Jan Köhler
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe als Abgeordneter ganz viele Vorlagen gelesen, in denen immer dann, wenn es keinen vernünftigen Grund, für das was man tun wollte, gab, die Verwaltung auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU hingewiesen hat, und wir Grünen haben uns darüber immer schrecklich geärgert. Diese Vorlage hebt sich davon ganz positiv ab, und zwar deshalb, weil die Koalitionsfraktionen selbst auf den Koalitionsvertrag hinweisen und sagen, dass genau das Gegenteil von dem passiert ist, was CDU und SPD vereinbart hatten. Ich hätte mir auch an anderer Stelle gewünscht, dass auf den Koalitionsvertrag negativ Bezug genommen worden wäre.
Ich möchte an die Position von Herrn Knäpper erinnern, der in der letzten Bürgerschaftssitzung gesagt hat, dass Kriminalität und Strafvollzug nicht außerhalb der Gesellschaft stehen, sondern Teil von ihr sind. Es wäre falsch, nach dem Motto zu verfahren: Aus den Augen, aus dem Sinn! Wir können unsere Probleme nicht nach Niedersachsen abschieben, sondern wir als Stadtrepublik nehmen Selbstverantwortung für die Wiedereingliederung unserer Straftäterinnen wahr. Der Frauen-Strafvollzug, ist nicht von Bremen nach Niedersachsen verlegt worden, genauso wenig wie der Jugendvollzug aus Bremen verschwunden ist. Die Koalitionsvereinbarung, dass Bremen sich auf Männerstrafhaft konzentrieren soll, ist kein bisschen umgesetzt worden.
Es war zum Nutzen der Justizvollzugsanstalt und zum Nutzen der Bevölkerung in Bremen, dass die Koalitionsvereinbarung nicht umgesetzt wurde.
Es wäre allerdings viel besser gewesen, wenn SPD und CDU gleich etwas anderes vereinbart hätten. Viel Verunsicherung und böses Blut wäre vermieden worden, es wären nicht Jahre mit absurden Konzeptionen verschwendet worden. Schon wieder ist in der Zeitung etwas von Privatisierung zu lesen und einem Neubau der JVA. Ich möchte Sie alle bitten, distanzieren Sie sich davon! Schieben Sie nicht die nötigen Sanierungen in Oslebshausen und Bremerhaven noch durch weitere Einwände und Erörterungen auf, nur weil schon wieder dieselbe alte Sau durch das Dorf getrieben wird!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, zentrale Probleme des Frauen-Strafvollzugs sind einerseits die Ausbildungssituation, andererseits der Umgang mit der Substitution und Drogenabhängigkeit. Die Ausbildungssituation im Frauen-Strafvollzug ist teilweise besser als anderswo, das muss man schon sagen, aber trotzdem ist Verbesserungsbedarf da. Wir brauchen
eine dauerhafte Absicherung. Fast neun von zehn Insassinnen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung.
Manches ist eine Frage des Blickwinkels, für die einen ist es ein Gefängnis, für die anderen die größte Fortbildungseinrichtung, die in Bremen aus Mitteln der Europäischen Union unterhalten wird. Zur Kofinanzierung werden Unterbringungskosten, Hafttagekosten, angerechnet, als ob Bremen das Hotel für auswärtig untergebrachte Seminarteilnehmer zahlen würde. Wir freuen uns über jede europäisch finanzierte Maßnahme, aber wir dürfen nicht zulassen, dass normale Angebote, die aus dem Justizhaushalt finanziert werden müssen, dafür abgeschafft werden.
Wir können froh sein, dass voraussichtlich fast genauso viel Geld nach Bremen fließen soll wie in der Vergangenheit, aber wir können nicht davon ausgehen, dass das immer so bleibt. Es muss auch die Möglichkeit geben, Dinge zu tun, die nicht auf europäische Förderlinien ausgerichtet sind. Wir brauchen eine solide, dauerhaft abgesicherte Basis, und die mit Europamitteln finanzierten Projekte müssen tatsächlich zusätzliche Maßnahmen sein.
Was in der Senatsantwort zum Thema Drogenabhängige und Substitution gesagt wird, verblüfft doch etwas. Man bekommt den Eindruck, als sei alles in Ordnung. Wir haben doch gerade erst vor einem Monat über dieses Thema diskutiert. Ist das schon wieder vergessen? Ich glaube, wir hatten alle kritisiert, dass die Beigebrauchskontrollen nicht so funktionieren, wie sie laufen sollten. Wir haben gemeinsam einen Antrag verabschiedet, der zwar nicht nur, aber auch für den Strafvollzug gilt. Es ist viel zu häufig, dass erfolgreich verlaufende Therapien abgebrochen werden, und viel zu selten, dass neue Therapien in der Anstalt begonnen werden, sei es durch das Regelwerk innerhalb der Anstalt oder sei es dadurch, dass nach der Haft nicht sichergestellt ist, dass sich ein Arzt findet, der die Therapie fortführen kann, dass die Finanzierung gesichert ist und dass eine psychosoziale Betreuung sichergestellt ist. Da besteht ganz großer Verbesserungsbedarf.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Einrichtung des Frauenvollzugs am Fuchsberg war richtig, die bisherige Entwicklung unter den gegebenen Bedingungen auch halbwegs positiv. Wir wünschen den Beschäftigten weiterhin viel Erfolg. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt noch einen weiteren Zusammenhang, der bisher nicht genannt worden ist, und zwar tritt Bremen zum 1. Januar 2007 dem sogenannten EOSS-Verbund bei. Da geht es darum, dass eine einheitliche Steuersoftware als Ziel verfolgt wird.
