Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Meine Damen und Herren, ich eröffne die 16. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Auf der Besuchertribüne begrüße ich Mitglieder des Seniorenausschusses der ÖTV, Kreis Bremerhaven.

Herzlich willkommen!

(Beifall)

Nachträglich ist interfraktionell vereinbart worden, nach Tagesordnungspunkt 23, Landesmittel für die Entwicklung Alter/Neuer Hafen, den Antrag „Erhalt des Hauptzollamtes Bremerhaven“ aufzurufen.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten — jetzt ist er nicht da —, möchte ich dem Abgeordneten Claas Rohmeyer zu seinem heutigen Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche des Hauses aussprechen.

(Beifall)

Nun treten wir in die Tagesordnung ein.

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde ist von der Abgeordneten Frau Linnert und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgendes Thema beantragt worden:

Landesprogramm für die Informations- und Mediennutzung: Der Senat im T.I.M.E.-lag

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf und Senator Hattig.

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.

Als Erste hat das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Erstes war ich heute Morgen gespannt, welcher Vertreter oder welche Vertreterin des Senats mir hier heute Rede und Antwort stehen wird.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Gleich zwei! — Abg. E c k h o f f [CDU]: Aber Antworten gibt es nur in der Frage- stunde!) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Ich bin angetan, dass wir hier zwei Vertreter sehen. Ich bin gleichfalls auf den Seiltanz gespannt, den wir hier gleich geboten bekommen. Zwei Seiltänze! Der Bremer Senat befindet sich im Timelag. Dieses Wortspiel habe ich gewählt, weil das Landesmedienprogramm, das Herrn Dr. Kuhn und mir zugespielt worden ist, weil wir doch nicht so unbeliebt sind, wie manche glauben. T.I.M.E. heißt hoffnungsvoll T.I.M.E. für Telekommunikation, Informationstechnik, Multimedia und Entertainment. Ich zitiere jetzt mit Erlaubnis des Präsidenten aus der Drucksache 15/82 einen kleinen Satz: „Eine besondere Chance zur Steigerung der Akzeptanz und Nutzung neuer Informationstechnologien sowie zur Erzielung einer tragfähigen Breitenwirkung wird von der Initiierung ressortübergreifender innovativer Anwendung erwartet.“ Meine Damen und Herren, wir haben hier voller Erwartung im Oktober vergangenen Jahres den Senat aufgefordert, bis zum 31. Januar dieses Jahres einen Bericht vorzulegen, der auch eine Finanzierung eines solchen Landesprogramms einschließt. Darauf warten wir immer noch. Der Senat ist offline. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Um uns allen das Warten zu verkürzen, haben mein Kollege Kuhn und ich uns kurz vor den Osterferien entschlossen, eine Pressekonferenz zu machen,

(Abg. S c h i l d t [SPD]: Aber ohne In- halte!)

um den Senat ein bisschen aufzumischen, aber wir wurden enttäuscht. Im Winter waren die Tage kurz, im Frühling werden die Tage länger, doch das Warten wird schwer, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich muss sagen, das Papier ist sehr ambitioniert, aber es gehört an die Öffentlichkeit, damit es nicht schon morgen veraltet ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Erneut unterhalten uns gegenseitige Schuldzuweisungen in der Presse. Ich habe bei der letzten Bürgerschaftssitzung schon gesagt, sie erinnern mich ein bisschen an „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, Begegnung in der WG-Küche. Dieses Mal Jörg und Frank, und ein paar andere Akteure treten auch noch auf den Plan. Wer blockiert denn nun wen?

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Und Anja!)

Daran bin ich eigentlich nicht so sehr interessiert, vielmehr möchte ich hier thematisieren, wie der Senat mit dem Parlament, dem Ausschuss und mit der Öffentlichkeit umgeht!

Der Senat bezeichnet sich oft selbst gern als Gestirn von Modernität, Seriosität, er gibt sich innovativ.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Sie wollten doch Inhalte bringen! Tempo!)

Zum Thema Tempo! Frau Hammerström, seien Sie nicht so ungeduldig!

