Schauen wir doch mal den anderen Part dieser Koalition an, die CSU. Erinnern wir uns noch? – Die Leute sind vielleicht vergesslich. Ich bin es nicht. Die AfD ist nicht vergesslich. Wir erinnern uns noch sehr gut an die ganzen Skandale mit Herrn Sauter und die 1,2 Millionen Euro, an das, was hier alles passiert ist. Das sind Dinge, die dann kurz vor der Wahl zum Glück irgendwie nicht mehr eine so große Rolle gespielt haben – zum Glück für Sie, leider zum Unglück für den Bürger. Wir denken an Sauter hier im Landtag, an Nüßlein auf Bundesebene.
Eines möchte ich hier mal in Richtung des Ministerpräsidenten Herrn Dr. Söder sagen: Herr Söder, was haben Sie denn noch gesagt kurz vor der Wahl, auch um Leute zu beeinflussen? – Um das Wahlergebnis zu beeinflussen, haben Sie gesagt: Leute, die nicht CSU wählen, sollte man vielleicht gar nicht daran erinnern, gar nicht darauf aufmerksam machen, dass am Sonntag Wahl ist. – Ist das nicht auch eine ganz bewusste Meinungsmache, um das Wahlergebnis zu verändern?
Das steht doch einem Ministerpräsidenten wie Ihnen ganz schlecht zu Gesicht, und es verrät etwas über diesen gemeinsamen Geist in dieser Koalition, sich mit allen Mitteln an der Macht festzukrallen. Wenn ich sage, sich mit allen Mitteln an der Macht festzukrallen, dann meine ich, dass das per se schon nicht schön ist.
Dann sage ich eine Sache in Richtung der FREIEN WÄHLER: Überlegen Sie doch mal; Sie sind doch sowieso nur ein Platzhalter hier. Sie sind ein Platzhalter für die GRÜNEN; denn die GRÜNEN sind dann der nächste Koalitionspartner, entweder in zwei Jahren, wenn wir Landtagswahl haben, oder vielleicht schon in zwei Wochen, wenn Herr Söder als Verhandlungsleiter für eine mögliche Jamaika-Koalition im Bund Bundeskanzler werden könnte. Dann wird hier im Landtag vielleicht auch gleich ausgekehrt. Dann werden Sie noch vor Ende der Legislatur abgefunden. Ein
anderes Wort möchte ich hier nicht benutzen. Das Pfand muss man dann aus Bundessicht vielleicht den GRÜNEN zugestehen.
Ich komme zum Ende. – Die FREIEN WÄHLER werden hier wie vormals die FDP ausgelutscht und ausgespuckt werden. Kommen Sie endlich zur Vernunft! Machen Sie jetzt mit Anstand ein Ende! Beenden Sie diese Koalition! Geben Sie Bayern einen Neustart, eine Chance, und nehmen Sie diese schwerwiegenden Fälle als Anlass dafür.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der stellvertretende Ministerpräsident hat noch am Montag von einem "Missgeschick" gesprochen. Am Dienstag sprach er davon, dass kein Verstoß gegen das Bundeswahlgesetz vorliege; denn er habe – Zitat – "schlichtweg keine Exit Polls" veröffentlicht. – Was denn sonst, Herr Aiwanger? Was denn sonst?
Heute erleben wir hier diese halbgare Entschuldigung auf Druck des Ministerpräsidenten. Die Entschuldigung wäre glaubwürdiger gewesen, wenn sie am Wahlsonntag, am Montag oder spätestens am Dienstag aus freien Stücken und ohne dieses Rumgeeiere erfolgt wäre. So war das eine Entschuldigung, die keine echte Reue gezeigt hat, sondern die mehr wirkte wie die Entschuldigung eines kleinen Buben, der von seinem Vater am Ohr zum Nachbarn gezerrt wird, um sich dort dafür zu entschuldigen, dass er die Fensterscheibe mit dem Fußball eingeschossen hat, weil er weiß, dass ihm sonst Stubenarrest droht.
