Helga Jansen
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich nehme die Große Anfrage der Grünen gern zum Anlass, um doch noch einmal eine bildungspolitische Debatte zu führen, die mir im Zusammenhang mit der Änderung des Schulgesetzes jetzt ein bisschen schwer fällt, weil ich ganz fest davon überzeugt bin, dass das nicht unbedingt das Gelbe vom Ei war, was Sie da vorhin gemacht haben.
Ich stehe dazu! Ich weiß, dass es manchmal schizophren ist, wie man Politik machen muss!
Die Intention, die mit der Großen Anfrage verbunden ist – das kann ich, glaube ich, für die SPD sagen –, teilen wir. Ich glaube, ich kann für meine
Fraktion sprechen, wir sind davon überzeugt, dass wir in Deutschland mit unserem gegliederten Schulsystem niemals an die Spitze in Europa, geschweige denn, in der Welt kommen werden.
Die Pisa-Studie hat ja noch einmal sehr deutlich gemacht, dass alle Länder, die Spitzenplätze einnehmen, integrative Schulsysteme haben, in denen die Schüler mindestens bis zur neunten Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Die ersten fünf Länder sind, ich sage das einmal, weil sich das nicht nur auf Europa bezieht, Finnland, Kanada, Neuseeland, Australien und Irland. Das sind die fünf Länder, die an der Spitze liegen, und sie haben alle integrative Schulsysteme.
Pisa beweist zwar nicht direkt, dass die Schulstruktur einen direkten Einfluss auf die Ergebnisse hat, aber die Hinweise auf einen solchen Zusammenhang scheinen mir doch sehr deutlich zu sein. Im Rahmen der Länder, die ein gegliedertes Schulsystem haben, ist Deutschland das Land, in dem am frühesten aussortiert wird, und Deutschland liegt bei den Vergleichsergebnissen ganz hinten. Insbesondere im Bereich der schwachen Leistungen haben wir mit unserer Hauptschule eine besonders scharfe Auslese.
Ein weiteres Beispiel für die negativen Folgen der zu frühen Auslese ist die Tatsache, dass in Deutschland der Anteil der Fünfzehnjährigen in der zehnten Klasse nur bei 23,5 Prozent liegt. In Belgien zum Beispiel, das auch ein gegliedertes System hat, liegt er bei 65 Prozent und in Österreich bei 50 Prozent. Das heißt, in Deutschland bleiben auch gleichzeitig noch zu viele sitzen, statt zu fördern wird ausgesiebt. Deutschland hat eine vergleichsweise niedrige Akademikerquote bei gleichzeitig hohen Qualifizierungsbedürfnissen der deutschen Wirtschaft, was wiederum bedeutet, dass der Prozess der Bildungsexpansion in Deutschland erst am Anfang steht.
Eine für mich und uns besonders gravierend negative Nebenwirkung des gegliederten Schulsystems liegt in der sozialen Segregation, in der Selektion, der mangelnden Bildungsgerechtigkeit und der damit nicht mehr gewährleisteten Standortsicherheit des Standorts Deutschland. Es ist nicht zu übersehen, dass es einen Zusammenhang gibt von Zugehörigkeit zu einer Sozialschicht und den Chancen, ein Gymnasium zu besuchen, und dies bei Vorliegen von gleicher kognitiver Grundfähigkeit und Lesekompetenz. Es ist durch alle Untersuchungen belegt, dass es in einem früh gegliederten System schwieriger ist, den Zusammenhang des familiären
Hintergrunds und den Schulerfolg zu lockern, vom Beseitigen reden wir sowieso nicht.
Für Deutschland gilt hier, gibt es die engste Koppelung zwischen familiärer, sozialer Herkunft und Schulleistung. Der Soziologe Wolfgang Lepenies, der auf dem Kongress „McKinsey bildet“ referierte, sagte unter anderem, ich zitiere: „In der Bundesrepublik leben wir in einer Wissensverdrängungsgesellschaft.“ Ich habe jetzt gar nicht gefragt, ob ich zitieren darf!
Danke! „An einem Tatbestand lässt sich dies besonders deutlich zeigen: der Weigerung der Politik, den Tatbestand der Bildungsarmut überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.“ Gleichzeitig übte er eine ganz scharfe Kritik daran, dass wir in Deutschland es nicht fertig bringen, Sozial- und Bildungspolitik zusammenzubringen, und fordert nachdrücklich einen Bildungssozialbericht, weil er Bildungsarmut auch definiert. Er sagt zum Beispiel: „Der Hauptschulabschluss oder eine Berufsausbildung ist so etwas wie der Mindestlohn, der Mindestbildungsabschluss.“ Zehn Prozent aller Jugendlichen und Kinder in dieser Gesellschaft haben aber überhaupt keinen Abschluss und sind damit bildungsarm. Diese Bildungsarmut wird in Deutschland vererbt. Er machte ganz ausdrücklich darauf aufmerksam, dass Bildungsarbeit auch als präventive Arbeit der Sozialpolitik zu sehen sei. Je mehr in Bildung, in Kinder und Jugendliche investiert wird, umso weniger Ausgaben werden wir in der Sozialpolitik haben.
Gleichzeitig werden wir einen Beitrag dazu leisten, das Phänomen der Bildungsarmut in Deutschland zu beseitigen.
Wenn ich jetzt den McKinsey-Chef, Herrn Kluge, noch einmal hier ein bisschen ins Gespräch bringen darf, dann muss ich sagen, nach dem, was ich dort gelesen habe, geht er sehr hart mit dem deutschen Bildungssystem ins Gericht. Er sagt unter anderem, das Bildungssystem sei im höchsten Maße unsozial, es gebe einen zu engen Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungschance. Bildung sei allerdings die einzige Chance der Kinder. Das gravierendste Problem sei für ihn unsere Bildungsmisere. Wir bräuchten eine Bildungsexplosion. Es gehe nicht um die Frage, hier und dort etwas zu verbessern, sondern es gehe um die Frage, welches Ganze wir brauchen.
Er führt weiter aus, dass die Bildungsinstitutionen ihren Aufgaben in Deutschland nicht mehr gerecht werden. Bildungsarmut, er nimmt dies auf, erzeugt Wachstumsarmut, und die treffe am härtesten die
sozial Schwachen. Er fordert darum ein umfassendes, finanzierbares Sanierungskonzept, das seiner Meinung nach folgende Maßnahmen umfassen sollte: Bessere Ausbildung von Lehrern und Erzieherinnen, unter anderem auch eine Hochschulausbildung für Erzieherinnen, also eine hoch qualifizierte Ausbildung, ein ganz besonderes Augenmerk auf die vorschulische Bildung zu legen. Für die Schulen fordert er mehr Eigenverantwortung, aber auch Rechenschaftspflicht und die Einführung von Qualitätsstandards sowie deren Überprüfung. Der internationale Vergleich zeige für ihn ganz deutlich einen Mangel an Qualität im deutschen Schulwesen, damit geht ein Mangel an sozialer Gerechtigkeit einher.
