Protokoll der Sitzung vom 25.09.2001

Danke für den Beifall! Sie haben es nötig, ja?

Schauen wir uns doch einmal die Lage an! Frau Kollegin Linnert hat ja darauf hingewiesen, was Sie hier eigentlich von uns verlangen, ist, dass wir Ihre Probleme lösen.

(Lachen bei der CDU)

Sie haben das Geld der nächsten Jahre ja schon weitgehend ausgegeben! Wenn man dem Finanzsenator und seinem Haus glauben kann – und ich glaube ihm im Regelfall, was die Zahlen betrifft –, dann stehen vom Investitionssonderprogramm für diese Legislaturperiode noch ganze zehn Millionen DM zum Ausgeben zur Verfügung, die nicht verpflichtet und festgelegt sind. Von den Beträgen bis zum Jahr 2010, über die noch niemand beschlossen hat, über die es eine Art Anschlussinvestitionsprogramm gibt, sind schon knapp 50 Prozent festgelegt, meine Damen und Herren. Das sind die Gestaltungsspielräume für die Zukunft, die jetzt festgelegt und zum größten Teil auch schon fest einbetoniert sind.

Was Sie von uns verlangen, ist, dass wir dieses Geld aus dem Beton wieder herausholen und in der Zukunft noch einmal verfügbar machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dieses Wunder, das gebe ich gern zu, schaffen auch die Grünen nicht! Deshalb verlangen wir jetzt auch überhaupt nicht, dass irgendjemand hier ein Wunder schafft. Wir unterscheiden uns in einem Punkt: Wir wollen hier keine Marketingstrategie, sondern wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern Bremens sagen, was Tatsache ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Tatsache ist, dass die Belastungen, Herr Perschau hat ja den Schuldenstand für den einzelnen Bürger angedeutet, pro Kopf der Bevölkerung wachsen und nicht abnehmen. Das muss man offen sagen. Das führt in der Tat dazu, und das wird auch bei den Grünen nicht bestritten, dass wir nicht darum herumkommen, neue Schulden zu machen. Wir streiten uns gar nicht darüber, Herr Perschau. Die jetzige Lage hat sich gegenüber der Debatte vor vier oder fünf Jahren verändert, das Geld ist weg, und niemand schafft es wieder herbei. Da das aber so ist, ist es noch wichtiger, sich darum zu streiten, wofür die Gelder ausgegeben werden, die wir jetzt auf Kosten unserer Kinder aufnehmen müssen. Darum geht heute der Streit in Wirklichkeit. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Kollege Eckhoff, wenn Sie sagen, die Grünen wollten den alten Schlendrian wieder haben, nichts dergleichen! Schon als wir regiert haben, haben wir versucht, mit ganz vielen Elementen anzufangen, die Herr Perschau heute in seiner Rede ja gelobt und die die Regierung jetzt konsequent fortgesetzt hat. Das ist doch gar nicht unser Problem. Wir wollen aber nicht den neuen Schlendrian, den man in der einen oder anderen staatlichen Gesellschaft wunderschön beobachten kann. Das fängt bei den Geschäftsführergehältern an, die weit oberhalb auch dessen liegen, was ein Senator in diesem Lande verdienen kann, und das hört nicht da auf, wo und wie unkontrolliert ohne öffentliches Vergaberecht, ohne Ausschreibungen Aufträge vergeben werden. Wenn Sie mir nachweisen, dass in diesen Gesellschaften überall und grundsätzlich das erreicht wird, was Sie erreichen wollten, Transparenz und Kostensenkung, dann, Herr Perschau und Herr Eckhoff, können wir noch einmal über Schlendrian reden. Da gibt es aber soviel Schlendrian wie in der öffentlichen Verwaltung. Das verwundert auch gar nicht, weil letztlich diese Gesellschaften die verlängerte Werkbank des Staates sind und nur eine neue Organisationsform haben, ohne dass alle alten Schwächen beseitigt worden sind. Da wollen wir genau hinschauen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe mich über Ihren Beitrag, Herr Böhrnsen, sehr gefreut, auch wenn Sie ein bisschen Polemik gegen die Grünen loswerden mussten, weil Sie jetzt einmal versucht haben, genauer zu beschreiben, was Neujustierung des Investitionssonderprogramms ist. In der Tat haben Sie jetzt das ziemlich präzise – nicht im Detail, das schauen wir uns ja noch einmal an – ausgeführt, was wir Grünen hier seit vier Jahren zum Investitionssonderprogramm sagen:

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Anknüpfen an den eigenen Bremer Stärken, nach außen Neues gewinnen und nach innen die Bürger in diesem Stadtstaat halten! Das Halten ist im Moment mindestens genauso wichtig wie das Gewinnen neuer Bürger, darüber müssen wir uns klar sein, denn noch sinkt die Einwohnerzahl in dieser Stadt.

