Protokoll der Sitzung vom 26.09.2001

(Zuruf der Abg. Frau L i n n e r t [Bünd- nis 90/Die Grünen])

Frau Linnert, da haben Sie Recht! Darauf gehe ich gleich noch einmal ein.

Nach den Erkenntnissen des Deutschen Sportärztebundes mehren sich die gesundheitlichen Schwächen oder Schäden und Unfälle. Frau Krusche hat darauf hingewiesen. Es häufen sich aber auch Auffälligkeiten im Arbeits- und Sozialverhalten der Kinder und Jugendlichen, unausgelebter Bewegungsdrang und Einschränkung von Spielmöglichkeiten in unseren Schulen, mangelnde Konzentrations-, Koordinations- und Kooperationsfähigkeit. Deswegen begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich die Entwicklung von Spielfähigkeit und Bewegungssicherheit als wichtiges Ziel der Grundschularbeit. Wir haben ja gerade in der Deputation darüber debattiert, dass dies wesentliche Grundlagen sind. Wir haben eben schon gehört, dass die täglichen Bewegungszeiten von zehn bis 20 Minuten, übrigens innerhalb der Unterrichtszeit, für die ersten bis vierten Klassen ein richtiger Weg sind.

Frau Krusche, es ging mir ja herunter wie Öl, wie Sie die verlässliche Grundschule mit den sportlichen Angeboten in den Betreuungszeiten gelobt haben. Es ist gut so und es wird auch genutzt.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Späte Ein- sicht, aber immerhin!)

Den Schwimmunterricht müssen wir in den Haushaltsberatungen absichern. Jedes Kind soll bei uns zum Freischwimmen kommen. Ich kenne diesen Fall übrigens nicht, dass in einer fünften Klasse die Überzahl Nichtschwimmer ist. Es gibt, vielleicht darf ich das an dieser Stelle sagen, auch ein kostenloses freiwilliges Angebot für Nichtschwimmer in den Ferienzeiten. Dort kann man sich anmelden, und wer

vielleicht sein Kind in den nächsten Sommerferien zum Schwimmen bringen möchte, muss sich bis Ende Februar an die Schule gewandt haben und es gemeldet haben. So ein Angebot sollte man auch nutzen.

Auch am Unterricht muss noch gefeilt werden. Wir sehen, dass der Senat da auch einsichtig ist und auch schon die richtigen Schritte sucht und findet. Ich bin nicht glücklich darüber, dass sich so viele Jugendliche dem Sportunterricht entziehen. Das ist übrigens auch ein Einstieg in sich dann verfestigende Schulverweigerung, wenn man hier einmal eine Stunde abhängt, da einmal eine Stunde und sich der Herausforderung des Sports nicht stellt. Eine wichtige Rolle spielen dabei, ich habe es eben schon gesagt, auch die Versagensängste. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass der Sportunterricht auch inhaltlich überprüft wird und dass sich so viele Lehrkräfte auch in Trendsportarten weiterbilden lassen. Wir sehen, es sind viele der durchschnittlich fünfzigjährigen Sportlehrer, die das machen. Es könnten durchaus noch ein paar mehr sein, damit wir das definierte Ziel, qualifizierte und attraktive Angebote für junge Menschen, erreichen, die sich dann gern sportlich bewegen.

Schulen in der Sekundarstufe I: Sie kennen das, wir haben Schulen mit sportbetontem Profil, wir haben Partnerschulen des Leistungssports, wir haben Schulen, die verstärkt Sportunterricht anbieten, und mit den sich ja abzeichnenden Ganztagsschulangeboten können wir ebenfalls Schwerpunkte im sportlichen Bereich setzen. Ich sehe da ganz viele Chancen.

Einen Bereich möchte ich trotz der Kürze der Zeit nicht vergessen, meine Damen und Herren: die Berufsschulen! Häufig beobachten wir, dass Jugendliche, die in eine Berufsausbildung eintreten, aus den Sportvereinen austreten. Das bedauern wir Sozialdemokraten sehr!

