Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Herrn Lemke habe ich zwei, drei kleine Anmerkungen, aber eine größere zu Herrn Tittmann.
Das glaube ich nicht! Bremen braucht Einwanderung, und ich glaube, wer davor die Augen verschließt, verkennt, dass wir in der Zukunft hier in Europa, in Deutschland und auch in Bremen ganz große Probleme haben werden, wirtschaftlich und auch gesellschaftlich bestimmte Aufgaben zu erfüllen.
Ich möchte Ihnen als Beispiel dazu mit Genehmigung des Präsidenten kurz ein paar Sätze von Kofi Annan zitieren, die er zum Thema Nutzen der Migration gesagt hat: „Es besteht kein Zweifel, dass in den nächsten Jahren die europäische Bevölkerung schrumpfen wird. Derzeit leben 450 Millionen Menschen in den EU-Staaten und den Beitrittsländern. Ohne Zuwanderung wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2050 auf unter 400 Millionen Menschen sinken. Die EU steht mit dieser Entwicklung keineswegs allein da. Ähnlich sieht es in Japan, Russland und Südkorea aus. Auch dort können in Zukunft Arbeitsplätze nicht besetzt, Dienstleistungen nicht mehr erbracht werden. Die Wirtschaft wird schrumpfen und die Gesellschaft stagnieren. Zuwanderung allein kann diese Probleme nicht lösen, aber sie kann wesentlich zur Lösung beitragen. Ohne sie würde manches Gesundheitssystem unter Personalnot leiden, hätten viele Bürger keine Haushaltshilfe, die ihnen erst den Freiraum für eine berufliche Karriere verschafft. Unbesetzt blieben zudem viele Arbeits––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
plätze, die öffentliche Dienstleistungen erbringen und Staatseinkünfte erzielen. Anders gesagt: Einwanderer sind ein Teil der Lösung, nicht Teil des Problems. Sie dürfen nicht zu den Sündenböcken für alle möglichen sozialen Probleme gemacht werden.“ Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen.
Herr Tittmann, hören Sie mir einfach zu! Ich finde es wichtig. Ich bin in Bremerhaven aufgewachsen. Ich bin mit türkischen, spanischen, portugiesischen Kindern zur Schule gegangen, und ich finde, wir können es uns nicht leisten, dass wir den Kindern keine ausreichenden Bildungschancen geben. Das ist undemokratisch, und es ist auch absolute Verschwendung von Begabung und Potential, die diese jungen Menschen haben. Ich finde es richtiggehend falsch, was Sie hier sagen! Mich regt das wirklich richtig auf!
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU – Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])
Zu Herrn Lemke möchte ich nur noch zwei Punkte sagen. Ich habe gesagt, ich finde es richtig, dass Schulen extern evaluiert werden. Ich finde, es muss aber auch innerhalb der Kollegien Gespräche über Qualität geben. Das muss richtig herausgefordert werden. Es ist gut, dass nicht nur die Schüler bewertet werden. Es muss das ganze System Schule/ Unterricht untersucht werden.
Wenn ihr jetzt über drei oder vier Jahre so schlecht seid, dann schließen wir euch! Ein Bildungssenator muss meiner Meinung nach sagen: Schulen, ihr seid nicht gut, es gibt andere, die besser sind. Wir bieten euch folgende Hilfeleistung an: eins, zwei, drei. Dafür müssen Mittel bereitstehen, dafür muss Personal bereitstehen, und dafür muss auch die Bildungspolitik es zulassen, dass Schulen vielleicht auch manchmal ungewöhnliche Wege gehen.
Ich glaube, was an einer Schule klappt, muss an anderen noch lange nicht klappen. Ich war gestern in Grambke. Die arbeiten jahrgangsübergreifend, die arbeiten mit Klassenfamilien, haben eine andere Unterrichtskultur. Das klappt dort sehr gut. An anderen Schulen braucht man vielleicht für Kinder einen ganz anderen Unterricht. Diese Freiheit muss man den Schulen lassen, und es ist unheimlich wichtig, dass wir alle Lehrerinnen und Lehrer bei diesem Prozess mitnehmen. Das wird eine schwierige Diskussion, aber ich glaube, sie ist notwendig, und sie muss von den Bildungspolitikern mit den Lehrerinnen und Lehrern geführt werden, aber nicht gegen sie.