Meine Damen und Herren, wir alle, die in der Politik tätig sind, kennen das Spiel an Wahlabenden. Nachwahlbefragungen – sogenannte Exit Polls – werden den Akteuren in Medien und Politik unter dem Mantel der Verschwiegenheit und mit der klaren Maßgabe, dass sie vertraulich zu behandeln sind, zur Verfügung gestellt. Das zu veröffentlichen, ist rechtswidrig und kann bis zu 50.000 Euro Strafe kosten. Das weiß man, wenn man in der Politik oder in den Medien tätig ist.
2013 gab es zuletzt einen solchen prominenten Fall, bei dem jemand Nachwahlbefragungen vor 18 Uhr veröffentlicht hat. Damals war es der Volontär einer Tageszeitung, Herr Aiwanger. Im bayerischen Kabinett ist aber kein Platz für Volontäre und Politikpraktikanten. Sie haben jetzt zum wiederholten Mal gezeigt, dass Sie Ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind und Ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Deswegen sollten Sie, Herr Aiwanger, Ihren Posten räumen, und Sie, meine Damen und Herren von den FREIEN WÄHLERN, sollten sich wirklich einmal ehrlich fragen, wie lange Sie das noch tatenlos mitanschauen wollen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir steigen jetzt in die reguläre Tagesordnung ein.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Florian von Brunn, Stefan Schuster, Arif Tasdelen u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes
Begründung und Aussprache werden miteinander verbunden. Damit hat die SPDFraktion neun Minuten Redezeit. – Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist der Kollege Stefan Schuster.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Whatever it takes" – das hat der Ministerpräsident hier an dieser Stelle am 19. März 2020 versprochen: "Bayern steht vor einer historischen Bewährungsprobe, vielleicht der größten seit dem Zweiten Weltkrieg." – Das waren Ihre Worte, Herr Ministerpräsident. Ernüchtert mussten wir feststellen:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte etwas mehr Ruhe! Es geht hier um einen Gesetzentwurf. – Bitte.
Taten folgten diesen Worten nicht. Für diejenigen, die uns durch diese Krise gebracht haben – vorneweg unsere Polizistinnen und Polizisten –, gilt das nämlich nicht. Kaltherzig und bürokratisch werden sämtliche Anträge auf Anerkennung eines Dienstunfalls wegen einer Corona-Erkrankung gnadenlos abgelehnt. Das haben unsere Beamtinnen und Beamten nicht verdient.
Der Stand im Juni: Insgesamt 79 Anträge auf Anerkennung eines Dienstunfalls wurden von Polizistinnen und Polizisten gestellt. Raten Sie einmal, wie viele davon bewilligt wurden! – Genau: Kein einziger, null. Das ist schlicht nicht in Ordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Polizei hält in einer weltweiten Pandemie den Kopf für uns hin, und hinterher reden wir uns bürokratisch damit heraus, dass doch niemand beweisen könne, sich wirklich im Dienst mit Corona angesteckt zu haben. Daher sind sechs Klagen bei den Verwaltungsgerichten anhängig; darunter ist übrigens auch die Klage der Witwe des Polizisten, der am Flughafen München gearbeitet hat. Dass wir diese Menschen, die schon genug erleiden müssen, dazu zwingen, den Freistaat zu verklagen, ist ein Armutszeugnis für diese Staatsregierung. Sie haben Millionen Euro für Ihre Maskendeals ausgegeben – das ging immer ganz unbürokratisch –, aber für die Beamten, die sich im Dienst infiziert haben, haben Sie keinen Cent übrig. Sie lassen unsere Polizistinnen und Polizisten einfach im Stich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil wir das nicht weiter hinnehmen können, sind wir gefordert. Die Staatsregierung weigert sich, ihre unsägliche Verwaltungspraxis zu ändern. Deshalb werden wir jetzt als Gesetzgeber tätig und stellen im Beamtenversorgungsgesetz klar, dass Corona-Erkrankungen leichter als Dienstunfälle anerkannt werden müssen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber die Staatsregierung braucht hier Nachhilfe vom Parlament.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe sehr, dass Sie unserer gemeinsamen Verantwortung gegenüber unserer Polizei gerecht werden und unserem Gesetzentwurf zustimmen werden. – Herr Innenminister, ich kann wirklich nicht verstehen, warum Sie sich hier nicht bewegen. Sie haben zwischenzeitlich getönt, Sie wollten Herrn Füracker ins Gewissen reden. Herausgekommen ist leider nichts. In dieser
außergewöhnlichen Situation – wir hatten Schulschließungen und Lockdowns – muss man doch auch Corona-Erkrankungen anerkennen; etwas anderes hat eigentlich kein Mensch für möglich gehalten.