Ich will jetzt auch noch einmal die verschiedenen Faktoren aufzählen, die er nannte, bei denen er dringenden Reformbedarf sieht. Das sind Forderungen, bei denen ich sage, ich stehe als Sozialdemokratin nicht in der Ecke, sondern ich habe Verbündete gewonnen. Erster Punkt ist die individuelle Schülerförderung. Er stellt fest, eine späte institutionelle Differenzierung in Schultypen verbunden mit individueller Förderung im Klassenverband korreliert mit hohem Bildungserfolg. An die Stelle der in Deutschland üblichen frühen institutionellen Trennungen in Schultypen müssen daher Konzepte treten, die dem einzelnen Schüler helfen, seine Stärken zu entfalten. Das ist mir voll aus dem Herzen gesprochen!
Es wird gefordert, ein größeres Gewicht auf die frühe Bildungsphase zu legen, die Anzahl der Ganztagsplätze in den Kindergärten und die Krippenplätze müssen ausgebaut werden, wir brauchen ein konsequentes Qualitätsmanagement – wir haben dabei drastische Defizite –, mehr Eigenverantwortung und Leistungsorientierung für die Schulen, Autonomie für die Einstellung von Personal und dessen Qualifizierung. Eine Feststellung dieses Kongresses, kann man zusammenfassend sagen, lautete: In Deutschland beginnen wir zu spät und selektieren zu früh!
Ich möchte nur noch ganz kurz sagen, eine Feststellung dieses Kongresses möchte ich uns hier auch nicht vorenthalten: Nirgendwo auf der Welt, wurde da gesagt, werden Wissenschaft und Politik in der Pisa-Debatte so vermischt. Die Diskussionen bewegen sich auf dünnem, faktenlosem Eis.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur noch zwei kurze Bemerkungen: Ich habe Ihnen vorhin auch vorgelesen, was Herr Kluge gefordert hat. Sie haben da die Presseerklärung zitiert, aber hier in dieser Forderung steht:
Anstelle der in Deutschland üblichen frühen Trennung in Schultypen müssen daher Konzepte treten! Anstelle der frühen Trennung!
Man kann sich nicht einfach nur aussuchen, was man möchte.
Aber jetzt noch eine Bemerkung! Ich hatte mich gemeldet, als Sie auf die Problematik der Hauptschule zu sprechen kamen. Ich möchte Ihnen einmal vorhalten, dass ich sogar glaube – und das bin nicht nur ich, sondern das sind auch andere, wenn man einmal die Zeitungsartikel liest, jetzt auch gerade zur neuen, von Herrn Wulff geplanten Schulreform –, dass mit dem dreigliedrigen Schulsystem, und das zeigt sich so ein bisschen überall in ganz Deutschland, nicht nur die Hauptschule in Gefahr gerät, weil natürlich immer mehr Eltern wissen, das ist der Mindestabschluss, damit kann mein Kind nicht mehr viel anfangen, ich muss möglichst höhere Abschlüsse anstreben und dass dann das Gymnasium vollläuft, der Versuch, dort hinzukommen, und dass damit auch das Gymnasium in seinem herkömmlichen Sinn in Gefahr gerät.
Es wird also, ob wir es wollen oder nicht, und wir werden es auch mit Ihnen erleben, am Ende nach den Wahlen eine Schulstrukturdebatte geben. Sie haben in Ihrem Wahlprogramm etwas ganz anderes stehen als wir, und das wird sich auswirken, die Grünen haben noch einmal etwas anderes. In ganz Deutschland wird es Schulstrukturdebatten geben, weil sich das dreigliedrige Schulsystem von seinen Ansprüchen her selbst kaputtmacht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Bremerhaven herrscht große Betroffenheit über die angekündigte Schließung der katholischen Privatschule, aber eine Privatschule ist eine Privatschule und keine staatliche Schule, Herr Teiser, und die Einflussmöglichkeiten des Staates sind relativ gering, jemanden zu veranlassen, eine Schule aufrechtzuerhalten, wenn er es absolut nicht will.
Neben der Betroffenheit in Bremerhaven gibt es aber, glaube ich, bei allen, ob es die Schüler, die Eltern und auch die politisch Verantwortlichen sowohl in Bremerhaven als auch beim Senator für Bildung ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
in Bremen sind, eine große Enttäuschung über diesen Vertrauensbruch, denn die Ankündigung der Schließung dieser Schule erfolgte, ohne dass die entsprechenden Gremien überhaupt informiert worden sind. Es war sozusagen eine Entscheidung, die über Nacht gefällt wurde und in die niemand einbezogen worden ist, weder die Schule noch die politisch Verantwortlichen in Bremerhaven, die jetzt die Situation haben, damit umgehen zu sollen, dass 510 Schüler und über 30 Lehrer dem Staat sozusagen über Nacht vor die Füße gekippt werden und gesagt wird, seht zu, wie ihr damit klarkommt.
Es hat inzwischen Gespräche gegeben, es hat zahlreiche Versuche gegeben, das Bistum Hildesheim doch noch zu überzeugen, von dieser Entscheidung abzurücken, weil auch wir davon ausgehen, dass die Eltern, die sich ganz bewusst entschieden haben, ihre Kinder auf diese Schule zu schicken, natürlich unglaublich enttäuscht sein werden über das Verhalten der katholischen Kirche. Man muss sich auch fragen, ob die katholische Kirche wirklich gut beraten ist, so mit ihren Mitgliedern umzugehen.
Ich habe ein weiteres Problem: Es gibt auch noch katholische Grundschulen in Bremerhaven, und es ist nicht auszuschließen, dass die mögliche Schließung der Edith-Stein-Schule, die eine aufbauende Schule ist, zur Folge haben wird, dass die Akzeptanz der vorhandenen katholischen Grundschulen auch abnehmen wird und damit als erneute Gefahr am Horizont erscheint, dass es über kurz oder lang auch zur Schließung von Grundschulen kommen wird. Allein aus diesem Grund sollte die katholische Kirche, wenn sie wirklich ernsthaft beabsichtigt, die Grundschulen aufrechtzuerhalten, die Entscheidung vielleicht noch einmal überdenken.
Was aber auf keinen Fall geht, ist, dass, wie angekündigt, die Schließung zum August 2003 erfolgen soll. Das ist unverantwortlich gegenüber den Eltern, den Schülern und auch gegenüber der Stadt Bremerhaven.
