Von daher müssen wir hier schon von Bremer Verhältnissen ausgehen, wenn wir uns um Bremer Bildungspolitik Gedanken machen.
Wir sind uns, glaube ich, in fast allen Punkten, die McKinsey aufgeschrieben hat, einig. Die Koalition, der Senat und die Bremische Bürgerschaft haben schon mehrere Punkte, die McKinsey aufgeschrieben und gefordert hat, hier in die Umsetzung gegeben. Zum Teil sind wir auch dabei, diese schon nach der politischen Beschlussfassung vor Ort umzuset
zen, meine Damen und Herren. Dazu gehört Qualitätssicherung. Ich erinnere an die Vergleichsarbeiten, dazu gehören zentrale Abschlussprüfungen, dazu gehört aber auch, dass zum Beispiel eine ständige, kontinuierliche Kontrolle gegeben ist. Da ist der Senator noch dabei, eine neue Behördenstruktur zu erarbeiten, wozu auch eine funktionierende Schulaufsicht gehört, die haben wir in Bremen zurzeit leider nicht.
McKinsey hat in den Reformempfehlungen individuelle Schülerförderung gefordert. Das wollen wir in der großen Koalition, meine Damen und Herren, das wollen wir gemeinsam. Größeres Gewicht auf frühe Bildungsphasen, wir haben die Stundentafel in der Grundschule erhöht und werden in Zukunft auch mehr für die Grundschule tun! Auch dort sind wir uns völlig einig. Konsequentes Qualitätsmanagement, ich habe eben schon Beispiele genannt, da sind wir uns völlig einig, das machen wir! Eigenverantwortung und Leistungsorientierung machen wir auch! Dazu gehört zum Beispiel der Unterpunkt Autonomie.
Da merkt man, dass McKinsey zum Teil leider nicht ganz mit den Verhältnissen an den deutschen Schulen vertraut ist. McKinsey hat zum Beispiel gesagt, dass man ein Bonussystem einführen soll. Ich weiß, dass der Bildungssenator das in Bremen auch einmal machen wollte. Das scheitert nur leider an diversen gesetzlichen Regelungen. Es scheitert auch daran, dass Sie natürlich arbeitsrechtliche Bedingungen in Deutschland haben. Sie können in Deutschland keinen Lehrer einfach einstellen und wieder feuern, wie Sie es ja in den von Ihnen zitierten Ländern angeblich immer schön machen können. Auch dort stellt sich die Lage immer etwas anders dar, als sie hier von manchen beschrieben wird, meine Damen und Herren. Sie können nicht einfach so tun, als ob eine Schule ein freies Unternehmen ist, wo man die Leute ohne Kündigungsschutz vor die Tür setzen kann, wenn sie nicht die Leistungen erbringen. In Deutschland steht ein Beamtenrecht dagegen.
Wir haben hier in Bremen die Situation, dass Sie diese Beamten, die wir auch gerade wieder neu eingestellt haben als junge Lehrerinnen und Lehrer, weil wir sonst gar keine neuen Lehrer bekommen hätten, weil wir uns im Wettbewerb mit den anderen 15 Bundesländern befinden, nicht einfach vor die Tür setzen können. Von daher müssen Sie die Lehrerschaft motivieren und mitnehmen auf diesem Prozess und ihnen nicht sagen, wenn du nicht spurst, dann fliegst du hinaus. Da erwarte ich auch noch einiges von der Behörde, damit wir diesen Prozess der Qualitätssteigerung in den Schulen vor Ort auch richtig umsetzen können.