Bis Ende Mai hatten sich insgesamt 2.086 Polizistinnen und Polizisten mit Corona infiziert; das liegt über dem Durchschnitt der Infektionen in der Bevölkerung. Ich habe mit den Polizeigewerkschaften gesprochen. Niemand hat Verständnis für Ihre Haltung. Sie verprellen ausgerechnet diejenigen, die uns durch die Krise gebracht haben.
Vielleicht überlegen Sie einmal, warum Sie gerade im Bereich der inneren Sicherheit an Zustimmung verloren haben. Es geht auch anders: Berlin hat 40 % aller Anträge anerkannt. Niedersachsen hat eine Musterklagevereinbarung mit den Gewerkschaften abgeschlossen. Schleswig-Holstein hat die Verwaltungsrichtlinien angepasst, sodass Corona-Erkrankungen leicht anerkannt werden können. Dort ging ein einfacher Erlass des Finanzministeriums heraus. Was ist die Folge? – Alle 23 dort gestellten Anträge wurden bewilligt. Wieso tun Sie eigentlich nichts? Sie wollen doch sonst immer der Klassenprimus sein. Ist es Ihnen gar nicht peinlich, dass Polizistinnen und Polizisten in Berlin und Schleswig-Holstein besser geschützt sind als bei uns? Entspricht diese Ungleichbehandlung Ihrem Verständnis von Fürsorge? – Unserem jedenfalls nicht.
Die SPD-Fraktion wird das nicht länger hinnehmen. Ich habe dazu jetzt einige Anfragen gestellt und Sie immer wieder aufgefordert, die Situation zu lösen. Da Sie dazu nicht bereit sind, werden wir nun als Gesetzgeber tätig. Wir als Parlament schreiben in Artikel 46 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes fest, dass als Dienstunfall auch eine Corona-Infektion gilt, wenn der Beamte oder die Beamtin nach der Art seiner oder ihrer dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war. Das muss natürlich rückwirkend ab Beginn der Pandemie gelten. Das sind wir unseren Beamtinnen und Beamten in dieser schweren Krise einfach schuldig.
Zur Verdeutlichung noch einige Beispiele: Bei einem Sportlehrgang in Eichstätt haben sich 19 von 21 Teilnehmern mit Corona angesteckt. Einige sind schwer erkrankt. Sie wollen das nicht anerkennen, weil man sich auch irgendwo anders hätte anstecken können. Andere betroffene Beamte berichten von Körperkontakt und von Erste-Hilfe-Situationen, bei denen sie sich angesteckt haben. Der leider verstorbene Polizist soll sich bei Kollegen am Flughafen angesteckt haben. Gerade hier geht es ja um mögliche Spätfolgen und eventuell nötige Frühpensionierungen. Der Innenminister ist jetzt leider nicht da, aber der Finanzminister ist da. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich gemeinsam mit uns an die Seite der bayerischen Beamtinnen und Beamten stellen und unserem Gesetzentwurf mit Ihrer Fraktion zustimmen, damit Corona-Erkrankungen als Dienstunfall anerkannt werden. – Ich freue mich auf eine konstruktive Ausschussberatung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es steht völlig außer Frage, dass unsere bayerischen Beamtinnen und Beamten eine hervorragende Arbeit in der Corona-Krise geleistet haben. Aber das ist heute nicht Thema dieses Gesetzentwurfs. Das sollte man auch nicht irgendwie
mit anderen Dingen und Themen vermengen. Ich halte auch das weder für seriös noch für angemessen. Ich halte es auch nicht für angemessen, nach dem Motto vorzugehen, der Zweck heiligt die Mittel. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch das könnte man Ihrem Gesetzentwurf unterstellen.