(Beifall bei der SPD)

Deshalb möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich die Bedeutung des Berufsschulsports, der nun wahrlich ein Stiefkind ist, hervorheben. Auch viele Auszubildende leiden an akutem Bewegungsmangel, also muss auch hier, Herr Senator, der Sportunterricht erteilt werden. Wenn, wie wir ja wissen, im Moment nicht genügend Sportlehrer zur Verfügung stehen, warum, meine Damen und Herren, wollen wir denn nicht einmal darüber nachdenken, ob wir aus dem gegebenen Rahmen springen und sehen, ob wir durch ein Programm wie „Geld statt Stellen“ Abhilfe schaffen!

Ich weiß, dass die Vereine sehr an Kooperationen mit den Schulen interessiert sind. Davon hat jeder etwas! Die Vereine können Mitglieder gewinnen. Ich weiß aus dem Bereich Rudern, dass die integrierte Stadtteilschule am Leibnizplatz in Kombination mit

dem Bremer Ruderverein von 1882 den Rudersport fördert, und ich weiß, dass es dort jetzt das Problem gibt, weil es so viele neue Mitglieder gibt, dass neue Boote gekauft werden müssen. Das boomt richtig! Ich wünsche mir für die Schulen, dass man nachsieht, was ist in der Nachbarschaft, wie können wir zusammenarbeiten! Die Schule hat etwas davon, weil dort junge Fachkräfte ankommen und auch die Vereine profitieren.

Meine Damen und Herren, über 400 Sportvereine in Bremen und Bremerhaven warten mit 170 000 Mitgliedern darauf, mit der Schule zu kooperieren, und ich bitte darum, Herr Senator, dass wir mehr in diese Richtung sehen.

Ich weiß, Sie fördern Kooperationen mit den Krankenkassen, dem Landessportbund, und ich wünsche mir auch eine engere Zusammenarbeit mit der Gesundheitssenatorin, weil Bewegung in der Schule so wichtig ist. Lassen Sie uns auf dem Erreichten aufbauen, den Rahmen hinterfragen und im Interesse der heute noch bewegungsarmen Jugendlichen Lösungen finden! Das Thema Prävention wird übrigens eines der nächsten Themen der SPD-Fraktion werden, bei dem wir Sport, Gesundheit und Bildung im besten Sinne miteinander projektorientiert verbinden werden.

Abschließend sage ich besonders zu meiner Fraktion: Die Welt ist groß, und Rettung lauert überall! Von daher, meine Damen und Herren, packen wir es an, wir sind dazu bereit! – Danke schön!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Jamnig-Stellmach.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wenn wir den Antrag gemeinsam tragen, können Sie sich vorstellen, dass wir in Teilen eine andere Einschätzung haben als beispielsweise Frau Hövelmann.

Diese Mitteilung des Senats zur Situation des Schulsports ist in unseren Augen eine großzügige Beschreibung, was Sport alles leisten soll. Der Beschreibung folgt dann eine ausführliche Beschreibung der Defizite, und am Ende dieses Armutsberichts steht das Eingeständnis: Wir können leider nicht anders. Das ist ein bisschen dürftig!

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen])

Ich gebe mir Mühe, Herr Dr. Kuhn!

Zum Stundenausfall wird das geringe Image des Sportunterrichts herangezogen und das hohe Durchschnittsalter der Sportlehrer. Ich finde diese Diskri

minierung älterer Lehrer unmöglich, die sind ebenso leistungsfähig wie viele junge auch!

(Beifall bei der CDU)

Es wird immer wieder auf fehlende Hallen und Sportgelände hingewiesen. Natürlich ist dafür niemand verantwortlich, das ist einfach so. Es wird mit keinem Wort versucht, Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, beispielsweise jüngere Lehrer mit anderen Fächern fortzubilden, damit sie auch Sport unterrichten können, oder qualifizierte Trainer aus Vereinen an die Schulen zu holen.

Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite ist, dass die Entscheidung, die dritte Sportstunde nicht zu erteilen, ja in den Schulgremien fällt. An dieser Stelle ist die Schule als Institution gefordert, den Sportunterricht ernst zu nehmen und nach Lösungen zu suchen, die zur Erteilung der vollen Stundenzahl führen. Auf diesem Weg, so ist unsere Meinung, müssen sich die Schulen in ihr Umfeld öffnen, müssen sie Kooperationen mit Vereinen eingehen. Dort, wo es diese Kooperationen bereits gibt, wird ganz deutlich, dass der Nutzen für beide Seiten groß ist.

Die Lehrpläne sind überwiegend 20 Jahre alt, und es sollen, wenn Überarbeitungen stattfinden, nur noch Rahmenpläne entwickelt werden, die dann die wenigen Sportlehrer vor Ort dazu zwingen, einzelne Lehrpläne zu entwickeln. Wir sind der Meinung, dass das eine Überforderung der Lehrer ist, zumal es an den meisten Schulen nur ganz wenige Fachlehrer gibt, die diese Arbeit dann allein übernehmen müssten.

(Beifall bei der CDU)

Zum Schwimmunterricht! Ich stimme mit dem Senat überein, dass Schwimmen als eine Kulturtechnik anzusehen ist. Ich stelle allerdings in Frage, dass das Schwimmen erst in der Schule erlernt werden soll. Unserer Meinung nach sollten Sechsjährige bereits schwimmen genauso wie Rad fahren können, wenn sie in die Schule kommen. Frau Krusche hat ja damit, dass es Schüler in der fünften Klasse gibt, die immer noch nicht schwimmen können, bestätigt, dass es umso besser ist, je früher sie es können. Dann haben sie die Chance, noch in der Grundschule wenigstens den Freischwimmer zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Für das Schwimmenlernen fühlt sich bisher die Schule zuständig, aber warum kann dieser Lernprozess nicht in den Kindergarten verlagert werden? Da für 99 Prozent der bremischen Kinder ein Kindergartenplatz zur Verfügung steht, ist zu erwarten, dass dieses Schwimmangebot den größten Teil der Kinder, die nicht durch Eigeninitiative der Eltern

schwimmen lernen, erreichen wird. Diese Verlagerung hätte nach unseren Vorstellungen viele Vorteile: mehr Zeit für die Kinder, kleinere Gruppen, positive Entwicklung für die Bäder und positive Entwicklung für die Schulen.

Mehr Zeit für die Kinder! Uns wird ja immer vorgeworfen, nicht an die Kinder und Schüler zu denken. In diesem Fall wäre es möglich, die Lerneinheiten zu verlängern. Es ist ja in der Regel so, dass die Grundschüler zwei Stunden Zeit haben. Sie fahren in irgendein Schwimmbad, müssen sich an- und ausziehen und haben dann maximal 15 bis 20 Minuten im Wasser. Das ist wenig effektiv! Kleinere Gruppen wären möglich, wenn Schwimmmeister den Unterricht übernehmen würden. Da die Zwanziger-Regelung für den Schwimmunterricht aufgehoben wurde, bedeutet das normalerweise für die betreuenden Lehrer riesige Gruppen.

Für die Bäder wäre die Entwicklung positiv, denn sie bekämen eine Dienstleistungsfunktion für eine große Zielgruppe, wenn die Schwimmmeister den Unterricht für die Fünfjährigen oder Vorschüler übernehmen. Die Qualität des Unterrichts würde sicherlich nicht schlechter. Dass die Schwimmmeister ihr Handwerk verstehen, das beweisen sie mit jedem Schwimmkurs aufs Neue. Frau Hövelmann hat ja gerade darauf hingewiesen, dass diese Möglichkeit besteht und auch relativ häufig genutzt wird. Für die Schulen wäre es positiv, denn es müssten nicht mehr vier Lehrerstunden Schwimmunterricht pro Klasse veranschlagt werden. Mit zwei Lehrerstunden zusätzlich könnte durchgängig Sportunterricht für die ganze Klasse angeboten werden.