McKinsey hat in einer Pressemitteilung am 8. Januar 2003 zur Vorstellung dieser Reformempfehlungen sehr deutlich gesagt, ich zitiere mit Genehmi
gung des Präsidenten: „Dies bedeutet aber nicht automatisch ein Plädoyer für die Gesamtschule. Notwendig sind Konzepte und Lehrmethoden, die dem einzelnen Schüler helfen, seine Stärken besser zu entfalten und an seinen individuellen Schwächen zu arbeiten.“ Genau das ist das, was wir als CDU-Fraktion Ihnen schon länger gesagt haben, das, was Herr Bürger Ihnen hier jahrelang gesagt hat – Herr Mützelburg hat es hier erwähnt –, Sie haben sich darauf zubewegt, ich erwarte jetzt eigentlich nur noch, dass wir inhaltlich weiter streiten. Über Schulstrukturen zu streiten bringt uns überhaupt nichts, weil auch McKinsey deutlich sagt, dass Gesamtschulen nicht die Lösung sind. Wir brauchen eine individuelle Förderung. Diese individuelle Förderung, das wissen wir nicht erst seit Pisa – wir wissen nämlich schon vorher, dass zum Teil über zehn Prozent eines Jahrgangs ohne Schulabschluss aus der Schule entlassen werden –, wollen wir machen. Wir haben sie zum Teil auch schon eingeleitet mit Diagnoseuntersuchungen. Dazu gehört diese ganze Bandbreite, die Sie sich hier in den letzten Monaten zum Teil haben anhören müssen, als es um bildungspolitische Debatten ging, weil dies ein enormer Reformprozess ist. Nur, da von einer Bildungsexplosion zu sprechen wie McKinsey, halte ich für verfehlt, weil bei einer Explosion immer Leute auf der Strecke bleiben, und das darf bei diesem bildungspolitischen Reformprozess, den wir in Bremen jetzt schon seit einiger Zeit machen, nicht passieren. Ich kann abschließend festhalten, dass es nichts bringt, wenn wir hier über den Grand Canyon oder über sieben Brücken, über die man gehen muss, oder Ähnliches reden, meine Damen und Herren. Der Prozess, den die große Koalition, auch wenn manche von Ihnen es manchmal etwas vergessen, eingeleitet hat, ist der richtige Weg. McKinsey hat nicht die bremischen Schulen untersucht, das sage ich auch ganz deutlich. Wir wissen hier genau, wo die Schwachstellen sind, weil die Pisa-E-Studie, und ich bin mir auch sicher, dass, wenn Iglu-E Ende des Jahres, Anfang nächsten Jahres vorgestellt wird, nicht unbedingt eine reine Freude sein wird und dass dieser Prozess in den nächsten Jahren fortgesetzt werden muss. Dafür brauchen wir die Unterstützung des gesamten Hauses, und ich wäre froh, wenn auch unser Koalitionspartner sich zuweilen daran erinnert, dass er bei manchen Senatsbeschlüssen mit am Senatstisch sitzt. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur noch zwei kurze Bemerkungen: Ich habe Ihnen vorhin auch vorgelesen, was Herr Kluge gefordert hat. Sie haben da die Presseerklärung zitiert, aber hier in dieser Forderung steht:
Anstelle der in Deutschland üblichen frühen Trennung in Schultypen müssen daher Konzepte treten! Anstelle der frühen Trennung!
(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil! – Abg. B ü r - g e r [CDU]: Oh ja, richtige Feststellung!)
Aber jetzt noch eine Bemerkung! Ich hatte mich gemeldet, als Sie auf die Problematik der Hauptschule zu sprechen kamen. Ich möchte Ihnen einmal vorhalten, dass ich sogar glaube – und das bin nicht nur ich, sondern das sind auch andere, wenn man einmal die Zeitungsartikel liest, jetzt auch gerade zur neuen, von Herrn Wulff geplanten Schulreform –, dass mit dem dreigliedrigen Schulsystem, und das zeigt sich so ein bisschen überall in ganz Deutschland, nicht nur die Hauptschule in Gefahr gerät, weil natürlich immer mehr Eltern wissen, das ist der Mindestabschluss, damit kann mein Kind nicht mehr viel anfangen, ich muss möglichst höhere Abschlüsse anstreben und dass dann das Gymnasium vollläuft, der Versuch, dort hinzukommen, und dass damit auch das Gymnasium in seinem herkömmlichen Sinn in Gefahr gerät.
Es wird also, ob wir es wollen oder nicht, und wir werden es auch mit Ihnen erleben, am Ende nach den Wahlen eine Schulstrukturdebatte geben. Sie haben in Ihrem Wahlprogramm etwas ganz anderes stehen als wir, und das wird sich auswirken, die Grünen haben noch einmal etwas anderes. In ganz Deutschland wird es Schulstrukturdebatten geben, weil sich das dreigliedrige Schulsystem von seinen Ansprüchen her selbst kaputtmacht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Soweit es sich um Glaubenssätze handelt, werden wir wahrscheinlich wirklich nicht weiterkommen. Wir müssen nur akzeptieren, Herr Kollege Rohmeyer, nachdem die bildungspolitische Debatte jetzt im letzten Jahr in Deutschland und natürlich auch in Bremen so heftig geworden ist und die Qualität des Schulsystems bei uns in Deutschland insgesamt und in Bremen insbesondere auf dem Prüfstand der öffentlichen Meinung steht, aber auch auf dem Prüfstand derjenigen, die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
sich in diesem System befinden, der Lehrer und Lehrerinnen, der Schülerinnen und Schüler und vor allen Dingen auch der Eltern, dass wir um klare und zukunftsweisende Entscheidungen nicht herumkommen.
