Es ist vorhin schon gesagt worden, alle Rechnungshöfe des Bundes und der Länder teilen die Auffassung, dass da schärfer vorgegangen werden muss. Wir hatten aber letzte Woche als SPD-Finanzpolitiker die Gelegenheit, mit Kollegen aus anderen Bundesländern zusammenzukommen. Auf die Frage, wie man denn jetzt mit den zusätzlichen Mindereinnahmen umgeht, die uns beschert werden, kam auch sofort: Da gibt es dann Vermögensveräußerungen! Da waren wir ganz hellhörig und haben gefragt: Sagt einmal, wie macht ihr das denn mit den Vermögensveräußerungen? Wir haben da gerade eine Diskussion mit dem Rechnungshof. Die Antwort war: Das ist doch ganz einfach! Die werden den konsumtiven Ausgaben gegengerechnet, es sind konsumtive Einnahmen. Sie wären sonst nämlich überhaupt nicht in der Lage, einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. Natürlich bekommen auch die von ihren Rechnungshöfen laufend die gleichen Briefe.
Das zeigt doch den Spagat. Es geht nicht darum, hier nur die reine Lehre anzuwenden, sondern wir müssen doch sehen, was praktikabel ist. An manchen Stellen gibt es eben auch politische Entscheidungen. Das ist auch richtig so! Dafür sind wir hier im Parlament. Das ist aber nicht nur hier so, sondern das findet überall statt.
Viel wichtiger ist, dass wir uns in dieser Frage, wie wird eigentlich was gebucht, was ist konsumtiv, was ist investiv, nicht verzetteln und dass wir uns nichts vormachen. Wir müssen jederzeit wissen, in welcher Situation wir uns befinden. Was machen wir heute für Verpflichtungen? Welche Belastungen nehmen wir für die Zukunft auf? Wie stellen wir zukünftig sicher, dass diese Belastungen abfinanziert werden können, ohne die Spielräume auch für andere Bereiche einzuschränken?
Auch hier haben wir vorgesorgt. Mit dem Regelwerk für die Frage von Kapitaldienstfinanzierungen, das wir verabschiedet haben, das der Senat verabschiedet hat, haben wir doch auch festgelegt, und zwar gemeinsam festgelegt, dass es nicht zu einer
Überziehung einer mehr als fünfzigprozentigen Verpflichtung kommen darf. Genau das haben wir gemacht, weil wir genau wissen, es gibt den Spagat. Es gibt bestimmte Investitionen, die müssen wir heute tätigen. Je länger wir warten, desto schlimmer wird der Investitionsstau. Wir haben das doch bei den Schulen gesehen. Sie würden doch sofort mit uns übereinstimmen, dass die Schulen lieber heute als morgen zu sanieren sind. Jeder Fachmann weiß, dass alles, was ich da verschiebe, im Endeffekt viel teurer wird. Deshalb ziehen wir bestimmte Investitionen vor.
Wir ziehen aber auch die Investitionen vor, von denen wir wissen, dass sie besonders hohe regionalwirtschaftliche Effekte erzielen. Ich glaube, dass das durchaus gerechtfertigt sein kann. Auch der Bund verfährt bei Großinvestitionen nicht anders, man muss nur einmal schauen, was im Straßenbau läuft. Wenn dann in die Berechnung der regionalwirtschaftlichen Effekte für die Frage des Vorziehens von Investitionsvorhaben alle Finanzierungskosten einberechnet werden, dann sind natürlich auch die Zinsen darin enthalten. Wenn dann insgesamt die Effekte größer sind und man diese Maßnahme vorzieht, dann rechtfertigt das meiner Meinung nach auch, die Zinsen für das Vorziehen entsprechend der Investition zuzuschlagen, weil wir auch von den Effekten profitieren.
