Protokoll der Sitzung vom 15.05.2002

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. P i e t r z o k [SPD])

Ich wollte es noch einmal betonen.

Frau Linnert, Sie haben alle Suchtmittel aufgezählt. Auch mir ist klar, dass Heroin der Weg ist, der am schnellsten zum Tod führt, aber die anderen Mittel sind zum großen Teil Einstiegsdrogen. Was Sie zum Haschisch gesagt haben, möchte ich hier nicht kommentieren, das teilen wir auch nicht. Eines ist mir nur klar, wir befinden uns in einem Wettkampf mit den Designern von Drogen. Es kommen immer schneller immer neuere immer gefährlichere Sachen auf den Markt, von denen die Mediziner zu dem Zeitpunkt, zu dem die auf den Markt kommen, noch gar nicht sagen können, was sie denn in und mit den Menschen bewirken. Woher sie kommen und was ihre Inhaltsstoffe sind, das kann man sicherlich sagen, aber nicht, welche Langzeitwirkung sie letztendlich haben.

Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Debatte einmal vom Bundeskriminalamt eine Statistik aus dem Internet heruntergeladen. Was es da an verschiedenen Stoffen gibt, hat mich auch sehr gewundert, und wie sprunghaft diese Wellen sind, die da kommen. Zum Beispiel ist diese Kat-Welle nach der Intervention in Somalia gekommen. Kat wird im Orient seit Hunderten von Jahren von fast jedem gebraucht. So wie hier Zigaretten nicht verteufelt werden oder zumindest lange nicht verteufelt wurden, so ist dort Kat ein ganz normales Gebrauchsgut. Nachdem die Amerikaner in Somalia waren, gab es eine Knappheit an Kat auf der Welt. Mittlerweile ist es eine Droge geworden, die auch in Europa Einzug gehalten hat.

Die Partydroge hat auch etwas mit Diskotheken zu tun, und das Party-Projekt soll in der Nähe von Diskotheken sein. Da finden wir es dann wieder schwierig, wenn die Bundesregierung überlegt hat oder noch überlegt, dass sich Vierzehnjährige bis 23 Uhr in Diskotheken aufhalten dürfen. Das passt irgendwie nicht zueinander. Ich glaube, Prävention muss da früher ansetzen. Sie schütteln jetzt den Kopf, aber wenn ich jemanden verführe oder ihm erlaube, länger an einem Platz zu bleiben, an dem er verführt werden kann, ist die Möglichkeit, dass er verführt wird, sicherlich auch größer.

(Beifall bei der CDU)

Mit der Prävention, da sind wir uns auch alle einig, müssen wir so früh wie möglich anfangen, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Wir müssen Kinder im Elternhaus dazu erziehen, dass sie lernen, nein zu sagen, auch wenn die Verführung im Moment noch so groß ist. Kinder, die in anderen Dingen nein

zu sagen gelernt haben, werden auch dann, wenn jemand ihnen mit Drogen ein paar schöne Stunden oder ein paar angenehme Stunden verspricht, auch nein sagen können. Das muss, glaube ich, das Ziel aller Erziehung im Elternhaus, begleitet von Kindergärten und Schulen, sein.

Leider ist der Bildungssenator heute nicht da. Ich glaube, bei dem, was wir in Schulen an Prävention machen – meine beiden Kinder haben die Schule auch durchlaufen, und ich weiß aus vielen Geschichten, was da an Prävention gelaufen ist –, ist die Frage wirklich, und das bewegt mich, die Frage nach dem Stillstand. Wir können uns keinen Stillstand erlauben. Stillstand wäre schon Rückschritt. Wenn heute Abend die Fußballer von Bayer Leverkusen den Ball nicht haben, können sie auch kein Tor schießen und nicht gewinnen. Wenn wir den Wettkampf mit den Designern verlieren, werden wir immer mehr Menschen abhängig machen. Wer nicht auf Ballhöhe ist – dieses Wort heute Abend, für alle, die viel Fußball sehen –, der wird nicht gewinnen können, der wird auch den Kampf gegen den Drogentod nicht gewinnen können, der wird Rückschritte erleiden, und der wird in Kauf nehmen müssen, dass noch mehr passiert.

Ich glaube, dass wir mit den 700 000 Euro, die wir für Prävention allein im Suchtbereich ausgeben, viel tun können. Das ist durchaus vorzeigbar, und meine Bitte an den Senator wäre gewesen, dass er dafür Sorge trägt, dass diese guten Broschüren, die es gibt, möglichst zügig und schnell der aktuellen Situation angepasst werden. Wir können uns gerade dort wirklich keinen Stillstand erlauben. Ich hatte jetzt versucht, das mit dem Beispiel, „auf Ballhöhe zu sein“, auszuführen.

