Protokoll der Sitzung vom 23.03.2000

Förderung von Existenzgründungen

Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU vom 28. Januar 2000 (Drucksache 15/186)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 7. März 2000

(Drucksache 15/235)

Wir verbinden hiermit:

Förderung von Existenzgründungen verbessern

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21. März 2000 (Drucksache 15/256)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Hattig, ihm beigeordnet Staatsrätin Winther.

Wünschen Sie die Antwort des Senats mündlich zu wiederholen, Frau Staatsrätin? — Das ist nicht der Fall.

Ich gehe davon aus, dass wir in eine Aussprache eintreten, weil Mitglieder der Bürgerschaft dies in Fraktionsstärke verlangen.

Die gemeinsame Aussprache ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Käse.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben diese Anfrage zum Thema Existenzgründungsförderung vor dem Hintergrund gestellt, um einmal nach etwa zwei Jahren Existenz der Bremer Existenzgründungsinitiative etwas genauere quantitative Daten über Existenzgründungen zu ermitteln, vor diesem Hintergrund auch zu einer Bewertung der Fördermaßnahmen im Rahmen der Existenzgründungsinitiative zu kommen und eine Grundlage zu einer Weiterentwicklung des Programms zu schaffen.

Wenn wir uns jetzt einmal die Antwort des Senats genauer ansehen, dann muss man doch konstatieren, dass nach wie vor in puncto Existenzgründungen die Datenlage in Bremen sehr schlecht ist. Die Gründungsaktivitäten im Vergleich der Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin lassen sich aus dieser Antwort nur sehr indirekt ermitteln, und das ist doch wirklich schade. Wir hatten eine sehr detaillierte Anfrage gestellt, die in dieser Beziehung unbefriedigend beantwortet worden ist.

Ich möchte mit Genehmigung des Präsidenten aus der Antwort des Senats einige Passagen dazu zitieren! Da heißt es auf der ersten Seite: „Sieht man davon ab, dass die Neuerrichtung von Hauptniederlassungen und Zweigniederlassungen zu so genannten echten Neugründungen zusammengefasst werden, lassen diese Angaben eine genauere Eingrenzung der Existenzgründungsaktivitäten nicht zu.“ Dann geht es weiter, auf der nächsten Seite heißt es: „Über die durch geförderte Existenzgründungen insgesamt geschaffenen Arbeitsplätze sind bisher keine statistischen Daten erhoben worden.“ Auf Seite drei heißt es: „Es liegen keine Angaben darüber vor, wie sich die zuvor erwähnten Existenzgründungen am Markt durchsetzen konnten“, und schließlich auf Seite fünf: „Über die gesamte Anzahl innovativer Existenzgründungen bestehen keine Daten.“ Das ist sehr bedauerlich, kann ich da nur sagen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist insbesondere bedauerlich, wenn man bedenkt, dass vor etwas mehr als einem Jahr dieses Thema hier in der Bürgerschaft debattiert wurde und dort von Rednerinnen und Rednern verschiedener Fraktionen genau auf dieses Manko auch schon hingewiesen wurde, dass die Datenlage zur Abprüfung der Existenzgründungsaktivitäten schlecht sei. Dass solche Debatten an der Verwaltung offensichtlich ohne große Wirkung vorbeigehen, kann ich nur bedauern.

Wir können aber trotzdem aus den Zahlen, die uns geliefert wurden, einige Schlüsse ziehen. Ich habe mir die Mühe gemacht, aus den Daten zu einem Vergleich der Existenzgründungsaktivitäten in den Stadtstaaten zu kommen, und zwar mit dem Verfahren, das auch in dieser Anwort beschrieben wurde, nämlich aus der Anzahl der Gewerbeanmeldungen die Existenzgründungen abzuleiten und das Ganze dann in Relation zur Einwohnerzahl der Stadtstaaten zu setzen.

