Erst vor wenigen Wochen hat die Europäische Kommission den aktuellen Zwischenbericht über den Stand der Vorbereitungen eines möglichen EUBeitritts der Türkei vorgelegt. Auf sieben Seiten werden hier die wichtigsten Mängel in der Türkei aufgelistet, und ich zitiere, dies war übrigens heute auch im „Weser-Kurier“ nachzulesen: „Folter, Misshandlungen, Probleme mit Haftbedingungen, Einschränkung der Meinungs-, Vereinigungs- und Pressefreiheit, Missachtung von Menschen- und Minderheitsrechten, in der Wirtschaft kommt hinzu eine chronisch hohe Inflation und wichtige Beschränkungen für ausländische Investitionen!“ Wie kann vor diesem Hintergrund ein deutscher Bundeskanzler die Aufnahme konkreter Beitrittsverhandlungen bereits in zwei Jahren fordern!
Der deutsche EU-Kommissar Verheugen, immerhin Sozialdemokrat, sieht einen EU-Beitritt der Türkei frühestens im Jahr 2013.
Meine Damen und Herren, wer die Aufnahmekriterien willkürlich nach tagespolitischer Opportunität verändern will, wer die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union überschätzt und wer die Grenzen der Europäischen Union ohne historische, kulturelle und natürliche geographische Bezüge betrachtet, ist ein schlechter Vertreter deutscher Interessen und leistet einer Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit einen Bärendienst.
Wer die Grenzen der Europäischen Union beliebig erweitern will, schränkt hiermit die Möglichkeiten der Zusammenarbeit gleichermaßen ein. Dies ist nicht unser Weg. Wir wollen eine starke Staatengemeinschaft mit solider wirtschaftlicher Grundlage und einem einheitlichen Werteverständnis in den wichtigen Kernfragen der Poltik, der Demokratie und bei der Einhaltung von Menschenrechten. Wir wollen keine gegenseitigen Blockaden durch die beliebige Aufnahme weiterer Kandidaten.
morgen antworten, warum dies nicht für Russland, nicht für die Ukraine, für Marokko oder welches Nachbarland auch immer gelten soll.
Wir wollen mehr Zusammenarbeit. Wir wollen mehr zusammenwachsen in der Europäischen Union, und dies setzt weiteren Erweiterungswünschen natürliche Grenzen. Nur um von vornherein Wortverdrehungen zuvorzukommen: Wenn die Türkei die Aufnahmekriterien erfüllt, steht einer Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nichts, aber auch gar nichts im Weg.
Diese Voraussetzungen sind aber bei weitem noch nicht erfüllt. Es ist eine Frage des gegenseitigen Respekts, hier nicht falsche Versprechungen zu machen. Wir können uns eine sehr enge strategische Partnerschaft mit der Türkei auch ohne EU-Beitritt gut vorstellen. Ansonsten gilt, dass für die Türkei die gleichen Maßstäbe gelten müssen wie für alle anderen Beitrittskandidaten auch.
Herr Dr. Kuhn hat zu Recht auf die historische Leistung der ehemaligen Diktaturen im Osten Europas sowohl auf dem Weg in die Demokratie, auf dem Weg in Richtung Privatisierung, in Richtung westlichen Werteverständnisses, in Richtung wirtschaftlicher Stabilität, in Richtung weg von Staatswirtschaft hin zu Marktwirtschaft, was da alles geschehen ist, hingewiesen. Wenn heute im Vorfeld des EU-Gipfels in Kopenhagen solche Fragestellungen, auf die sie in Osteuropa lange hingearbeitet haben, nichts mehr wert sind, was ist dann eigentlich unsere Antwort auf die Frage, wie kommt das eigentlich bei den Menschen in Polen, Ungarn und sonstwo an?
Meine Damen und Herren, eine Delegation der CDU-Fraktion war in der letzten Woche in Brüssel, und wir haben eine Reihe von Gesprächen geführt mit, wie ich finde, sehr interessanten EU-Vertretern von Kommission, Parlament, aber auch von deutschen Vertretungen in Brüssel. Uns ist dabei sehr deutlich geworden, dass Deutschland in den letzten Jahren durch die Politik, insbesondere von Herrn Schröder, erheblich Vertrauen eingebüßt hat gerade gegenüber den kleinen Mitgliedstaaten.
Der aktuelle Türkeivorstoß, mit Verlaub, trägt leider auch nicht dazu bei, diesem Ansehensverlust entgegenzutreten.
Ich hätte mir gewünscht, dass Schröder mehr auf seinen Außenminister hört, das sage ich ganz offen. Ich bin erstaunt, da ich es niemals für möglich gehalten hätte, dass ich Hoffnung in einen grünen Außenminister setze, aber ohne den grünen Außenminister Fischer wäre diese Bundesregierung auf dem europapolitischen Parkett schon lange eingebrochen.