Eines müssen wir gelernt haben, ich sage das selbst, das ist auch selbstkritisch: Wir haben Anfang des vorigen Jahrzehnts die Forderung nach Schulvielfalt unterstützt. Jeder hat sie verschieden interpretiert, aber wir haben sie im Grundsatz unterstützt. Was daraus geworden ist, ist ein bildungspolitischer Flickenteppich in dieser Stadt, der eines nicht garantiert, eine gleichbleibende und durchgängige – ich sage das einmal so technokratisch – Qualität aller unserer Schulen! Dieser Flickenteppich kostet aber sehr viel Geld, nicht nur in den Gesamtschulen, ich will das gar nicht bestreiten, Herr Eckhoff ist jetzt gar nicht da, der neulich gesagt hat, dass da besonders viel Geld ausgegeben wird. Er kostet auch in den Gymnasien 6000 Euro pro Schüler und in den Hauptschulen 6000 Euro pro Schüler nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes im letzten Bericht, bei den Grundschülern nur 4200 Euro. Da sieht man gleich, wie das verteilt ist.
Es wird also viel Geld, auch im Verhältnis zu anderen Ländern, in der Bundesrepublik Deutschland in diesem Bildungssystem ausgegeben. Es ist ein Flickenteppich. Es ist einer, dessen Qualität beschränkt ist, sage ich einmal ganz vorsichtig. Einzelne Schulen sind top, andere Schulen sind nicht so top, und hier steht eine grundlegende Reform an. Was McKinsey sagt, Frau Jansen hat es schon zitiert, Herr Rohmeyer, es ist nicht so, dass jeder nur das zitiert, was ihm passt. Ich habe vorhin ausdrücklich gesagt, dass sie sagen, weder Dreigliedrigkeit noch die Gesamtschule, nämlich die, die wir bisher hatten, sondern individuelle Förderung und späte institutionelle Trennung in Schultypen, so steht es in dieser Presseerklärung vor den Sätzen, die Sie eben zitiert haben, ausdrücklich zu lesen! Lassen wir es doch auch so beisammen wie diejenigen, die es gesagt haben!
Wir sollten uns damit auseinander setzen, dass es offensichtlich in solchen Schulen, und das hat nicht nur etwas mit der Bevölkerungsgröße und -struktur anderer Länder zu tun, sondern auch mit den pädagogischen Konzepten, die dahinter stehen, in einer schwedischen Schule für jede Schülerin und jeden Schüler einen individuellen Lehrplan gibt. Der wird durch ein Portfolio, wie das so technisch heißt, ständig offen gelegt und überprüft, und er wird intern in der Schule, von den Eltern und extern von einer relativ unabhängigen Institution alle drei Jahre bewertet. Das ist eine Frage der Qualität, aber es findet in einer Schule statt, weil es hier Qualitätssicherung gibt. Dadurch wird dieses Schulsystem nicht teurer, sondern am Ende billiger, weil viele getrennte Schulen mit vielen getrennten Systemen und vielen getrennten Lehrmethoden letztlich teurer werden.
Das lehrt uns auch unsere Gesamtschule, wie wir sie hier haben, im Verhältnis und in Konkurrenz zu anderen Schulen.
Deshalb sage ich noch einmal, wir brauchen eine moderne Schuldebatte und nicht eine Debatte, die zurückgeht in das vorige Jahrhundert.
Deshalb ist die Debatte über die dreijährige Schule oder Gesamtschule der siebziger Jahre tot. Wir haben die McKinsey-Diskussion hier nicht noch einmal angefangen, nicht, weil wir nicht wissen, dass nicht der deutsche Arbeitgeberverband oder andere Interessenverbände etwas anderes sagen, sondern weil wir natürlich die Positionen herausgreifen, die sich mit der Modernität und mit der Zukunft unseres Landes beschäftigen und nicht mit denjenigen, die nur an Traditionen festhalten wollen.