Frau Hövelmann hat das vorhin kurz angesprochen. Ich habe mich jetzt mit ein paar Schulleitern in den Grundschulen unterhalten. Die sind ja Gleiche unter Gleichen. Die haben gar keine Führungsposition, wie sie das eigentlich haben möchten. Sie können gar kein Coach sein für ein pädagogisches Team, wie wir das aus Skandinavien oder aus England kennen. Da geht der Schulleiter herum und sagt: Kollegen, ihr macht ein ähnliches Thema, macht doch ein Projekt zusammen! Wenn junge Kollegen kommen, werden die wesentlich besser unterstützt.
Da haben wir ein ganz großes Problem, und wir müssen darüber nachdenken, dass wir künftig Schulleiter auch ein bisschen besser bezahlen, sie von ihrer Unterrichtsverpflichtung freistellen und ihnen die Möglichkeit geben, viel stärker aktiv ins pädagogische Geschehen der Schule einzugreifen. Das wünsche ich mir, und ich würde es sehr positiv finden, Herr Lemke, wenn Sie das aufgreifen würden.
Ich finde, in den letzten Jahren ist schon viel wertvolle Zeit verschenkt worden. Ich habe mit Erstaunen gelesen, dass Bremen Niedersachsen bei der Einführung des Schul-TÜV beraten hat und jetzt wiederum die Niedersachsen die Bremer beraten. Da haben wir doch gehörig die Zeit verschlafen, und da habe ich natürlich die Frage: Wie konnte das eigentlich passieren, wenn wir hier schon ziemlich weit vorn waren? – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich als Nicht-Bildungspolitiker trotzdem ein, zwei Worte sagen, weil ich als Vater eines sechsjährigen Sohnes, der in der ersten Klasse ist, jetzt sehr aufmerksam und sorgfältig die Diskussion, die Ergebnisse und die Konsequenzen aus dem, was Iglu uns gezeigt hat, verfolge und ich mir schon die Frage stelle, ob die Entscheidung, meinen Sohn an einer öffentlichen Schule anzumelden und bewusst nicht den Ausweg einer privaten Alternative zu wählen, wie es ja der eine oder andere auch aus diesem hohen Hause gemacht hat, die richtige Entscheidung war! Vor dem Hintergrund bin ich ein wenig enttäuscht über diejenigen, die sich hier heute positioniert haben und die für sich auch in der Vergangenheit sehr stark in Anspruch genommen haben, bildungspolitische Leitsätze bremischer Bildungspolitik mitzubestimmen.
Frau Hövelmann, ich schätze Ihr Engagement sehr hoch ein, das Sie mit der Lese-Initiative vornehmen. Das liegt sicherlich nicht im Rahmen der normalen Tätigkeit eines oder einer Abgeordneten, sondern dies geht weit darüber hinaus, was Sie da machen. Dass Sie sich an der Stelle in einem Zwiespalt befin
den, was die Einlassung heute anging, ist auch offensichtlich geworden. Ähnlich hat sich auch Frau Stahmann geäußert. Herr Lemke hat darauf hingewiesen, wenn man sich die Protokolle der vergangenen Jahre ansieht, ist auch da der Eiertanz nicht zu übersehen. Frau Stahmann, Sie sind über Allgemeinplätze und, wie soll man sagen, das Werfen von Nebelbomben nicht hinausgekommen. Der Beitrag eben gerade, das war Herr Tittmann überhaupt nicht wert, denn das waren die hohlen Phrasen wie sonst auch. Es war gar nicht wert, darauf einzugehen, Nebelbomben zu werfen, um das eigentliche Problem an dieser Stelle zu negieren. Das, muss ich sagen, treibt zumindest mich als Vater doch ein wenig um. Ich möchte ganz ausdrücklich, weil ja offensichtlich bei dem einen oder anderen an dieser Stelle der Mut dafür nicht existiert, ich will es trotzdem tun, den Punkt, der in unseren Augen ganz gravierend ist, hier ansprechen, das ist nämlich der Bereich der Lehrerschaft. Ich will hier das Engagement einzelner Lehrer oder auch einer großen Mehrheit der Lehrer überhaupt nicht in Misskredit bringen. Dass viele einen sehr engagierten Job leisten, sich über ihre normale Dienstverpflichtung hinaus einbringen, ist völlig unstrittig und klar. Wenn aber diese Iglu-Studie eindeutig belegt, die Lehreraufsicht, die Lehrerfortbildung, die Lehrerausbildung und auch die klaren Leistungsvorgaben