Protokoll der Sitzung vom 13.09.2000

Herr Bürgermeister, wie steht Bremen im Vergleich zu den anderen 15 Bundesländern bei Erarbeitung der Datei?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Alle haben dieses Problem, zum Teil noch massiver als wir. NordrheinWestfalen hat ungefähr 200.000 Fälle vom Bundeszentralregister auf den Tisch gelegt bekommen, und es drohen ihnen noch weitere 30.000 bis 40.000, die im Handbetrieb bearbeitet werden. Bayern hat knapp 100.000 überwiesen bekommen. So staffelt sich das.

Wir sind wegen unserer kleinen Größe mit relativ kleinen Zahlen belastet. Man muss den Bearbeitungsaufwand sehen, den sie alle haben. Die Staatsanwaltschaft sortiert, prüft und legt die Akten den Gerichten vor. Diese entscheiden dann, ob es gemacht wird, und dann geht es zurück zur Polizei, und diese macht dann die Datenerhebung.

Es dauert überall, und alle versuchen, so ähnlich wie wir, zu sortieren, dass sie die Verbrechen unter sofortige Kontrolle bekommen und die Altfälle bei den Vergehen, da sind alle möglichen Straftaten dabei, zum Teil Jahre zurück, sukzessive abarbeiten. Wir liegen da relativ gut im Vergleich zu den anderen Ländern.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Meine Damen und Herren, damit ist der Punkt eins der Tagesordnung erledigt.

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Mützelburg, Frau Linnert und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgendes Thema beantragt worden:

Angriff des Senats gegen den Landesrechnungshof.

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf und Bürgermeister Perschau.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die bemerkenswerte Reihe von Angriffen des Senats gegen den Landesrechnungshof wurde eingeleitet, ausgerechnet, würde ich sagen, von dem als friedlich bekannten Staatsrat Logemann, der sich total darüber geärgert hatte, dass schon im Vorfeld Kritik des Rech

nungshofes über das Rhodarium und die damit zusammenhängenden Usancen in seinem Haus in die Öffentlichkeit gelangt sind.

Am 26. 7. 2000 hat Staatsrat Logemann im „Weser-Kurier“ gesagt, dass der Rechnungshof sich wie eine gegnerische Partei verhalten habe, sonderbares Attribut für einen unabhängigen Rechnungshof, und dass er einen grundsätzlichen Angriff gegen das Investitionssonderprogramm verbucht. Man kann das ja vielleicht noch unter der Kategorie „Angriff ist die beste Verteidigung“ einordnen. Wir würden das vielleicht auch noch tun, allerdings schon bemerkenswert ist, dass von Selbstkritik in diesem Zusammenhang keine Spur ist.

Weiter ging es dann mit Herrn Senator Perschau. Anlässlich der Vorlage des Berichtes des Landesrechnungshofes kommt nun Ende August die ganz große Keule. „Modernisierungsverweigerung und politische Kritik hilft Bremen nicht weiter“, das ist der Titel der Presseerklärung, die anlässlich der Vorlage des Rechnungshofberichtes dann in die Öffentlichkeit gepustet wurde.

Politische Kritik hilft Bremen nicht weiter! Das ist schon eine ganz besonders interessante Sichtweise. Ich sage einmal, hier werden ja immer so gern die freie Wirtschaft und die Verhaltensweisen in Betrieben gelobt. Wir sehen das eher differenziert, aber wenn man sich einmal über modernes Management Gedanken macht, dann wird man schnell sehen, dass dort eine Kultur herrscht, wo Fehlersuche und Kritik an dem, was gerade passiert, geradezu erwünscht ist und zur Unternehmenskultur gehört. An dem Punkt, finde ich, könnte Bremen von der freien Wirtschaft vielleicht dann doch einiges lernen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Presseerklärung, die uns vorliegt, ist voller Wut zusammengeschrieben. Zitat: „Wir brauchen höhere laufende Einnahmen, um Investitionen, wie unter anderem den Rechnungshof, zukünftig ohne Kreditaufnahme finanzieren zu können.“ Ehrlich gesagt, prost Mahlzeit! Wer hat das eigentlich verbrochen? Ich finde auch, dass der Rechnungshof eine Zukunftsinvestition ist, aber mit dem, was hier bisher als Investitionsbegriff verkauft wurde, hat das überhaupt nichts zu tun, aber ich nehme das erfreut zur Kenntnis, dass es da offensichtlich auch einen Richtungswandel bei Ihnen gibt! Das gehört noch zur belustigenden Seite dieser Presseerklärung.