Wenn erst jemand in den Teufelskreis oder in die Klauen der Sucht geraten ist, dann ist es unendlich viel schwieriger, ihn da wieder herauszubekommen. Das kostet auch viel mehr Geld. Das muss man in dieser Debatte auch sagen. Sie haben selbst gesagt, diese Akzeptanz am Sielwall, auf der anderen Seite aber, Herr Pietrzok, warum sind denn die vielen Geschäfte dort weggegangen? Hat das etwas mit Akzeptanz zu tun? Ich glaube, es ist eher genau das Gegenteil gewesen. Die Menschen sind doch dort nicht mehr zum Einkaufen gegangen. Die Läden dort sind doch geschlossen. Das hat doch gar nichts mit Akzeptanz zu tun gehabt oder damit, dass sie das wollten!

(Zuruf des Abg. P i e t r z o k [SPD])

Doch! Sie haben gesagt, mittlerweile wird das schon zum Teil akzeptiert. Sie haben sogar gesagt, dass Sie dort Repressionen ganz vernünftig finden. Ich weiß, das haben Sie gesagt.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, das hat er gesagt!)

Ich habe mich eben wohl ein bisschen falsch ausgedrückt.

Es ist aber so weit gekommen, dass Menschen, die Steuerzahler in dieser Stadt sind, ihre Geschäfte zugemacht haben, weil eben auch seitens der Kunden keine Akzeptanz mehr da war, in diese Geschäfte zu gehen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir müssen der Polizei die Mittel geben, die Produktion und die Verteilung des Giftes zu unterbinden. Wir müssen starke Kinder erziehen. Wir müssen in den Schulen Prävention vorantreiben. Wir müssen all das machen, was Sie aufgezählt haben: Party-Projekt, Internetseiten, die sind das moderne Mittel, das auch gerade bewegliche Jugendliche erreicht, um sich darüber aufklären zu können, was es bedeutet, wenn sie in die Suchtabhängigkeit geraten. Starke Kinder, starke Jugendliche werden weniger gefährdet werden. Das sind nicht solche, die Bodybuilding gemacht haben, sondern solche, die gelernt haben, nein zu sagen, denn dazu gehört in einem gewissen Alter sehr viel Mut und Stärke, wenn die Versuchung an einen herangetragen wird.

Ich glaube, zu Herrn Tittmann sage ich lieber nichts. – Ich bedanke mich!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Senatorin Röpke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal begrüße ich doch den großen Konsens zwischen den Fraktionen in den Grundsätzen der Drogenpolitik. Klar ist auch, dass der Drogentod als Parameter für eine gelungene oder nicht gelungene Drogenpolitik wenig geeignet ist, zu verschieden sind die Ursachen, die im Einzelfall zum so genannten Drogentod führen können. Das kann eine Überdosis sein, ein Suizid, ein Unfall oder der Tod an einer Folgeerkrankung wie Aids oder verschiedenen Lebererkrankungen. Das sind Indikatoren, die nach den Festlegungen des Bundeskriminalamtes auch für Meldungen gelten, aber nach unseren Erfahrungen in den Bundesländern und Kommunen doch sehr unterschiedlich gehandhabt werden. In Bremen ist dieses Meldeverfahren sehr ausgeprägt, und wir haben eine gut ausgeprägte Meldemoral.

Ich will damit allerdings auch nichts beschönigen. Die Forderung „Kein Stillstand im Kampf gegen den Drogentod“ kann ich und kann jeder hier nur unterstützen. Ich denke, dass wir in den letzten Jahren mit den verschiedenen Maßnahmen Drogentode verhindert und in vielen Fällen den frühen Tod verzögert haben. Die Substitution mit Methadon hat in ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

vielen Fällen das Leben zum Teil schwer erkrankter Persönlichkeiten verlängert. Eine geordnete Behandlung von Hepatitis, HIV-Infektionen und AidsErkrankungen war so erst möglich. Der Drogentod, verursacht durch eine Folgeerkrankung, war aber leider nicht zu verhindern.

