Protokoll der Sitzung vom 30.01.2004

Ich eröffne die zwölfte Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Wie schon gestern begrüße ich recht herzlich eine Gruppe Studierender der International University Bremen.

(Beifall)

Gemäß Paragraph 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt: Nachträglich hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch um eine Wahl für die staatliche Deputation für Kultur gebeten.

Ich schlage Ihnen vor, diese Wahl am Schluss der Tagesordnung aufzurufen.

Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist die Bürgerschaft (Landtag) damit einverstanden.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen jetzt noch zu dem Ablauf Folgendes mitteilen: Hinsichtlich der Abwicklung der Tagesordnung der Bürgerschaft (Landtag) wurde nachträglich vereinbart, dass heute zu Beginn der Sitzung der Tagesordnungspunkt sechs, hier handelt es sich um das Gesetz zu dem Vertrag der Freien Hansestadt Bremen mit dem Heiligen Stuhl, danach der Punkt außerhalb der Tagesordnung „Überweisungspannen offenbaren Strukturfehler“ und im Anschluss daran die miteinander verbundenen Tagesordnungspunkte zehn und elf behandelt werden.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein.

Gesetz zu dem Vertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen und dem Heiligen Stuhl

Mitteilung des Senats vom 16. Dezember 2003 (Drucksache 16/100) 1. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Professor Dr. Hoffmann.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Professor Dr. Hoffmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat legt Ihnen jetzt die Bitte um abschließende Zustimmung zu dem ausgehandelten Vertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen und dem Vatikan vor. Wie Sie aus der

vorangegangenen Befassung wissen, ist dies zwar einerseits die Parallele zu dem Staatsvertrag mit der Evangelischen Kirche und auch dem Staatsvertrag mit der Jüdischen Gemeinde, aber es hat auch seine Besonderheiten insoweit, als es ein Vertrag mit dem Vatikan ist. Deswegen ist es ein völkerrechtlicher Vertrag, der aber ausnahmsweise vom Land allein und nicht mit Zustimmung der Bundesregierung, die ja ansonsten die völkerrechtliche Vertretung der Bundesrepublik inne hat, beschlossen werden kann. Das resultiert aus der besonderen Rolle des früheren Reichskonkordats, das bekanntlich nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zwar noch gilt, aber andererseits die Länder im Einzelnen nicht bindet.

Der Inhalt dieses Vertrags ist im Wesentlichen deckungsgleich insbesondere mit dem Vertrag mit der Evangelischen Kirche, und insoweit finden Sie meistens sogar identische Formulierungen. Wenn die Formulierungen auch bei inhaltlich identischer und gleicher Regelung gelegentlich etwas abweichen, so sind das, auch in Absprache mit den jeweils zuständigen Ressorts, keine weiteren Besonderheiten, sondern wenn man mit einem neuen Vertragspartner redet, dann gibt es da besondere Wünsche, aber inhaltlich ist es eigentlich im Wesentlichen deckungsgleich.

Ich weise nur darauf hin – das steht dann in den Schlussprotokollen – , dass die Freie Hansestadt Bremen mit Abschluss dieses Vertrages dann auch auf frühere Rechte, die aus alten Regelungen stammen, verzichtet. Dabei erlebt wahrscheinlich mancher von Ihnen Überraschungen, genauso wie ich das auch zunächst wahrgenommen habe, welche Rechte wir eigentlich bis zum Abschluss dieses Vertrages haben, nämlich dass ein Bischof den Treueeid gegenüber der jeweiligen Landesregierung leisten muss.

Wenn ich das richtig verstehe, ist das noch nie, soweit ich das feststellen konnte, praktiziert worden. Wir haben allerdings in früheren Jahrzehnten, muss man dazu sagen, nach Auskunft unserer Registratur durchaus einen entsprechenden Schriftwechsel zwei oder drei Mal geführt seit etwa 1960 und zum Teil bis in die achtziger Jahre hineinreichend, aber der Treueeid ist, glaube ich, noch nicht abverlangt worden. Ich war sehr überrascht, als ich feststellte, dass wir darauf überhaupt verzichten können, meinte aber nach Beratung im Senat, dass der Verzicht wohl angemessen ist und in das heutige Zeitalter und insbesondere in unsere bremische Situation hineinpasst. Das finden Sie hier auch ausgeführt. Sonst enthält eigentlich der Vertrag, der ja auch mit Billigung durch die Bürgerschaft öffentlich zusammen mit dem Nuntius, dem jetzigen Außenminister des Vatikans, im Nebenraum unterzeichnet wurde, nichts an Besonderheit.

Es ist aber der notwendige Ergänzungsschritt, dass wir eben auch für die dritte große Religionsgemeinschaft aus diesem Bereich, nämlich neben der Evan

gelischen Kirche und der Jüdischen Gemeinde die katholischen Gemeinden und Diözesen, hier uns um das kooperativ gemeinschaftliche Umgehen miteinander bemühen bei Wahrung der jeweiligen Eigenheiten und eigenen Rechte. Insoweit wäre das der Abschluss einer Reihe von kirchenrechtlichen Regelungen, die wahrscheinlich mehr durch ihren Symbolgehalt wirken als durch die Regelungen selbst, weil die Regelungen überwiegend auch Regelungen sind, die in anderen Vorschriften schon enthalten sind. Deswegen möchte ich Sie im Namen des Senats bitten, heute in der ersten Lesung über die abschließende Zustimmung zu befinden, damit dann mit dem Plazet der Bürgerschaft und der letztlich noch einmal einzuholenden Zustimmung des Vatikans dieser Vertrag in Kraft treten kann. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen aller drei Fraktionen möchte ich erklären, dass wir diesen Vertrag zwischen der katholischen Kirche und der Freien Hansestadt Bremen ausdrücklich begrüßen. Wir begrüßen ihn auch aus dem Grunde, weil hiermit ein Einklang mit den anderen großen Kirchen hier im Land hergestellt worden ist. Wir begrüßen es auch, weil die vielfältige und sehr gute Zusammenarbeit zwischen Bremen und der katholischen Kirche sehr gut funktioniert und jetzt hier in einen Rahmen, auf eine Basis gesetzt worden ist, die eine Verlässlichkeit darstellt, die dann auch, falls einmal die Zusammenarbeit nicht mehr ganz so gut sein sollte, einen Handlungsfaden gibt, wobei wir davon ausgehen, dass dies nicht eintreten wird. Ich denke aber, dass hier der Gleichklang in sinnvoller Weise hergestellt worden ist.

Dass man nun auf das Mitspracherecht und das Treuegebot der jeweiligen Bischöfe hier vor der Landesregierung verzichtet, ich denke, das fällt uns relativ leicht. Auch ich kann mich nicht daran erinnern, dass dies jemals stattgefunden hat. Wir vom CDU-Landesvorstand hatten ja vor einigen Tagen ein Gespräch mit dem Bischof Bode, auch er hatte da kein größeres Problem. Von daher finde ich es auch ganz sinnvoll, da die Realitäten ein wenig einfließen zu lassen. In diesem Sinne begrüßen wir das im Namen aller drei Fraktionen außerordentlich und unterstützen hier auch den Senat in seinem Handeln gegenüber der katholischen Kirche. – Vielen Dank!

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zu dem Vertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen und dem Heiligen Stuhl, Drucksachen-Nummer 16/100, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

(Einstimmig)

Überweisungspannen offenbaren Strukturfehler

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der CDU vom 29. Januar 2004 (Drucksache 16/131)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Dr. Nußbaum, ihm beigeordnet Staatsrat Lühr.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Köhler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jeder, der mit mir in den letzten Tagen über diese Reihe von Fehlüberweisungen gesprochen hat, hat mich gefragt: Wo muss ich meine Kontonummer abgeben? Wie kann man das organisieren, dass ich auch eine Million abbekomme? Ihnen ist das wahrscheinlich ähnlich gegangen.

Wo gelacht wird, ist auch Humorkritik nicht weit. Wenn in der Freien Hansestadt Bremen mit Kaufmannstraditionen und seriösem Image Millionen Euro einfach so vom Staat verfumfeit werden, bedeutet das nicht nur einen finanziellen Schaden in einer Zeit, in der die Unterstützung für Sozialhilfeempfänger gekürzt wird, es bedeutet auch einen Verlust an Vertrauen. Wenn der Eindruck entsteht, dass der Staat nicht in der Lage ist, seine eigenen finanziellen Angelegenheiten zu regeln, und wenn das bettelarme Bremen bundesweit Verbündete für eine Verbesserung der finanziellen Lage suchen muss, dann macht es auch nicht den besten Eindruck, wenn es heißt, Bremen überweist unser Geld munter in die Welt.

