Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

weiter belegt. Für uns, also für die SPD-Fraktion, sind die Frauenhäuser ein ganz wichtiger Bestandteil dieses Hilfesystems.

(Beifall)

Zu einem umfangreichen Präventionskonzept zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt gehört auch die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema. Eine Vorreiterrolle haben hier bei uns in Bremen die Krankenhäuser übernommen, die eine Informationsbroschüre für die Patientinnen und Patienten erstellt haben, aber auch eine für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gerade im Gesundheitsbereich ist dieses Wissen um die Auswirkungen beziehungsweise die gesundheitlichen Folgen von Gewalt notwendig, um den Frauen ganz gezielt Hilfe zukommen zu lassen. Mehr Information unter anderem durch eine verstärkte Fortbildung wünsche ich mir besonders in der Ärzteschaft. Studien über die Folgekosten von Gewalt zeigen deutlich, dass ein frühes Erkennen von gewaltbedingten Beschwerden eine erfolgreiche Behandlung ermöglicht und damit in unserem Gesundheitssystem auch zu Einsparungen führen kann.

Wichtig ist eine Aufklärungsarbeit im Kinder- und Jugendbereich. Antigewaltprojekte sind weiter zu unterstützen und auszubauen. Das Projekt Streitschlichtung, das es an verschiedenen Schulen gibt, kann als sehr erfolgreich gelten und sollte auf alle Schulen übertragen werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Antigewaltarbeit muss somit fester Bestandteil der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen werden. Dies setzt natürlich auch voraus, dass die Ausbildung derjenigen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, auch entsprechend angepasst wird, ähnlich wie es bei der Polizeiausbildung schon gemacht worden ist, wo dieses Thema fester Bestandteil ist.

Ein Punkt darf aber in der ganzen Diskussion nicht vergessen werden: Die Täter selbst müssen in die Antigewaltarbeit einbezogen werden. Nur vereinzelt begeben sich gewalttätige Männer in eine Therapie oder, man kann es auch anders ausdrücken, in einen sozialen Trainingskurs. Ich wünsche mir hier ausdrücklich, dass von gerichtlicher Seite mehr Auflagen erteilt werden, diese Kurse zu besuchen, freiwillig machen es die Männer leider nicht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der Bericht des Senats über die Erfahrungen mit diesem neuen Instrument zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt hat gezeigt, dass das Zusammenspiel der verschiedenen Institutionen in Bremen recht gut

funktioniert. Die ressortübergreifende Arbeitsgruppe wird in regelmäßigen Abständen dem Ausschuss für die Gleichberechtigung der Frau berichten, und wir werden diese Berichte und die Arbeit zukünftig sehr kritisch begleiten. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Windler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute die Zwischenbilanz Gewaltschutzgesetz und Wegweisungsrecht. Zwei Jahre nach In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung können wir mit den Erfahrungen, die in dieser Zeit gemacht wurden, arbeiten. Als 2001 das neue Polizeigesetz eingeführt wurde, war es nicht leicht, das Wegweisungsrecht mit in das Bremische Polizeigesetz aufzunehmen. So haben alle gemeinsam in der Bremischen Bürgerschaft dafür gekämpft. Ich möchte mich dafür heute noch einmal ganz ausdrücklich bedanken, dass es wirklich parteiübergreifend passiert ist.

Der Bundesgesetzgeber arbeitete gerade an dem Gewaltschutzgesetz, und wir warteten deshalb auf eine gemeinsame Lösung. Inzwischen ist die Polizei sehr zufrieden mit dem Wegweisungsrecht, bietet es ihnen doch Rechtssicherheit. Das polizeiliche Wegweisungsrecht dient dem lückenlosen Schutz der Opfer häuslicher Gewalt. Demnach kann gewalttätigen Partnern – ganz gleich, ob Mann oder Frau – das Betreten der gemeinsamen Wohnung bis zu zehn Tagen verboten werden. In dieser Zeit können sich die emotionalen Wogen glätten und kann, das weitere Vorgehen überlegt werden.

