Danke schön, Herr Kollege. – Für die Staatsregierung spricht jetzt Herr Staatsminister Markus Blume. Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist unerträglich zu wissen, dass vor mehr als 80 Jahren das NS-Regime so viel Unrecht, so viel Leid, so viel Unmenschlichkeit und mit der Schoah einen unvorstellbaren Zivilisationsbruch den Jüdinnen und Juden angetan hat. Es ist unerträglich zu sehen, dass danach erst mal mehr als 50 Jahre verstrichen sind, bis man überhaupt begonnen hat, sich mit dem Aspekt des NSverfolgungsbedingten Entzugs von Kulturgütern zu beschäftigen. Es ist unerträglich zu verstehen, dass auch 80 Jahre nach Kriegsende noch immer unerforschte Werke in unseren Sammlungen und Depots liegen. Es ist unerträglich zu realisieren, dass sich manche Museen und Sammlungen möglicherweise noch nicht mal ausreichend damit beschäftigt haben, dass sie überhaupt ein Problem haben könnten. Schließlich ist es auch unerträglich – das ist gesagt worden –, dass sich Opfer wie Bittsteller fühlen müssen. Dies alles ist auch für mich unerträglich.
Ganz offen gesprochen – Sie dürfen das auch selbst kritisch sehen –: Es reicht nicht, darauf zu vertrauen, dass es schon läuft. Ich bin kein Provenienzforscher. Mein ganzes Ministerium hat eine einzige Dame, die sich so vielleicht nennen darf. Das heißt, man muss vertrauen. Aber es reicht nicht, darauf zu vertrauen, dass es woanders läuft. Es reicht nicht, darauf zu verweisen, dass alles seine Zeit hat. Es reicht auch nicht, sich darauf zu verlegen, dass eigentlich andere zuständig sind – ich nehme das an. Es ist einzig und alleine richtig, diese große Aufgabe, vor der wir da erkennbar stehen, anzunehmen. Mein erster Gedanke: Diese Unerträglichkeit im Umgang mit Unrecht müssen wir abstellen. Ich sage ganz deutlich hier und heute: Ich tue das, meine Damen und Herren. Dazu gehören für mich drei Dinge:
Das Erste ist: die Bitte um Entschuldigung. Ich bedaure die Entwicklungen der letzten Woche außerordentlich. Ich bedaure, dass die Handhabung der Provenienzforschung und der Restitutionspraxis bei den Staatsgemäldesammlungen überhaupt erst diesen Raum für Fehlinterpretationen und Missverständnisse möglich gemacht hat. Ich bedaure, dass dies, auch infolge der Berichterstattung, die Opfer und die Nachkommen verstört hat. Ich bedaure vor allem, dass wir uns vielleicht auch zu sicher waren. Ich dachte – Michael Piazolo hat es gerade angesprochen, wie viele andere auch –, dass wir bei den Staatsgemäldesammlungen, dass wir in Bayern, dass wir in Deutschland insgesamt weiter sind, dass wir klar sind, was den Forschungsstand angeht, die Verfahren, die weiteren Fahrpläne.
Es ist aber nicht nur die Entschuldigung, um die ich bitten möchte. Es ist auch das klare Bekenntnis: Wir stehen als Bayerische Staatsregierung uneingeschränkt zu unserer historischen Verantwortung, zur Wiedergutmachung von erlittenem NSUnrecht und zu den Washingtoner Prinzipien – ohne Wenn und Aber. Das sage ich auch hier und heute ganz deutlich. Deswegen versichere ich auch den Opfern und ihren Nachkommen, dass sie sich darauf verlassen können, dass wir alles tun werden, um NS-Unrecht wiedergutzumachen, soweit das heute überhaupt noch möglich ist.