Wir haben vielfältige Anstrengungen unternommen: unter den Gesichtspunkten des Safer Use über Faltblätter zur Notfallbehandlung und zur Aufklärung über gefährliche Konsumformen, Schulung von Mitarbeiterinnen in der Notfallbehandlung, Informationen an Ärzte zur Gefährlichkeit des Mischkonsums durch verordnete Medikamente. Ich könnte noch viele weitere Beispiele aufzählen. Wir müssen aber sehen, dass wir Drogenpolitik weiterentwikkeln, und wir müssen die Modellversuche, die bundesweit laufen, sehr genau bewerten und uns dann, wenn wir die Ergebnisse haben, noch einmal zusammensetzen und beraten, ob wir in Bremen eventuell Drogenpolitik verändern müssen.

Die drei Säulen Prävention, Hilfen und Repression sind hier mehrfach genannt worden. Die vierte Säule, die so genannte vierte Säule Überlebenshilfen, da teile ich die Auffassung, die auch schon genannt worden ist, ist in Bremen schon lange in der mittleren Säule Hilfen verankert. Es geht nicht mehr um Drogenpolitik im engeren Sinne der so genannten illegalen Drogen, sondern wir sprechen heute von Suchtpolitik. Ich denke, da sollten wir in erster Linie auch die Kulturdroge Nummer eins, den Alkohol, einschließen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, da kommt den Erwachsenen eine sehr entscheidende Vorbildwirkung zu. Genau an dieser Stelle möchte ich noch einmal hervorheben, dass in Bremen rund 5000 Menschen ehrenamtlich gerade auch im Bereich der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs arbeiten, ehrenamtliche Suchthelfer, die eine hervorragende, engagierte Arbeit leisten, Angehörige unterstützen, Suchtkranke unterstützen. Ich möchte mich ganz herzlich für dieses soziale Engagement, auf das wir nicht verzichten können, bedanken.

(Beifall)

Ein Schwerpunkt der Großen Anfrage und der Drogenpolitik ist eben Prävention, ich glaube, sogar der wichtigste, weil hier die Prävention am Anfang steht und verhindern kann, dass Menschen überhaupt Drogenverhalten entwickeln. Wir müssen deshalb Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene so früh wie möglich erreichen. In den Aktivitäten zur Förderung von Bewältigungskompetenzen im Alltag erreicht die Prävention besonders diejenigen, die eben noch keine psychotropen Substanzen konsumieren. Stärkung der Eigenverantwortung und Konfliktfähigkeit sowie die Erweiterung der sozia

len Kompetenz sollte eben nicht auf Kinder und Jugendliche beschränkt bleiben, sondern sich auf alle Menschen in allen Altersstufen beziehen.

(Beifall bei der SPD)

Um diejenigen, die sich entweder in der so genannten Experimentierphase befinden, also das ausprobieren, einmal etwas versuchen, vor allem sind es dann eben Jugendliche oder junge Erwachsene, oder diejenigen, die sich schon in einem fest geprägten Konsumverhalten befinden, mit präventiven Botschaften zu erreichen ist eine wichtige Voraussetzung, die mag manchem schwer fallen, aber ich glaube, es geht nicht anders, dass wir dann das Konsumverhalten dieser Menschen vorerst akzeptieren müssen, um überhaupt an sie heranzukommen. Die dann niederschwelligen Angebote im Drogenbereich, das Party-Projekt mit seinem hervorragenden Peer-to-Peer-Ansatz, also Menschen zu gewinnen, die mitmachen, ist hier schon genannt worden und ein gutes Beispiel. Ich habe auch mit diesen jungen engagierten Mitarbeitern des Party-Projektes gesprochen.

Das Problem, es ist hier schon sehr detailliert dargestellt worden, ist das der neuen Drogen. Da müssen wir, denke ich, noch sehr viel lernen und auch versuchen, an diese Menschen heranzukommen, die diese Drogen konsumieren. Die Erfahrungen mit den Drogen sind eben noch sehr im Anfang begriffen.

Es gibt aber auch andere Drogen, die hier noch gar nicht erwähnt worden sind, wo Party-ProjektMenschen Erfahrungen sammeln, die sind ja sehr nah an der Szene, wie zum Beispiel Naturdrogen. Da werden mittelalterliche Rezepte eruiert, und die Jugendlichen, die sind es ja meistens, versuchen sich an diesen Drogen. Da gilt es also auch noch einmal genau hinzuschauen und das sehr genau zu beobachten. Mit anderen Worten: Die Drogenszene ist unglaublich vielfältig, und solche Menschen, die im Party-Projekt arbeiten, sind nah dran und unheimlich wichtig.

