Protokoll der Sitzung vom 27.02.2025

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Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Johannes Becher, Toni Schuberl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Folgen aus dem Folterskandal IV: Rechtsschutz auch bei der Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen (Drs. 19/4254)

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Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Johannes Becher, Toni Schuberl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Folgen aus dem Folterskandal V: Bessere Erfassung und Kontrolle von Sicherungs-, Zwangs- und Disziplinarmaßnahmen im Justizvollzug (Drs. 19/4255)

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Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Johannes Becher, Toni Schuberl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Folgen aus dem Folterskandal VI: Grundrechtssensible Ausstattung von besonders gesicherten Hafträumen (Drs. 19/4256)

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Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Johannes Becher, Toni Schuberl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Folgen aus dem Folterskandal VII: Sicherstellung einer intensiven medizinischen und psychologischen Betreuung in Krisensituationen (Drs. 19/4257)

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Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Johannes Becher, Toni Schuberl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Folgen aus dem Folterskandal VIII: Massiver Ausbau der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung im bayerischen Justizvollzug (Drs. 19/4258)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 29 Minuten. Als erstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Toni Schuberl für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Einer der Kerle schlug so heftig zu, dass es mir den Atem verschlug und ich würgen musste. […] dann prügelten sie derart auf meine Rippen, dass ich eine Zeit lang nicht mehr atmen konnte." – Das ist ein Zitat eines Häftlings, aber nicht aus der JVA Augsburg-Gablingen, sondern aus dem Foltergefängnis Guantanamo.

Auch von Prügelorgien in Gablingen haben wir gehört, bei denen ganze Teams von Sicherheitskräften auf einzelne Gefangene losgegangen sein sollen. Wir haben von Tritten ins Gesicht gehört, von gebrochenen Rippen und Blutergüssen im Gesicht. Wir haben davon gehört, dass Menschen splitterfasernackt, ohne Unterwäsche auf dem nackten Boden schlafen mussten. Wir haben von Blut gehört, das die Gefangenen selbst von den Wänden und dem Boden waschen mussten. Wir haben von Menschen gehört, die ohne Rechtsbeistand und ohne gerichtliche Einspruchsmöglichkeiten in diesem Zustand wie Tiere gehalten wurden.

Das ist Ihr Guantanamo, Herr Söder. Sie sind als Ministerpräsident für die Vorgänge in der Staatsregierung politisch verantwortlich, und Sie sollten endlich damit aufhören, sich hier immer feige wegzuducken.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CSU: Das ist eine unverschämte Entgleisung, reißen Sie sich mal am Riemen!)

Wo ist er denn eigentlich schon wieder? Söders Motto ist: wegsperren und ruhigstellen. Justizpolitik hat den Ministerpräsidenten noch nie interessiert. Wissen Sie, was Markus Söder nach den Vorfällen in Gablingen bei uns in Freyung gesagt hat? – Ich zitiere: Bei uns werden Gauner länger verknackt. – Das war sein einziger Kommentar zu der ganzen Sache. Geiselnahme, Entweichungen aus den Bezirkskrankenhäusern, Folter, Misshandlung, Korruption und Schmuggel in den bayerischen Gefängnissen – Herr Söder, das ist Ihr Saustall, räumen Sie ihn endlich auf!

(Beifall bei den GRÜNEN – Michael Hofmann (CSU): Das ist der Ministerpräsident, ein wenig mehr Wertschätzung!)

Wir GRÜNE haben acht konkrete Forderungen nach Söders Folterskandal in diesem Hause eingebracht:

Erstens. Alle massiven Grundrechtseingriffe – und damit meinen wir alle –, alle zusätzlichen Sicherungs-, Zwangs- und Disziplinarmaßnahmen im Gefängnis müssen dahin gehend überprüft werden, ob die Voraussetzungen, die Umsetzung und die Schranken noch passen.

Zweitens. Ein Richtervorbehalt. Der Minister hat diesen schon für das Wegsperren in den Bunker, in den bgH, angekündigt. Aber alle besonderen Einzelhaftanforderungen müssen überprüft werden, ansonsten gibt es ein Ausweichen in die Absonderung, in die Isolationshaft.

Drittens. Mehr Dokumentationen. Dies ist ein Stück weit begonnen worden, muss aber auch gesetzlich verankert werden. Das Ministerium wusste gar nicht Bescheid, was eigentlich alles passiert.

Viertens. Der Rechtsschutz. Wenn man in den Bunker gesperrt wurde, konnte man nicht bei seinem Rechtsanwalt anrufen. Man konnte kein Gericht anrufen und den Angehörigen nicht Bescheid sagen. Niemand wusste Bescheid, dass man im Bunker ist, vielleicht für Tage, vielleicht für Wochen.

Fünftens. Bessere Kontrollen durch das Ministerium. Das Ministerium muss wissen, wer in einen bgH eingesperrt ist, wie lange er eingesperrt ist und wie oft diese

Maßnahme verlängert wurde. In diesem Bereich brauchen wir unangekündigte Kontrollen, die erst vor Kurzem eingeführt worden sind.