Ich versichere den Opfern und ihren Nachkommen, dass wir noch mehr Tempo und vor allem maximale Transparenz in Provenienzforschung und Restitution bringen werden. Ich versichere besonders der jüdischen Seite und habe das insbesondere gestern auch gegenüber dem Zentralrat der Juden und der Jewish Claims Conference persönlich deutlich gemacht, dass unsere Bemühungen aufrichtig sind und wir zu allem stehen, was wir miteinander besprochen haben.
Also, Bitte um Entschuldigung, klares Bekenntnis. Das Dritte muss sein: die notwendige Konsequenz. Wir müssen noch besser werden. Wir brauchen maximale
Transparenz. Wir brauchen mehr Tempo. Wir brauchen auch neue Strukturen. Maximale Transparenz haben wir bereits gemacht, unmittelbar nach den ersten Vorwürfen umgesetzt. Ich bitte einfach um Verständnis. Wenn solche schweren Vorwürfe im Raum sind, dann kann nicht der Minister am ersten Tag schon sagen: Ich weiß genau, wie es gelaufen ist. – Das wäre irgendwie komisch. Nein, wir haben uns das angeschaut, wir haben intern aufgeklärt und in der Folge bereits in dieser Woche gehandelt.
Wir haben die Staatsgemäldesammlungen als nachgeordnete Behörde angewiesen, den Leitfaden des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste zur Identifizierung von Kulturgut, das während der NS-Herrschaft entzogen wurde, unmittelbar anzuwenden. Ehrlicherweise war es auch für mich ein Erkenntnisprozess. Wir sind davon ausgegangen, dass die Beampelung nach einem einheitlichen Standard erfolgt. Die Staatsgemäldesammlungen sagen mir, sie seien unter den ersten Institutionen gewesen, die beispielgebend dafür waren, dass dieses Ampelsystem entwickelt wurde. Heute wird es anders angewandt. Ein kleiner Check hat mir gezeigt, dass praktisch jede Institution in Deutschland das anders anwendet – geschenkt. In Zukunft muss der Leitfaden unmittelbar gelten.
Wir haben deswegen auch gesagt: Das Klassifizierungssystem in der Datenbank muss natürlich angepasst werden. Die Fälle müssen so markiert werden, dass für jeden unmissverständlich klar ist: Was heißt eigentlich rot? Was heißt eigentlich orange? Bei den Fällen, bei denen Verdacht besteht – da sind die Handreichungen ganz klar, und da hat jeder, auch von der Opposition, recht –, muss bei Lost Art gemeldet werden. Dann kann niemand, selbst wenn er noch so gute Überlegungen hat, sagen: Nein, wir haben es für uns anders entschieden. – Nein. Ich möchte, dass alles bei Lost Art gemeldet wird. Mir ist bereits heute gesagt worden, dass die Staatsgemäldesammlungen unmittelbar damit angefangen haben.
Ich möchte, dass sämtliche Ergebnisse der Provenienzforschung veröffentlicht werden. Ich habe das dem Generaldirektor schon mal vor Monaten gesagt. Wir haben nur eine Einschränkung. Wir müssen sicherstellen, dass die potenziell Anspruchsberechtigten damit auch einverstanden sind.
Wir haben angewiesen, dass die gesamte Systematik der Provenienzforschung hinsichtlich Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Einheitlichkeit noch mal überprüft wird, dass offengelegt wird, nach welchen Kriterien priorisiert wird, weil der Gemäldebestand natürlich gewaltig ist. Wir reden über mehr als 6.000 Werke insgesamt, die generell dieser Prüfung unterliegen. Ich möchte – das machen andere Einrichtungen zum Teil anders –, dass zwingend die Provenienzgeschichte im Falle von Ausstellungen, und zwar bei Werken, die Gegenstand einer Provenienzrecherche waren oder sind, dann auch dargestellt wird.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gehen aber noch weiter. Wir werden alle weiteren Museen und Sammlungen in unserem Geschäftsbereich noch heute anweisen, ihre Bestände zu inventarisieren – das ist übrigens die Voraussetzung dafür, dass ich danach forschen kann –, Akten zu digitalisieren und eine Systematik für die beschleunigte Provenienzforschung zu entwickeln.
Wenn jetzt irgendjemand in diesem Hohen Haus fragt, warum das nicht schon längst geschehen ist, darf ich Ihnen den Zuruf weitergeben, der mir heute aus dem Museumsbereich gemacht wurde, der da lautet: Unsere historische Verantwortung, die unzweifelhaft und nicht abschichtbar ist, trifft auf eine harte museumspolitische Realität, und zwar in ganz Deutschland.
Meine Damen und Herren, damit ist schon klar: Das wird eine Daueraufgabe und kann kein kurzer Sprint sein. Weil das so ist, müssen wir maximale Transparenz mit mehr Tempo verknüpfen. Wir brauchen mehr Tempo, und das ist anspruchsvoll.
Provenienzforschung ist kein Kleinanzeigenmarkt, in welchem der eine veröffentlicht und der andere sucht, dann aber im Zweifelsfall die Dinge nicht geklärt sind. Wir müssen lückenlose Provenienzketten haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen nie vergessen: Es darf keine Restitutionsfehler geben. Wir sind es den Opfern und den Nachkommen schuldig. Es muss zweifelsfrei erwiesen sein, wer Anspruchsberechtigter ist. In vielen Fällen, die im Moment strittig sind, gibt es häufig mehrere Anspruchsberechtigte, die sich mitunter zum Teil auch streiten, wer tatsächlich am Ende erbberechtigt ist.
Was tun wir für mehr Tempo? – Wir setzen transparente Ziele. Wir haben die Staatsgemäldesammlungen aufgefordert, bei allen gemäß DZK-Standard auf rot stehenden Werken, also bei den Verdachtsfällen, schnellstmöglich eine Tiefenrecherche einzuleiten und einen verbindlichen Zeitplan für die systematische Ersteinschätzung aller noch nicht geprüften Werke bis zum Jahr 2026 vorzulegen. Wir richten eine Taskforce ein – wir haben das vielfach heute schon gehört, das deckt sich mit den Anträgen aus dem Landtag –, die unter Beiziehung externer Experten noch mal überprüft, welche Systeme wir haben, welche Ergebnisse diese gebracht haben und wie die Restitutionspraxis tatsächlich geleistet wird. Wir lassen unabhängig überprüfen und werden sehen, wo Empfehlungen für weitere Verbesserungen stehen. Außerdem erhöhen wir die Ressourcen und stellen 1 Million Euro und zwei Stellen zusätzlich kurzfristig zur Verfügung. Ich darf mich an dieser Stelle den Rednern der Regierungsfraktionen anschließen. Wenn es nach mir geht, ist das erst der Anfang; denn Tempo wird am Ende auch von Ressourcen bestimmt.
Wir reden auch über neue Strukturen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb haben wir im letzten Jahr die Museumsoffensive gestartet. Wir haben gesehen, dass es nicht zeitgemäß ist, wenn man 18 Häuser mit zum Teil unterschiedlichsten Größen hat, ganz große Tanker und dann einen Drei-Mann-Betrieb. Wie soll bei einem Drei-Mann-Betrieb die Spezialität vorhanden sein, um auch noch Provenienzforschung und dergleichen zu leisten?
Deswegen ist aber klar: Wir werden – das kann ich im Vorgriff schon sagen – Provenienzforschung und juristische Expertise in der künftigen Museumsagentur konzentrieren, die zum 1. Juli dieses Jahres ihren Dienst aufnimmt, und zwar für alle bayerischen Kunstmuseen und Sammlungen. Wir werden innerhalb der Museumsoffensive die Reform der Staatsgemäldesammlungen priorisieren.
