Protokoll der Sitzung vom 08.06.2000

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 15/299, auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.

Umsetzung des internationalen Übereinkommens von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch die Schifffahrt gemäß MARPOL-Konvention von 1978

Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU vom 7. März 2000 (Drucksache 15/232)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 28. März 2000

(Drucksache 15/265)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Hattig, ihm beigeordnet Staatsrat Dr. Färber. Möchten Sie die Antwort wiederholen, Herr Staatsrat? — Das möchten Sie nicht! Ich wollte Ihnen keinen Schrecken einjagen.

(Heiterkeit)

Ich gehe davon aus, dass eine Aussprache gewünscht wird. Das Wort hat der Abgeordnete Günthner.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Jedes Mal, wenn es zu großen Tankerunglücken kommt, wie beispielsweise bei der Erika, gibt es Debatten in der Öffentlichkeit, und in den Medien findet das Thema Umweltverschmutzung, die insbesondere von Schiffen ausgeht, eine große Aufmerksamkeit. Danach geht es dann wieder unter, obwohl gerade diese Ölverschmutzung nur die Spitze des Eisberges ist. Die illegale Einleitung von Öl führt nämlich zu wesentlich größeren Schäden.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: War das jetzt beabsichtigt, dass das Thema untergeht?)

Nein, das Thema geht nicht unter, aber das Thema geht dann danach unter, also das Thema der Umweltverschmutzung, der Sie sich ja auch schon in gewissem Maße gewidmet haben, Herr Eckhoff.

Die MARPOL-Konvention von 1973 ist zum Schutz der Meeresumwelt vor Verschmutzung aus dem Schiffsbetrieb beschlossen worden. Sie verpflichtet Besatzungen, über den Verbleib von Ölrückständen und geladenen umweltschädlichen Chemikalien Auskunft zu geben. 1984 gab es in der Bürgerschaft bereits die erste Initiative unter der maßgeblichen Federführung des Kollegen Töpfer. Viel Wasser ist seitdem die Weser oder aber auch die Nordsee hinunter geflossen. Wir meinen, zu viel!

Sie können auf eine schwankende Entwicklung zurückschauen. Von 1988 bis 1991 gab es eine kostenlose Ölentsorgung. Ziel war damals die Förderung des Aufbaus praktikabler und kostengünstiger Entsorgungsstrukturen zur Verhinderung der Meeresverschmutzung. Ab 1991 sind dann stufenweise der Bund und die meisten beteiligten Länder ausgestiegen, 1996 schließlich auch das Land Bremen. Dazwischen lag aber noch die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio 1992, die auch in Bezug auf dieses Thema zu einer nachhaltigen umweltverträglichen Nutzung der Ozeane und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt verpflichtete. Auf dieses Thema muss man dann noch zurückkommen.

Unser Ziel als SPD-Fraktion ist es nicht, auf Dauer öffentliche Haushalte zu belasten, aber die Schiffsbetreiber müssen an den Kosten beteiligt werden, jedoch ohne dass die Kosten unmittelbar dem Entsorgungsvorgang zuzurechnen sind. Das heißt, wir fordern als SPD keine gesonderte Erhebung der Entsorgungskosten in Häfen, sondern die Einbeziehung der Kosten in die Hafengebühren. Man muss aber auch in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass sich die Liegekosten insgesamt nicht so verteuern dürfen, dass deutsche Häfen Wettbewerbsnachteile haben. Zurzeit liegt ein Konzept für die Nordsee bei der Europäischen Union.

Wenn man sich aber die MARPOL-Konvention anschaut, ist festzustellen, dass andere Gebiete wesent