Seit dem 25. Oktober 2003 wurde von der Polizei Bremen in 168 Fällen und in Bremerhaven in 29 Fällen eine Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot gemäß Paragraph 14 a Bremisches Polizeigesetz verfügt. Meine Damen und Herren, interessant dabei ist, dass die Polizei am Anfang der Einführung des Wegweisungsrechts kürzere Wegweisungen verfügt hat. Die Höchstdauer der Wegweisung ist die Dauer von zehn Tagen. Diese Dauer ist aber am Anfang nicht immer ausgesprochen worden, sondern man hat nach unserem Empfinden erst einmal ausprobiert, wie man damit umgeht.

Positiv zu vermerken ist, dass die Anträge auf zivilrechtlichen Schutz vor Gewalt schnell und kurzfristig ohne langes Verfahren von den Gerichten geregelt werden. Die CDU-Fraktion würde es begrüßen, wenn die Gerichte in den Statistiken, die sowieso erstellt werden, vermerken könnten, ob einen Antrag auf zivilrechtlichen Schutz nach dem Gewaltschutzgesetz eine Maßnahme der Polizei nach Pa––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ragraph 14 a Bremisches Polizeigesetz vorausgegangen ist.

Die CDU-Fraktion begrüßt die gute Zusammenarbeit der Polizei und des ambulanten Sozialdienstes. Bei weiteren Gefährdungsmomenten aus der Sicht der Polizei handelt der Sozialdienst unverzüglich, nämlich mit einem sofortigen Hausbesuch. Der Sozialdienst gibt dann eine Rückmeldung an die Polizei. Aber auch in anderen Fällen erfolgt der Hausbesuch spätestens am dritten Werktag nach der Verweisung durch die Polizei. Der Hausbesuch dient dazu, die betroffenen Personen zu den rechtlichen Schritten zu beraten, der Notwendigkeit, weitere Hilfen abzuklären und gegebenenfalls Maßnahmen einzuleiten. Die CDU-Fraktion begrüßt, dass auch die Datenschutzrichtlinien eingehalten werden.

Meine Damen und Herren, häusliche Beziehungsgewalt kommt in allen Bevölkerungsschichten vor. Das haben wir bereits hier in mehreren Debatten deutlich gemacht, und das hat auch Frau ArnoldCramer in ihrem Beitrag sehr deutlich gemacht. Deutlich gemacht haben wir auch, dass immer die ganze Familie leidet, alle sind betroffen, auch und gerade die Kinder. Frauenhäuser sind wichtig, gut und notwendig. Auch in Bremen und Bremerhaven flüchten die Frauen direkt in ein Frauenhaus, ohne vorher die Polizei um Hilfe zu rufen. Interessant ist aber auch die Tatsache, dass sich herausgestellt hat, dass es sich um eine ganz andere Klientel von Frauen handelt, die als Opfer das Wegweisungsrecht in Anspruch nimmt.

Meine Damen und Herren, lässt das den Schluss zu, dass es mehr häusliche Gewalt in Bremen und Bremerhaven gibt? Ich glaube nicht, wir haben aber auch ein Instrument gefunden, Gewalttaten aus der Anonymität zu holen, Gewalt in die Öffentlichkeit zu holen und nicht mehr zu tabuisieren.

Die Akzeptanz der Wohnungsverweisung bei den Tätern ist erstaunlich hoch. In nur zehn Fällen von 197 Wohnungsverweisen legten die verwiesenen Personen Widerspruch beim Verwaltungsgericht ein. Alle diese Fälle wurden zurückgewiesen. In neun Fällen wurden in Bremen und Bremerhaven wegen Missachtung der Wohnungsverweisung die Personen in Polizeigewahrsam genommen. Die gerichtlichen Anordnungen werden in der überwiegenden Zahl der Fälle von den Betroffenen akzeptiert, und gerichtliche Zwangsmittel zur Durchsetzung werden nur in Ausnahmefällen erforderlich.