Es sind über 500 Schüler, die in diesem Fall in das staatliche Schulsystem eingegliedert werden müssen, und das macht man nicht einmal eben so. Wenn ich dann noch höre, dass erst vor vier Jahren der gymnasiale Zweig an der katholischen Schule eröffnet worden ist und damit Schüler aus dem staatlichen Schulbereich abgezogen worden sind, finde ich diese Vorgehensweise sogar noch unglaublicher, weil man damit zunächst auch die staatlichen Schulen in Schwierigkeiten gebracht hat, indem man zurückgehende Schülerzahlen hatte und dann sehen
musste, wie man dies mit neuen schulorganisatorischen Möglichkeiten wieder in den Griff bekommt. Kaum sind diese Pläne ausgearbeitet, in Bremerhaven wird ja lange darüber diskutiert, wie man die Schulen neu sortiert, bekommt man 500 Schüler, die man wieder unterbringen soll.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich an die katholische Kirche appellieren, es sich genau zu überlegen, ob sie in diesem Fall an der Schließung festhalten will, oder ob sie bereit ist, auf die Angebote einzugehen, die hier durchaus auch gemacht worden sind in dem Rahmen, der uns zur Verfügung steht, indem man darüber nachgedacht hat, eine einmalige Überbrückungszahlung zu leisten, bis die vorgesehene Erhöhung der Privatschulzuschüsse in Kraft tritt, und damit eine finanzielle Unterstützung zu geben.
Was nicht geht, ist eine Ungleichbehandlung der Privatschulen, Herr Teiser, wenn wir in Bremerhaven höhere Zuschüsse geben, das ist nach dem Privatschulgesetz, einem Landesgesetz, geregelt. Jede Privatschule kann natürlich auf Gleichbehandlung klagen, und es gibt da kaum Spielräume zu sagen, die eine bekommt mehr und die andere weniger. Es würden wahrscheinlich alle sofort mit den gleichen Forderungen an uns herantreten. Es sind aber Angebote gemacht worden, und man kann an die katholische Kirche nur appellieren, wenn das Gespräch dann noch stattfindet, sich ihren Schritt vielleicht noch zu überlegen.
Was wir als Bildungsdeputierte aber auf jeden Fall noch einmal leisten müssen nach den Erfahrungen, die wir jetzt gemacht haben: Wir haben das Privatschulgesetz, daraus ergeben sich Rechte für die Privatschulen. Ich frage mich allerdings angesichts dieser Situation, welche Pflichten denn eigentlich Privatschulen haben.
Darf man so aus Verträgen – oder vielleicht gibt es nicht einmal ordentliche Verträge – aussteigen, oder müssen wir nicht dringend zu vertraglichen Regelungen kommen, die auch die Kriterien aufzeigen müssen, ab wann und wie und mit welchem Procedere man eine Schule wieder aufgeben kann, für die man lange Zeit staatliche Zuschüsse erhalten hat?
Mein Appell also noch einmal an die katholische Kirche, ernsthafte Gespräche aufzunehmen im Interesse der Schülerinnen und Schüler an der EdithStein-Schule, aber zumindest im Interesse der Seestadt Bremerhaven einen geordneten Übergang möglich zu machen, der nicht zu Lasten der betroffenen Schülerinnen und Schüler geht! – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nicht alles wiederholen, was hier gesagt worden ist. Ich möchte nur noch einmal auf Herrn Rohmeyer eingehen. Es gibt da wahrscheinlich Unterschiede zwischen CDU und SPD. Wir möchten schon, dass irgendwann flächendeckend die Ganztagsschule eingeführt wird. Ich finde, das hat Pisa sehr deutlich gemacht, dass damit auch ein Beitrag geleistet werden kann, soziale Unterschiede zu überwinden und zu verhindern, dass Kinder aufgrund ihrer sozialen Herkunft eben nicht die Bildung bekommen können, die ihnen zusteht.
Ich bin wie Herr Rohmeyer und auch eigentlich wie Herr Mützelburg der Auffassung, dass wir mit diesem Gesetz eine Selbstverständlichkeit im Grunde genommen regeln. Die Urlaubsverordnung hat genau das vorgesehen, was wir jetzt gesetzlich regeln. Aus der Stadt Bremen hat es aber offensichtlich Klagen gegeben, dass die Verbindlichkeit nicht hoch genug war, um das an den Schulen auch so durchzusetzen. Darum haben wir nach Beratung in der Deputation für Bildung uns dazu entschlossen, über eine Gesetzesänderung eine größere Verbindlichkeit herzustellen. Meine Kollegin Frau Wilts aus Bremerhaven hat mir gesagt, dass es in Bremerhaven diese Probleme nicht gegeben habe und diese Regelung vermutlich dann auch nicht erforderlich
sei, aber es kann ja der Zeitpunkt kommen, dass es auch in Bremerhaven Schwierigkeiten gibt und sie dann froh sind, diese Regelung zu haben.
In der Gesetzesvorlage wird gesagt, dass der ZEB dem auch zugestimmt habe. Frau Wilts hat mir gesagt, der ZEB in Bremerhaven sei gar nicht befragt worden und konnte so auch keine Stellungnahme abgeben. Ich möchte darum bitten, dass man bei Gesetzesvorlagen, die das Land betreffen, auch wirklich beide Kommunen einbezieht und dort die Positionen einholt. Das passiert hier ab und zu einmal, dass wir dann doch sehr fokussiert auf die Stadtgemeinde Bremen sind. Das sollten wir nicht tun.
Ich habe, glaube ich, jetzt deutlich gemacht, dass wir der Gesetzesänderung zustimmen. Das ist für mich allerdings auch nur noch einmal ein Flicken am bestehenden Gesetz. Ich gehe wie Herr Mützelburg und, ich glaube, auch wie Herr Rohmeyer davon aus, dass wir nicht darum herumkommen, im Interesse der Lehrer, aber auch im Interesse der sich verändernden Schule über die Lehrerarbeitszeit ganz neu nachzudenken und die Debatte wieder aufzunehmen. Ich gehe aber davon aus, dass das auch wieder ein langwieriger und schwieriger Diskussionsprozess wird. Wir haben ja in der letzten Legislaturperiode unter der Senatorin Frau Kahrs versucht, die Neuregelung der Lehrerarbeitszeit anzugehen. Das war auch schon sehr weit fortgeschritten und ist dann, soweit ich mich erinnern kann, auch insbesondere am Widerstand der Gewerkschaftsbasis gescheitert.
Ich gehe also nicht unbedingt davon aus, dass wir das in kürzester Zeit neu aufrollen können und zu neuen Ergebnissen kommen, gleichwohl gehe ich davon aus, es gibt keinen Weg daran vorbei. Das kommt auf uns zu, das kommt auf die Lehrerschaft zu, und dann sollte man es offensiv betreiben. Darum werden wir als SPD-Deputierte in der Bildungsdeputation uns mit dem Antrag der Grünen auch gern und sehr intensiv auseinander setzen, und fast alle Positionen, die darin stehen, teilen wir unbedingt. Darum wollen auch wir die Überweisung in die Bildungsdeputation, und das soll es sein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manchmal kann man sich über den Verlauf von Debatten nur wundern. Ich habe gedacht, wir würden hier alle gemeinsam – das ist eigentlich das, was man aus der Beratung in der Deputation für Bildung mitnehmen konnte – den Bericht begrüßen, den der Senator für Bildung uns als einen Zwischenbericht im Grunde genommen vorgelegt hat, denn in der Deputation für Bildung, Herr Rohmeyer, es tut mir Leid, habe ich von all diesen Einwänden und Beschwerden, die Sie hier vorgetragen haben, überhaupt nichts gehört.