Wir werden uns damit sicherlich noch beschäftigen müssen. Ich kann nur noch einmal für unsere Fraktion festhalten: Wir finden es wichtig, dass wir auch zu dem Ergänzungsbericht hier einen gemeinsamen Beschlussvorschlag des Rechnungsprüfungsausschusses gemacht haben. Wir erwarten allerdings auch, dass wir als Parlamentarier nicht als Prellbock zwischen zwei Seiten stehen und hier mit Drucksachen konfrontiert werden, mit einem Brief in die eine Richtung und einer Stellungnahme in die andere Richtung, sondern wir erwarten auch Unerstützung von beiden Seiten, wenn es darum geht, wirklich praktikable Vorschläge zu machen und gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir mit einer soliden Haushalts- und Finanzpolitik die Sanierungspolitik dieses Landes unterstützen, und das dann auch im Einklang mit unserem Präsidenten des Rechnungshofs.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Mützelburg, ich will Ihnen gern entgegenkommen! Die Grundsatzpositionen bremischer Haushalts- und Finanzpolitik sind in unserem Papier nicht abschlie
ßend und vollständig dargestellt, deshalb kann man sagen, es sei hochtrabend. Da mir daran liegt, dass wir nicht so sehr um Worte streiten, sondern um die Inhalte, will ich versuchen, zu dem, was hier eigentlich in dieser sehr ausgewogenen Debatte zum Thema gesagt worden ist und natürlich auch sehr viel Fachbegriffliches hat, sozusagen einmal an einem einfachen Beispiel die Frage der Bewertung solcher Fragen darzustellen!
Wenn jemand sich ein Haus für 300 000 DM baut, Ersparnisse von 100 000 DM hat und einen Kredit von 200 000 DM aufnimmt, wie ist das dann zu bewerten im Verhältnis zu jemandem, der dasselbe Einkommen hat, sich kein Haus kauft, keine Ersparnisse und im Grunde genommen nur eine Mietwohnung hat? Ist denn derjenige, der so gesehen keine Schulden hat, nun der Reichere, der zukünftig Erfolgreichere und derjenige, der in Zukunft sozusagen die besseren finanziellen Spielräume und Gestaltungsmöglichkeiten hat? Hat er dann später im Alter die schlechtere oder die bessere Position?
Wenn Sie jetzt an dieser Frage ein bisschen weiter überlegen, dann stellt sich doch immer die Frage, wenn ich heute Schulden mache, welches Vermögen diesen Schulden gegenübersteht. Das ist eine Grundfrage. Genau aus diesem Grund arbeiten wir ja an einer Veränderung unserer bisher kameralistischen Haushaltsstruktur und gehen zu einer doppelten Buchführung über, weil ich natürlich in einer doppelten Buchführung auch eine Vermögensbilanz haben muss.
Wenn wir zum Beispiel heute an die Sanierung unserer öffentlichen Gebäude, der Schulen, der Kindergärten und anderer Bereiche herangehen, kann ich die Frage, ob es unseren Schulen besser geht, wenn sie jetzt in der Bewertung – weil lange nicht renoviert wurde – einen niedrigen Vermögenswert haben oder die Frage, wie es den Schulen geht, wenn ich sie saniert habe und sie damit auch wieder einen höheren Vermögenswert haben, doch nur über eine Vermögensbilanz beantworten. Wenn ich dies nicht gegenüberstelle, kann ich doch überhaupt nicht bewerten, welchen Gegenwert unsere Schulden erzeugen.
Nun haben wir ein ganz besonderes Problem. Wir haben als große Koalition eine Zinssteuerquote von 30 Prozent und einen riesigen Schuldenberg übernommen. Für diesen Schuldenberg zahlen wir etwa eine Milliarde DM pro Jahr. Weil die Zinsen für die Altschulden konsumtive Schulden und Ausgaben sind, ist es so, dass die konsumtiven Seiten unseres Haushalts eine Vorbelastung haben, die weit über das hinausgeht, was andere Länder haben, weil wir eben Spitzenreiter sind.
Nun stellt sich für uns die Frage, wie wir mit unseren konsumtiven Ausgaben umgehen. Die Folge von hohen Schulden ist zunächst einmal die, dass man eisern sparen muss, um die konsumtiven Aus
gaben niedrig zu halten, sie jedenfalls im Wachstum nicht beliebig höher wachsen zu lassen, weil schon der Schuldendienst – das sind insbesondere die Zinsen – unsere verfügbaren Gelder für konsumtive Ausgaben gewaltig einschränkt. Wenn wir nicht sparen, dann drücken uns natürlich die Alltagausgaben in Verbindung mit dem Schuldenberg besonders stark. Deshalb kommen wir nicht daran vorbei, unsere Ausgabenpolitik auch an den Vorgaben zu orientieren, die das Finanzausgleichsgesetz uns auferlegt und die der Finanzplanungsrat jedes Jahr über Sanierungsberichte von uns abfordert.