Ein anderes großes Projekt ist schon angesprochen worden: ID Bremen. Das war ja eine Vorzeigegesellschaft, ein Vorzeige-public-private-partnership-Modell, das Ende der 90er-Jahre ins Leben gerufen worden ist, das erste privatisierte Rechenzentrum, Kooperation mit T-Systems, das hat ja alles nicht so funktioniert. Zwar wird die Gesellschaft nicht aufgelöst, dennoch ist es so, dass die weitere Zukunft erst einmal nicht klar ist. Wir Grünen gehen davon aus, dass über die weitere Zukunft dieser Gesellschaft auch im Haushalts- und Finanzausschuss berichtet wird. Es geht ja darum, dass sie zukünftig etwas vollkommen anderes machen soll, dass die Mitarbeiter, die bisher da waren, dort künftig nicht mehr sind. Es bleibt die rechtliche Hülle am Leben, sonst aber nicht mehr. Das bisherige PPP-Modell, das man sich da ausgedacht hat, ist auf jeden Fall gescheitert. Es hat keine Gewinne für Bremen gegeben, sondern Verluste und unternehmerische Fehlentscheidungen, die nicht von Bremen zu verantworten sind. Jedenfalls kann man nicht sagen, dass dieses Projekt, das mit viel Tamtam Ende der 90er-Jahre ins Leben gerufen worden ist, ein echtes Erfolgsprojekt gewesen ist. Dabei muss man klar sagen, es sind nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vor Ort im Rechenzentrum gearbeitet haben – sie haben gute Arbeit geleistet –, es geht um unternehmerische Entscheidungen, die, glau
be ich, zu der Situation geführt haben, die wir heute haben.
Es gab eine insgesamt nicht zufriedenstellende Situation beim Übergang. Es ist ja so gewesen, dass ID Bremen irgendwann die Aufträge ausgegangen sind. Gleichzeitig ist es so gewesen, dass bei fidatas Bremen viel zu viel Arbeit angefallen ist, und man hätte jetzt ja denken können, die bisherigen öffentlich Bediensteten bei ID Bremen, die dort nicht mehr benötigt werden, gehen einfach zu fidatas Bremen über und machen da ihre Arbeit, und alles wird vernünftig ausgeglichen. Das ging nicht. Wir haben seit längerem im Betriebsausschuss von fidatas Bremen über dieses Problem geredet. Es ist immer wieder gedrängt worden, auch vonseiten der Beschäftigten, die Überstunden, die bei fidatas Bremen wegen der Situation massiv angefallen sind, abzubauen. Ich bin froh, dass jetzt das Ganze zu einem Ende gebracht wird.
Mit der vorgeschlagenen Lösung, dass die Beschäftigten von ID Bremen übergehen zu fidatas Bremen einerseits und dass dann in einem zweiten Schritt fidatas Bremen aufgelöst und Teil von Dataport wird, einem Gemeinschaftsprojekt mehrerer Länder, werden in Bremen Arbeitsplätze dauerhaft sichergestellt, die Verluste für ID Bremen werden minimiert. Zumindest gibt es keine Situation, in der Beschäftigte bei fidatas Bremen oder ID Bremen sich sorgen müssen, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Wir Grünen werden diesem Gesetz zustimmen.
Zwei Sätze zum Schluss: Herr Staatsrat Mäurer hat heute Morgen schon angekündigt, dass ich aus der Bürgerschaft ausscheiden werde, das ist meine letzte Rede heute. Es gibt eine Sache, die diesen Beruf als Abgeordneter unvergleichlich macht: Man lernt sehr viele Leute, sehr interessante Leute kennen, und dazu zählen auch Sie alle. Es hat mir viel Spaß gemacht, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Politisch sind wir, das ist ja unser Beruf, nicht immer einer Meinung, aber ich glaube, wir haben eine gute und faire Arbeit zusammen hinbekommen. Es ist häufig in der Sache hart gestritten worden, aber mir hat es sehr viel Spaß gemacht. Einen Vorteil hat meine berufliche Veränderung: Ich werde auf jeden Fall hier in Bremen bleiben, das heißt, wir werden uns hoffentlich noch häufig über den Weg laufen. Mir hat das Ganze viel Spaß gemacht. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass es hier im Hause Einigkeit darüber gibt, dass an der Methadonsubstitution generell keine ideologische Kritik mehr geübt wird, sondern dass alle Fraktionen anerkennen, dass Substitution mit Methadon eine sinnvolle medizinische Behandlung schwer Opiatabhängiger ist.