Ich bin auf ein Ergebnis gekommen, nach dem wir in Bremen 1998 etwa 58 Existenzgründungen pro 10.000 Einwohner hatten, während es im gleichen Jahr in Hamburg 79 und in Berlin 83 waren. Im Jahr 1999 stellt es sich so dar, dass bis zum September 1999 in Bremen pro 10.000 Einwohner 34 Existenzgründungen festgestellt werden können, in Hamburg und Berlin jeweils 59. Das ist traurig, denn es bedeutet nichts anderes, als dass im Stadtstaatenvergleich in Bremen im Jahr 1998 etwa 25 Prozent und im Jahr 1999 sogar rund 40 Prozent weniger Existenzgründungsaktivitäten zu beobachten waren, bezogen auf die gleiche Anzahl von Einwohnerinnen und Einwohnern.

Wir müssen also feststellen, wir haben in puncto Existenzgründungen noch einiges an Nachholbedarf. Man kann es aber auch positiv formulieren: Wir haben noch ein großes Potential, das es auszuschöpfen gilt.

(Beifall bei der SPD)

Die Bremer Existenzgründungsinitiative hatte, das kann man, glaube ich, doch gut aus den Antworten des Senats entnehmen, zumindest sehr positive Effekte auf dem Punkt Existenzsicherung. Das ist natürlich auch eine schöne Sache, und ich glaube, das muss man hier positiv hervorheben. Die Initiative hat eine sehr gute Resonanz gefunden, und ich würde auch sagen, das Programm ist alles in allem gut, und es geht in die richtige Richtung, aber es führt noch nicht dazu, dass das eben von mir angesprochene Potential ausgeschöpft werden kann.

Was gilt es zu tun? Ich denke, wir müssen diese Existenzgründungsinitiative fortsetzen, auch längerfristig, als es bisher vielleicht vorgesehen war. Wir müssen die Mittel absichern, vielleicht auch erhöhen — das ist eine Frage der Haushaltsdebatte —, und wir müssen natürlich auch schauen, dass wir inhaltlich, wo es nötig ist, die Existenzgründungsinitiative optimieren. Daneben müssen wir natürlich auch schauen, dass die Rahmenbedingungen für Existenzgründungen, zumindest soweit wir als Land Einfluss darauf nehmen können, verbessert werden.

Im Detail möchte ich dazu sagen, das größte Potential, das es auszuschöpfen gilt, was bisher offensichtlich von der gesamten Existenzgründungsinitiative noch fast überhaupt nicht berührt wurde, sind die Gründerinnen. Dass hier so wenig getan wird,

ist mir umso unverständlicher, als vor einem Jahr in der schon von mir erwähnten Debatte die Kollegin Winther, jetzt Staatsrätin, formulierte, dass der Senat aufgefordert sei, mehr Angebote für Gründerinnen aufzulegen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Was ist passiert, Frau Winther? Wie sieht es aus mit der Umsetzung? Ich erinnere dabei nur an die Debatte um die Gründertage. Die hießen Gründertage, und es gab von interessierter Seite einige Kritik an diesem Titel, erst daraufhin sah sich der Senator für Wirtschaft genötigt, diese Gründertage in der Unterzeile auch Tage für Gründer und Gründerinnen zu nennen. Ich denke, das ist mehr als Symbolik. Wir müssen einfach sehen, dass auch mehr Frauen von diesen Programmen angesprochen werden. Es ist sicherlich dann auch kein Zufall, dass die Beratungsstelle „Frau und Beruf“, die solche Beratungsangebote speziell für Frauen, auch eben unter dem Titel „von Frau zu Frau“, macht, vom Arbeitssenator und nicht vom Senator für Wirtschaft und Häfen gefördert wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben natürlich auch einiges zu tun, um die Gründerzentren weiterzuentwickeln, das ist im Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen angesprochen, und wir müssen, und das ist mein Appell, in Richtung Verbesserung des Klimas für Gründungen arbeiten. Wir müssen schauen, dass wir zu einer besseren Verzahnung der Programme für die Existenzgründung mit der gesamten Wirtschaftsstrukturförderung in Bremen kommen. Es hat keinen Sinn, isoliert Programme für Existenzförderungen aufzulegen, wenn nicht gleichzeitig die Wirtschaftsstruktur so entwickelt ist, dass für diese neuen Betriebe, für diese neuen Unternehmen auch entsprechende Absatzmärkte in der Region vorhanden sind. Das ist sonst hinausgeworfenes Geld.

Insofern meine ich, wenn wir von der Herstellung eines gründerfreundlichen Klimas sprechen, dann sollte man nicht so sehr, wie das vielleicht auch in der Antwort des Senats an einigen Stellen anklingt, an so etwas Abstraktes wie die Kultur der unternehmerischen Selbständigkeit denken, dass jetzt also Unternehmer in Scharen durch die Schulen ziehen, um Kinder und Jugendliche für die Selbständigkeit zu begeistern, sondern es geht schwerpunktmäßig darum, dass es zu einer besseren Verzahnung der Existenzgründungsaktivitäten mit dem sonstigen Strukturförderungskonzept kommt.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte jetzt zum Abschluss noch zu dem Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen, Förderung von

Existenzgründungen verbessern, kommen! Wir sind uns in der Koalition darüber einig geworden, dass dieser Antrag durchaus seine positiven Seiten hat und auch einige vernünftige Gedanken enthält, an einigen Stellen aber auch deutlich über das, was wir für vertretbar halten, hinausschießt. In diesem Sinne halten wir es für sinnvoll, diesen Antrag an die Deputation für Wirtschaft und Häfen zu überweisen und ihn dort im Detail abzuarbeiten. Ich denke, wir sollten an diesem Punkt wirklich gemeinsam schauen, wie wir zu einer inhaltlichen Verbesserung, ich möchte sagen, Optimierung des Existenzgründungsprogramms kommen, da sind alle Anregungen natürlich willkommen. Zur Begründung möchte ich dann lieber in einer zweiten Runde kommen, weil ich erst noch Frau Trüpel die Gelegenheit geben möchte, den Antrag noch einmal ausführlicher darzustellen. — Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht nicht immer nur um Fische, sondern es geht auch noch um Existenzgründungen. Die Wirtschaftspolitik ist ein weites Feld, und deswegen muss man sich als Wirtschaftspolitiker auch mit allen nötigen Dingen befassen. Ich darf gleich vorweg sagen: Ich bin im Gegensatz zu dem Kollegen Käse überhaupt nicht der Meinung, dass es hier eine sehr schwache Beantwortung dieser Großen Anfrage gewesen ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin im Gegenteil der Meinung, dass die umfassende und ausführliche Beantwortung der Großen Anfrage doch sehr deutlich gezeigt hat, dass wir auf dem richtigen Weg sind, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Eines ist klar, wir haben einen großen Nachholbedarf. Nun kann man sagen, Statistiken kann man hin und her wenden, und es gibt eine Statistik, da ist man auf dem sechzehnten Platz, bei der anderen Statistik ist man auf dem zweiten Platz, und das macht man immer so, wie es einem gerade gefällt.

(Zuruf des Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/ Die Grünen] — Heiterkeit beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Deswegen mache ich jetzt etwas, was mir sehr gefällt, dann stehen wir nämlich ganz anders da, als da gesagt wurde. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Tatsache ist, dass wir eine Selbständigenquote in Bezug auf die Erwerbstätigen in Bremen im Jahr 1998 von rund acht Prozent haben, die liegt in Hamburg bei rund 9,6 Prozent und im Bundesdurchschnitt bei zehn Prozent. Es ist richtig, dass wir hier einen Nachholbedarf haben. Wir haben aber in den letzten Jahren schon den Abstand verringert durch erste Maßnahmen, und durch die in 1998 und 1999 getroffenen Maßnahmen, da bin ich ganz sicher, werden wir den Abstand weiter verringern können. Die ersten Erfolge, und das kann man wiederum an dieser Statistik sehen, die ich Ihnen jetzt präsentiere, sind dadurch ganz deutlich sichtbar.

(Zuruf des Abg. D r. S c h u s t e r [SPD])

Sie sind nicht gefälscht. Das ist doch ganz unnett, was Sie da sagen, Herr Dr. Schuster!

(Abg. D r. S c h u s t e r [SPD]: Das hat Churchill gesagt!)

Das ist eine ganz offizielle Statistik, in der es um Handelsregisterneueintragungen im ersten Halbjahr 1999 geht, und da liegt Bremen, was die alten Bundesländer betrifft, an dritter Stelle nach Hamburg und Schleswig-Holstein.

(Glocke)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Käse?

Ja, bitte!