Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Teiser, wir sind ja nun mitten in einer wirklich sehr interessanten Debatte. Sie haben neben vielen anderen interessanten Thesen gerade die aufgestellt, dass die vielen Hunderttausend und Millionen Menschen, die in den letzten vier Jahrzehnten zu uns gekommen sind, hier keiner gebraucht hat. Haben Sie schon jemals mit Vertretern – –.

Ja, diese Handbewegung spricht ja für sich!

Das haben Sie gerade gesagt, haben Sie gerade eben gesagt!

(Abg. T e i s e r [CDU]: Im Hinblick auf die heutige Green-Card-Debatte!)

Das können wir ja im Protokoll zusammen nachlesen, da gehen wir nachher zusammen zum Protokoll und lesen das nach, denn ich habe mich gefragt, haben Sie jemals mit dem Vertreter irgendeines Betriebes gesprochen,

(Abg. T e i s e r [CDU]: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich sage, Sie lügen, selbst wenn ich dafür gerügt werde!)

die diese Menschen angestellt haben in den letzten vier Jahrzehnten, haben Sie jemals mit den Vertretern irgendeiner Metall verarbeitenden Fabrik, mit der Wollkämmerei in Bremen-Nord oder mit welchem Werk auch immer, haben Sie mit den Werften – –.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Ich habe schon Po- litik gemacht, da wussten Sie noch nicht, wie man das schreibt!)

Das qualifiziert Sie alles wunderbar, Ihre Zwischenrufe, und ich glaube, das ist auch genau auf Ihrem Niveau!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich spreche hier über Politik und nicht über solche unflätigen Zwischenrufe.

Jetzt sind wir ja hier in Bremen, und da lassen Sie uns doch einmal nach Bremen sehen, der Aufbau der Werften, lassen Sie uns einmal in die Werften sehen, wer dort den Buckel hingehalten hat und wer heute als Rentner hier ist, viele frühzeitig, weil sie aus gesundheitlichen Gründen früher verrentet worden sind! Lassen Sie uns einmal diese Bevölkerungsgruppe ansehen und woher sie kam und wer hier dieses Wirtschaftswachstum mit aufgebaut hat, gerade in Bremen, gerade in den Werften!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich glaube, auf diesem konsequenten Weg der CDU, zurück in das neunzehnte Jahrhundert, den Sie hier beschritten haben – –.

(Zuruf des Abg. E c k h o f f [CDU])

Jetzt kommt hier ein Zwischenruf. Wahrscheinlich müssen wir noch ein bisschen weiter zurückgehen,

weil im neunzehnten Jahrhundert die Aufklärung schon gegriffen hat, und insofern müssen wir noch weiter zurückgehen.

Sie haben auch gesagt, dass es in der CDU keine Debatte um den Begriff der Leitkultur gegeben hätte. Jetzt frage ich mich, lesen Sie keine Zeitung, und sehen Sie kein Fernsehen? Herr Müller auf der einen Seite, Frau Merkel auf der anderen, dann Herr Blüm und Herr Geißler und dann wieder Herr Stoiber und Herr Koch! Das ist keine Debatte in der CDU um diesen Begriff Leitkultur? Es hat uns ja praktisch den ganzen Tag nichts anderes beschäftigt als die innerparteiliche Debatte in der CDU um diesen Begriff, und Sie haben sie nicht mitbekommen, Herr Teiser. Das ist ja katastrophal! Sie haben sie nicht mitbekommen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich glaube, dieses Thema ist bisher angegangen worden viel zu sehr als Thema der Bundes-CDU, und mir scheint immer mehr, es ist ein Thema der Bremer CDU und ein Problem der Bremer CDU, über das wir hier reden, und nicht der Bundes-CDU.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sie haben Herrn Schönbohm eingeladen zu Ihrem Parteitag neulich, und auf Ihrem Landesparteitag – –.