In der Informationstechnologie zählt eines: Schnelligkeit! In den Zeitungen stand: „Der Schnelle frisst den Langsamen.“ So ist es in der Medienbranche. Heißt es so landläufig, ein Internetjahr umfasst drei Monate, so sind drei Monate beim Senat sechs Senatsmonate. Ist das innovativ, meine Damen und Herren? Nein!

Zum Geld! Das Parlament soll bald den Doppelhaushalt beraten, nur die Finanzierung des Landesmedienprogramms ist eine leere Seite gewesen. Ist das seriös? Nein, das ist auch nicht seriös!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

50 Millionen DM zusätzlich zum Haushalt sind schließlich nicht aus der Kaffeekasse zu bezahlen. Ich denke, das hat hier keiner.

Transparenz! Die Ausschüsse erhalten magere mündliche Berichte. Auf Fragen gibt es unzureichende Antworten, wenn ich zum Beispiel gefragt habe, woher das Geld kommen soll, wurden die Schultern gezuckt. Es wurde gesagt, Sie werden demnächst irgendwann irgendwo aufgeklärt, Frau Stahmann, gedulden Sie sich! Meine Geduld ist am Ende.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen — Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grünen]: Zwischenfinanzierung!)

Die EU macht vor, wie es laufen kann. Mein Kollege Kuhn hat Ihnen gestern gesagt, es gibt Papiere, die werden derzeit ins Internet gestellt und europaweit beraten. Europa ist nicht zu feige oder offen genug, Öffentlichkeit zuzulassen und auch auf die Fähigkeit und Kompetenz der Bevölkerung zu setzen. Die Fachöffentlichkeit muss eingebunden werden.

(Zuruf des Abg. F o c k e [CDU])

Herr Focke, Plopps sind manchmal auch ganz schön, wenn man sauer ist.

Lieber Senat, Sie legen Ihre Papiere bestenfalls auf die Festplatte oder sperren sie in Ihrem Rathaus

ein. Ein Closed Shop ist keine Antwort auf den technologischen Wandel und auch nicht das Handy-Geklingel hier im Saal.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ist das modern? Wir fordern einen Masterplan: Wer macht was mit wem, wann, warum und wie, und wie wird das kontrolliert? Beteiligen Sie die Öffentlichkeit, denn sonst ist Ihr Papier schon morgen veraltet!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Stellen Sie Ihr Programm ins Internet, denn dahin gehört es!

Lieber Senat, ich zitiere Sie noch einmal, besonders Herrn Dr. Scherf, mir hat das in Ihrer Regierungserklärung gut gefallen: „Der Senat in bester hanseatischer Tradition.“ Hinter verschlossenen Türen sitzt er, berät sich als kleiner Closed Shop, ich habe es eben gesagt. Das geht doch gar nicht zusammen mit diesen Begriffen www., Internet, weltweit Multimedia, Globalisierung! Kein Wunder, dass das nicht klappt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gerade diesem großkoalitionären Senat, der nur so vor Harmonie strotzt, scheinen die Pillen dafür ausgegangen zu sein. Er kann nicht einmal mehr seine Koalitionsvereinbarung umsetzen. Darin steht nämlich, dass die Senatskanzlei koordiniert. Herr Jäger wirft aber Herrn Schildt vor, Herr Schildt sei ein Pistolero.

(Heiterkeit — Abg. E c k h o f f [CDU]: Was? Dass du auch in Mexiko warst, das hast du nicht gesagt!)

Herr Schildt sagt, hier wird das Geld zukünftiger Generationen verfrühstückt, Herr Jäger sagt hier, es ist gar nichts mit Frühstück. Sie scheinen sich doch gar nicht mehr so zu lieben. Ihre begrenzte Streitkultur hat ein Ende. Das sehen wir ganz deutlich.

Wie nötig das Programm wäre, mache ich Ihnen einmal eben an drei Punkten deutlich: Im Jahr 2005 werden 80 Prozent eine Bildung haben, die älter ist als zehn Jahre, während 80 Prozent aller Technologien jünger als zehn Jahre sind. Das nur einmal, um den Handlungsbedarf hier zu dokumentieren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Bundesregierung hat ein Programm „Neue Medien in der Bildung“ aufgelegt. Dieses Programm ist aber noch gar nicht in dieses Papier eingeflossen, das mein Kollege Kuhn und ich Ihnen gern zur