Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Durch das AWI ist Bremerhaven im Bewusstsein vieler Menschen das Kompetenzzentrum für Meeres- und Polarforschung. Die Vielfalt der maritimen Studiengänge ergänzt diese Kompetenz. Unter der Überschrift Hochschule am Meer soll dieses positive Profil in den nächsten Jahren weiter geschärft und entwickelt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, beinhaltet der Wissenschaftsplan 2010 neue Studiengänge und Bauten sowie eine deutliche Aufstockung des Personals. Bestandteil des Konzepts Hochschule am Meer ist das Thema blaue Biotechnologie. Bremerhaven soll zu einem Zentrum für anwendungsbezogene biotechnologische Forschung, Entwicklung und Verfahren werden. Schon heute hat Biotechnologie für 50 Prozent aller Firmen der Lebensmittelindustrie praktische Relevanz. Das unterstreicht die ökonomische Bedeutung dieser Technologie.

Verknüpfungen zwischen meeresbezogener Wissenschaft und fischorientierter Lebensmittelindustrie sprechen für den Fischereihafen als Biotechnologiestandort. Hier wird das Institut für Fischereiökologie angesiedelt, hier wird das neue Gründer- und Entwicklungszentrum Bio-Nord ab Mai biotechnologisch orientierten Firmen den Start erleichtern. Die für Bio-Nord von der öffentlichen Hand aufgebrachten 11,5 Millionen Euro sind gut angelegt, von BioNord werden für Bremerhaven mit Sicherheit wichtige wirtschaftliche Impulse ausgehen.

Erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat neben maritimer Industrie und Wissenschaft der meeresbezogene Tourismus. Im Schaufenster Fischereihafen hat sich die Orientierung am Meer und seinen Produkten bewährt. Nach elf Jahren bedarf jedoch das Konzept einer gewissen Modernisierung.

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Elf? Ohne die CDU? Elf Jahre?)

Ja, das ist erstaunlich! Das ist einmal etwas, an dem die CDU nicht so direkt mitgewirkt hat, muss ich feststellen.

Das Projekt Alter/Neuer Hafen, auch eine Erfolgsnummer, wird sich unter dem Slogan „Meer erleben“ als maritime Attraktion im Städtetourismus etablieren. Hier werden immerhin 115 Millionen Euro privates Kapital investiert, und 400 neue Stellen sollen entstehen.

Synergien sollen systematisch erschlossen und genutzt werden. Hierzu gehört das Modell Pendelbus zwischen City und Schaufenster Fischereihafen, hier

zu gehört die touristische Nutzung der Überseehäfen, Stichwort Seemeile Bremerhaven, hierzu zählen aber auch Veranstaltungen wie die Sail und die maritime Festwoche.

(Beifall bei der SPD)

Die Aufzählung ist nicht vollständig, zeigt aber das Potential der Stadt, ein herausragendes touristisches Highlight in Norddeutschland zu werden. Synergieeffekte versprechen auch die Planungen zur Umgestaltung und Neuausrichtung der Innenstadt. Die Fußgängerzone ist mit eindeutig positiver Resonanz von den Bremerhavenern akzeptiert worden. Die öffentlichen Investitionen werden private Investitionen anregen, den Einzelhandel stärken und die oberzentrale Funktion der Stadt stützen. Von der fußläufigen Verbindung zwischen City und dem Gebiet Alter/Neuer Hafen werden beide Projekte profitieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich betone an dieser Stelle, dass das Land 70 Prozent der öffentlichen Investitionen von 87 Millionen Euro trägt. Dies zeigt entgegen mancher Vorurteile, wie ernst die große Koalition den ISP-Schwerpunkt Bremerhaven nimmt.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Weitere Mittel werden ab 2005 aus dem AIP zur Neuausrichtung der südlichen Innenstadt fließen, von der Errichtung eines Zentrums für kundenintensive Dienstleistungen wird der Handel in der City ebenso profitieren wie vom Umzug der Stadtbibliothek in das Horten-Gebäude und von neuen Parkplätzen. Wissenschaftliche und kulturelle Einrichtungen werden den unzureichenden Dienstleistungsbesatz in diesem Gebiet verbessern. Die Verantwortung des Landes für die Stadt Bremerhaven betrifft auch die Anpassung der Infrastrukturen an veränderte Bedarfe. Das herausragende Beispiel für zukunftsorientierte Infrastrukturinvestitionen ist der Ausbau von CT III a und CT IV, wir hörten es. Von diesen Ausbauten gehen existentiell wichtige Impulse für Bremerhaven aus. Leistungsfähige Kajen und attraktive Hafenflächen allein reichen jedoch nicht aus. Die Verkehrsanbindung muss optimiert werden, wenn die Hafeninvestitionen maximale Wirkungen zeigen sollen. So sichert der Ausbau der Fischereihafendoppelschleuse auf Panmaxgröße die Entwicklungschancen des Gewerbegebiets Fischereihafen auf lange Sicht. Inzwischen steht fest, dass die Schleuse auch für alle Komponenten von Offshore-Windenergieanlagen passierbar ist. Die Investition war also keinesfalls nur teuer, sondern unverzichtbar und zukunftssichernd.