Herr Mützelburg hatte auf einige Probleme hingewiesen, mit denen er nicht zufrieden ist, und man könnte tatsächlich den Eindruck gewinnen, wir würden in der Bildungsdeputation in der Regierung mit den Grünen sein und nicht mit der CDU. Vielleicht ist das ja auch wirklich die neue Rolle, die Sie schon einmal einüben wollen.
Ich finde es, ehrlich gesagt, auch eine Frechheit, wenn man einen derartigen Bericht vorgelegt bekommt, und die Problematik, um die wir uns hier kümmern, ist ja nicht einfach einmal eben mit Patentrezepten zu bearbeiten. Das haben wir ja in der Debatte vor einem Jahr hier auch schon gemeinsam festgestellt, dass Schulverweigerung oder Schulvermeidung viele Ursachen und Gründe hat. Hier gibt es einfach keine Patentrezepte.
Wir wissen heute, dass es viele Familien gibt, die völlig überfordert sind mit der Erziehung ihrer Kinder. Das ist gerade in der vorherigen Debatte auch noch einmal deutlich geworden, wo da anzusetzen ist. Es gibt viele Kinder, die es überhaupt nicht mehr gewohnt sind, ein Mittagessen zu bekommen, die keine Strukturen mehr in den Familien haben. Die werden in die Struktur der Schule hineingepresst. Ich jedenfalls bin froh über das, was uns hier vorgelegt worden ist, weil es ein Ansatz in die richtige Richtung ist.
Wir sagen, dass es nicht einfach ist. Schulvermeidung hat nicht irgendetwas mit Dummheit zu tun und ist auch nicht angeboren.
Es gibt Probleme, die Kinder haben, und Probleme, die entstehen in Familien, es gibt aber auch Probleme, die in Schulen entstehen.
Darum ist auch ein gemeinsamer Ansatz zu wählen. Ich gehe davon aus, dass in Kürze dieser Kontrakt zwischen den verschiedenen Ressorts dann auch abgeschlossen wird. Ich finde es richtig gut, dass der Innensenator hier sitzt und damit auch dokumentiert, dass es ein gemeinsam anzugehendes Problem ist.
Herr Rohmeyer, können Sie einmal aufhören, immer zu versuchen, Gedankengänge, die man hat, durch dumme Zwischenrufe zu unterbrechen?
Ich lobe ausdrücklich Ihren Innensenator. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie dann versuchen – –.
Es macht nichts, Herr Rohmeyer, es qualifiziert Sie ja nicht!
Es ist auch deutlich geworden, wenn man sich mit diesem Problem der Schulvermeidung und Schulverweigerung beschäftigt, dass sowohl die Kindergärten als auch die Schulen in Zukunft verstärkt auch einen Erziehungsauftrag haben und dass Erziehung in diesen Zeiten, in denen wir leben, für alle, sowohl für die Lehrer als auch für die Erzieher und die Eltern, immer schwieriger wird.
Die Lebensperspektiven vieler Kinder und Jugendlicher sind mehr als ungewiss. Ich glaube, wir dürfen auch nicht vergessen, dass nach dem 11. September eine große Verunsicherung noch einmal verstärkt bei vielen Jugendlichen und Kindern eingetreten ist und eine große Angst vor der Zukunft besteht. Darum müssen wir uns auch kümmern, weil sonst hier noch mehr aus dem Ruder läuft.
Ich jedenfalls habe die Hoffnung, dass wir, und wir werden das als SPD-Fraktion begleiten, mit einigen Schritten in die richtige Richtung gehen. Dazu gehört für mich unter anderem auch, das möchte ich hier noch einmal sagen, die Einrichtung der verlässlichen Grundschule, weil auch darüber die Möglichkeit besteht, Orte in der Schule zu schaffen, wo Kinder nicht nur an Leistungen gemessen werden, sondern wo sie sich auch wohl fühlen können.
Für mich gehört auch die Entwicklung von Ganztagsangeboten in der Sekundarstufe I dazu, weil genau dies auch die Funktion haben wird, dass Kinder und Jugendliche, von denen wir ja reden, die häufig in der Schule versagen, auch Orte in der Schule finden, wo sie sich wohl fühlen, wo sie sich heimisch fühlen können, wo sie angenommen werden und wo sie miteinander lernen können, auch in anderen Situationen gut miteinander umzugehen. Dann kommt der eine oder andere zurück und findet vielleicht, dass Schule nicht nur schlimm und nicht nur Zeitverschwendung ist. Ich habe große Hoffnungen für die Zukunft. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben zwar schon einiges gesagt, aber ich will Ihnen doch nicht ersparen, noch einmal einen Blick in die Vergangenheit zu tun, damit man diese bildungspolitische Debatte auch ein bisschen einordnen und weggehen kann, was mir auch wichtig ist, von den bremischen Verhältnissen. Wenn wir über die Perspektiven und Probleme der Hauptschule reden, dann reden wir ja nicht über bremische Probleme, sondern über Probleme im gesamten Schulsystem in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Hauptschule ist seit vielen Jahren das Sorgenkind im deutschen Bildungssystem, nicht nur im bre––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
mischen. Die abnehmende Bedeutung und die sinkende Nachfrage erzeugen seit ganz vielen Jahren einen fortlaufenden Druck, dem die Hauptschule trotz größter Anstrengungen bisher niemals entgehen konnte und den wir auch jetzt wieder erleben. Dabei muss ich an dieser Stelle vielleicht auch feststellen, dass die Zahlen für die Hauptschulbildungsgänge, die wir hier in Bremen haben, in den letzten Jahren relativ konstant waren und im Gegensatz zu den Zahlen in anderen Bundesländern auch etwas höher waren, was auf eine größere Akzeptanz der Hauptschulbildungsgänge im Lande Bremen hinweisen könnte.
Es hat in der Bundesrepublik immer wieder Überlegungen gegeben, vor allem in der alten Bundesrepublik, die Hauptschule aufzulösen. Das ist in den letzten Jahren nicht passiert, obwohl man feststellen muss, dass überall in der Bundesrepublik die Hauptschule rückläufig ist. Es gibt immer weniger eigenständige Hauptschulstandorte in den anderen Bundesländern, und in Bremen haben wir gar keine eigenständigen Hauptschulstandorte. Das muss man hier auch vielleicht noch einmal feststellen, damit Herr Rohmeyer daran erinnert wird, auf welcher bildungspolitischen Grundlage er hier diskutiert.