als wesentliche Defizite des bremischen Grundschulsystems darstellt, dann, meine Damen und Herren, dürfen wir hier nicht um den heißen Brei reden, sondern müssen nicht Fragezeichen hinter die Aussagen von Willi Lemke stellen, sondern Ausrufezeichen und dies, meine Damen und Herren, an der Stelle umsetzen und nicht noch lange großartig diskutieren. Die Zeit, meine Damen und Herren, ist für die Bremer Kinder nicht da. Wir reden hier über die Zukunft unserer Kinder und nicht über irgendetwas Anonymes, das am Ende zu keinen Konsequenzen führt. In dem Sinne, meine Damen und Herren, kann ich Sie alle nur auffordern und insbesondere die GEW – da kann ich mich nur anschließen, eine katastrophale Äußerung, die dort abgegeben worden ist, hier meldet man sich offensichtlich aus dem gesellschaftlichen bildungspolitischen Diskurs ab –, den Widerstand, der ja gerade aus den Kreisen jetzt bei der Veränderung der Schulstrukturen vorgenommen worden ist, endlich aufzugeben, den Worten, den Maßnahmen, die Willi Lemke hier angedeutet hat, ich sage das ganz ausdrücklich, hinsichtlich der Lehreraufsicht, der Lehrerfortbildung und der Lehrerausbildung zu folgen und Zeichen zu setzen, dass wir die Konsequenzen aus Iglu wahrnehmen, dass wir hier bereit sind, die Konsequenzen daraus für eine gute Zukunft unserer Kinder zu ziehen! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kastendiek, ich hatte mich schon gemeldet, bevor Sie hier ans Rednerpult gegangen sind, weil ich noch gern einen Aspekt mit in die Debatte einbringen wollte, den wir nicht vergessen sollten. Ich gehe aber gern kurz auf Sie ein.
Ich hatte bei dieser Debatte überhaupt nicht den Eindruck, dass wir mit den drei Fraktionen weit auseinander liegen. Jeder hat hier gesagt, die Arbeit, die Qualität an den Schulen muss besser werden. Es ist auch gezeigt worden, wie wir ganz konkret als große Koalition schon Maßnahmen eingeleitet haben. Ihren Appell haben wir sicher alle gern zur Kenntnis genommen, aber ich bin ganz sicher, dass es dieses Appells nach dieser Debatte fast gar nicht bedurfte, denn jeder einzelne Redner, jede einzelne Rednerin der drei Fraktionen hat deutlich gemacht, dass sie sich der Qualität des Unterrichts verpflichtet fühlen. Soviel vielleicht zur Ihrer Beruhigung noch von dieser Stelle!
Ich wollte auf einen anderen Aspekt hinweisen, meine Damen und Herren. Im Verlauf der Beschäftigung mit Iglu bin ich über einen Bereich gestolpert, den wir uns, glaube ich, auch hier in unserer Funktion als Gesetzgeber vornehmen müssen. Es ist die Frage der Überarbeitung des Schuldatenschutzgesetzes. Da sind einige Punkte enthalten, die eine vernünftige und, wie man so schön sagt, schulscharfe oder schulbezogene Evaluation so nicht möglich machen. Es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, wie wir auch den Schulen selbst zurückspiegeln können, wie die Ergebnisse sind, ohne da an datenschutzrechtlichen, vielleicht nicht mehr ganz passenden Bestimmungen zu scheitern. Das ist etwas, was wir uns – sicher im Sinne von Herrn Kastendiek nicht auf die lange Bank geschoben – bald vornehmen sollten als einen weiteren Aspekt zur Weiterentwicklung der Qualität in unseren Schulen. – Ich danke Ihnen!
Meine Damen und Herren, gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gewalt findet zunehmend in den eigenen vier Wänden statt. Sie richtet sich gegen die schwächeren Mitglieder dieser Gemeinschaft, nutzt brutal wirtschaftliche und soziale Abhängigkeiten aus. In den allermeisten Fällen, und wen wundert es, sind Opfer der Gewalt die Frauen.
Aus diesem Grund hat die Bundesregierung 1999 einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen beschlossen. Gesetzliche und soziale Maßnahmen sollten es den Frauen erleichtern, ihre Rechte wahrzunehmen und Hilfen einzufordern, sich aus gewalttätigen Beziehungen zu lösen, um nicht länger stille Opfer zu sein.