Ich füge auch hinzu, Präsident Weber hat das am Anfang erwähnt, dass die Präsenz des Senats ein bisschen zu wünschen übrig lässt. Sie können über Herrn Stoiber sagen, was Sie wollen, aber ich sage Ihnen, der wäre bei einer solchen Debatte heute im Parlament gewesen.
(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Vor allem, um gegen die Erweiterung zu polemisie- ren!)
Da täuschen Sie sich aber ganz gewaltig! Ich empfehle die Lektüre aller überregionalen Zeitungen in dem Zusammenhang. Das Thema geht hinauf und herunter, und da werden Sie sehen, dass sich Bayern sehr stark mit seinem Ministerpräsidenten Stoiber für die Erweiterung ausspricht, dass Bayern mit dem Ministerpräsidenten Stoiber aber auch eine klare Position, eine ehrliche Position hat, keine falschen Versprechungen macht und nicht die eigentlichen Kriterien, für die wir alle gemeinsam immer eingetreten sind, von Tag zu Tag unterschiedlich auslegt, sondern das muss gleich bleiben.
Meine Damen und Herren, wir sind optimistisch, dass es gelingen wird, die unterschiedlichen Forderungen, ich habe das bereits am Anfang erwähnt, die ich hier kritisch betrachte, was die wirtschaftlichen Fragestellungen angeht, an diesem Wochenende unter einen Hut zu bringen. Es geht gar nicht anders, als dass man sich verständigen wird, und ich bin sicher, dass das auch gelingen wird.
Wir begrüßen ausdrücklich die Aufnahme der zehn Beitrittskandidaten und denken, dass die Europäische Union auch gut vorbereitet ist für diese Aufnahme. Die Europäische Union wird mit dieser Erweiterung geographisch deutlich nach Osten verschoben, und damit rückt Deutschland weiter in die Mitte. Damit kommt uns in Deutschland eine wichtige Mittlerfunktion zu. Kein anderer Staat der bisherigen Union hat so viel Berührung, so viele gemeinsame Grenzen und auch so viel gemeinsame Geschichte mit diesen neuen Beitrittsländern.
Hieraus ergibt sich eine Reihe von Chancen und Gestaltungsnotwendigkeiten. Die deutsche Wirtschaft ist Handelspartner Nummer eins für die Beitrittsstaa
ten Mittel- und Osteuropas. In einer Analyse der Handelskammer in Bremen, Herr Dr. Kuhn, ist nachzulesen, dass das Außenhandelsvolumen mit diesen neuen Beitrittsstaaten Mittel- und Osteuropas mittlerweile für Deutschland fast so groß ist wie das Außenhandelsvolumen, das wir mit den Vereinigten Staaten von Amerika haben.
Für die neuen EU-Staaten gelten die gleichen Wettbewerbsbedingungen dann wie für die bisherige Staatengemeinschaft. Das heißt, dass zum Beispiel bisher in Polen gewährte Wettbewerbshilfen für die Stahl- und Schiffbauindustrie entsprechend den EUStandards anzupassen sind. Das ist wichtig für uns hier in Bremen, aber auch insbesondere gerade auch in Bremerhaven, weil es dazu führen wird, dass es zu mehr Wettbewerbsgerechtigkeit, zu mehr Chancengerechtigkeit und zu mehr wirklichem Markt, zumindest innerhalb der Europäischen Union, bei diesen wichtigen Kernindustrien Stahlbau und Schiffbau in Zukunft kommen wird und zu einem damit einhergehenden Abbau von staatlichen Subventionen.
Gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten selbstverständlich sowohl für die Wirtschaft als auch für die Arbeitnehmer und die damit einhergehende Arbeitnehmerfreizügigkeit. Beide Vorredner hatten darauf bereits hingewiesen. Hier gibt es Übergangsfristen von sieben Jahren, wie sie übrigens auch seinerzeit Portugal und Spanien gewährt wurden. Das sind im Wesentlichen Übergangsfristen, die uns natürlich in Deutschland auch helfen, das soll man auch nicht schöner reden, nämlich uns dergestalt helfen, dass wir uns vorbereiten können und dass auch die Wachstumsdynamik, die wir uns durch den Beitritt der Staaten in Mittel- und Osteuropa versprechen, einen Beitrag dazu leistet, dass in der Tat die Arbeitnehmer dort auch gern ihre Arbeitsplätze in Polen, in Tschechien und sonst wo dann in Zukunft vorfinden.
Unabhängig davon gilt selbstverständlich, wir stehen auch hier für Wettbewerb ein, wir sind auch hier für Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Ablauf der Fristen, und beispielsweise das hier bei uns in Bremen in der Bürgerschaft aktuell debattierte Thema Vergabegesetz muss sich auch unter solchen europäischen gemeinsamen Gesichtspunkten messen lassen.