Die CDU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass sich bei der Umsetzung des von der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe erarbeiteten Präventionskonzeptes keine Schwierigkeiten ergeben haben. Häusliche Beziehungsgewalt muss stärker in die Öffentlichkeit, um sie einzudämmen und sie zu bekämpfen. Nur wenn wir aufklären und die häusliche Beziehungsgewalt enttabuisieren, können wir helfen. Die Aktion der ZGF, Gewalt kommt nicht in die Tüte,

zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ist zum Beispiel Öffentlichkeitsarbeit pur. Ich kann nur sagen hervorragend und danke für diese hervorragende Idee. Die Bevölkerung sensibel zu machen für dieses Thema ist sehr wichtig und die größte präventive Maßnahme, die wir in der Hand haben. Wir alle können etwas tun, um häusliche Beziehungsgewalt einzudämmen, nämlich wachsam und sensibel auf unsere Umgebung sein. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich ist es gerade erst zwei Jahre alt, das Gewaltschutzgesetz trat im Januar 2002 in Kraft. Ich denke aber, trotzdem ist es nicht zu früh, eine erste Bilanz zu ziehen.

Fakt eins: eine überwiegend positive Resonanz auf der Bundes-, Landes- und auch Kommunalebene! Ich denke, dass hier keiner im Raum sagen wird, dass dieses Gesetz nicht dringend nötig war. Notwendig, um endlich eine klare Gesetzesgrundlage zu schaffen, und notwendig auch, um mit dieser Form von Gewalt umzugehen, notwendig auch, weil endlich aufgeräumt wurde mit dem Vorurteil, dass häusliche Beziehungsgewalt eine Privatsache sei, meine Damen und Herren!

Auch fortschrittlich und richtig ist es, dass die Gewalt mit ihren unterschiedlichen Facetten nicht nur betrachtet, sondern auch thematisiert werden muss. Gewalt an Kindern, Gewalt an Jugendlichen, sexueller Missbrauch und so weiter, diese Themen müssen in der Zukunft intensiv von uns weiter bearbeitet werden und eine breite gesellschaftliche Debatte darüber geführt werden. Gewalt gegen Menschen muss gesellschaftlich geächtet werden, meine Damen und Herren. Darum sind das Gewaltschutzgesetz auf Bundesebene und das Wegweisungsrecht auf Landesebene im Polizeigesetz in Bremen wichtige Schritte gewesen, um dieses Thema anzugehen. Doch, meine Damen und Herren, das eine ist nicht gleich das andere. Eine Gesetzgebung auf der einen Seite und die Umsetzung auf der anderen Seite ist genauso wichtig, und da sind wir wieder bei der Bilanz.

Doch bevor ich ins Detail gehe zur Umsetzung dieser Gesetze aus Sicht der grünen Fraktion, möchte ich eines ganz deutlich machen: An alle Beteiligten ist ein Lob auszusprechen für die Umsetzbemühungen, und das, denke ich, vor dem Hintergrund eigentlich doch dieser ganz kurzen Zeit. Nach meinen Recherchen bei allen Institutionen, die mit häus––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