Es ist wichtig, vor allen Dingen junge Menschen hier in dieser Stadt zu halten. Ich glaube, darüber muss man sich klar werden. Es muss Schluss sein damit, ich danke Ihnen auch, dass Sie das noch einmal ausdrücklich gesagt haben, egal wie der haushaltsrechtliche Investitionsbegriff ist, dass Ausgaben für junge Bürger in dieser Stadt, die wir hier halten wollen, keine einfachen konsumtiven Ausgaben sind, die einfach nur dem Verzehr unseres Vermögens dienen, sondern sie dienen gleichzeitig dem Zuwachs am volkswirtschaftlichen Vermögen dieser Stadt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich komme jetzt noch zu zwei Punkten. Der eine Punkt, den haben jetzt alle angesprochen, ist die Bildungspolitik, meine Damen und Herren. Herr Eckhoff hat Recht, Geld ist da nicht alles, aber ohne Geld geht nichts, auch nicht in der Bildungspolitik. Man kann über die eine oder andere Umverteilung reden, aber das wird nicht ausreichen. Es wird auch nicht ausreichen zu sagen, wie die SPD es im Moment sagt, wir leisten über die Bildungspolitik einen Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Erziehung, was insbesondere die Frauen betrifft, durch verlässliche Grundschule, durch Ganztagsangebote. Darin liegt gesellschaftlich ein richtiger Kern, aber ich glaube, wir müssen noch genauer darüber nachdenken.

Das Wesentliche in der Bildungspolitik ist nach unserer Überzeugung, dafür zu sorgen, dass mehr junge Menschen in dieser Stadt besser qualifiziert sind, dass mehr Leute Abitur machen, dass insgesamt mehr Schüler Haupt- und Realschulabschlüsse bekommen, weil das das Zukunftspotential für Bremen ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn man feststellt, dass während der Amtszeit der großen Koalition die Zahl der Abiturienten prozentual und in absoluten Zahlen zurückgegangen ist und dass die Zahl der Hauptschüler, die ohne Abschluss von der Schule gehen, nach wie vor bei zehn Prozent liegt, dann ist das kein Ruhmesblatt für die Bildungspolitik und zeigt deutlich, dass es in der Bildungspolitik das Wichtigste ist, qualitativ etwas zu tun, die Kinder zu fördern, ein flexibles Schulsystem zu haben, in dem die Lehrer mehr Chancen haben, etwas für die Kinder zu tun, und sich weniger ab

plagen müssen mit den Verwaltungsvorschriften und Regularien einer Behörde.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der zweite Punkt ist: Herr Perschau, Sie weisen uns neuerdings immer wieder darauf hin, dass wir mit wachem Blick durch diese Stadt gehen sollen. Das machen, glaube ich, alle. Natürlich sehen wir Baustellen, die Schlachte sehen wir jeden Tag, weil wir da unser Büro haben, und das haben wir schon vorausschauend da gemietet. Das ist, glaube ich, nicht der Kernpunkt, sondern wenn man mit wachen Augen durch die Stadt geht, sieht man natürlich auch noch einige andere Sachen.

Man sieht zum Beispiel in der Innenstadt trotz teurer Umbaumaßnahmen, die wir ja im Prinzip nicht abgelehnt haben, dass die Einzelhandelsquadratmeterfläche dort in der ganzen Zeit der großen Koalition um keinen Quadratmeter gestiegen ist, dass aber die Leerstände gestiegen sind. Wenn wir durch den Bereich gehen – heute wird noch einmal in der Stadtbürgerschaft darüber diskutiert –, in dem ich lebe, durch das Steintor und den Ostertorsteinweg, haben wir da heute Leerstände, die im ganz anderen Umfang als vor fünf, sechs oder sieben Jahren vorhanden sind. Wenn ich die Straße An der Weide in der Innenstadt ansehe, dann ist da fast jeder Laden mittlerweile zu. Das sind auch Entwicklungen.

Jetzt würde Herr Hattig sagen, so ist das in der Wirtschaft mit den Entwicklungen und der Umstrukturierung. Nein, das ist es nicht allein! Es geht auch darum, was gefördert wird und was nicht. Diese Koalition setzt seit sechs Jahren auf den Ausbau des großflächigen Einzelhandels. Letztlich gehört auch der Space-Park dazu, den Sie jetzt hier gerade gelobt haben, das Walle-Center, das Hansa-Carrée und was es noch alles gibt. Wenn ich die Planungen für die Nebenzentren ansehe, sind das alles Infrastrukturförderungen, die nicht gerade den kleinen und mittelständischen Einzelhandel in den gewachsenen Gebieten stärken. Das ist auch ein Politikpunkt in dieser Stadt, über den wir ernsthaft reden müssen, wenn man mit wachen Augen durch die Stadt geht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn Herr Böhrnsen Recht hat, dass wir überall, wo sie leben, etwas für die Bürger in dieser Stadt tun müssen, dann gehört auch dazu, den kleinen und mittelständischen Einzelhandel zu fördern, die gewachsenen Standorte und Stadtteile zu halten und nicht einfach auf der grünen Wiese alles zuzubetonieren.