Die Frage, die sich dann für uns stellt und warum wir Haushaltsnotlageland sind, muss ich Ihnen nicht erklären. Wir sind Haushaltsnotlageland, weil wir nicht nur Investitionen kreditär finanzieren müssen, sondern weil wir auch einen Teil der konsumtiven Ausgaben kreditär finanzieren müssen. Das hängt auch mit unserer hohen Verschuldung zusammen. Wir wollen davon herunterkommen. Wenn ich von diesem Finanzieren konsumtiver Ausgaben über Kredite herunter will, gibt es doch nur zwei Möglichkeiten: Die eine Möglichkeit ist, dass ich spare, und die andere Möglichkeit ist, dass ich die Einnahmen verbessere. Das Verbessern der Einnahmen geht nicht wie mit einem Lichtschalter, dass ich also sage, ich verbessere jetzt die Einnahmen, indem ich investiere, und morgen habe ich das Geld und die Erträge daraus. Das ist nicht so, das habe ich hier mehrfach gesagt. Das dauert in der Regel vier bis sechs Jahre, bis die Refinanzierung der vorfinanzierten Investitionen beginnt.
Nun stehen wir vor der Frage, was wir denn machen wollen. Vor sechs Jahren waren wir nicht nur das Schlusslicht der Bundesländer, was die Summe der Verschuldung angeht, sondern auch eines der Schlusslichter, was die Höhe der Investitionsquote angeht. Wenn Sie eine hohe Verschuldung und dramatische Modernisierungsdefizite, dramatische Defizite im Strukturwandel haben und im Grunde einen Reparaturrückstau und Investitionsrückstau haben, dann stehen Sie doch vor der Frage, ob Sie diesen Rückstau kultivieren und sagen wollen, ich gebe jetzt sehr wenig Geld aus, denn für Investitionen darf ich Kredite aufnehmen. Wenn ich in einer solchen Situation sehr wenig investiere, dann wird unsere Situation nicht besser, sondern schlechter, und langfristig gesehen wird der Druck auf das Sparen immer größer, wenn ich meine Zinsen bezahlen will.
Deshalb stehen wir vor der Frage, wie wir mit unserer Zukunft umgehen. Die Zukunft, und das ist der entscheidende Punkt, verlangt von uns, dass wir uns den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft stellen. Das heißt, dass wir unser Land und unsere beiden Städte so modernisieren und positionieren, dass sie im Wettbewerb mit anderen Städten möglichst überdurchschnittlich werden. Nur wenn wir überdurchschnittlich sind, entwickeln wir Aufholtempo gegenüber anderen Ländern und Städ
ten, und das müssen wir, um aus der dramatischen Unterdurchschnittlichkeit der Wirtschafts- und Fiskaldaten herauszukommen, die wir vor sechs oder sechseinhalb Jahren übernommen haben.
Meine Damen und Herren, aus diesem Grund sind wir in dieser besonders schwierigen Lage. Ich finde den Streit mit dem Rechnungshof ganz konstruktiv, und denjenigen, die da glauben, sie könnten sehr viel Kapital daraus schlagen, sei nur gesagt, wir sind sozusagen schon dabei, ein gemeinsames Papier über gemeinsame Bewertungspositionen zu verabschieden, das wir Ihnen, denke ich, in Kürze vorlegen können. Ich möchte eigentlich in unserer schwierigen Lage nur darauf bestehen, dass die Elle, mit der wir gemessen werden, eine ist, an der sich auch der Bund und andere Länder messen lassen müssen, denn sonst funktioniert das Benchmarking nicht. Wenn jeder mit einer anderen Elle misst, kann ich keine Vergleiche mehr herstellen. Hier sind einige Beispiele genannt worden über die Frage, wie es denn in den Ländern und im Bund aussieht. Wenn der Bund seine investiven Einnahmen nicht konsumtiv verbucht hätte, würde er in diesem Jahr keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. So ist das, und das ist in vielen anderen Ländern auch so, und weil sie so verfahren, legen sie ausgeglichene Haushalte vor.