Und ich sage schließlich: Wir müssen auch die Möglichkeiten der Provenienzausbildung verbessern. Einschlägige Studiengänge gibt es überhaupt erst seit zwei, drei Jahren. Das heißt, wir müssen auch schauen, dass wir am Ende die Persönlichkeiten, die Expertinnen und Experten, tatsächlich auch haben, die in diesem ganzen Feld firm sind. Ich erachte es übrigens als selbstverständlich, dem Bayerischen Landtag engmaschig, umgehend und eingehend zu berichten und alle Punkte umzusetzen, die in den gestern beschlossenen Anträgen und auch in den heutigen Anträgen, jedenfalls von SPD und den Regierungsfraktionen, enthalten sind.
Ich sage deutlich: Der von mir und dem Parlament vorgeschlagene Weg ist der einzige Weg, mit dem wir unserer historischen Verantwortung gerecht werden und den Zustand der Unerträglichkeit beenden.
Ich möchte einen weiteren Gedanken mit Ihnen teilen. Unerträglichkeit lässt sich aber auch nicht durch neue Unerträglichkeit irgendwie leichter aushalten. Für mich persönlich ist es unerträglich, wie die größte und eine der bedeutendsten Gemäldesammlungen der Welt in Misskredit gebracht wird, und zwar fahrlässig, an manchen Stellen – so wie wir das inzwischen sehen – auch wider besseres Wissen. Wir haben unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe reagiert und
eine umfassende lückenlose Aufklärung eingeleitet. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben in der Öffentlichkeit wie auch gegenüber dem Staatsministerium zu den in den Zeitungsberichten und durch Anwälte erhobenen Vorwürfen Stellung bezogen und setzen sich inzwischen auch presserechtlich zur Wehr. Es ist augenscheinlich unzutreffend, dass bei den Staatsgemäldesammlungen eine rote Markierung gesichert rückgabepflichtige Raubkunst bedeutet. Augenscheinlich unzutreffend ist, dass 200 Werke eindeutig als Raubkunst identifiziert seien und zurückgehalten würden. Jedenfalls nach Auskunft der Staatsgemäldesammlungen geht es dort ausschließlich um Verdachtsfälle. Unzutreffend ist ferner, dass Forschungsergebnisse potenziell Anspruchsberechtigten systematisch verschwiegen worden seien.
Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament, in Kenntnis dessen, was uns die Staatsgemäldesammlungen mitgeteilt haben, sage ich ganz deutlich: In Deutschland entscheidet nicht die "Süddeutsche Zeitung", was Raubkunst ist.
Ich sage auch: Ich bin entsetzt, wie andere zum Teil völlig unkritisch auf diese Berichterstattung und die Vorwürfe von Anwälten aufgesprungen sind und billigend in Kauf nehmen, dass ein massiver Reputationsschaden entsteht. Liebe Frau Kollegin Kurz, ich weiß ja – Sie haben das auch gegenüber der Zeitung gesagt –, eigentlich wollen Sie mich treffen. Da stehe ich und wackle keinen Millimeter. Aber wissen Sie, was das Schlimme ist? – Sie treffen mit Ihren Vorwürfen, die Sie auch heute im Plenum wieder geteilt haben, die Reputation der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Es ist so, wie die Kollegen Bausback, Piazolo und andere gesagt haben: Das ist nicht nur eine bayerische Angelegenheit; das wird in ganz Deutschland und auch auf der anderen Seite des Atlantiks gelesen. Es geht um die Reputation der Staatsgemäldesammlungen und der Forscherinnen und Forscher sowie um die Frage, wie man international miteinander umgeht und hinsichtlich Leihgaben kooperiert. Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist nicht gut, so mit den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen umzugehen. Da darf ich gerne um etwas Unterstützung bitten.