Die Hauptschulen beziehungsweise die entsprechenden Bildungsgänge haben ja in den letzten Jahren häufig ganz hohe pädagogische Erfolge gehabt, und das trotz der mehr oder weniger stark ausgelesenen Schülerschaft und trotz der dabei gleichzeitig sehr heterogenen Schülerschaft. Die Hauptschüler sind keine Schüler, die alle auf einem gleichen Niveau sind, alle schwach sind, sondern es sind, wie ich gestern in den Nachrichten noch einmal hören konnte von unserer Bundesministerin Frau Bulmahn, etwa zehn Prozent der Spitzenbegabungen in Hauptschulen. Da muss man sich ja auch einmal überlegen, warum diese zehn Prozent der Spitzenbegabungen in der Hauptschule sind. Was ist an dieser Stelle falsch gelaufen, Herr Rohmeyer?
Die Schwierigkeiten der Hauptschule resultieren ja nicht zuletzt aus der untergeordneten Stellung, die die Hauptschule im Schulsystem der Bundesrepublik einnimmt und damit auch der automatisch damit verbundenen sozialen Abwertungsprozesse, die der Schülerschaft dieser Schule dann angehängt werden. In der ganzen Bundesrepublik, und das muss man auch noch einmal feststellen, besuchen heute immer weniger Kinder die Hauptschule. Der Hauptteil der Schüler geht zur Realschule oder ins
Gymnasium. Das heißt, die Hauptschule ist nicht mehr die Hauptschule, sondern es ist der kleinere Teil der Schüler, der diese Bildungsgänge noch besucht.
Ich will jetzt darauf eingehen, wie aus der alten Volksschuloberstufe eigentlich die Hauptschule geworden ist und warum es zu dieser Entwicklung gekommen ist. Wenn man sich das noch einmal vor Augen führt, dann kommt man vielleicht auch zu anderen Überlegungen, wie man mit der Weiterentwicklung der Hauptschule umgehen darf und wie man damit nicht umgehen darf, wenn man diesen Bildungsgang für die Schüler nicht restlos abwerten will.
1964 hat die KMK den Begriff Hauptschule eingeführt. Damit sollte er abheben von der alten Volksschuloberstufe, die ja niemals die Schule des gesamten Volkes gewesen ist, sondern eine Bildungsinstitution, in die nur die unteren Volksschichten gegangen sind. Neben den Bemühungen, althergebrachte Benachteiligungen abbauen zu wollen, stand aber auch die Erkenntnis, dass den gesteigerten Anforderungen von Leben und Beruf durch eine verbesserte Qualifikation der Menschen Rechnung getragen werden muss. Es bestand auch damals schon die Hoffnung, durch eine Aufwertung des unteren Niveaus den damals schon einsetzenden Trend zu den selektiven Schulen aufzuhalten, mindestens ihn abzuschwächen. Die Reform sollte also auch verhindern, dass die Realschulen und Gymnasien überlaufen. Dieses Ziel ist irgendwie verfehlt worden, aber das muss man, glaube ich, nicht beklagen.
In Berlin sind schon 1990 nur noch neun Prozent des entsprechenden Altersjahrganges der deutschen Bevölkerung in die Hauptschule gegangen, und diese Tendenz ist nicht steigend. Die Situation in Bremen ist ein wenig anders, weil Bremen in den siebziger Jahren am konsequentesten die Ergebnisse der bildungspolitischen Debatte Ende der sechziger Jahre, Anfang der siebziger Jahre umgesetzt hat. Das heißt, eigenständige Hauptschulstandorte, ich habe es vorhin schon gesagt, haben wir in Bremen nicht. Es gibt in der Regel die Schulzentren mit Orientierungsstufe und den Bildungsgängen Hauptschule, Realschule sowie dem Gymnasium bis Klasse zehn neben den Gesamtschulen, in denen ebenfalls der Hauptschulabschluss erworben werden kann.
Die damaligen, auch heutigen bildungspolitischen Ziele waren und sind Anhebung des Bildungsniveaus der Heranwachsenden, Minderung von Chancenungleichheit durch den Abbau von Bildungsbarrieren, Demokratisierung der Gesellschaft. Das bedeutet, Schule muss die optimale Förderung jedes einzelnen Kindes oder Jugendlichen gewährleisten. Sie muss am Prinzip der Chancengleichheit ausgerichtet sein, und sie muss dabei zum Abbau von gesellschaftlich bedingter Ungleichheit beitragen. Sie muss allen Schülern ein möglichst hohes gemeinsames Maß an Erkenntnissen, Fähigkeiten und Ein
stellungen vermitteln. Das ist die Basis des gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenlebens.
Wichtig ist auch, dass Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben wird, hinreichende Stabilität in den sozialen Beziehungen zu anderen Kindern und Jugendlichen und zu Lehrern und Lehrerinnen zu entwickeln. Diese von mir genannten wichtigen Bedingungen können in unserem bremischen Stufensystem eingelöst werden.
Das macht nichts, Herr Rohmeyer, vielleicht kommt das ja noch!
Es ermöglicht allen Schülerinnen und Schülern, am Ende der Sek I definierte Abschlüsse zu erlangen, ermöglicht aber unter bestimmten Bedingungen auch zugleich die Wahl zwischen unterschiedlichen Schulformen oder Zweigen der Sek II mit unterschiedlichen zusätzlichen Abschlussmöglichkeiten. Das ist für mich eine ganz wichtige Voraussetzung, wenn man die Akzeptanz von Hauptschulbildungsgängen erhalten will, dass sie nicht in Sackgassen führen, sondern dass sie dazu führen, dass man auch weitergehende Bildungseinrichtungen besuchen kann bis hin zum Abitur.
Es ermöglicht aber auch die Kooperation und Integrationsmöglichkeiten auf allen Schulstufen, und da unterscheiden wir uns ja nun wieder ganz ausdrücklich nach meiner Meinung und auch nach der Meinung der Schulbehörde, jedenfalls aus einer älteren Antwort, die der Senat einmal gegeben hat. Es kann in der Sek I in kleinen Schulzentren bei geringerer Zügigkeit, zum Beispiel bei geringen Hauptschülerzahlen und einzügigen gymnasialen Bildungsgängen, ein reiches Spektrum an Wahl- und Wahlpflichtangeboten verwirklicht werden, sei es für jeweils zwei Bildungsgänge, Haupt- und Realschulzweig oder Real- und Gymnasialzweig, oder auch für alle drei Bildungsgänge. Das ist allerdings auch in Bremen noch ausbaufähig, aber sicher gerade in Schulzentren mit kleineren Abteilungen besonders ins Auge zu fassen.
Was Sie wollen, interessiert mich erst einmal nicht!
Dies ist umso mehr ins Auge zu fassen, als zurzeit der Senat, wie er in seiner Antwort ja mitteilt, die Lehrpläne für die Sek I und nicht für die Hauptschule überarbeitet.