licher Beziehungsgewalt beschäftigt sind, ist die gute Zusammenarbeit mit der Polizei angeführt worden. Ich denke, das können Sie mitnehmen und auch weitergeben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das gilt in beiden Städten, in Bremen und in Bremerhaven. Es gibt inzwischen klare Leitlinien, wie die Beamtinnen und Beamten bei Einsätzen zur häuslichen Beziehungsgewalt vorgehen sollen. Das ist für ihre Arbeit vor Ort sehr notwendig. Auch die Infobroschüre für die von Gewalt Betroffenen ist gut und richtig. Sie kann eine echte Hilfe sein für die rechtliche Situation und für das, was folgen kann, denn eines ist doch klar, meine Damen und Herren: Eine wichtige Zielsetzung ist es doch nicht nur, den schlagenden Partner aus der Wohnung zu weisen, sondern auch dem Opfer tatsächlich Hilfe und Unterstützung zu geben. Häusliche Gewalt ist niemals eine einmalige Tat, meistens besteht diese Beziehungsgewalt schon über Monate und leider auch über Jahre. Darum ist gerade der Beratungsaspekt der Opfer von sehr großer Bedeutung. Die entscheidende Frage ist dann: Wie komme ich langfristig aus dieser Situation heraus? Diese schwere Aufgabe der Lösungsberatung soll in Bremen durch die Sozialen Dienste geleistet werden. Verwunderlich fand ich deshalb in der Aussage des Senats in der Mitteilung über die Zwischenbilanz, dass der Senat davon ausgeht, dass jedes Opfer ein Beratungsangebot durch den Sozialen Dienst erhält. Auch hat der Senat keine Kenntnis darüber, ob Opfer Beratungsangebote freier Einrichtungen nutzen. Das fand ich bei genauem Hinsehen nicht ganz nachvollziehbar. Es muss doch dokumentiert sein, wer ein Beratungsangebot erhalten hat und wie es auch genutzt wird, wer auf andere Beratungsangebote hingewiesen wurde. Um das klarer zu machen, meine Damen und Herren, wir fragen: Warum ist in der Stadt Bremen vom Amt für Soziale Dienste noch keine Frau an das Frauenhaus verwiesen worden? Das ist nach Aussage der Frauenhäuser bis jetzt nicht passiert. Das finde ich sehr verwunderlich, und dies gilt es zu klären. Hapert es hier an der Zusammenarbeit? Das müssen wir herausfinden. Der richtige Ort, um das zu klären, wäre doch die ressortübergreifende Arbeitsgruppe für häusliche Beziehungsgewalt, denke ich. Nach Aussage des Senats tagt sie in regelmäßigen Abständen, und die freien Träger werden zu den Arbeitssitzungen eingeladen. Dort sollen Probleme im Zusammenhang mit der Begleitung und Beratung von Gewaltopfern und Gewalttätern erörtert werden. Das ist auch in Ordnung, und das finde ich auch richtig, aber dort muss auch Erfahrungsaustausch eine wichtige Rolle spielen, Erfahrungsaustausch, um Wissen zu erweitern, auch um Reibungsverluste zu mindern. Außerdem verfügen freie Träger oft über gute Kontakte in andere Bundesländer, so entsteht eine Ver

netzung und ein Informationsgewinn über den Tellerrand hinaus. Meine Damen und Herren, ich denke, hier muss noch etwas nachgebessert werden.

Lassen Sie mich noch zum Abschluss einen Blick auf die Frauenhäuser werfen, das haben meine beiden Kolleginnen vorher auch schon getan! In Bremen und Bremerhaven gab es bisher durch die Wohnungsverweisung keine Auswirkungen auf die Belegung. Es hat sich herausgestellt, das sagte Frau Windler eben auch, dass manche Frauen direkt in ein Frauenhaus flüchten, ohne vorher die Polizei um Hilfe zu rufen. Das bedeutet, dass Frauenhäuser auch weiterhin eine wichtige Einrichtung zum Schutz von Frauen und ihrer Kinder sind und zum Schutz gegen Gewalt. Herausgestellt hat sich, dass die Frauenhäuser zunehmend mehr Zeit für Beratung aufbringen müssen, doch die zu beratenden Frauen sind größtenteils dort nicht untergebracht. So entstehen Finanzierungslücken, die noch nicht geschlossen sind, aber geschlossen werden müssen. Wir können nicht hinnehmen, dass Beratungsgespräche wochenlang terminiert werden müssen.