Es ist eben nicht nur unerträglich für mich, erstens, wie die Staatsgemäldesammlungen hier in Misskredit gebracht werden; für mich ist zweitens auch unerträglich, wie stillos diese so wichtige Debatte geführt wird, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Museen diskreditiert werden. Ich sage ganz deutlich: Ich persönlich halte das aus, wenn ich von Anwälten als "stinkender Kopf eines Fisches" bezeichnet werde. Aber als Dienstherr lasse ich nicht zu, dass Beschäftigte des Freistaats Bayern als "museumspolitisches Gesindel" verunglimpft werden, noch dazu von jemandem wie Michael Naumann als ehemaligem SPD-Kulturstaatsminister.
Drittens ist für mich unerträglich, wie immer wieder versucht wird, den Eindruck zu erwecken, der Freistaat Bayern würde sich bei der Restitution wegducken.
Das Gegenteil ist der Fall. Heute schreibt die "Süddeutsche Zeitung" über mich als Minister, es sei beschämend. – Wenn ich auf die Menge an Restitutionsfällen schaue und sehe, was wir noch beforschen müssen, stelle ich mich heute hier nicht hin, um mich dafür zu brüsten, weil ich weiß, dass die Aufgabe insgesamt zu groß ist. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Ich habe in jedem Fall, der uns als Staatsministerium vorgelegt wurde und mit einer rechtlichen Restitutionsempfehlung versehen war, auf Restitution entschieden. Anders gesagt: Es gab keinen einzigen Fall, in dem es eine rechtliche Restitutionsempfehlung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gegeben hat und wir die Restitution verweigert hätten. In den wenigen strittigen Fällen, bei "Madame Soler" und den sogenannten Flechtheim-Fällen, habe ich dafür votiert, dass diese unmittelbar der gerade in Einrichtung befindlichen Schiedsgerichtsbarkeit vorgelegt werden.
Zum Antrag der GRÜNEN: Auch wenn es Ihnen nicht gefällt, Frau Kollegin Kurz, und Ihnen der Gedanke möglicherweise fremd ist, es gibt so etwas wie eine Treuepflicht zum Freistaat Bayern. Darauf leistet jeder Staatsbeamte seinen Eid, so auch ich als Minister. Diese an Recht und Gesetz gebundene Treuepflicht zum Freistaat Bayern verbietet es, einfach freihändig, wie Sie es in Ihrem Antrag nahelegen, auf Restitution zu entscheiden. Restituiert wird in Bayern als Ergebnis von Restitutionsforschung, von Provenienzforschung und auf der Grundlage der Washingtoner Prinzipien, ohne Frage, und selbstverständlich eingedenk unserer historischen Verantwortung, aber doch bitte nicht als Ergebnis einer Pressekonferenz der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der letzte Gedanke ist mir am wichtigsten. Ich bin den Regierungsfraktionen außerordentlich dankbar, dass sie diesen Gedanken, lieber Winfried Bausback, in ihrem Antrag starkgemacht und vorangestellt haben. Wir stehen nämlich vor einer ganz großen Weichenstellung. Ich will vorwegsagen: Unrecht kann nicht durch Unrecht, sondern am Ende nur durch Recht geheilt werden, ganz ähnlich wie sich Michael Piazolo auch eingelassen hat. Wir stehen vor der größten Entscheidung der Nachkriegsgeschichte, zum ersten Mal Rechtsverbindlichkeit herzustellen für das gesamte Feld der Restitution.
Lieber Winfried Bausback, leider hat es ein bisschen länger gedauert. – Er war damals Justizminister und hat sich dafür eingesetzt, dass wir in Deutschland Restitution, Provenienzforschung, dies alles auf eine echte rechtliche Grundlage gestellt bekommen. Bayern hat sich schon im Jahr 2014 dafür eingesetzt, dass es ein Restitutionsgesetz gibt. Das Gute ist, meine Damen und Herren: Wenigstens jetzt können wir sagen, wir waren noch nie so weit wie aktuell. In einem Monat kann die Verwaltungsvereinbarung unterzeichnet werden. Wir gewährleisten damit erstmals Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Einheitlichkeit.