Ich begrüße es darum ausdrücklich, dass der Senat in seiner Antwort darauf hinweist, dass die inhaltlichen und organisatorischen Entwicklungen in den einzelnen Bildungsgängen und -abteilungen immer auch auf die Bedeutung für die benachbarten und anschließenden Bildungsgänge zu prüfen sind und Möglichkeiten und Realisierungen ihres interaktiven Transfers geprüft werden. Das heißt also, man muss immer darauf achten, dass zwischen den einzelnen Bildungsgängen eine Kooperation stattfindet, dass Inhalte aufeinander abgestimmt werden, damit Übergangsmöglichkeiten auch immer erhalten bleiben.
Bin ich schon am Ende?
Dann kann ich mich ja nachher noch einmal melden. Das Wichtige ist auch, glaube ich, erst einmal gesagt worden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch einmal ganz kurz auf die letzten Sätze von Herrn Rohmeyer eingehen. Herr Rohmeyer tut ja so, als kämen die Menschen begabt oder unbegabt auf die Welt, und dazwischen passiere überhaupt nichts. Fest steht doch, dass es auch soziale Ungleichheiten gibt,
und Sozialdemokraten haben immer gefordert, dass familiäre Verhältnisse, soziale Armut, die Tatsache, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
dass jemand als Ausländer oder Aussiedler nach Deutschland kommt, nicht dazu führen dürfen, dass jemand automatisch einen niedrigeren Bildungsabschluss hat. Das hat mit Begabung nichts zu tun.
Wenn Sie noch einmal in die Antwort des Senats hineinschauen würden, da haben Sie ja auch mit – –.
Was hat sich daran geändert? Wollen Sie sagen, wir haben in der Bundesrepublik Deutschland – –?
Was hat sich daran geändert? Will die CDU behaupten, in der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine sozialen Unterschiede mehr, alle Menschen sind sozial auf einem Niveau?
Sie wissen überhaupt nicht, was Gleichmacherei ist, glaube ich!
Es ist, glaube ich, ein bisschen schwierig, wenn jemand wirklich aus gehobenen Verhältnissen kommt, mit dem goldenen Löffel im Munde geboren ist,
in seinem Leben keine Probleme hatte, wenn er dann über die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen aus diesen nicht gehobenen Verhältnissen redet und im Grunde genommen nur versucht, seine eigenen Privilegien zu verteidigen.
Und ich hoffe, dass Sie nicht anfangen, ganz andere Lieder hier anzustimmen!
Ich werde das jetzt hier lieber nicht sagen!
Meine Damen und Herren, wenn Sie die Antwort des Senats nach der gestellten Frage des sozialen Status betrachten, wo sind eigentlich in der Mehrzahl Hauptschüler, wo sind eigentlich in der Mehrzahl Gymnasialschüler, und darauf geht der Senat ja nur ganz vorsichtig ein, kann man doch genau sehen, dass in den Gebieten, die sozial benachteiligt sind, der Anteil der Hauptschüler besonders hoch ist und dass in besonderen bürgerlichen Wohngegenden der Anteil der Gymnasialschüler besonders hoch ist.
Das hat mit rückwärts gewandt nichts zu tun. Sie können doch die Realität in dieser Stadt, in diesem Land nicht als rückwärts gewandt bezeichnen!
Die Einzigen, meine lieben Damen und Herren von der CDU, die wirklich rückwärts gewandt in der Bildungspolitik sind, sind Sie,
weil Sie nämlich an dem gegliederten Schulsystem mit Privilegien und Benachteiligungen gern festhalten wollen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anlass dieser Debatte ist ein Gespräch, das Mitglieder der CDU-Fraktion aus der Bildungsdeputation, aus der Innendeputation, der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Kleen und ich im Schulzentrum Willakedamm hatten, in dem die Schule sozusagen um Hilfe gerufen hatte, weil sich an der Schule Probleme mit einigen Schülern sehr stark manifestiert hatten.
Da ging es darum zu klären, wie man in diesen Einzelfällen handeln kann. Die ganze Schule ist also nicht eine gewalttätige Schule, sondern es gab Schüler mit ganz besonderen Problemen, einige dabei mit einer ganz massiven Strafliste.
Aus diesem Grund war meine Reaktion jetzt nicht, mit einer solchen Aufsehen erregenden Großen Anfrage in die Bürgerschaft zu gehen, sondern in die Deputation zu gehen und zu fragen, was in diesen Einzelfällen möglich ist. Das ist eine ganz geringe Anzahl von Schülern, die wirklich solche erheblichen Probleme machen, dass ich auch eingestehe, damit ist die Schule überfordert, und da müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.
Aber meine Intention war einfach zu sagen, das ist etwas, was wir in der Deputation besprechen müssen, und es nicht so zu dramatisieren, wie es auch gerade jetzt Herr Rohmeyer hier wieder gemacht hat. So war es auch schon ein bisschen in dem Gespräch am Willakedamm, und ich habe da einen etwas anderen Ansatz.
Schulen sind ein Abbild unserer Gesellschaft. Schulen sind weder Horte von Gewalt noch sind sie gewaltfrei, sondern in den Schulen finden wir das, was wir in der Gesellschaft auch finden. Eine Bemerkung noch: Unsere Kinder und Jugendlichen sind auch ein Abbild der Erwachsenenwelt.
So, wie wir vorleben, leben das auch diese Kinder und Jugendlichen nach. Da machen Kinder und Jugendliche ganz unterschiedliche Erfahrungen. Es gibt Kinder und Jugendliche, die wachsen in behüteten, wohl geordneten sozialen Verhältnissen auf, und es gibt Kinder und Jugendliche, die in sehr schlimmen Verhältnissen aufwachsen, nicht nur materiell, sondern häufig eben auch als Opfer von Gewalt. Wir haben am Ende der Tagesordnung auch noch eine Debatte, in der es um häusliche Gewalt und ihre Auswirkungen auf Menschen geht. Kinder sind häufig Opfer von häuslicher Gewalt. Wer geschlagen wird, schlägt leicht zurück. Das ist doch eine Erkenntnis, die wir alle haben.
Ich halte die Anfrage, wie sie von der CDU in dieser Tendenz auch gestellt wird, für unmöglich, muss ich sagen.
Darum haben wir sie auch nicht mit unterschrieben. Hier wird alles zusammengemengt. Störung von Unterricht ist sofort Gewalt. Erst einmal ist in dieser Anfrage der Gewaltbegriff gar nicht definiert. Es ist aber in der Antwort, finde ich, schön herausgearbeitet worden, dass es da ganz unterschiedliche Empfindungen gibt sowohl von denjenigen, die sagen, ihnen sei Gewalt angetan worden, als auch von denjenigen, die es beurteilen sollen, ob man es als Gewalt betrachtet oder als ein auch im jugendlichen Alter normales Verhalten.
Es zeigen ja auch alle Untersuchungen, Gewaltanwendungen und Gewalttolerierung nehmen mit zunehmendem Alter irgendwann auch wieder ab, weil dann auch mehr der Kopf eingesetzt wird. Das zeigen die Untersuchungen. Darum hat es auch sehr viel damit zu tun, in welche Lage wir unsere Kinder und Jugendlichen setzen, auch über den Kopf Konflikte regulieren zu können und nicht durch Gewalt.