Seit gestern wissen wir, dass es vier Fälle von Fehlüberweisungen in Millionenhöhe gegeben hat. Sie haben alle gemeinsam, dass Menschen Fehler gemacht haben, ansonsten unterscheiden sie sich.

Erstens: 124 Millionen Euro sind kurz vor Weihnachten an 33 Empfänger doppelt überwiesen wor

den. Das wurde sofort entdeckt, und innerhalb von 48 Stunden war das Geld zurück. Auch wenn es kein Computerfehler im engeren Sinne ist, war das Ganze im Wesentlichen ein technisches Problem an der Schnittstelle Mensch/Technik gewesen. Ob es da etwas zu verbessern gibt, wollen wir vom Senat wissen.

Zweitens: 1,8 Millionen Euro sind im Rahmen des Jahresabschlusses für 2002 doppelt an die Bremer Entsorgungsbetriebe überwiesen worden. Schaden ist nicht entstanden, das Ganze ist, wenn auch viel zu spät, rückabgewickelt worden. Genau genommen haben zwei Leute Umbuchungen vorgenommen, wo nur eine hätte passieren sollen. Wenn zwei Leute dasselbe tun und nichts voneinander wissen, dann ist das schon interessant. Dazu wollen wir Aufklärung.

Drittens: Rund zwei Millionen Euro sind im Oktober 2002 an Bürgerhäuser ausgezahlt worden, obwohl eigentlich bloß eine buchhalterische Umstellung vorgesehen war. Die Überzahlung ist im Rahmen des Controllings der KMB entdeckt worden. Das Geld haben die Verantwortlichen der Bürgerhäuser sofort zurücküberwiesen, vielen Dank dafür! Wir wollen wissen, was anders laufen muss, damit so ein Fehler nicht noch einmal passiert.

Viertens: Am interessantesten ist der Fall der Fehlüberweisung an die privatisierte Bundesdruckerei. 1,68 Millionen Euro hat Bremen verloren. Es gibt im Wesentlichen vier Beteiligte in Bremen. Die erste ist die Bremische. Sie ist tätig in der wirklichen Welt. Sie bewirtschaftet die Immobilien, sie gibt Geld für Unterhaltung aus, sie nimmt Mieten ein. Sie wickelt das Finanzielle dann mit der zweiten Beteiligten ab, das ist die Bremer Gesellschaft für Immobilien, die GBI. Für sie ist das aber kein eigenes Geld, sondern sie verwaltet treuhänderisch einen öffentlichen Sonderhaushalt.

Bei der GBI wird im Dezember 2002 per Zahlendreher statt einer Überweisung vom regulären, dem Kernhaushalt, an den Sonderhaushalt das Geld an die privatisierte Bundesdruckerei überwiesen. Die GBI merkt, dass das Geld nicht im Sonderhaushalt gutgeschrieben wird und wendet sich an die dritte Beteiligte, die Landeshauptkasse. Die schickt zwei Faxe an die Druckerei, nichts weiter passiert. Im Januar 2003 macht die vierte Beteiligte, nämlich die Finanzbehörde, den Jahresabschluss für 2002. Da wird alles so umgebucht, dass die Lücke im Haushalt 2002 im Vorgriff auf 2003 gestopft wird.

Wenn die Bundesdruckerei 2003 gezahlt hätte, dann hätten wir niemals von dieser Fehlüberweisung erfahren. Das Problem ist: Sie hat aber nicht gezahlt. Erst Ende September 2003 hat ein Mitarbeiter der Finanzbehörde den Fehler zufällig entdeckt. Es wurden dann die weiteren Schritte eingeleitet. Die privatisierte Bundesdruckerei meldete Insolvenz an, nachdem sie damit rechnen musste, das Geld tat

sächlich zurückzahlen zu müssen. Vier Beteiligte, ein Bermudaviereck der Unverantwortlichkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)