Wir unterstützen den vorliegenden Antrag. In ihm wird gefordert, stärker und wirkungsvoller zu kontrollieren, ob der Patient neben dem Methadon auch andere Drogen nimmt. Das Ziel ist aber nicht, möglichst viele Fälle zu finden, in denen die Therapie bislang keinen Erfolg gehabt hat, um damit dann den Abbruch der Methadonvergabe zu rechtfertigen. Wir wollen nicht, dass viele Patienten dann wieder in die illegale Opiatabhängigkeit mit Beschaffungskriminalität entlassen werden, ganz im Gegenteil. Es geht darum, dass die Qualität der Methadonsubstitution verbessert wird. Wer Opiatabhängige kennt, der weiß, wie schwierig Therapieverläufe sein können. Nicht jeder Beigebrauch, nicht jeder Rückfall in frühere Verhaltensmuster rechtfertigt den Abbruch der Therapie, aber er deutet auf akute dringende Handlungsnotwendigkeiten hin. Niemand darf glauben, dass es ausreicht, Opiatabhängigen Methadon zu geben und sie dann allein zu lassen.
Wer sich für eine Methadonbehandlung entscheidet, macht damit deutlich, dass er sein Leben verändern will. Wenn es dann so aussieht, dass sich die konkrete Lebenssituation nicht verändert und lediglich Heroin durch Methadon ersetzt wird und der Patient nach kurzer Zeit daneben andere Drogen nimmt, mit denen er glaubt, sich weiter oder erneut der Wirklichkeit entziehen zu können, widerspricht das dem Anspruch, den der Staat an die Methadonbehandlung stellt. Vor allem widerspricht das aber dem Willen des Patienten, sich aus seiner Situation befreien zu können.
Beigebrauchskontrollen sind ein Erfolgsmesser für das Programm an Therapien und Unterstützung. Aus dem Grund sind wir hier im Haus einer Meinung, dass Hilfen und Erfolgskontrollen gestärkt werden müssen. Fortgesetzter, problematischer, die Therapieziele gefährdender Beikonsum ist der Grund für den Abbruch einer Methadontherapie. Erst durch Kontrollen kann zeitnah interveniert werden, um Beikonsum
wieder in den Griff zu bekommen, der sich nicht fortsetzen und die Therapieziele eben nicht gefährden darf.
Das gilt erst recht für den Bereich der totalen Institution Strafvollzug. Die Kriterien, die für den Abbruch einer Methadontherapie außerhalb des Vollzugs gelten, müssen auch innerhalb des Vollzugs gelten oder wenn jemand in den Vollzug hineinkommt. Das ist aber zurzeit überhaupt nicht der Fall. Wer als Substituierter ins Gefängnis kommt, sei es in die Strafhaft, Untersuchungshaft oder auch nur wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe, der fliegt aus der Methadonsubstitution, wenn bei seiner Aufnahme Beikonsum festgestellt worden ist. Das kann ja wohl nicht angehen.
Möglicherweise ist ja genau dieser Beikonsum mit ursächlich dafür, dass der Mensch in Haft gekommen ist, und eine sofortige drogentherapeutische Intervention wäre erforderlich. Stattdessen wird er von der Therapie ausgeschlossen, seinem Schicksal überlassen und lediglich entgiftet. Ohne Therapie ist klar, dass viele Insassen sich dann unter erheblichen Anstrengungen im Gefängnis wieder ihren Stoff zu besorgen versuchen, und das ist genau das Gegenteil von dem, was wir alle wollen.
Auch ist es ziemlicher Unfug, nur solche Therapien fortzusetzen, die bereits seit mindestens 6 Monaten laufen, unabhängig davon, ob der bisherige Verlauf positiv ist, ob mit oder ohne Beikonsum. Wie es jetzt geregelt ist, kann es vorkommen, dass jemand seit 5 Monaten erfolgreich eine Drogentherapie macht, die dann abgebrochen wird, weil noch eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen Schwarzfahrens offen ist. Wir hätten alle mehr davon, meine Damen und Herren, wenn diese Therapie fortgesetzt würde.
Auch sollte man meinen, dass eine Inhaftierung ein guter Anlass für einen Insassen sein könnte, sein Drogenproblem durch eine Therapie lösen zu wollen. Ich finde, das sollte man unterstützen. Tatsächlich ist es aber so, dass in der Untersuchungshaft und bei Ersatzfreiheitsstrafen neue Therapien gar nicht begonnen werden, egal, ob die Indikation dafür vorliegt oder nicht. Vielleicht nicht für alle, aber doch für manche wird die Inhaftierung ein so einschneidendes Erlebnis sein, dass die Notwendigkeit einer Therapie schlagartig einsichtig macht. In diesem Augenblick braucht er eine Therapie, zumindest, wenn er das will, und er bekommt allenfalls Schlafmittel zur Unterdrückung der Entzugserscheinungen.
Ein Paradebeispiel für staatliche Verantwortungslosigkeit ist aber der Zeitpunkt der Entlassung. Jeder, der das Glück hatte, im Gefängnis seine Methadonsubstitution weiterführen zu können oder anfan
gen zu dürfen, ist darauf angewiesen, dass die Therapie fortgesetzt wird. Er ist darauf angewiesen. