baden-Württemberg und sechsmal so viel wie Hessen oder Rheinland-Pfalz. Wir sind führend mit der Geothermie und mit der Wasserkraft. 63 % der in Deutschland erzeugten Wasserkraft kommt aus Bayern. Mit dem Wind könnten wir noch mehr leisten. Da liegen wir aber mit Platz acht immer noch vor Baden-Württemberg mit Platz elf. Wir liegen in allen Bereichen vorne.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Martin Stümpfig (GRÜNE))

Bayern ist führend mit den natürlichen CO2-Speichern. Wir sind das Waldland Nummer eins in Deutschland. Wir stehen mit den Hochmoorgebieten auf Platz zwei in Deutschland. Die bayerische Landwirtschaft, die auch hier im Landtag immer wieder gerne kritisiert wird, ist nach ihrer Grundstruktur ein Modellvorbild für den Klimaschutz der Zukunft. Im Vergleich zum restlichen Deutschland haben wir kleinere Flächengrößen, keine Agrarfabriken und viel Dauergrünland – mehr als anderswo. Bei den Öko-Bauern stehen wir mit 28 % aller Öko- und Biobauern in Deutschland auf Platz eins. Egal ob konventionelle oder ökologische Landwirtschaft, die bayerische Landwirtschaft müsste eigentlich die Blaupause für die landwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sein. Alle diejenigen, die in anderen Bundesländern gern über unsere Landwirtschaft reden, sollten hierherkommen und erst einmal ein Praktikum machen, um zu sehen, was wir voranbringen.

(Beifall bei der CSU)

Wir liegen gut, aber die Dynamik der Entwicklung erfordert es, mehr zu machen. Das können wir aber von einer besseren Startposition aus als viele andere.

Klar ist aber auch: Dieser Klimaschutz darf unter keinen Umständen ein Eliteprojekt für Vermögende werden nach dem Motto: Klimaschutz ist gut, wenn ich ihn mir leisten kann. – Wir dürfen nicht zulassen, dass aus der ökologischen eine soziale Frage wird. Der DGB fordert zu Recht neben einem Green Deal auch einen Social Deal. Es dürfe niemals sein, dass am Ende Klimaschutz und Wohlstand gegeneinander ausgespielt werden. Im Gegenteil: Wir müssen beides zusammen organisieren. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Möglichkeiten und Chancen unseres Landes beispielsweise mit neuen Technologien und alternativen Antrieben nutzen und ein neues Kapitel dazu aufschlagen. CleanTech statt Rollback ist das Motto. Um es auf Deutsch zu sagen: Ich möchte einen Schwung in die Zukunft, aber kein Zurück in die Steinzeit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Wir stehen für die ökologische Mitte, nicht für ökologische Extreme. Bayern ist ein Premiumland für Klimaschutz, muss aber noch mehr tun, um eine neue Work-LifeBalance für nachhaltiges Leben und Wirtschaften auf den Weg zu bringen.

Was sind unsere Ziele und Vorgaben? – Das Klimaziel wird eindeutig im neuen Klimagesetz formuliert. Bayern soll bis 2040 klimaneutral werden und bis 2030 im Vergleich zu 1990 65 % CO2 einsparen; die Staatsregierung selbst will bis 2023 ein Vorbild sein und klimaneutral werden. Ist das unambitioniert? – Im Gegenteil! Nur Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz setzen diese Zielmarke; alle anderen bleiben dahinter. Das heißt: Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, das für die Umsetzung unsere ganze Kraftanstrengung verlangt.

Das wird übrigens nicht mit einer einzelnen Maßnahme passieren; es braucht einen ganzheitlichen Ansatz. Wer glaubt, mit einer Maßnahme, die ihm politisch

ideologisch besonders gefällt, alles zu erreichen, wird fundamental scheitern. Wir müssen den ganzen Bereich sehen. Deswegen werden Klimastrategie und Klimaprogramm breit gefächert. Bei der Strategie brauchen wir aber auch Prinzipien. Die bayerische Klimaphilosophie hat folgende Prinzipien:

Erstens. Die Wissenschaft ist ebenso wie bei Corona Maßstab und Grundlage. Die Expertise muss hier breit angelegt sein: der Klimarat, die Leopoldina, die Bayerische Akademie der Wissenschaften, das Max-Planck-Institut, das Fraunhofer-Institut, das Helmholtz Zentrum und natürlich unsere bayerischen Spitzenuniversitäten.

Zweitens. Wir setzen auf Klimaschutz daheim. Was heißt das? – Wir denken global, handeln aber lokal. Das heißt: Wir handeln nach unseren Prioritäten und den bei uns wirkenden, effizienten und chancenreichen Möglichkeiten, zum Beispiel wenn es um natürliche CO2-Speicher als Schwerpunkt oder Solarenergie geht. Wir entwickeln auch CO2-Kompensationsplattformen, die bei uns in Bayern und nicht irgendwo in der Welt wirken. Wenn jemand eine Ausgleichszahlung tätigt, dann sollte das immer in Bayern reinvestiert werden, um dem bayerischen Klima zu nutzen und dieses zu schützen.

Drittens. Innovation statt Ideologie; ich sage es sehr deutlich: Ich bin gegen diesen dystopischen und völlig pessimistischen Ansatz. Natürlich wird es eine schwere Aufgabe werden. Das wissen wir gerade nach solchen Unglücken. Aber natürlich ist das alles leistbar. Wir müssen uns mit klugen Konzepten auf den Weg begeben. Wir müssen die Chancen nutzen. Es geht nicht darum, etwas zu verbieten, meine Damen und Herren, sondern die Chancen stehen im Mittelpunkt. Das Verbot ist nicht Allheilmittel für die Lösung; das Gegenteil muss der Fall sein. Wir müssen es schaffen, das mit Initiativen, Ideen und Innovationen voranzubringen. Am Ende wird dem Klima mit Innovationen etwas Gutes getan, und wir schaffen neue Arbeitsplätze und neue Möglichkeiten. Das muss unser Ziel für Bayern sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Leitplanken, ja, aber nicht nur Stoppschilder.

Viertens und letztens. Natürlich braucht es auch eine nachhaltige Finanzierung. Alles, was ich jetzt sage, ist mit dem Finanzminister und den Ressorts besprochen. Natürlich müssen wir investieren, weil Klimaschutz Priorität hat, er muss aber in eine seriöse und solide Finanzierung eingebettet sein. Ohne diese ist Klimaschutz auch nicht nachhaltig. Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage der Ökologie, sondern auch der finanziellen Seriosität. Deswegen sollten wir auch generell in Deutschland überlegen, ob der Klimaschutz als Daueraufgabe mit der Schuldenbremse vereinbar ist. Diese aber einfach auszusetzen, geht nicht. Das muss verfassungsrechtlich geklärt werden.

Es gibt also fünf Prinzipien und fünf Sektoren: Erneuerbare Energien und Stromversorgung, natürliche CO2-Speicherung, Klimabauen und Klimaarchitektur, smarte und nachhaltige Mobilität sowie moderne Klimaforschung und CleanTech.

Zum Sektor Energie. Für Bayern und auch für Deutschland muss ganz klar sein: Erneuerbare Energien müssen Vorfahrt haben. Ich rege an, dass wir nach der Bundestagswahl und den Klimaereignissen der vergangenen Woche auch hier noch einmal einen Neustart wagen. Ich bin der festen Überzeugung, es wäre jetzt eine gute Gelegenheit, auch nach den neuen Vorgaben der Europäischen Union noch einmal zu prüfen, ob ein Ausstieg aus der Kohle denn nicht schneller möglich ist. Trotz aller Ausgleichsmaßnahmen halte ich 2038 an dieser Stelle nicht nur für un

ambitioniert, sondern auch für marktwirtschaftlich sinnlos. Ich setze mich dafür ein, 2030 aus der Kohle auszusteigen.