Ich möchte vorab zunächst einmal feststellen, dass ich die Zahlen von rund 2.000 oder von sogar noch mehr Fällen, die Sie in dem Gesetzesvorblatt verbreitet haben, für völlig konstruiert und auch für nicht nachvollziehbar halte. Sie haben diese Zahlen jetzt natürlich anders dargestellt; im Gesetzesvorblatt sind aber viel höhere Zahlen enthalten. Ich muss an der Stelle auch sagen, dass ich die Verbreitung von solchen Zahlen schon für schwierig halte. Sie wissen auch ganz genau, dass der bloße positive Test sicherlich keinen Dienstunfall begründet und das letztendlich auch nicht tun kann.
Sie haben von rund 70 Antragstellern gesprochen. Nach meinen Informationen sind beim Landesamt für Finanzen bisher 152 Anträge gestellt worden, beim Bund sind es aktuell rund 80 Dienstunfallmeldungen. Wir sollten hier also schon bei den Fakten bleiben. Ich möchte die Zahlen an der Stelle einfach einmal richtigstellen.
Kollege Schuster von der SPD, ich habe schon dafür Verständnis, dass Sie bei der Polizei und den Beamten, die betroffen sind, punkten wollen. Ich halte es aber für schwierig, etwas zu versprechen, das Sie nicht halten können; denn dieser Gesetzentwurf ist das Gegenteil von praktischer Vernunft. Wenn Sie mit irgendwelchen Vergleichen zu Schleswig-Holstein oder Niedersachsen kommen, sagen Sie ja selber, dass das dort mit einer Verordnung oder Ähnlichem geregelt wurde. Ihr Gesetzentwurf sagt, dass jede Corona-Infektion ein Dienstunfall sei, es sei denn, es sei eindeutig nachweisbar, dass man sich die Infektion außerhalb des Dienstes zugezogen habe. – Eines hat uns Corona in den letzten eineinhalb Jahren deutlich gelehrt: Corona und eindeutig nachweisbar – das ist ein absolutes Ding der Unmöglichkeit.
Das sind zwei Begriffe, die hinten und vorne nicht zusammenpassen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist für mich deswegen definitiv nicht praktikabel.
Wie gesagt: Wir wissen alle, dass wir uns seit über eineinhalb Jahren in einer allgemeinen Pandemiesituation befinden. Das ist eine Ausnahmesituation. Die Gefahr einer Ansteckung lauert überall. Deswegen wird das Infektionsrisiko auch zu einer allgemeinen Gefahr. Ich denke, Sie wissen das auch. Es ist vielleicht populär, diese ganze Geschichte hier zu beantragen. Was Sie hier vorgelegt haben, ist aber auf jeden Fall nicht praktikabel.
Ich möchte an der Stelle auch sagen, dass Corona – wir wissen das alle – für den Einzelnen selbstverständlich sehr gefährlich sein kann. Deswegen kann Corona – das geben die gesetzlichen Bestimmungen auch her – zu einer Berufskrankheit oder auch zu einem Dienstunfall führen. Aber doch bitte nicht mit einer pauschalen Regelung und allzu konstruiert!