– unter Einbeziehung der Fachleute und der Praxis. Unterstützen Sie bitte dieses Vorgehen, anstatt Misstrauen in den gesamten Justizvollzug zu schüren.
Herr Kollege Hold, Sie haben gerade gesagt, man hat in bayerischen Gefängnissen immer die Möglichkeit, Rechtsbeistand zu finden und das Gericht anzurufen, um Maßnahmen zu überprüfen. Jetzt sagen Sie mir mal, wie ein Gefangener das machen soll, der der Meinung ist, wie es auch in Gablingen war, dass er zur Strafe in den besonders gesicherten Haftraum kommt, in den Bunker gesteckt wird, dort aber nicht telefonieren darf. Er kann mit niemandem Kontakt aufnehmen, niemand wird informiert. Wie kann er denn ad hoc diese Maßnahme überprüfen lassen?
Schade eigentlich. Ich hatte gehofft, dass Sie die Zeit jetzt für eine Entschuldigung nutzen. Zu erwarten war es wahrscheinlich nicht.
Ich gehe gern noch auf das ein, was Sie gerade gesagt haben. Sie haben in Ihren Anträgen den Eindruck erweckt, dass wir gar nicht die Möglichkeiten hätten. Natürlich ist jede Maßnahme gegenüber Gefangenen gerichtlich nachprüfbar, natürlich größtenteils im Nachhinein. Aber als Jurist wissen Sie: Das ist bei nahezu allen Maßnahmen so. Aber jeder Gefangene hat die Möglichkeit dazu: Er kann sich schriftlich oder mündlich bei der Anstaltsleitung beschweren,
er kann Landtagseingaben einreichen, einen unüberwachten Briefverkehr zum Beispiel mit Anwälten führen und sich bei uns, den Anstaltsbeiräten, jederzeit beschweren, meine Damen und Herren.
Natürlich ist das nicht an dem Tag möglich, an dem er in den besonders gesicherten Haftraum gebracht wird. Aber immerhin, wir werden daran arbeiten, auch einen vernünftigen Richtervorbehalt zu bekommen. Jedenfalls ist für das, was Sie hier vorbringen, überhaupt kein Raum.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Vorgänge in Gablingen stellen in der Qualität des Strafvollzugs einen zivilisatorischen Kulturbruch dar. Das muss man feststellen. Wie konnte es dazu kommen? Die Wucht und das Anbranden der öffentlichen Bestürzung überraschten die bislang eigentlich selbstgefällige Justizverwaltung doch sehr. Einzelfälle waren Einzelfälle, egal ob Entweichungen oder Flucht. Tatsächlich gelang einem Häftling in Bayern in den letzten Jahren durch Herauskratzen von Putz und Mörtel die Flucht aus der Haftzelle in den öffentlichen Straßenraum. Auch bei Überlastungsanzeigen des Personals, wenn diese überhaupt gestellt wurden, weil man Angst vor dienstlichen Sanktionen hatte, hieß es stets: Das ist ein Einzelfall und im Grunde ist alles im Griff. – Der hoch arrogante Umgang der Justizverwaltung, auch im Ministerium, mit der Folterkommission, deren Überraschungsbesuche eigentlich für untunlich gehalten wurden, spricht davon, wie strotzend selbstbewusst, aber auch rechtsverkennend in diesem Bereich gehandelt wurde.
Das alles wurde bis Gablingen erfolgreich vom Justizminister ferngehalten. Aber internes Fernhalten und die Berufung auf Nichtwissen können und dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der dienstälteste Fachminister der Staatsregierung politisch verantwortlich ist. Das ist der Kollege Eisenreich. Diese Verantwortlichkeit kann man im Rückblick schon – und man muss es auch – als Versagen bezeichnen.
Aber das ist nicht genug. Uns allen geht es um die Verbesserung der Verhältnisse dort. Jetzt muss man tatsächlich sagen: Dadurch wurde eine Zeitenwende in der Politik des Strafvollzugs eingeleitet. Herr Eisenreich, Sie haben danach vieles getan, was richtig und wichtig ist. Sie haben Transparenz hergestellt und die Prozesse, die notwendig waren, nicht so gestaltet, dass es von oben herab geschah; sondern Sie haben tatsächlich auch die Opposition einbezogen. Ob es jetzt diese Kommission ist oder ob es die Anordnung ist, jede Unterbringung in den besonders gesicherten Hafträumen zu melden, all dies war sinnvoll, und es entspricht auch unseren Forderungen.