Zu den erneuerbaren Energien: In Bayern haben sie derzeit einen Anteil von 52 % an der Stromversorgung. Unser Ziel ist am Ende 100 % elektrischer Strom aus erneuerbaren Energien. Dazu brauchen wir aber noch einmal eine Bedarfsanalyse. Momentan ist die Situation so, dass wir schon jetzt beginnende Stromlücken haben. Das ist erkennbar und durch den Wegfall vorhandener Stromproduktionsträger bedingt; gleichzeitig wächst der Strombedarf, weil wir Herausforderungen haben.

Elektrischer Strom ist in vielen Bereichen ganz bewusst auch ökologisch als Ersatz gewollt. Deswegen ist es zwingend notwendig, den Strombedarf zu ermitteln. Der Bundeswirtschaftsminister hat gesagt, hier müsse möglicherweise noch mehr passieren. Im September wird es einen Stromgipfel geben, bei dem wir uns zusammen mit der Wirtschaft und allen Beteiligten mit der Frage beschäftigen, wie viel Strom überhaupt gebraucht wird. Für mich ist eines aber ganz klar: Ohne Stromleitungen geht es nicht. Jeder, der den Eindruck erweckt, man könne allein mit regionalen Maßnahmen den großen Bedarf an Strom in Bayern decken, wird am Ende scheitern. Ich möchte unter keinen Umständen einen Blackout für Bayern riskieren, meine Damen und Herren. Wir brauchen diese Stromleitungen.

(Beifall bei der CSU)

Ob es darüber hinaus die Erschließung neuer Stromleitungen braucht, muss der Bund festlegen. Wir wollen den Ausbau vorhandener Stromleitungen beschleunigen, weshalb wir fast 50 % mehr Personal einsetzen, um den Bereich vorhandener Stromleitungen voranzubringen.

Unser Schwerpunkt bei den erneuerbaren Energien ist die Photovoltaik. Ein Viertel des Zubaus stammte 2020 übrigens aus Bayern; das ist eine ziemlich wuchtige Zahl, wenn man das einmal mit anderen Bundesländern vergleicht.

Wir wollen den Solarbereich weiter entwickeln. In Bayern besteht wegen der vielen Sonnenstunden ein großes Potenzial. Deswegen ist das Programm breit gefächert. Staatliche Dächer sollen jetzt mit viermal so viel Solarflächen versehen werden; dann sind es 1.300, die mit Hilfe von Bürgerfonds finanziert sind. Bei privaten Dächern ist das Ziel, doppelt so viele wie bisher zu fördern. Ich sage es eindeutig: Ich werde auf Bundesebene sehr dafür kämpfen, dass wir dort eine Solarpflicht auch für Neubauten bekommen, weil hier eine nationale Lösung am besten ist. Sollte das nach der Bundestagswahl nicht möglich sein, werden wir das hier in Bayern noch einmal neu aufrufen und zwischen den einzelnen Partnern, innerhalb derer es auch unterschiedliche Meinungen gibt, abstimmen.

(Zurufe)

Daneben wird Photovoltaik dort eingesetzt, wo es möglich ist. Wir werden alle Spielräume nutzen, beispielsweise verpflichtend bei staatlichen Gebäuden. Das gilt aber nicht nur bei normalen Gebäuden, sondern es gilt, auch in Bereichen wie Autobahnen, Fahrbahnbelägen, Lärmschutzwänden, Einhausungen, Solar zu integrieren. Wir werden auch die Landwirtschaft unterstützen; die Vervierfachung bisheriger Solarparks in der agrikulturellen Photovoltaik soll vorangebracht werden. Wir setzen ein ganz klares Signal für Photovoltaik. Bayern ist Sonnenland, und Bayern baut seinen Vorsprung bei der Sonnenenergie aus, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist unsere Stärke, das sind unsere Möglichkeiten.

(Beifall bei der CSU)

Neben Photovoltaik werden wir auch die Geothermie stärker nutzen. Das finden die meisten zwar nicht so sexy, ist aber hoch interessant. Bayern sitzt auf einer Wärmflasche, dem süddeutschen Molassebecken. Dieses Wärmepotenzial wird einfach unzureichend abgerufen.