Meine Damen und Herren, mit der Erweiterung nach Osten verschieben sich naturgemäß die Außengrenzen der Europäischen Union in Richtung Osten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass wir zur Sicherung dieser Außengrenzen durch enge Kooperation auch bei Polizeidiensten einen Beitrag leisten. Wir können diese Aufgabe nicht allein den neuen Partnern zumuten. Nur mit einer engen Kooperation und mit einer eng abgestimmten gemeinsamen Sicherheitspolitik können wir gewährleisten, dass die Kriminalität nicht an ungesicherten Außengrenzen ein- und ausgehen kann. Gleichermaßen ist dies die
Ich füge allerdings hinzu, die Probleme, die entstehen, werden nicht nur nach Osten verschoben, es gibt uns auch Chancen, Wirtschaftskriminalität innerhalb der EU, der alten EU, im Kontext mit den neuen Staaten wirksam zu bekämpfen. Da gibt es ganz viel auch an Importen. Wir reden gerade in Deutschland und speziell auch in Bremen über den Zahnärzteskandal. Ich glaube, so etwas ist sehr viel transparenter. Auch das ist ein Beitrag für mehr Wettbewerbsgerechtigkeit. Ich denke, die Zahntechniker auch im Land Bremen werden darauf achten, dass wir hier dann auch faire Wettbewerbsbedingungen mit den neuen ost- und mitteleuropäischen Partnern haben werden.
Es ist bereits von beiden Kollegen angesprochen worden, dass in jeder Chance auch naturgemäß Gestaltungspotentiale, so nenne ich das einmal, man kann es auch Risiken nennen, aus bremischer Sicht sind. Ich sehe ganz deutlich für die CDU-Fraktion, dass die Vorteile weit überwiegend hier gegeben sind, aber ich möchte auch nicht verhehlen, dass es mit Sicherheit zu veränderten Bedingungen kommen wird, zumindest was die Strukturpolitik und die Strukturfördermöglichkeiten angeht. Da bekenne ich unumwunden, Herr Dr. Kuhn, darauf haben Sie schon lange hingewiesen, und Sie haben Recht, ich sehe nicht, dass es zu einer Fortsetzung der Zielzwei- und Ziel-drei-Förderung in der bisherigen Größenordnung nach dem Jahr 2007 kommt. Wir müssen uns darauf einstellen, und wir müssen uns darauf vorbereiten, und wenn man ehrlich ist, ist es auch korrekt, dass es nicht dazu kommt. Es ist korrekt, dass die Strukturhilfen, die zur Beseitigung von Ungleichgewichten in der Europäischen Union zusammengeführt werden, auch da eingesetzt werden, wo die Strukturen zu verändern sind. Das führt zwangsläufig dazu, dass es eine Schwerpunktsetzung gibt, auch bei den Staaten, die neu dazukommen.
Das ist so aus bremischer Sicht und vielleicht auch gerade aus bremischer Sicht, wir sind nicht nur im europäischen Kontext Empfängerland, sondern auch auf bundesrepublikanischer Ebene sind wir Empfängerland. Wir haben dafür Verständnis, dass da Hilfen gewährt werden, wo sie am notwendigsten zu gewähren sind. Unabhängig davon werden wir uns natürlich dafür einsetzen, dass es nicht zu brutalen Brüchen kommt, sondern dass wir es hinbekommen, gemeinsam mit viel Dialog, mit viel Diskussion, ich finde auch, mit guten Argumenten, einen Beitrag dazu zu leisten, dass es eine Überzeugung dafür gibt, dass es Auslaufmodelle geben muss und dass wir nicht von 100 auf null zurückfahren, sondern dass es sozusagen einen Prozess des Abnabelns gibt.
Bitte stellen Sie sich darauf ein, dass man nicht mehr mit 100 Prozent planen kann ab dem Jahr 2007! Es wäre falsch, hier jetzt nicht auch anzufangen umzusteuern.
auf unsere Partner in Riga und in Danzig! Ich finde, es ist ein gelungenes Projekt, dass die Stadt Danzig, unsere Partnerstadt, unsere Bremer Vertretung in Brüssel für sich mit annimmt, um hier gemeinsam wirklich auch die Partnerschaft in der Europäischen Union sichtbar werden zu lassen.
Ich möchte auch gern einen Satz zu unserer Partnerstadt Riga sagen! Ich bin sehr froh und sehr stolz darauf, dass das Land, dessen Hauptstadt Riga ist, heute ganz vorn in der Bewegung der osteuropäischen Staaten ist, die neu dazukommen. Sie haben ein Wachstum von 7,6 Prozent, eine Arbeitslosigkeit von 3,78 Prozent, 70 Prozent Privatisierung ist durchgesetzt und 71 Prozent Dienstleistungsorientierung. Das sind alles Daten, zu denen ich heute sage: Hätten wir das vor zehn Jahren geglaubt, als wir gedacht haben, wir müssen denen helfen?
Können wir nicht heute in Wirklichkeit von denen eine ganze Menge mitnehmen? Diese Partnerschaft ist wirklich eine Partnerschaft auf Gegenseitigkeit, und ich bin froh, dass Riga unsere Partnerstadt ist.