Wir haben auch den Richtervorbehalt thematisiert. Da haben wir bei Ihnen offene Türen eingerannt. Allerdings ist natürlich die praktische Umsetzung zwingend erforderlich, um wirkliche Verbesserungen zu schaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier muss man schon die Rechnung aufmachen, wie der Personalbestand im Justizvollzug ist. Knapp 4.700 bis 4.800 Mitarbeiter:innen verrichten bei nicht bestem Gehalt einen teilweise mörderischen Dienst, was Schichtdienst, Verantwortung gegenüber Inhaftierten, aber auch Strafzwecke
nicht nur verwahren, sondern tatsächlich auch resozialisieren – anbetrifft. Wir werden das Gesetz demnächst wieder ändern.
All diese Punkte erfordern Ressourcen. Deswegen ist es wichtig, diese Ressourcen einzubeziehen. Wir können nichts machen, ohne die Beschäftigten mitzunehmen. Das Ungünstigste wäre, die Verantwortlichkeit sozusagen wegzuschieben: Die Beschäftigten sind sowieso daran schuld. – Deswegen ist es wichtig, dass man sich zum einen beim Großteil der Beschäftigten bedankt, zum anderen aber sagt: Wir kümmern uns um euch.
Die Anträge der GRÜNEN sind aus unserer Sicht nicht so zu lesen, dass man hier Verantwortlichkeiten statuieren will, sondern dass sie eine Prozessbegleitung bei der Findung von wichtigen Maßnahmen sind. Nicht alles ist stimmig, aber einiges ist zielführend. Ich denke, das wird das Material sein, das auch die Kommission mit zu beachten hat, wenn es um konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Strafvollzugs geht.
Weil es nicht darum geht, zu polarisieren oder sich zu entschuldigen, sondern inhaltlich zu arbeiten, sehen wir die Anträge sozusagen als Material für die weitere Vorgehensweise an und werden diesen inhaltlich zustimmen.
(Beifall bei der SPD – Michael Hofmann (CSU): Na ja! Sich ein bisschen zu distanzieren, wäre gut gewesen, Kollege!)
Für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Georg Eisenreich um das Wort gebeten. – Herr Staatsminister, bitte.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Vorwürfe in Zusammenhang mit der JVA Gablingen sind gravierend. Wenn in einem Rechtsstaat der Vorwurf von Übergriffen und Misshandlungen im Raum steht, erschüttert das das Vertrauen der Menschen in die rechtsstaatlichen Institutionen. Deswegen habe ich gleich am Anfang, kurz nachdem ich über die Vorwürfe informiert wurde, angekündigt, dass diese rückhaltlos aufgeklärt werden müssen. Sie werden auch rückhaltlos aufgeklärt.
Es gibt zwei Wege der Aufarbeitung: Das eine sind die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Augsburg und die Disziplinarverfahren der Generalstaatsanwaltschaft München. Das andere ist die interne Aufarbeitung im Ministerium und im Vollzug.
Ich habe gleich Ende Oktober eine Taskforce eingerichtet, die ich persönlich leite. Wir haben seitdem wirklich sehr, sehr intensiv gearbeitet. Mir ist wichtig, dass nichts beschönigt wird. Alles muss transparent auf den Tisch, damit das auch hier im Haus beraten werden kann. Aber es darf auch nicht schlechtgeredet werden, was gut läuft. Also, es ist wichtig, nichts schönzureden; aber was gut läuft, darf auch nicht schlechtgeredet werden.
Jetzt müssen wir den Blick nach vorne richten. Neben der Aufklärung der Vorwürfe geht es jetzt eben auch um die Konsequenzen daraus, zum Beispiel bessere Kontrollen und bessere Standards. Mir geht es hier nicht um Aktionismus, sondern um Verbesserungen und pragmatische Lösungen. Das betrifft den ganzen Justizvollzug in Bayern.