(Beifall bei der SPD)

Mindestens ebenso notwendig ist die Modernisierung der Kaiserschleuse. Ich bin sehr froh, dass Herr Senator Hattig das in seinem Redebeitrag bestätigt hat, Herr Röwekamp ebenfalls, denn sie funktioniert trotz häufiger Unterhaltungsarbeiten nicht mehr zuverlässig und ist für einige Autocarrier einfach zu klein. Der Umweg über die Nordschleuse ist lang und schwächt die Wettbewerbsposition Bremerhavens. Bei Schäden an der Nordschleuse könnten große Autotransporter die Kajen gar nicht erreichen. Um solche Katastrophen zu verhindern und die 1800 direkt beziehungsweise indirekt vom Autoumschlag abhängigen Stellen zu sichern, gibt es zum zugegeben sehr teuren Ausbau der Kaiserschleuse keine Alternative. Ich erwarte, dass BremenPorts uns sehr bald ein beschlussfähiges Konzept für den bedarfsgerechten Ausbau und eine realistische Finanzierung vorlegt, und ich hoffe, dass die Vorstellungen Bremerhavens dabei besser berücksichtigt werden als beim Ausbau der Cherbourger Straße.

(Beifall bei der SPD)

Es freut mich, dass wenigstens von der Bremerhavener SPD Beifall kommt!

Ein gutes Beispiel für die Optimierung der Verkehrsinfrastruktur ist der Flughafen Luneort. Die hier eingesetzten 25 Millionen Euro sind bestens angelegt, weil der Flughafen den Wirtschaftsstandort stärkt und zusätzliche touristische Impulse verspricht.

Fazit: Bremerhaven hat Probleme, insbesondere am Arbeitsmarkt, aber zugleich gute Chancen, diese Probleme zu lösen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Die Stadt ist auf dem Weg, sich zu einem attraktiven Wirtschafts- und Tourismusstandort zu entwickeln. Für Pessimismus gibt es also keinen Anlass. Die Situation der Stadt ist jetzt und perspektivisch besser als Image und Stimmung vermuten lassen. In Bremen gibt es keinen Anlass für Hochmut gegenüber der Schwesterstadt, in Bremerhaven gibt es keinen Grund für Verzagtheit und Nörgelei.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Der Sanierungskurs des Landes Bremen kann nur zum Erfolg führen, wenn die Städte Bremen und Bremerhaven an diesem Prozess fair beteiligt werden und diesen Weg gemeinsam gehen. Die vorliegende Senatsmitteilung ist Indiz dafür, dass Land und Stadt Bremen die Stadt Bremerhaven als gleichwertige Partnerin sehen. Wir sollten diese Rolle selbstbewusst beanspruchen, uns nicht hinter Klagen verstecken und noch einmal deutlich machen, dass all dies, alle diese Erfolge keine Leistung eines

einzelnen Koalitionspartners, sondern gemeinsame Leistung von SPD und CDU sind. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Schramm.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie werden gleich unschwer erkennen, dass ich eben kein Mitglied der großen Koalition bin