Federführend für die suchtpräventiven Maßnahmen im Land Bremen ist das Landesinstitut für Schule beim Senator für Bildung und Wissenschaft. Mein Ressort arbeitet sehr eng mit dem Senator für Bildung und Wissenschaft zusammen. In den Aktivitäten des Bremer Aktionsbündnisses „Alkohol – Verantwortung setzt die Grenze“ wird unter anderem die neue Zielbestimmung, nämlich nicht die Verteufelung des Alkohols, sondern die Akzeptanz mit einem verantwortungsvollen Umgang deutlich.

Der Schwerpunktbereich Schule ist durch Erlass vom März 2001 die Aufgabe der Suchtprävention, und der Umgang mit Suchtmittelkonsum, Sucht und Suchtgefährdung sind hier geregelt worden. Neben der Suchtprävention beim Landesinstitut sind ausgebildete Lehrer in der Suchtprävention in Bremen und Bremerhaven an Schulen in der Suchtpräventi

on tätig. In Bremen-Nord nimmt das Suchtpräventionszentrum Nord und in Bremerhaven das Gesundheitsamt diese Aufgabe federführend wahr. Verschiedene Abteilungen der Polizei initiieren oder begleiten diese Aktivitäten. Es ist schon gesagt worden, gerade im Präventionsbereich sind wir in Bremen doch ganz gut aufgestellt.

Dort, wo Prävention nicht mehr gefragt ist, das heißt, Prävention keine Wirkung mehr zeigen kann, gibt es in Bremen ein sehr gutes und vernetztes Hilfesystem. Hier jetzt konkret die Maßnahmen dieses Hilfesystems aufzuzeigen, würde den Rahmen sprengen, aber ich denke, das kann in dem Landespsychiatrieplan, der ja erarbeitet und konkret vorgelegt wird, dann noch genau erläutert werden.

Zum Schluss möchte ich auch gern noch auf die dritte Säule der Repression eingehen! Dazu gehört natürlich die Angebotsreduzierung, auch die Bekämpfung des Handels mit illegalen Drogen und die Zurückdrängung der Beschaffungskriminalität. Vorrangig ist hier natürlich das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zu nennen. Das hat für uns auch eine ganz hohe Priorität. Ich, die ich ebenso wie Herr Pietrzok im Viertel wohne, weiß genau, wovon ich da spreche. Das heißt, wirklich kontinuierliche – und nicht, einmal hinkommen und wieder weg sein – szenenahe Präsenz mit der gezielten Bekämpfung sozial auffälligen Verhaltens dient dazu, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu erhöhen.

Gezielte strukturelle Maßnahmen – Platzverweise gehören dazu, räumliche Entzerrung von Hilfsangeboten und deren Regionalisierung – führten in der Szene zu einer Verbesserung der Situation. Das wird auch von der Bevölkerung erkannt. Diese Taktik ist unter den zuständigen Ressorts abgestimmt. Das heißt, auf Arbeitsebene wirken soziale Dienste und Polizei sehr gut zusammen.

Dort, wo es um repressive Maßnahmen im Bereich des Umgangs mit Alkohol geht, werden wir unter anderem auf eine verstärkte Kontrolle der Einhaltung von Bestimmungen des Jugendschutzes setzen. Ich finde auch solche Projekte gut, wie sie jetzt hier am 1. Mai am Osterdeich gelaufen sind, wo sich ja seit einigen Jahren traditionell Jugendliche mit dem Ziel treffen, sich richtig, wie man das sagt, einen zu dröhnen. Da sind jetzt Auffangkonzepte entwickelt worden, die gut gelaufen sind und ein hohes Engagement der beteiligten Personen erfordert haben, die dort Tag und Nacht im Einsatz waren. Ich denke, das ist genau der richtige Weg, um an Jugendliche heranzukommen.

(Beifall bei der SPD)

Die drei Säulen, die hier genannt worden sind, stehen miteinander in Verbindung, und wir müssen aufpassen, dass diese Säulen nicht auseinanderstreben. Sie gehören zusammen.

Eines möchte ich zum Schluss noch einmal sehr deutlich sagen: Drogenpolitik ist nicht nur Politik für Randgruppen, sondern sie ist Politik für die gesamte Bevölkerung. – Danke!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 15/1116, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Einführung des Digitalen Terrestrischen Fernsehens (Digital Video Broadcasting-Terrestrial; DVB-T) – eine Chance für den Medienstandort Bremen

Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU vom 22. März 2002 (Drucksache 15/1105)

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