Dabei müssen wir auch rechtliche, ethische und vollzugliche Wertungsfragen beantworten, wie eine bessere Balance zwischen Schutzmaßnahmen und Grundrechten gefunden werden kann. Uns muss klar sein: Wenn wir die Schutzmaßnahmen reduzieren, erhöht sich sozusagen der Grundrechtsschutz. Aber es sind auch viele Suizidgefährdete in diesen bgHs. Das erhöht das Risiko, dass etwas passiert und es mehr Selbstmorde gibt. Deswegen sind dies ganz schwierige Wertungsfragen. Man muss sie beantworten. Damit darf man den Vollzug nicht alleinlassen.
Deswegen habe ich Anfang dieses Jahres eine unabhängige interdisziplinäre Kommission eingesetzt, die insbesondere die Unterbringung in den bgHs in den Blick nehmen soll. Als Vorsitzenden – da bin ich sehr dankbar – habe ich den früheren Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Herrn Peter Küspert gewonnen. Dafür bin ich wirklich sehr, sehr dankbar. Er hat sich in verschiedensten Positionen durch seinen herausragenden juristischen Sachverstand und sein ausgeprägtes Gespür für Recht und Gerechtigkeit höchstes Ansehen bei allen Parteien und auch in der Öffentlichkeit erworben. Deswegen freue ich mich sehr, dass er diese Aufgabe übernommen hat.
Mir ist wichtig, dass wir in dieser Kommission auf der einen Seite die Expertise von Juristen und Vollzugspraktikern haben, auf der anderen Seite aber eben auch das Fachwissen von Psychiatern, Psychologen und Ärzten. Deshalb sind dort auch zwei Psychiater, ein psychologischer Psychotherapeut und eine Anstaltsärztin vertreten, darüber hinaus ein Vertreter für die Anwälte, zwei Anstaltsleiter, eine Leitende Oberstaatsanwältin und natürlich auch der Verband der Justizvollzugsbediensteten. Wir haben da wirklich eine gute, unabhängige, interdisziplinäre Kommission.
Sie hat jetzt folgende Aufgaben: Erstens soll sie Vorschläge für Leitlinien für die Unterbringung erarbeiten. Wir brauchen diese Unterbringungen in den bgHs in den gesetzlich geregelten Fällen. Momentan ist die Verunsicherung in den JVAs groß. Deswegen werden diese Leitlinien helfen. Dann geht es um die Leitlinien für die Ausstattung, auch die bauliche Ausstattung.
Dann habe ich gleich am Anfang, im November, schon gesagt, dass ich einen Richtervorbehalt für notwendig halte. Ich habe in der Zwischenzeit mit verschiedensten Kolleginnen und Kollegen geredet. Ich glaube, dass hier dafür große Zustimmung gegeben ist. Aber es muss auch funktionieren. Wir brauchen einen Richtervorbehalt, aber er muss in der Praxis auch funktionieren. Ich habe die Kommission gebeten, sich darüber Gedanken zu machen.
Das Dritte ist das Thema der psychiatrischen Versorgung. Wir wollen sie verbessern, auch die Zusammenarbeit mit den Bezirkskrankenhäusern, den BKHs, und dem Maßregelvollzug. Hier geht es, wie gesagt, um pragmatische Lösungen.
Aber das eine sind Konzepte, das andere sind Stellen, und es geht auch um das Personal. Da mache ich mir mittelfristig schon Sorgen; das will ich ausdrücklich sagen. Das habe ich auch im Plenum schon einmal gesagt. Jetzt geht es um Verbesserungen, aber mittelfristig bin ich schon froh, wenn wir vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung das jetzige Niveau halten können. Wir haben bayernweit zum Beispiel einen Mangel an Psychiatern. Wir merken das jetzt schon in den Gerichtsverfahren. Wenn wir Gutachter brauchen, sind nicht immer so viele und so schnell verfügbar, wie es notwendig wäre. Wenn wir mittelfristig das jetzige Niveau halten können – wir wollen das jetzt verbessern –, wäre ich tatsächlich schon zufrieden.
Ich habe die Kommission gebeten, bis Ende dieses Jahres einen Abschlussbericht vorzulegen. Diesen werden wir im Ministerium, aber natürlich dann auch hier im Haus parlamentarisch beraten. Die erste Sitzung der Kommission fand am
Gestern waren die Beratungen im Haushaltsausschuss, auch in Bezug auf das Personal. Ja, ich glaube, dass wir mehr Personal brauchen, aber erst brauchen wir die Konzepte. Wir brauchen erst die Ergebnisse der Kommission, um dann genau zu wissen, an welchen Stellen Verbesserungen sinnvoll sind. Ich habe gestern angeregt, uns mit diesen Themen beim nächsten Doppelhaushalt und nicht beim jetzigen Nachtragshaushalt zu beschäftigen.