(Zuruf)

Deswegen wird es noch einen viel stärkeren Ansatz geben, dieses zu nutzen. Bis 2050 müssen und können 25 % des Wärmebedarfs daraus gedeckt werden. Also werden wir die Geothermiestrategie ausbauen und beschleunigen.

Die Windenergie ist eine der größten umstrittenen Fragen, die wir haben. Derzeit haben wir 1.133 Windräder in Bayern mit einer Leistung von 2.600 Megawatt. Zur Relation: Das entspricht ungefähr der Leistung des Assuan-Staudamms. In der Tat geht der Ausbau in ganz Deutschland kaum voran, meine sehr verehrten Damen und Herren. Warum? – Es wird überall heftig diskutiert. Vor Ort streiten die Bürger; im besten Fall gibt es darüber eine Abstimmung, im schlechtesten Fall unendliche Streitigkeiten. Selbst in den Umweltverbänden wird gestritten; zwischen Arten- und Klimaschützern wird heftig darüber debattiert, was bei der Windenergie wichtig ist. In der Tat ist bei den Genehmigungsfragen übrigens nicht nur die 10-H-Regelung ein Thema, sondern häufig das Naturschutzrecht. Der von mir geschätzte Ministerpräsident Baden-Württembergs hat in internen Besprechungen immer wieder dieses Problem benannt. Wenn wir in Deutschland die Windenergie wirklich voranbringen wollen, müssen wir an dieser Stelle etwas tun, meine Damen und Herren.

Die Wahrheit ist: 10 H ist keine Erleichterung – das muss man ganz nüchtern sagen –, ist kein Turbo für den Wind. Das ist schon klar. Aber auch in Baden-Württemberg wurden 2019 und 2020 nur elf neue Windräder installiert. Woanders werden sogar vorhandene Windräder abgestellt. In Brandenburg hat man, so wie ich das gelesen habe, auch neue, größere Abstände beschlossen – sogar mit den GRÜNEN. Das ist mir übrigens schon ein Anliegen. Natürlich sind wir hier in Bayern; aber manchmal finde ich schon: Man kann nicht dort so reden und hier anders auftreten. Immer dann, wenn es vor allem um moralische Argumente geht, muss man überall mit gleichem Maßstab messen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Natürlich hat Wind Potenzial. Das ist ganz klar. Mit neuen Generationen von Windrädern geht auch mehr. Darum wird so über das Repowering diskutiert. Die Gefahr besteht, dass keine neuen Möglichkeiten bestehen. Wie gehen wir vor? – Wir wollen Wind nutzen im Rahmen der vorhandenen Gesetze; das heißt, 10 H bleibt. Aber wir werden es weiterentwickeln und reformieren. Auf der Basis einiger Vorschläge, auch aus meiner Fraktion, von Sandro Kirchner, werden wir schauen, dass wir 10 H reformieren, und mit Ausnahmetatbeständen arbeiten. Für Ausnahmetatbestände soll es eine erleichterte Möglichkeit mit einem Abstand von 1.000 Metern geben, beispielsweise beim Repowering, im Staatswald und in sensibler Form bei Vorrangflächen und vorbelasteten Flächen.

(Zuruf)

Wir reden auch über Truppenübungsplätze, weil dort größere Potenziale bestehen, dies zu machen.

Für mich ist aber ganz wichtig, dass wir nicht nur 10 H in den Mittelpunkt rücken, sondern alle Genehmigungsverfahren komplett überarbeiten. Da gilt es auch, den Windatlas neu zu gestalten, das bayerische und deutsche Naturschutzrecht. Die Idee von "Windkümmerern" vor Ort halte ich für sehr gut, um an dieser Stelle mehr

Abstimmungen und mehr Einsatz zu ermöglichen. Allein im Staatswald, meine Damen und Herren, kann die Regelung laut Schätzung unseres Landwirtschaftsministeriums bis zu 500 neue Windräder bedeuten. Jetzt sage ich Ihnen ganz deutlich: Wenn die Möglichkeit besteht, im Staatswald Windräder zu errichten – warum nutzen wir nicht solche Möglichkeiten, anstatt den Streit in die Bevölkerung zu tragen?

(Zurufe)