Zum Abschluss kann ich für die grüne Fraktion sagen, die Zwischenbilanz für dieses Gesetz ist positiv. Wir können allen Beteiligten danken, auch in der Hoffnung, dass sie mit dem gleichen Engagement weitermachen bei diesem Thema und auch im Hinblick darauf, wie schwierig es anzugehen ist. Die Optimierung, das sagte ich schon, besteht in der Vernetzung. Ich denke, das ist uns auch allen möglich, das durchzubekommen. Wir sind hier auf einem guten Weg. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Dr. vom Bruch.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer schlägt, geht! So kann man den Inhalt des Gewaltschutzgesetzes und des Bremischen Polizeigesetzes, das hier verankerte Wegweisungsrecht, zusammenfassen. Das Motto wurde bereits genannt. Die Wirksamkeit, ich will ganz absichtlich nicht von Erfolg sprechen, dieses polizeilichen Instrumentariums können Sie in der vorliegenden Antwort des Senats auf die Große Anfrage nachlesen.

Was mich persönlich besonders freut, ist die in diesem Bereich reibungslos funktionierende Zusammenarbeit der Polizei mit dem Amt für Soziale Dienste. Um unmittelbar nach der polizeilichen Wohnungsverweisung, in der Regel als Opfer betroffene Frauen und ihren Kindern, sozialpädagogische Betreuung und Unterstützung gewähren zu können, ist zwischen der Polizei und dem Amt für Soziale ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Dienste ein Kooperationsverfahren entwickelt und abgestimmt worden. Das Gewaltschutzgesetz und das Wegweisungsrecht bieten viel mehr als nur die kurzfristige räumliche Trennung des gewalttätigen Ehegatten oder des Lebenspartners vom Opfer. Die Zeit der Wegweisung soll eben gerade dazu dienen, dem Opfer umfassenden Schutz, sei es durch zivilrechtliche Maßnahmen auf der Grundlage des Gewaltschutzgesetzes oder durch praktische Vorkehrungen, zu ermöglichen. Auch in diesem Bereich arbeiten Polizei und das Amt für Soziale Dienste gemeinsam zum Wohle der Opfer.

Im Land Bremen wurden im Jahr 2002 von den Polizeibehörden 228 Fälle und im Jahr 2003 319 Fälle von häuslicher Beziehungsgewalt registriert. Dabei handelt es sich nur um die Fälle, die zur Anzeige gebracht wurden. Man spricht auch vom Hellfeld. Die Zahlen im so genannten Dunkelfeld liegen vermutlich weit darüber. Interessant, wenn auch nicht völlig unerwartet, ist, dass zirka 98 bis 99 Prozent aller Weggewiesenen Männer sind. Dies macht deutlich, dass es nicht nur um den Schutz von Familien im Allgemeinen geht, sondern speziell und insbesondere um den von Frauen. Wenn man nicht nur die erwähnte Dunkelziffer berücksichtigt, sondern bedenkt, dass einer durchgeführten Wegweisung mutmaßlich Schlimmes vorausgeht, wird deutlich, dass wir es mit einem Problemfeld zu tun haben, das dringend auch staatlicher Eingriffsmöglichkeiten bedurfte. Die häusliche Gewalt trifft in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle also Frauen und auch Kinder.

Häusliche Gewalt ist schon deshalb keine Privatsache und kein Kavaliersdelikt, weil das Recht des vermeintlich Stärkeren auch nicht in den Familien gelten kann. Täter und Opfer sind ohne Schönfärberei, Verniedlichung und Untertreibung als solche zu benennen. Diese Erkenntnis hat sich inzwischen auch in der Öffentlichkeit durchgesetzt, und es ist eine für mich wichtige Errungenschaft unserer rechtsstaatlichen Gesellschaft. Häusliche Gewalt kann zudem mehr als nur negative Auswirkungen auf die Entwicklung der in diesen Familien aufwachsenden Kinder haben. Die Familie ist die erste Sozialisationsinstanz. Wenn dort jahrelang von Gewalterfahrung geprägte Verhaltensmuster erlebt und vermittelt werden, wirken sich diese persönlichkeitsprägend relevant und nachhaltig aus.