Herr Eckhoff, da können wir gleich noch einmal mit dem Wohnungsbau anknüpfen. Das Kernproblem in Bremen ist im Moment nicht, dass es keine Woh

nungsbauflächen gibt. Ihnen geht es nicht schnell genug.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Im Augenblick liegt das Problem in der ökonomischen Situation, dass nicht alle Wohnungen in den Neubaugebieten überhaupt so ohne weiteres an den Mann gebracht werden können. Unsere Aufgabe ist eigentlich viel mehr, dafür zu sorgen – Bremen hat ja im Grunde genug Wohnungen bei sinkender Einwohnerzahl –, dass das, was vorhanden ist, auch attraktiv für junge Bürger und Bürgerinnen in dieser Stadt wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das gehört, glaube ich, auch zu einer Umjustierung, Herr Kollege Böhrnsen.

Meine Damen und Herren, wir werden noch im Einzelnen über die Haushaltsfragen reden, über das, was Herr Eckhoff noch an Wohltaten für Bildung und Polizei vollbringen wird. Wir werden auch sicherlich noch einmal über die innere Sicherheit reden müssen. Ich will das jetzt hier nicht vertiefen, weil auch da das Problem nicht allein in der Ausweitung des Personals liegt, sondern es sind auch qualitative Seiten zu berücksichtigen sowohl beim Personal als auch in den Aktionsfeldern, in denen gearbeitet wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will nur zum Schluss noch eines für das Parlament sagen: Herr Senator Perschau, was mich in Ihrer Rede sehr wenig erfreut hat, unabhängig von all den politischen Seiten, war, dass Sie dieses Forum hier genutzt haben, um den Rechnungshof anzugreifen, nicht weil der Rechnungshof ein heiliges Instrument ist, aber der Rechnungshof ist letztlich ein Instrument des Parlaments. Das Parlament hat Rechnungsprüfungsausschüsse, und diese Ausschüsse bewerten die Aussagen des Rechnungshofs. Sie bewerten sie einmal zustimmend, einmal lehnen sie sie ab, einmal nehmen sie sie zur Kenntnis. Sie gehen ernsthaft damit um und tragen dann dem Parlament vor, was sie davon halten.

Der Senat muss uns dann meiner Meinung nach nicht belehren, und ich hoffe, zumindest die Kollegen in den Rechnungsprüfungsausschüssen unterstützen diese Position, weil wir diejenigen sind, die den Senat zu seiner Stellungnahme zu den Meinungen des Rechnungshofes befragen werden und die sich dann ihr Urteil bilden. Ob sie die Meinung des Rechnungshofes teilen oder nicht, das Entscheidende ist, glaube ich, dass wir ihn erhalten als ein kritisches und auch von der Regierungspolitik möglichst unabhängiges Instrument. Die Bewertung seiner Tä

tigkeiten ist unsere Angelegenheit. Meiner Meinung nach muss der Senat dabei nicht vorangehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass ich Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses bin. Deshalb werde ich hier heute, Herr Kollege Eckhoff, so früh nicht die Dankesworte sprechen, weil die Kollegen und Kolleginnen, die im Finanzressort arbeiten, aber auch die, die jetzt in den Fachressorts mit dem Haushalt beschäftigt sind, sicherlich aufgrund der Arbeit der Regierungsfraktionen und erst Recht aufgrund der Arbeit der Oppositionsfraktionen noch viele harte Tage, Wochen und auch Nächte Arbeit vor sich haben werden. Dann danken wir vielleicht noch einmal zusammen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen.

Es ist vereinbart worden, bei den Haushaltsgesetzen zuerst die erste Lesung durchzuführen, um im Anschluss daran über die Überweisung an den staatlichen Haushalts- und Finanzausschuss und an die Ausschüsse, deren Aufgabenbereiche betroffen sind, abzustimmen.

Als Erstes lasse ich über das Haushaltsgesetz der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 2002 in erster Lesung abstimmen.

Meine Damen und Herren, wer das Haushaltsgesetz der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 2002, Drucksache 15/787, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen und Abg. T i t t m a n n [DVU])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.