Ich möchte mir hinterher nicht sagen lassen müssen, wir seien die Einzigen, die keine ausgeglichenen Haushalte vorgelegt haben, nur weil die Verbuchungsweise bei uns so dramatisch anders ist als in anderen Ländern und beim Bund. Wir wollen uns schon messen lassen, aber mit derselben Elle! Ich lege ganz großen Wert auf dieses Benchmarking, weil es die Voraussetzung dafür ist festzustellen, wo wir unterdurchschnittlich oder durchschnittlich sind und wo wir eine Chance haben, Überdurchschnittlichkeit zu erreichen. Das setzt aggregierte Daten und Messstrukturen voraus, an denen wir uns messen lassen müssen. Diese Objektivierung der Sachverhalte streben wir mit dem Rechnungshof an.
Der letzte Punkt ist die Verwaltungsreform. Gerade gestern war die Staatssekretärin aus dem Bundesinnenministerium da, sie ist leider keine Christdemokratin, aber eine, denke ich, ganz kompetente Sozialdemokratin. Auch der Staatssekretär aus dem niedersächsischen Innenministerium war bei unserem europäischen Verwaltungsmodernisierungskongress zum E-Government. Beide haben unaufgefordert bestätigt, dass wir in diesen Feldern bezüglich der Modernisierung ganz vorn liegen.
Nun müssen wir natürlich auch sehen, dass wir für unsere Potentiale und Ansätze, Fortschritt und Überdurchschnittlichkeit zu entwickeln, sozusagen vergleichbare Strukturen haben. Beide Staatssekretäre haben gesagt, das läge daran, weil wir auch bei
uns in der Entwicklung zur doppelten Buchführung, zum Konzernmanagement, zur Kosten-LeistungsRechnung und zu vielen anderen betriebswirtschaftlichen Ansätzen in der Haushaltspolitik wesentlich weiter sind als andere. Das heißt, wir werden den Zeitpunkt, zu dem wir eine Konzernbilanz vorlegen können, wesentlich früher erreichen als andere Länder. Das hängt auch ein bisschen damit zusammen, dass wir ein Zwei-Städte-Staat sind und damit die Landes- und die kommunalen Fragen sich bei uns stärker verquicken und wir deshalb auch die Entscheidungen schneller herbeiführen können.
Deshalb bin ich ganz froh darüber, dass auch die Abgeordneten das, was sie in den bisherigen Haushalten selbst beschlossen haben, auch als ordnungspolitisch richtig und als im Vergleich mit Bund und Ländern angemessene Bewertung akzeptieren. Etwas anderes möchte ich gar nicht. Ich gehe davon aus, dass Sie in Kürze einen abgestimmten Bericht zwischen dem Rechnungshof und uns haben, in dem dann auch Parameter sichtbar sind, anhand derer die Bewertung vollzogen werden kann.
Mir liegt daran, meine Damen und Herren, dass wir begreifen und dies auch gemeinsam vertreten, dass man in unserer Lage am Sparen nicht vorbeikommen kann. Wenn wir es übertreiben, werden wir politisch handlungsunfähig. Wenn wir aber die Überdurchschnittlichkeit im Vergleich zu anderen erreichen wollen, dann werden wir an einer hohen Investitionsquote nie vorbeikommen. Deshalb glaube ich, dass Sparen und Investieren nach wie vor das Rezept ist, das für unser Land wirtschaftlichen und fiskalischen Erfolg garantiert.
Wer dem Senat gemäß Paragraph 114 Absatz 1 der Landeshaushaltsordnung Entlastung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des staatlichen Rechnungsprüfungsausschusses mit der Drucksachen-Nummer 15/874.
Zum Schluss lasse ich über den Antrag des staatlichen Rechnungsprüfungsausschusses, Drucksache 15/878, über die Entlastung des Rechnungshofes gemäß Paragraph 101 der Landeshaushaltsordnung abstimmen.
Wer dem Antrag des staatlichen Rechungsprüfungsausschusses, Drucksache 15/878, über die Entlastung des Rechnungshofes gemäß Paragraph 101 der Landeshaushaltsordnung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!