(Zurufe von der CDU)

Sie haben auf dem Landesparteitag auch gesessen und gehört, wie der Innensenator Schulte gesprochen hat, und die Presse hat ihn wörtlich zitiert, und ich habe von ihm kein Dementi über diese Aussage gehört. Er hat dort gesagt, wir, die Bremer CDU, wollen Ausländer, die uns nützen, und keine, die uns ausnützen. So viel zu Ihrem Begriff der Leitkultur, wie Sie sie dort verstanden haben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Wenn das Ihre Leitkultur ist, dann gute Nacht Deutschland, wenn das die deutsche Leitkultur ist, dann gute Nacht Deutschland!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Sie wollen das genau umgekehrt! Sie wollen die Auslän- der, die uns ausnutzen! Sagen Sie es doch!)

Was heißt das denn?

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Sagen Sie es doch!)

Nein, nein!

(Unruhe – Glocke)

Meine Damen und Herren, Sie können wohl zusammen singen, aber nicht zusammen reden!

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güldner!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Sie wollen ge- nau das Gegenteil! Sagen Sie es doch!)

Was ist das Problem, Herr Eckhoff? Nein, ich will überhaupt nicht das Gegenteil, was ist Ihr Problem? Sie kennen nur zwei Kategorien, und Sie können nur in zwei Kategorien denken. Da gibt es die einen, die nützen uns, und die anderen nützen uns nicht, zu mehr Differenzierung in Ihrem Menschenbild, in Ihrem ach so christlichen, sind Sie nicht in der Lage. Das ist Ihr Problem, nicht dass wir das Gegenteil wollen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Was ist denn mit der Arbeiterin, die in der Wollkämmerei gearbeitet hat, heute Rentnerin ist?

(Zuruf von der CDU: Die braucht keine Green Card!)

Sie nützt uns heute nichts mehr, im Gegenteil, sie ist vielleicht krank, braucht Gesundheitsleistungen, sie braucht Sozialleistungen, sie braucht Rente, das heißt, sie nützt uns heute nichts mehr. Heißt das auch, dass diese Rentnerin uns ausnützt? Ist das die Position der Bremer CDU? Muss man das so verstehen, wenn es nur diese beiden Kategorien gibt?

(Unruhe bei der CDU)

Das ist offensichtlich Ihr Problem, die Bremer CDU hat sich in dieser Frage eindeutig positioniert in den bundesweiten Diskussionen innerhalb der CDU. Ich habe das Gefühl, dass viele in anderen Bundesländern sehr viel weiter sind bei Ihnen, auch das vom Bundesvorstand verabschiedete Papier ist sehr viel weiter als Sie hier. Sie scheinen vor allen Dingen dem Rückschritt zu frönen und nicht dem Fortschritt. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Kottisch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ja doch noch eine ganz hitzige Debatte geworden heute.

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das haben wir auch gewollt!)

Gut, ich versuche dann einmal, ein wenig Ruhe wieder hineinzubringen. Aber, Herr Teiser, ich muss doch sagen, es wundert mich sehr, dass Sie sozialdemokratische Positionen in Richtung Wirtschaft vertreten, was die Ausbildung – –.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Nein, wenn es die Wahrheit ist, ist die Partei egal! – Lachen bei der SPD)

Vielen Dank!

Aber wir haben heute gelernt, von daher war das ja eine sehr lehrreiche Veranstaltung, dass die Bayern besser schreiben als die Bremer und dass deutsche Töchter nicht in die Türkei geschickt werden. Also, das finde ich schon ziemlich aufschlussreich, und ich finde es auch ganz toll, dass bei uns in Deutschland der Staat die Religion beherrscht, dass das integraler Bestandteil der deutschen Leitkultur sein soll.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich frage mich, wie das eigentlich in Holland ist, aber wahrscheinlich wird es in Holland genauso sein, und dann muss man sich doch fragen, ist das vielleicht die holländische Leitkultur, über die wir hier diskutieren oder die französische Leitkultur oder vielleicht die englische Leitkultur!