lich weiter sind. So sind beispielsweise das Mittelmeergebiet, das Ostseegebiet, das Schwarze Meer, das Rote Meer, die Gebiete der Golfe, der Golf von Aden und das Antarktisgebiet im Sinne der MARPOL-Konvention bereits Sondergebiete. Die Nordsee fehlt bisher. Hier sind wir der Auffassung, dass der Senat einen stärkeren Druck auf die Bundesregierung ausüben muss, dass bei der Europäischen Union darauf hingewirkt wird, dass das dort vorliegende Konzept schneller umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann auch schon in diesem Zusammenhang ankündigen, dass die SPD im Landeshafenausschuss eine Initiative starten wird, die den Senat auffordert, über die Umsetzung des Konzeptes der Ostseeanrainerstaaten zu informieren, dessen Start am 1. Juli 2000 ist. Sie liegen auch in diesem Punkt wieder wesentlich vor den Nordseeanrainerstaaten. Sollte die zügige Umsetzung der MARPOL-Richtlinien durch die EU weiter verzögert werden, so erwarten wir vom Senat, dass er eine eigene Initiative der norddeutschen Länder zur Umsetzung der MARPOL-Konventionen anstrebt. Das sollte vor allem auch vor dem Hintergrund geschehen, dass in Norwegen im Jahre 2002 die fünfte internationale Nordseeschutzkonferenz tagt und bis dahin endlich etwas geschehen sein muss.

Meine Damen und Herren, die Bekämpfung der illegalen Entsorgung von Schiffsabfällen und Öl erfordert schnelleres Handeln als bisher. Spätestens im Herbst muss in die Abschlussphase eingetreten werden, ansonsten gibt es weiter eine Hängepartie, die zu Lasten der Umwelt geht!

Angesichts der vielfältigen Bedrohung der Meere sind klare Zielformulierungen und -strategien zur Erhaltung der Meeresumwelt notwendig. Nachhaltige Erfolge im Meeresumweltschutz lassen sich nicht allein national erzielen, sondern bedürfen einer intensiven regionalen und internationalen Zusammenarbeit und der verlässlichen Umsetzung der getroffenen Beschlüsse, und in diesem Sinne erwarten wir, dass der Senat dann auch handelt.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die allgemeine Meeresverschmutzung durch die Schifffahrt ist ein Problem, das schon lange aktuell ist und mit dem wir uns wohl auch noch länger auseinander setzen müssen, denn es ist für uns und die nachfolgenden Generationen unausweichlich und auch eine Pflicht, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

diesen so gewaltigen Lebensraum zu erhalten und zu schützen.

(Beifall bei der CDU)

Doch schauen wir erst einmal vor unserer eigenen Haustür! Die Nordsee gehört weltweit zu einem der produktivsten Meeresgebiete, und sie ist immer noch reich an Fischen und anderen Tieren. Deshalb ist es für uns und die ganze Welt wichtig, diese Artenvielfalt im Wattenmeer zu erhalten und nicht weiter durch Verunreinigung zu gefährden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich möchte jetzt aber nicht den Eindruck vermitteln, dass nur die Schifffahrt die alleinige Verantwortung für die Verschmutzung der Meere trägt. Da spielen auch noch ganz andere Faktoren eine Rolle, aber über das Thema werden wir noch ein anderes Mal sprechen können.

Meine Damen und Herren, kommen wir einmal zu den MARPOL-Konventionen und, wie Sie der Vorlage entnehmen konnten, ihren sechs Anlagen! Vier davon sind schon international und national in Kraft. Leider ist über die Verschmutzung durch Schiffsabwasser und die Luftverschmutzung, also die Anlagen vier und sechs, noch keine Einigung in Sicht. Auch hier kann man beklagen, dass bei internationalen Übereinkommen die Mühlen viel zu langsam mahlen, nur weil sich einige Staaten durch Zeitverzögerung einen Vorteil verschaffen wollen, und das auf Kosten der Umwelt.

Wenn man über Verschmutzung und über Müll redet, bringen wir alle immer leicht den Spruch: Jeder kehre vor seiner eigenen Tür, er hat genug Dreck dafür! Hier in Bremen brauchen wir uns aber an diesen Spruch nicht zu halten, zumindest nicht bei der Einhaltung der MARPOL-Konvention. Hier in Bremen gilt schon seit dem 1. September 1987 ein Konzept für die geregelte Schiffsmüllentsorgung, und in dem ist genau geregelt, was wann wie und wo zu entsorgen ist. Dieses Konzept ist international schon oft als gutes Beispiel genommen worden und fand dementsprechend auch Beachtung. Da kann man nur sagen: Gut gemacht, Bremen!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Doch für unsere Nordseehäfen muss noch eine internationale Lösung gefunden werden, wie zum Beispiel das für den Ostseeraum beschlossene so genannte No-special-fee-System, das am 1. Juli dieses Jahres in Kraft tritt. Die CDU-Fraktion appelliert an die blockierenden Nordseeanrainerländer und deren Hafenverwaltungen, den Widerstand gegen die Einführung des No-special-fee-Systems aufzugeben, denn eine einheitliche wettbewerbsneutrale — und das ist wichtig — Lösung der Schiffsölentsor

gung für alle europäischen Nordseehäfen beugt Wettbewerbsverzerrung und Umweltdumping vor. Für Schiffe, die bislang ordnungsgemäß in den Häfen entsorgen, tritt dann keine Kostensteigerung ein.

Ich persönlich finde es traurig und kurzsichtig von verschiedenen Anrainerstaaten, nur weil sie von Wind und Strömung bevorteilt sind und dadurch nicht so viel Verschmutzung an ihren Küsten haben, dieses System weiter zu blockieren. Es gibt ja auch noch andere Beispiele. Da kann dann auch der gegen die Verschmutzung der Meere von der Schifffahrtsorganisation IMO eingeführte ISM-Code, ein so genanntes Sicherheitsmanagementsystem, mithelfen. Doch dies wird wegen der vielen Zertifizierungsgesellschaften eher Wettbewerbsverzerrung zur Folge haben, und das wollen wir nicht. Als echten Erfolg gegen die Meeresverschmutzung kann man jedoch das Verbot der IMO für TBT-haltige Schiffsanstriche ab dem Jahr 2003 werten.

(Beifall bei der CDU)

Doch um noch einmal zum No-special-fee-System zurückzukommen: Mich wundert es eigentlich, dass unsere ach so umweltbewusste rotgrüne Bundesregierung sich nicht mehr dafür einsetzt. Ich kann es nicht verstehen. Das muss ich einmal ganz ehrlich sagen. Sie spricht sonst immer von Nachhaltigkeit, und darauf wird nicht genug Wert gelegt! Vielleicht hat sie es nur vergessen, oder vielleicht ist das auch nicht wichtig genug, aber ich finde schon, dass das wichtig ist. Da muss die Bundesregierung einfach mehr Druck machen!

(Beifall bei der CDU)

Was nicht ist, kann ja vielleicht noch einmal werden! Wenn wir in Bremen einmal umweltpolitische Akzente setzen wollen, könnte ich mir persönlich jedenfalls vorstellen, dass zumindest ein Teil der Schiffsmüllentsorgungsgebühren vom Land Bremen wieder finanziell unterstützt wird. Wir haben das ja bereits in den neunziger Jahren mit Erfolg gemacht, doch die momentane Haushaltssituation, die ja jeder kennt, ist ein bisschen schwierig, und deswegen haben wir da auch Probleme.

Zu den Verhandlungen über die Schiffsölentsorgung kann man nur sagen, wieder viel Gerede, und nichts ist passiert, zähflüssige Verhandlungen über die Entsorgungspauschale, die für alle gleiche Wettbewerbsbedingungen hervorbringen würde.

Meine Damen und Herren, bringen wir die Sache noch einmal auf den Punkt! Wir sind in Bremen auf dem richtigen Weg, aber international dauert es wieder viel zu lange. Meines Erachtens kann so etwas auch schneller gehen, wenn denn einmal alle an einem Strang ziehen würden. — Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Verehrter Kollege, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten engagierten Rede!

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Nein, das stimmt nicht!)

Alle Leute, auch Ihre Kollegen haben mir das gesagt! Das tut mir Leid, trotzdem herzlichen Glückwunsch, machen Sie weiter so!

(Heiterkeit und Beifall)

Das Wort hat der Abgeordnete Schramm, bei dem werde ich das nicht sagen.

(Heiterkeit — Abg. E c k h o f f [CDU]: Das „herzlichen Glückwunsch“ kann ich verstehen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mich wundert bald gar nichts mehr!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Zum Thema! Die Schutzgemeinschaft „Deutsche Nordseeküste“ hat jetzt im Zuge des „WattenmeerMonitorings“, das jährlich erscheint, noch einmal festgestellt, dass im Jahr 1999 die Zahl der ölverseuchten Tiere und Vögel wiederum einmal einen Höchstwert erreicht hat, also nicht gesunken ist, sondern gestiegen ist, meine Damen und Herren. Das ist irgendwie ein trauriger Anlass für solche Art von Debatten, wie wir sie hier führen.