Sechstens. Die Ausstattung und die Videoüberwachung müssen verbessert werden. Man muss sich das einmal vorstellen: Man wird wegen einer psychischen Ausnahmesituation in einen Raum gesperrt, in dem gar nichts ist, nichts, und das tagelang. Spätestens wenn man wieder herauskommt, ist man narrisch. Man muss in einem bgH wenigstens einen vor Vandalismus sicheren Bildschirm einbauen, damit man sich irgendwie wieder beruhigen kann. Und zur Videoüberwachung: Man muss in bayerischen Gefängnissen zum Kacken gehen können, ohne dass dies live, in Farbe und unverpixelt ins Stationszimmer übertragen wird. Das ist menschenunwürdig. Der Toilettengang in bayerischen Gefängnissen muss endlich auf den Filmaufnahmen verpixelt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN – Michael Hofmann (CSU): Das ist eine unglaubliche Sprache und peinlich für Ihre Fraktion!)

Siebtens. Die psychologische Betreuung. Wenn man jemanden in den Bunker sperrt, dann muss dieser betreut werden, weil es sich um eine psychologische Ausnahmesituation handelt.

Achtens. Dafür müssen wir natürlich die psychologische und psychiatrische Versorgung in bayerischen Gefängnissen insgesamt verbessern. Dazu haben wir auch für den Nachtragshaushalt einen Antrag gestellt, der von Ihnen natürlich wie immer abgelehnt wurde. Wir brauchen mehr Verträge mit den niedergelassenen Psychologen und Psychiatern, damit man schnell helfen kann. Wir brauchen aber auch mehr Stellen im Justizvollzug insgesamt und eine dritte psychiatrische Abteilung in den Gefängnissen.

Liebe CSU und liebe FREIE WÄHLER, wenn es Ihnen ernst ist, dass Sie den Folterskandal beenden wollen, wenn Sie Söders Guantanamo schließen wollen, dann stimmen Sie unseren Anträgen zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die nächste Rednerin ist für die CSU-Fraktion Frau Kollegin Petra Guttenberger.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Rede wie diese lässt einen einigermaßen fassungslos zurück.

(Beifall bei der CSU – Michael Hofmann (CSU): Ja!)

Bei Ihren Anträgen geht es nicht um Aufklärung und eine Verbesserung der Situation von Gefangenen. Nein, darum geht es nicht.

(Zuruf von den GRÜNEN: Doch!)

Es geht darum, Angst und Schrecken zu schüren, zu skandalisieren und vorzuverurteilen. Und das, liebe GRÜNE, machen wir nicht mit.

(Beifall bei der CSU)

Allein die Überschrift "Folterskandal" spricht schon Bände. Wenn die Vorwürfe stimmen, die in der Presse über Gablingen veröffentlicht wurden, dann sagt ein Rechtsstaat ganz klar: Diese Menschen, die das begangen haben – wenn sie es begangen haben –, sind zu ermitteln, einem Verfahren zuzuführen, anzuklagen und dann auch entsprechend zu verurteilen. Genau in dieser Reihenfolge. Aber wir

verurteilen erst einmal alle und führen danach erst Ermittlungsverfahren durch. Sie tun so, als gäbe es kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren. Das gibt es. Das läuft gerade. Sie tun so, als wäre seit dem Bekanntwerden dieser wirklich entsetzlichen Vorwürfe in Gablingen nichts, aber auch gar nichts passiert. Und das, muss ich ehrlich sagen, ist schäbig.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Sie tun so, als würde man in einem Rechtsstaat keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen brauchen. Wir brauchen sie. Sie sind unsere Stärke.

(Toni Schuberl (GRÜNE): Ja, natürlich braucht es das! Sie müssen bei meiner Rede besser zuhören! – Michael Hofmann (CSU): Nein, bestimmt nicht!)

Dass diese Ermittlungen nicht von heute auf morgen erfolgen, wissen wir hoffentlich auch alle. Sie zeigen, dass Sie nur eines mit Ihren Anträgen wollen, nämlich einerseits skandalisieren und andererseits jeden Menschen, der im Justizvollzug arbeitet, unter Generalverdacht stellen. Das haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiß Gott nicht verdient.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN – Toni Schuberl (GRÜNE): Nein! Das ist Verleumdung!)

Ich wäre vorsichtig mit solchen Äußerungen.

(Toni Schuberl (GRÜNE): Ja, Sie auch!)

Ich sage ganz unumwunden, Sie verkennen eines: Wir wissen, dass alle Menschen, die im Justizvollzug arbeiten, einen tollen und schwierigen Job machen. Dafür möchte ich ihnen an dieser Stelle auch einmal danken.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Sie alle sind ein wichtiger Pfeiler unseres demokratischen Rechtssystems. Deshalb verdienen sie unsere Unterstützung und keinen Generalverdacht.

Sie von den GRÜNEN tun so, als wäre nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe in Gablingen nichts passiert. Ich darf an die Pressekonferenz des Ministers vom 31.10.2024 oder an den Bericht in unserem Ausschuss erinnern. An dieser Ausschusssitzung haben Sie ja auch teilgenommen.

(Toni Schuberl (GRÜNE): Sie haben alle unsere Anträge abgelehnt, alle! – Zuruf von der CSU: Zu Recht!)