Eine Möglichkeit, diese Kindergartenkinder im Schwimmbad zu betreuen, wäre beispielsweise durch eine abgeordnete Erzieherin gegeben, die die Kinder dort empfangen und beim An- und Ausziehen beaufsichtigen würde, alles andere würde dann von Schwimmmeistern übernommen. Die damit frei gewordenen Lehrerstunden könnten beispielsweise für eine dritte Sportstunde in der Grundschule, insbesondere in den dritten und vierten Klassen, verwendet werden. Wenn ich das richtig sehe, wäre das alles auch noch günstiger als bisher, denn wir wissen ja, Lehrerstunden sind teuer, sie werden in der Regel mit 100 DM veranschlagt, eine Schwimmmeisterstunde lediglich mit 27 DM.

Die Larmoyanz, mit der in der Antwort des Senats darauf hingewiesen wird, dass bei den veranschlagten Kürzungen in den Haushalten 2002 und 2003 die Finanzierung des Schwimmunterrichts nicht mehr gewährleistet ist, empfinden wir als unerträglich. Aber die SPD will ja aus demselben Haushalt den Sekundarstufe-I-Schulen ein Ganztagsangebot möglich machen. Das ist irgendwie nicht ganz zu vereinbaren. Die Wichtigkeit des Sports ist aber vielleicht in dem Bereich nur als Sonntagsrede zu verstehen. Auf der

anderen Seite aber: Wie sollen Schulen ihren Auftrag ernst nehmen, wenn ihr Senator es nicht tut?

(Glocke)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Hövelmann?

Bitte, Frau Hövelmann!

Frau Kollegin, wie empfinden Sie es denn, wenn im Haushalt des Sportsenators die Bezahlung für Übungsleiterstunden nicht dargestellt werden kann? Ist das sehr phantasievoll, oder würden Sie auch sagen, dass es unerträglich ist?

Frau Hövelmann, ich versuche hier einen Vorschlag zu machen für den Schwimmsport in der Grundschule, und vielleicht darf ich das jetzt hier erst einmal zu Ende führen!

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir also als Politiker unseren Auftrag ernst nehmen, den Sanierungskurs beizubehalten und zu weiteren Einsparungen bei den konsumtiven Ausgaben zu kommen, dann müssen wir viele eingefahrene Wege überprüfen. Ich bitte deshalb den Senator zu prüfen, und damit gehen wir als CDU-Fraktion über den gemeinsamen Antrag hinaus, wie in Abstimmung mit Soziales und Sport die Verlagerung des Schwimmunterrichts zum Schwimmenlernen in das letzte Kindergartenjahr organisiert werden kann. Wir bitten darum, einen Vorschlag für ein Modellprojekt zu machen, und wir bitten zu prüfen, ob und wie die dadurch freigewordenen Lehrerstunden für eine dritte Sportstunde eingesetzt werden können.

Zum weiteren Sport in der Grundschule! Es wird ja geplant, eine Fächergruppe ästhetische Erziehung einzurichten.

(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Die gibt es schon!)

Soweit ich weiß, haben wir die noch nicht beschlossen! Diese sieht vor, sechs Stunden insgesamt für Musik, Kunst und Sport zur Verfügung zu stellen. Es ist schon mehrfach erwähnt worden, dass hier die bewegte Grundschule ein Thema ist und damit einfach mehr Zeit für Sport zur Verfügung stehen müsste.

Zum Schulprofil Sport! Für alle Maßnahmen zu diesem Schulprofil stehen insgesamt nur 60 Stunden zur Verfügung, die eigentlich nicht ausreichen