Unabhängig von der Kommission habe ich schon ein Maßnahmenbündel umgesetzt. Das Antragspaket, das heute vorliegt, bezieht sich darauf. Ein Teil betrifft auch die Arbeit der Kommission. Ich rege an, der Kommission nicht vorzugreifen. Ein anderer Teil ist von mir bereits umgesetzt worden. Ich will noch kurz die wichtigsten – nicht alle, aber die wichtigsten – Maßnahmen erläutern.
Das Erste ist: Ich habe bereits Anfang November im Ministerium ein neues Referat eingerichtet, in dem die Aufsicht über die besonders grundrechtssensiblen Bereiche zentral gebündelt wird. Diese war zuvor über mehrere Referate verteilt. Jetzt haben wir ein Referat, das damit auch den Überblick über diese Themen hat. Dieses Referat ist beauftragt, auch unangekündigte Besuche zu machen. Sie haben auch schon begonnen; es ist auch schon eine ganze Reihe von unangekündigten Besuchen in verschiedenen JVAs in Bayern erfolgt.
Das Zweite ist: Wir haben das Software-System "IT-Vollzug". In der internen Aufarbeitung haben wir zwei Dinge festgestellt: Einerseits muss es verbessert und weiterentwickelt werden, wir haben auch schon erste Programmierungen vorgenommen. Andererseits ist eine solche Software nur gut, wenn es mit entsprechenden Daten befüllt wird. Wir haben gesehen, dass nicht alles, was in dieser Software hätte angegeben werden müssen, auch immer angegeben worden ist. Das werde ich im Rechtsausschuss noch genau erläutern. Beides muss besser werden: mehr Informationen – das ist ein Software-Thema – und dafür Sorge tragen, dass die notwendigen Angaben auch gemacht werden.
Der nächste Punkt ist: Die Beschwerden werden inzwischen statistisch genau erfasst. Das erleichtert uns, Auffälligkeiten besser und schneller zu erkennen. Wir haben die Berichtspflichten an das Ministerium verschärft. Ich will noch einmal ausdrücklich sagen: Wir brauchen die Unterbringung in den bgHs. Die bgHs sind keine bayerische Erfindung; diese gibt es bundesweit. Die Grundlage war eine bundesgesetzliche Regelung. Die JVAs brauchen diese besonders gesicherten Hafträume ohne gefährdende Gegenstände.
Insbesondere haben wir die Länge der Unterbringung in den Blick genommen. Deswegen haben wir die Zeiträume der Berichtspflichten reduziert. Der erste Bericht ist wie schon in der Vergangenheit ab dem vierten Tag notwendig; die Intervalle haben wir auf drei Tage reduziert.
Es geht auch um das Thema verbindlicher Standards zur Ausstattung der Räume. Ich habe schon im Dezember ein Schreiben an die Justizvollzugsanstalten verschickt, in dem wir noch einmal klargestellt haben, was die Mindestausstattung in diesen besonders gesicherten Hafträumen ist und dass deren Vorenthaltung in "IT-Vollzug" niedergelegt werden muss.
Der vorletzte Punkt ist: In einem Monitoring sehen wir uns monatlich die gesamten Daten an, die wir sammeln, um schneller reagieren zu können.
Der letzte Punkt ist: Die Anstaltsbeiräte werden künftig automatisch zweimal jährlich über die jeweilige Anstalt informiert und erhalten entsprechende statistische Daten. Wir werden also die Informationen verbessern.
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen: Der Rechtsausschuss hat schon letztes Jahr beschlossen, dass ich im Ausschuss mündlich und schriftlich berichten soll. Das werde ich auch machen. In der Zwischenzeit haben wir eine ganze Reihe von Schriftlichen Anfragen aus dem Haus sehr umfangreich beantwortet. Im März werde ich in den Rechtsausschuss gehen und dort dazu sowohl mündlich als auch schriftlich umfassend berichten.