In dem Sinne habe ich mich jetzt hier bemüht, bei diesem Tagesordnungspunkt noch einmal zu versuchen, die Debatte sachlich zu führen und auf die Kernpunkte zu beschränken, denn egal, wer regiert, er ist gezwungen, sich damit auseinander zu setzen und mit den Notwendigkeiten der Unternehmen und dem Wunsch der jungen Menschen, einen möglichst guten und möglichst hohen Abschluss zu haben. Das zu erreichen schaffen wir eben nicht, indem wir die Schüler früh sortieren, sondern indem wir sie möglichst lange zusammenlassen und individuell fördern. Das ist meine feste Überzeugung, und ich glaube, dass diese Überzeugung auch praktische Konsequenzen haben muss, die nach der Wahl in diesem Haus, aber nicht nur in diesem Haus, sondern vor allen Dingen auch in der Öffentlichkeit mit Eltern und Schülern zu führen ist, so dass Sie in einem Punkt Recht haben, Herr Rohmeyer: Wenn wir nicht diejenigen mitnehmen, die in dem System arbeiten, die darin leben oder die darin ein direktes Interesse haben, dann wird sich tatsächlich nichts bewegen, sondern dann gibt es Grabenkriege, Grand Canyons und was es sonst noch an schroffen Gegensätzen geographischer Art in dieser Welt gibt. Das wollen wir gerade nicht!
Es handelt sich um Menschen, aber es handelt sich auch um die Zukunft der Menschen. Das mag jetzt pathetisch klingen, aber ich glaube, darum haben wir uns zu kümmern, bei allen Detail- und Aufräumarbeiten, die zu machen sind. Appellieren nützt hier nichts, aber Verstand, davon gehe ich aus, haben die meisten Abgeordneten doch, und den kann man auch einmal in der Bildungspolitik benutzen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich bemerkenswert, wenn die Grünen McKinsey hier zitieren.
(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, Sie haben immer noch falsche Vorstellungen über uns!)
Es ist ja gut, wenn auch bei den Grünen kräftig dazugelernt wird! Dagegen habe ich überhaupt nichts, meine Damen und Herren! Allerdings erlaube ich mir, die vier Punkte noch einmal ganz kurz anzureißen und mit dem vierten anzufangen, der hier heute gar nicht von Herrn Mützelburg zitiert worden ist, der beginnt nämlich mit der Forderung, die ich hier nicht übernehme, aber die wir doch nicht vergessen wollen, wenn wir das hier ordentlich diskutieren, Bildung als Investition zu verstehen und die Einführung von Studiengebühren zu fordern.
Wir reden jetzt über die McKinsey-Vorlage! Da gibt es vier Punkte, Herr Dr. Kuhn, der vierte ist dies! Ich will das nur der guten Ordnung halber sagen, weil das irgendwie vergessen worden ist anzusprechen, Bildung als Investition zu verstehen. McKinsey fordert daraus ableitend die Einführung von Studiengebühren. Ich fordere es ausdrücklich nicht, ich will es nur der guten Ordnung halber hier betonen. Jetzt komme ich zu den anderen drei Bereichen und sage Ihnen, da sind wir auf einem sehr guten Weg, und es war auch dringend erforderlich, uns auf den Weg zu machen. Der erste Bereich betrifft auch den Bereich meiner Kollegin. Sie hat auch schon entsprechend begonnen, das umzusetzen, das ist der Elementarbereich. Ohne Frage müssen wir früher beginnen. Wir haben dort keinen Bildungsauftrag wie in Skandinavien, und wir müssen dort unbedingt einen Bildungsauftrag definieren. Das haben wir jahrzehntelang vergessen, nicht durchgeführt, aber hier haben wir eine hohe Verpflichtung der frühen Förderung im Vorschulbereich. Auch die Erzieherinnenausbildung beziehe ich hier eindeutig ein. Dieser jetzt zweite Punkt wird sehr viel Geld kosten. Da sind wir gefragt, dieses Geld in der nächsten Legislaturperiode herzugeben. Wir müssen hier ganz klar in der nächsten Legislaturperiode Prioritäten setzen und sagen, wollen wir jetzt hier in die Köpfe unserer jungen Menschen investieren?