Ganz ehrlich: Das wird eine der sehr wenigen Errungenschaften zwischen Bund und Ländern der ausgehenden Legislaturperiode im Bund sein. Ich habe mich für diese Schiedsgerichtsbarkeit eingesetzt und sage Ihnen daher persönlich: Der schnellste Weg zur Gerechtigkeit und der einzige Weg zu Rechtsfrieden in diesen Fällen wird sein, dass wir das Ganze mit dieser Schiedsgerichtsbarkeit auf eine rechtliche Grundlage stellen.
Ich frage mich auch: Wann ist es denn so weit? Ich möchte, dass diese Schiedsgerichtsbarkeit noch in diesem Jahr 2025 an den Start geht. Ich sage auch: Die ersten Fälle – das haben wir als Freistaat Bayern schon angekündigt – werden wir unmittelbar vorlegen. Es wird bei den schon genannten Fällen auch keine Vorverfahren mehr brauchen, weil alles ausermittelt ist. Wenn es notwendig sein sollte, dass die Gesamterrichtung der Schiedsgerichtsbarkeit noch länger dauert, dann werde ich mich im Länderkreis dafür einsetzen, dass wir über ein Ad-hoc
Schiedsgericht entscheiden und es errichten, um diese Fälle sofort dort vorzulegen und dann eine abschließende Entscheidung haben zu können. Meine Damen und Herren, das sind wir den Opfern und ihren Nachkommen schuldig.
Ich möchte abschließend sagen: Mich verwundert, dass ausgerechnet dieser Schritt, die Errichtung einer Schiedsgerichtsbarkeit, die faktische einseitige Anrufbarkeit, die Herstellung von Rechtsverbindlichkeit, ja, lieber Michael Piazolo, die Herstellung von Recht in einem Rechtsstaat – welch höheres Gut kann es geben? –, ausgerechnet von denselben Anwälten so bekämpft wird, die jeden Tag das Recht für ihre Mandanten einfordern. Ich möchte – ich hoffe, da sind wir uns einig –, dass die Opfer und ihre Nachkommen in Zukunft Gerechtigkeit erfahren in einem rechtsförmigen Verfahren, wo sie nicht Bittsteller, sondern Partei auf Augenhöhe sind.
Ich habe heute, weil mir das Schiedsgericht so wichtig ist, den damaligen Verhandlungskreis mit Bund, Ländern und jüdischer Seite nach München eingeladen, erstens mit der Bereitschaft zu vollständiger Transparenz, aber zweitens auch mit dem unbedingten Willen, endlich diese Rechtsverbindlichkeit der Schiedsgerichtsbarkeit hinzubekommen. Das sind wir den Opfern schuldig. So geht historische Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Vielen Dank, Herr Staatsminister Blume. Es liegt eine Meldung zu einer Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Katja Weitzel, SPD-Fraktion, vor.
Sehr geehrter Herr Staatsminister Blume, Sie sprachen von Restitutionssicherheit. Das heißt, Sie wollen eine rechtsverbindliche Sicherheit vor Rückgabe von Kunstwerken. Die ganzen Vorgänge liegen erstens mehr als neunzig Jahre zurück. Da stelle ich Ihnen die Frage: Wie wollen Sie das eigentlich anstellen?
Zweitens. Es gibt anhand der Washingtoner Prinzipien den Grundsatz: Wenn noch Zweifel an der Rechtssicherheit bestehen, dann im Zweifel für die Antragstellerin. – Wie vereinbaren Sie damit Ihre Aussage, die Sie gerade eben getätigt haben und die, wie ich fand, sehr eindeutig in puncto pro Rechtssicherheit war?
Liebe Frau Kollegin Weitzel, es ist für mich erstens dringend notwendig, diesen Zustand zu beenden, dass es hier nur eine Beratende Kommission gibt. Wir brauchen vielmehr etwas, was verbindlich ist und am Ende dazu führt, dass sich keiner wegducken kann. Das ist das höchste Maß an Rechtsverbindlichkeit, das man am Ende herstellen kann.