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und sich mein Redebeitrag etwas von den vorherigen unterscheidet. Die Aufzählung der Erfolgsstory, das war ja zu erwarten, dass das kommt,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe von der SPD)

aber dass Bremerhaven jetzt zur Boomtown hochstilisiert wird, finde ich doch ein bisschen überzogen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es hat sich nach acht Jahren gegenseitiger Blockade innerhalb der großen Koalition einiges bewegt, das muss man für das eine oder andere Projekt sagen, aber ich glaube, der Anschein, es sei eine Erfolgsstory, trügt doch ungemein.

Wenn man bei den einzelnen Projekten genauer hinsieht, kann man feststellen, dass es sich zu fast 100 Prozent um angebotsorientierte Infrastrukturmaßnahmen handelt, die sowieso jeder machen würde, wenn er ein bisschen Geld auf der hohen Kante hat. Das hat mit Strukturwandel eigentlich noch weniger zu tun.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Warum habt ihr dann nicht zugestimmt?)

Den meisten Projekten haben wir, glaube ich, zugestimmt in den Wirtschaftsförderungsausschüssen!

(Zuruf des Abg. R ö w e k a m p [CDU])

Wenn ich mir jetzt zum Beispiel einmal die neue Silhouette Bremerhavens anschaue, das ist nun wirklich etwas Neues, bin ich persönlich und viele andere, mit denen ich gesprochen habe, eher erschrocken als angetan über den Stilmix, der dort herrscht. Arabische Emirate finden wir da gemischt mit italienischer Piazza, einen Touch von Enterprise und kubischen Minimalismus für die Wohnbebauung. Das ist ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Ihre städtebauliche Gesamtkonzeption, meine Damen und Herren, für Bremerhaven. Ich finde das eher symptomatisch für eilige Betriebsamkeit, für viel Infrastruktur, aber ohne richtiges Gesamtkonzept.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In der „taz“ konnte man gestern lesen: „Mediterraneum in Stade, Investor Albrecht macht dasselbe in Stade, was er in Bremerhaven auch vorhat!“ Ich frage Sie, wo ist eigentlich noch das Alleinstellungsmerkmal für dieses Projekt?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn ich mir dann Haven Höövt anschaue, BremenVahr, Einkaufszentrum, die Space-Park-Shoppingmeile oder die Hafenkante, die auch geplant ist in der Überseestadt, das sind alles dieselben Projekte in der ganz nahen Umgebung von denselben Planern! Meinetwegen mögen Sie meinen, das kann klappen, aber ich denke, hier sind doch viele Fragezeichen zu sehen. Sie fördern hier eher Supermärkte statt neuer Strukturen für die Seestadt, meine Damen und Herren.

Ich will Ihnen sagen, was Sie bisher nicht erreicht haben: Sie haben nicht erreicht eine Imageverbesserung der Seestadt.

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Das liegt an Ihnen!)

Acht Jahre! Wir reden immerhin über acht Jahre! Sie haben nicht erreicht den Strukturwandel, und was Sie schon gar nicht erreicht haben, ist die finanzielle Sanierung des Bremerhavener Haushalts.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das hat auch nichts mit Nörgelmanni zu tun oder irgendwelchen dunklen Ecken, die wir nicht ausreichend beleuchten, sondern ich berufe mich da ausdrücklich auf vorliegende Gutachten, die ganz aktuell die Lage in Bremerhaven untersucht haben. Wir stehen da überhaupt nicht allein, der Kollege Professor Dr. Haller, über den man ja denken kann, was man mag, aber auf den Sie sich in Ihren Analysen sehr oft berufen, hat genau das Gegenteil von dem analysiert, was Sie hier vortragen, nämlich keine Erfolgsstory bisher.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie müssen auch nur einmal Ihren eigenen Controllingbericht lesen! Das kann man machen, wenn man im Haushalts- und Finanzausschuss ist, da wird es tagtäglich vorgeführt, was da passiert. Da kann man nur einige Zitate nennen: „Haushaltslage außerordentlich problematisch“! Die konsumtive De