Herr Bürger, Ihr Beitrag gestern hier in Richtung meiner Kollegin war auch so ein bisschen Mobbing, würde ich sagen.
Sehen Sie, da geht es nämlich schon los! Wie definiere ich das, was einem anderen Menschen als ein gewalttätiges Antun vorkommt?
Ich komme noch dazu! Ich habe gerade versucht, ein bisschen — —.
Lösungen haben Sie hier auch noch nicht geboten! Ich möchte versuchen, über diesen Redebeitrag — —.
Herr Herderhorst, darum bin ich in die Deputation gegangen und habe gesagt, wir haben an einzelnen Stellen Probleme mit Jugendlichen und Kin
dern, die wir mit den normalen Mitteln der Schule nicht in den Griff bekommen, daher lassen Sie uns einmal gemeinsam überlegen, welche Lösungsmöglichkeiten es gibt! Sie sind in die Öffentlichkeit gegangen und sagen, es sei eine skandalöse Entwicklung. Die Tendenz ist steigend, durch immer mehr Gewalt an Schulen werden Lernerfolge in Frage gestellt. Das, finde ich, ist ein Unterschied.
Nicht jede Störung, das habe ich vorhin schon gesagt, ist eine Gewalttat. Mancher Lehrer empfindet schon die Kritik eines Schülers als Störung und sagt, die Störungen im Unterricht nehmen zu, die Schüler spielen nicht mehr so mit.
Auch an den Privatschulen haben Sie im Übrigen das Problem des Mobbings. Mobbing ist eine Form der Gewalt.
Anscheinend habe ich es getroffen!
Ich habe mir extra vorgenommen, heute nicht noch einmal die gesamten gesellschaftlichen Ursachen zu nennen, die wir ja in der Debatte zur Jugend- und Kinderkriminalität im Mai 1998 hier angeführt haben, in der wir einen sehr guten Bericht des Senats vorliegen hatten, an dem auch alle ressortübergreifend zusammengearbeitet haben und wo es auch Entwicklungen und Konsequenzen gegeben hat. Die Präventionsbeiräte in den Stadtteilen — in Huchting kann ich es beurteilen, in anderen Stadtteilen erlebe ich es ähnlich — arbeiten inzwischen sehr erfolgreich und kommen auch zu Lösungen. Auch die Zusammenarbeit der Ressorts hat sich seit dieser Zeit doch enorm verbessert.
Um den konkreten Fall Willakedamm noch einmal anzusprechen, dort hat es gestern eine Sitzung des Präventionsbeirates gegeben, und man ist zu Lösungen bei diesem drängenden Problem gekommen, zumindest bei dem Problem, von dem die Schule sagt, das schaffen wir nicht mehr allein, da brauchen wir auch Hilfe vom Amt für Soziale Dienste, wir brauchen Sozialarbeit an der Schule, es muss etwas mit den Familien passieren. Da hat man gestern zusammengesessen, und es wird jetzt eine Kollegin des Amtes für Soziale Dienste mit einigen Stunden an die Schule gehen.
Ich möchte noch etwas sagen, was auch dazu beiträgt, dass das jetzt so gut klappt, weil auch die Zusammenarbeit mit der Polizei auf eine ganz andere vertrauensvolle Ebene gestellt worden ist. Wir haben nämlich jetzt einen Revierleiter, der nicht immer durch den Stadtteil läuft und sagt, Skandal, Huchting ist die Hochburg der Kriminalität, sondern der sagt, an den und den Punkten habt ihr Defizite,
ihr dürft hier diese Jugendeinrichtung nicht schließen. Wenn ihr an der Stelle diese Jugendeinrichtung schließt, dann steigt bei uns wieder das Gewaltpotential, und dann haben wir hier wieder Jugendliche auf der Matte stehen.
Das finde ich gut, wenn ein Revierleiter auch so etwas im Kopf hat und nicht immer gleich nach Strafe, Arrest und Gefängnis ruft.
Dann möchte ich noch darauf hinweisen, dass wir ein Kinder- und Jugendhilfegesetz haben.
Ja, aber es steht trotzdem etwas darin, an dem man sich orientieren sollte! Da steht nämlich im Mittelpunkt dieses Gesetzes, so lese ich das, die Prävention. Das ist es, was wir in allererster Linie leisten müssen, dann kommt Repression, und dann kommt Sanktion, wenn man nicht mehr helfen kann.
Es gibt in einigen Gebieten dieser Stadt, das wissen wir, das sind Obervieland, Huchting und andere Stellen, eine Cliquen- und Bandenbildung von Vierzehn- bis Zwanzigjährigen. Viele der beängstigenden Situationen in den Stadtteilen finden gar nicht in der Schule statt, sondern vor den Schulen, auf den Schulhöfen und auf den Wegen zur Schule. Dabei ist es vor allen Dingen bei uns im Stadtteil auffällig, dass es eben Gruppen sind, auf der einen Seite türkische junge Männer und auf der anderen Seite die bei uns immer so genannten russischen jungen Männer, das sind die Aussiedlerjugendlichen, die fast im gleichen Bezirk leben, in den gleichen Straßen, und in großer Rivalität zueinander stehen.
Das ist völliger Quatsch, was Sie da erzählen!
Man muss da einfach feststellen, dass es uns bis jetzt nicht ausreichend gelungen ist, diese Jugendlichen zu integrieren. Sie sind mit falschen Erwartungen gekommen, und wir konnten teilweise diese Erwartungen nicht erfüllen. Einige von ihnen sind eben auch hergekommen, ohne die deutsche Sprache zu sprechen, und sie sind zum Teil auch nicht freiwillig hier, das muss man auch sagen. Gerade
die deutschen Aussiedlerjugendlichen sind gezwungenermaßen mit ihren Familien hier und haben insofern besondere Probleme, sich hier einzufinden.
Auch das Abziehen, von dem immer die Rede ist und was auch Angst macht, findet nicht unbedingt in der Schule statt, sondern meistens auf der Straße. Darum bekommt eine Schule auch manchmal nicht so viel davon mit, dass einzelne ihrer Schüler im Stadtteil noch einmal ganz besondere Probleme machen.
Ich habe schon gesagt, dass ich finde, dass sich seit 1998, seit der Debatte hier, eine ganze Menge getan hat in Richtung Prävention und in Richtung Zusammenarbeit. Das muss weiter ausgebaut werden, weil wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen, dass Kriminalität und Armut eben ganz eng zusammen gehören und dass über Kleidung zum Beispiel Status, also auch Ansehen verteilt wird.
Schuluniformen sind vielleicht sogar eine Möglichkeit, zumindest in der Schule diese Konkurrenz, die sich schon über die Kleidung ausdrückt, ein bisschen zu mildern. Ich hätte gar nichts dagegen, darüber nachzudenken, dass man so eine Art Schuluniform einführt, um wenigstens nicht schon an der Kleidung soziale Unterschiede deutlich zu machen.
Ich finde es nicht so falsch.
Ich will jetzt noch einmal auf die Schule eingehen.
Muss ich jetzt schon aufhören? Dann kann ich im zweiten Teil noch etwas zur Schule sagen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss jetzt wirklich überlegen, ob ich noch einmal darauf eingehe. Wenn Herr Rohmeyer mir zugehört hätte, dann hätte er wohl mitbekommen, dass ich das Problem ziemlich ernst nehme, dass ich nur davor gewarnt habe, alles in einen Topf zu werfen, weil man nämlich sonst nicht zu vernünftigen Lösungen kommt.
Es ist manchmal schwer, etwas zu verstehen. Ich habe auch, glaube ich, nicht das Schulzentrum, das ich hier genannt habe, schlecht gemacht, sondern im Gegenteil, ich habe erzählt, dass es zu Lösungen gekommen ist und dass es möglich ist, auf Stadtteilebene in gemeinsamen Verabredungen zu Lösungen zu kommen, die dazu beitragen, Schulfrieden wiederherzustellen oder Störungen zu vermeiden.
Ich habe mich aber noch einmal gemeldet, weil ich noch auf einen Aspekt eingehen und fragen möchte: Wie wirkt Schule eigentlich auf Kinder und Jugendliche? Das, was Sie hier machen, zeigt, dass Sie nämlich in Ideologie verhaftet sind. Dass Sie immer wieder die Gesamtschulen als Feindbild quer durch die Bundesrepublik — das scheint im Moment eine neue Kampagne zu sein — bringen, das ist Ideologie und verblendet. Was ich jetzt sagen werde, wird Sie ohne Ende erregen, weil das, vermute ich einmal, nichts mit Ihrem Menschenbild zu tun hat. Ich möchte erst einmal feststellen, dass das herrschende Prinzip unserer Gesellschaft Konkurrenz heißt, leider.
Über dieses Prinzip werden Chancen, Bildung, Macht und Reichtum verteilt. Erfolg in dieser Gesellschaft hat immer nur der, der gleichzeitig einem anderen einen Misserfolg beibringt.
Darüber sollte man einmal nachdenken.
An dieser Stelle muss man eben fragen, welche Stellung die Kinder und Jugendlichen eigentlich in der Schule haben. Sind sie Subjekt oder Objekt? Sind sie Subjekt von Erfolg oder Misserfolg?
Jetzt komme ich zu der nächsten Frage, die ich mir schon lange gestellt habe: Was wird eigentlich über Zeugnisse ausgedrückt? Zeugnisse geben Urteile ab über Versager und Begabte, über Lernfähigkeit und Leistungsvermögen. An dieser Stelle — —.
Halten Sie einmal den Mund!
An dieser Stelle frage ich — —.
Mobbing ist, wenn er mich unterbricht!
Ich habe meine Gedanken in das Manuskript geschrieben.
Das habe ich nicht gesagt, Herr Teiser! Sie müssen jetzt allmählich auch einmal lernen, zuzuhören und dann Zwischenrufe zu machen, die auch zu dem, was man gesagt hat, passen.
Ich habe gerade auf die Fragwürdigkeit der Zensuren und Zeugnisgebung hingewiesen. Darum möchte ich eine Frage anschließen. Ein schlechtes Zeugnis drückt für den Schüler immer aus, dass er versagt hat. Warum eigentlich? Kann es nicht auch sein, dass ein schlechtes Zeugnis ausdrückt, dass die Schule versagt hat?
Das kann man doch einmal fragen. Dann stellen Sie sich die nächste Frage, was in einem Schüler vorgeht, der immer wieder beigebracht bekommt, dass er der Verlierer ist, dass er über dieses schlechte Zeugnis keinen Abschluss, keine Lehrstelle, keinen Arbeitsplatz bekommt, also Dauerarbeitslosigkeit. Das Zeugnis bescheinigt ihm dann zugleich,
dass er minderwertig ist. Das muss man sich doch wenigstens einmal vor Augen führen, wenn man dann noch weiß, und das bitte ich im Zusammenhang zu sehen, dass die höchsten Gewaltquoten, die wir an Schulen haben, an den Sonderschulen für Lernbehinderte sind.
Ich bin, das sollte in diesem Haus bekannt sein, nicht jemand, der dafür plädiert, dass Schüler ausgesondert werden, sondern im Gegenteil, weil ich mir genau diese Fragen stelle, warum das so ist und warum eben der Anteil auf dem Gymnasium so viel weniger groß ist, obwohl es dort auch solche Dinge gibt. Das hat etwas damit zu tun, dass die Schüler, die das Gymnasium erreicht haben, sich als Gewinner fühlen können, und die anderen, die auf der Sonderschule für Lernbehinderte gelandet sind, sind die Verlierer.
Wenn es ihn unbedingt danach drängt!
Ich würde zum Beispiel überlegen, ob es nicht sinnvoller ist, dem Schüler über Lernentwicklungsberichte auch mitzuteilen, wo er gut ist und wo er Entwicklungschancen hat
und nicht immer nur mitzuteilen, du hast sowieso schon versagt, du bist aus dem Spiel.
Dann möchte ich noch, damit die Erregung hier nicht so groß wird, einmal ein bisschen auf die Schülerperspektive eingehen. Es gibt auch eine Sicht von Schülern. Wenn man sie fragt, warum sie eigentlich so gewalttätig sind, dann erzählen sie, dass sie das häufig aus Frust machen, weil die Schule einfach öde und langweilig ist.
Der zweite Grund, den die Schüler nennen, ist, dass sie sich damit Geltung und Anerkennung verschaffen können, weil sie nämlich anderswo keine Geltung und Anerkennung bekommen.
Ein weiterer Punkt, den wir auch im Kopf behalten müssen, ist, dass eben Schulunlust und Langeweile sowohl Gewalt an Menschen, aber auch an Sachen hervorrufen können. Das können wir dann an den Schulen sehen, Vandalismus, Graffiti und all diese Sachen. Dann schätzt man solche Einrichtungen auch nicht.
Darum möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass aus meiner Sicht das Schulklima eine ganz große Rolle spielt neben all den gesellschaftlichen Ursachen, die wir hier auch schon diskutiert haben. Darum möchte ich einfach sowohl Schüler als auch Lehrer darauf hinweisen, dass die Schulkultur, die in einer Schule herrscht, davon geprägt ist, dass man Diskriminierungen, Beleidigungen, Spott und Beschimpfungen vermeidet.
Das gilt für alle!
Ich finde, dies darf weder von Schülern noch von Lehrern toleriert werden, denn das gibt es auch, dass Lehrer ihre Schüler beleidigen. Ich glaube, ich habe jetzt genug gesagt. — Vielen Dank!