Die wichtigste gesetzliche Maßnahme des auf Bundesebene zum 1. Januar 2002, also vor gut zwei Jahren, in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetzes ist die Regelung zur Wohnungsüberlassung. Dies kann man auch kurz zusammengefasst sagen: Wer schlägt, muss gehen, das Opfer bleibt in der Wohnung! Damit haben wir eine ganz gewaltige Änderung in der Rechtsprechung auf Bundesebene vorgenommen. Bremen hat als eines der ersten Bundesländer auf Initiative der SPD-Fraktion das Bremische Polizeigesetz entsprechend angepasst, damit keine Rechtslücke zwischen dem polizeilichen Einsatz und der gerichtlichen Schutzanordnung entsteht. Gleichzeitig wurde vom Senat ein Präventionskonzept vorgelegt.
Da unterschiedliche Institutionen und Kompetenzträger mit der Umsetzung der Maßnahmen betraut sind, ist eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die diese Maßnahmen koordiniert. Der erste Kontakt wird in der Regel hergestellt im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes. Somit hat die Polizei in dem gesamten Interventionssystem eine sehr bedeutende Stellung. Die Polizei in Bremen
hat sich ganz schnell für diese neue Situation fit gemacht, hat organisatorische Strukturen neu aufgebaut, andere angepasst, und vor allen Dingen, was wichtig ist, sie hat ihre Beamtinnen und Beamten sehr intensiv geschult und sensibel gemacht für ihre Einsätze, das waren immerhin in zwei Jahren 197.
Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Beziehungsgewalt werden bei der Polizei in einem Informationssystem erfasst, so dass auch, wenn jetzt mehrere Fakten gesammelt worden sind, eine Auswertung vorgenommen werden kann. Bei der Ausund Fortbildung der Polizei ist das Thema häusliche Beziehungsgewalt ein fester Bestandteil des Ausbildungsplans, und es gibt einen Beamten, der speziell dafür abgestellt ist, die Koordination der verschiedenen Institutionen zu halten. Die Wegweisung des Täters und somit der Polizeieinsatz ist keine isolierte Maßnahme, sondern der erste Punkt eines Unterstützungssystems.
Zuständig für eine begleitende Betreuung der Opfer in Bremen ist das jeweilige Sozialzentrum, in Bremerhaven wird diese Arbeit vom Frauenhaus des Diakonischen Werkes übernommen. Die Stadt Bremen beschreitet hier einen für die Bundesrepublik ungewöhnlichen Weg, indem es keine feste zentrale Beratungsinstitution gibt. Die Beratung ist angegliedert an die Sozialzentren, diese sind dezentral organisiert, und entsprechend dieser dezentralen Organisation ist auch dieses Beratungsnetz für die Opfer der häuslichen Gewalt dezentral organisiert. Diese komplizierte Struktur brachte am Anfang schon einige Reibungsverluste mit sich, die aber nach Angaben des Senats zwischenzeitlich bereinigt sind. Von uns geführte Gespräche haben auch gezeigt, dass hier neue Erkenntnisse in die Ablaufpläne übernommen worden sind und diese Punkte jetzt wirklich gut laufen.
Kritisch wird von freien Trägern angemerkt, dass bei dieser Organisationsform die Beratung nicht umfassend sein kann und vor allem, dass die freien Träger von dieser Beratung quasi ausgeschlossen werden. Wir gehen aber davon aus, dass alle zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialzentren alle notwendigen Unterstützungsmaßnahmen und Institutionen kennen und diese, wenn es notwendig ist, auch einbeziehen. Hier gibt es zum Beispiel den Verein Neue Wege, der auch vom Sozialsenator finanziell in der Arbeit unterstützt wird.
Die Entwicklung im Bereich der häuslichen Gewalt in Deutschland zeigt, dass Unterstützungseinrichtungen wie zum Beispiel Frauenhäuser weiter gefragt sind. Durch die verbesserte Rechtslage fühlen sich mehr Frauen ermutigt, sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu lösen. Die Möglichkeit, den Täter aus der Wohnung zu verweisen, greift, aber nicht immer. In diesen Fällen sind die Frauen darauf angewiesen, dass es eine sichere Zuflucht gibt. Die Frauenhäuser in Bremen und Bremerhaven sind auch nach In-Kraft-Treten dieses neuen Gesetzes
weiter belegt. Für uns, also für die SPD-Fraktion, sind die Frauenhäuser ein ganz wichtiger Bestandteil dieses Hilfesystems.