Richtig übel, bis hin zur Beleidigung, geht es dann weiter: „Wenn der Rechnungshof in diesem schwierigen Prozess wirklich helfen könnte, müssten wir keine externen Beratungsgesellschaften einschalten.“ Das ist ja toll! Roland Berger hat also sozusagen seine Existenz in Bremen und die vielen Millionen DM, die wir dahin geben müssen, dem Rechnungshof zu verdanken. Weiter heißt es dann: „Statt

dessen verschanzt sich der Rechnungshof im komfortablen Bremserhäuschen, wo sich der Staub der Kameralistik sammelt.“ So eine Unverschämtheit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Am Ende der Presseerklärung erfahren dann Parlament und Öffentlichkeit, dass der Senat, bevor der vom Parlament eingesetzte Rechnungsprüfungsausschuss sich mit dem Bericht überhaupt nur beschäftigen konnte, eine Stellungnahme zum Rechnungshofbericht vorlegen will. Das ist ein einmaliger Vorgang. So etwas hat es in Bremen noch nicht gegeben.

Inhalt und Art und Weise der Kritik am Landesrechnungshof wurden, dafür möchte ich mich auch noch einmal ausdrücklich bedanken, von Präsident Weber für das gesamte Parlament zurückgewiesen, und auch Herr Böhrnsen hat das seinige dazu gesagt. Wir finden das gut, dass das dann passiert ist. Wir haben uns extra zurückgehalten, um den Konflikt da nicht zu verschärfen. Wir waren froh darüber, dass das aus diesem Hause zurückgewiesen wurde. Damit hätte es auch gut sein können, jedenfalls aus unserer Sicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aber leider geht die Sache so weiter. Einen Tag später, nämlich am 3. 9. 2000, gibt Herr Senator Hattig ein Interview im „Weser-Report“. Da heißt es dann gleich erst einmal vorneweg: „Tue nichts, dann machst du nichts falsch“. In dem Interview zeigt sich dann eine erschreckende Unkenntnis über die aus der Verfassung folgende Gewaltenteilung, ein absolutes Unwissen über die unabhängige, gesetzlich geregelte Stellung des Rechnungshofes, eine Ignoranz gegenüber dem Parlament, das die Mitglieder des Rechnungshofes nämlich gewählt hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Senator Hattig, es wäre für Bremen langsam ziemlich wichtig, dass Sie den Unterschied zwischen Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft endlich verstehen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

„Die Politik ist gefordert, die Reform auch gegen Quakbüddel wie die vom Rechnungshof durchzusetzen.“ Es reicht irgendwann, es reicht!

Ich möchte hier nicht über die Inhalte des Rechnungshofberichtes reden, weil das hier nicht Thema der Aktuellen Stunde ist. Dafür ist der Rechnungsprüfungsausschuss, der vom Parlament eingesetzt wurde, zuständig, und der wird das auch tun. Da kann man sich dann auch darüber streiten, ob die Kritik des Rechnungshofs, über die Sie sich ja besonders geärgert haben, an der Art und Weise, wie diese Regierung die Sanierung Bremens betreibt, hier vom Haus geteilt wird, wie weit sie geteilt wird, was man anders machen muss. Das will ich hier jetzt nicht besprechen.

Es hat Sie ja total geärgert, dass Ihre vollkommen unkritische Haltung gegenüber der Politik der Regierung, nämlich Geld heraus, koste es, was es wolle, nicht kleckern, sondern klotzen, durch den Rechnungshofbericht einen Dämpfer bekommt. Damit sind Sie so umgegangen, wie Sie umgegangen sind. Das ist einfach nicht in Ordnung!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie übersehen einfach, dass das Verfassungsgericht die Sanierungsstrategie Bremens mit Investieren und Entschulden bewertet hat und dass der Rechnungshof es wagt, darauf hinzuweisen. Damit in so einer Art und Weise umzugehen, ist in Bremen bisher noch nicht da gewesen. Ich sage Ihnen, lassen Sie das!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen — Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das zeugt nicht von Souve- ränität!)

Die Diskussion über die Inhalte, finde ich, sollten wir im Rechnungsprüfungsausschuss führen. Da hat das Parlament ein wichtiges Wort. Es ist auch nicht in Ordnung, dass der Senat versucht, durch Stellungnahmen erst einmal ordentlich Druck zu entfalten. Wir wollen einmal schauen. Ich sage noch einmal, ich glaube nicht, dass in diesem Haus eine Kultur herrscht, wo sich der Rechnungsprüfungsausschuss jetzt von Vorabstellungnahmen einschüchtern lässt und nicht mehr in der Lage ist, sich eine eigene Meinung zu bilden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Lassen Sie das! Lassen Sie es zu versuchen, diesen Ausschuss einzuschüchtern! Das ist wichtig! Er ist ein Instrument des Volkes, nämlich hier über das Parlament eingesetzt. Was Sie offenbaren, ist ein absoluter Mangel an demokratischer Gesinnung. Kritik, Diskussion und Öffentlichkeit sind Wesensbestandteile der Demokratie. Ihre Feudalherrenallüren schaden Bremen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen — Widerspruch bei der CDU)

Hören Sie einmal zu! Schauen Sie sich die Stellungnahmen noch einmal an, dann werden Sie vor dem Hintergrund, wie man so mit parlamentarischen Gremien und einem unabhängigen Rechnungshof umgeht, sehen, welchen Geistes man ist!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Hauptsa- che, das Weltbild stimmt! — Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/Die Grünen]: Das müssen Sie gerade sagen!)

Ihre Feudalherrenallüren, das sage ich Ihnen hier, schaden Bremen, schaden der politischen Kultur hier und schaden überregional, und sie schaden der Diskussion, die wir unbedingt brauchen, um zusammen den richtigen Weg für Bremen zu finden, wie es hier weitergehen soll.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Arroganz und Denunziation Andersdenkender ist so sehr zu Ihrem politischen Stil geworden, dass Sie noch nicht einmal vor dem zur Unabhängigkeit verpflichteten Rechnungshof, dem in der Bremer Landesverfassung verankerten Rechnungshof, Halt machen. Lassen Sie das! Sie offenbaren damit einen erschreckenden Mangel an politischer Kultur und, Frau Dr. Trüpel hat das gerade schon gesagt, an Souveränität.

Wer es nötig hat, auf diesen Rechnungshofbericht, der sehr sachlich geschrieben ist, der ganz viel Anlass zum Nachdenken gibt und ganz viel Anlass zu überlegen, was wir noch besser machen können, so zu reagieren, der hat weder in der Form Recht, noch kann er wahrscheinlich in der Sache Recht haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Teiser.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Linnert, man sollte, wenn man solche Aktuellen Stunden beantragt, irgendwie versuchen, die Linie zu halten. Die Linie haben Sie hier in keinem Teil Ihrer Debatte gehalten!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das macht nichts, es reicht, dass ich Recht habe!)

Sie stellen zum einen heraus, wie wichtig doch gegenseitige Kritik zur Befruchtung der freien Wirtschaft ist, gleichzeitig regen Sie sich auf, und zwar in beleidigender Form, wenn jemand einen anderen kritisiert. Wenn der Rechnungshof seinen Be––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.