Externe Hilfestellung war bislang rar, gilt die Familie doch, zunächst zu Recht, als Privatsphäre, als ein Ort, in dem sich niemand einzumischen hat, auch nicht der Staat. Kinder sind in einem solchen Zusammenhang insofern doppelt betroffen. Sie sind nicht nur Opfer unmittelbarer psychischer und physischer Gewalt, sondern darüber hinaus resultierende Sozialisations- und Lerneffekte, die potentiellen Täter von morgen. Auch aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, ist es unerlässlich, den Kreis

lauf der Gewalt so frühzeitig und so wirkungsvoll wie möglich zu unterbrechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auf einige Einzelheiten der Antwort auf die Große Anfrage hinweisen! Durch die bundesweit zunehmende öffentliche Diskussion, die Inkraftsetzung des Gewaltschutzgesetzes im Dezember 2001 und die Initiativen des Bremer Senats wie das von der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe häusliche Beziehungsgewalt erstellte Präventionskonzept konnte in den letzten Jahren, wie ich meine, viel erreicht werden. Gewalttaten in häuslicher Beziehung und Lebensgemeinschaften sind in der Regel keine Einzeltaten. Erfahrungsgemäß werden die Täter erneut gewalttätig.

Um auf diese Erkenntnis effektiver reagieren zu können, wurde am 25. Oktober 2001 die Möglichkeit der Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt zur Verhinderung weiterer schwererer Grundrechtsverletzungen zum Nachteil des bereits geschädigten Opfers in das Bremische Polizeigesetz aufgenommen. Mit Hilfe der polizeilichen Wohnungsverweisung kann nun ein Täter in Fällen häuslicher Gewalt für einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen aus der Wohnung verwiesen und mit einem Rückkehrverbot belegt werden. In dieser Zeit ist es dem Opfer möglich, weiterreichende zivilrechtliche Schritte gegen den Täter einzuleiten. Im Ausnahmefall kann die Frist um weitere zehn Tage durch die Polizei verlängert werden, wenn dem zuständigen Gericht ein Antrag auf Zuweisung der Wohnung vorliegt, über den noch nicht entschieden werden konnte.

Nach den praktischen Erfahrungen der Polizei und der Gerichte bieten die Möglichkeiten des Paragraphen 14 a Bremisches Polizeigesetz, das ist die Wegweisung, und des Gewaltschutzgesetzes ein wirksames Instrumentarium zur Bekämpfung häuslicher Beziehungsgewalt, so dass damit ein angemessenes, schnelles und effektives Verfahren zum Schutz der Opfer gegen Gewalt zur Verfügung steht. Dies wird unter anderem dadurch belegt, und das ist schon zur Sprache gekommen, dass die im Rahmen des polizeilichen Einsatzes verfügten Wohnungsverweisungen mit Rückkehrverbot in den überwiegenden Fällen eingehalten wurden, so dass weitere zu befürchtende Gewaltanwendungen unterbunden werden konnten.

Lassen Sie mich eine Anmerkung zum Schluss machen! Die hier in Rede stehende Wohnungsverweisung ist ein polizeiliches beziehungsweise ein rechtliches Eingriffsrecht der Vollzugsbehörden. Es ist deshalb kein Instrument der Frauen-, Familien- oder Jugendhilfe, sondern eine, wenn auch wichtige Voraussetzung dafür. Wer diese Politikfelder ernst nimmt, weiß, dass nur im Zusammenspiel dieser Bereiche Effekte erzielt werden können, die Gewalt in Fami

lien vornehmlich gegen Frauen und Kinder zu unterbinden oder möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. Dies lenkt den Fokus auch, vielleicht ganz vornehmlich, auf die Notwendigkeit präventiver, die Familien stärkender Initiativen und Maßnahmen der Politik und der Gesellschaft.

Die Zahlen zur Wegweisung aus der Wohnung sind deshalb kein Erfolg. Sie sind vielmehr ein Indikator für ein gesellschaftliches Problem, das sich mit polizeilichen und staatlichen Mitteln niemals endgültig lösen lässt und die nahe legen, dass wir ein darüber hinausgehendes ständiges und tätiges Bekenntnis zur Familie und zur Gewaltlosigkeit brauchen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall)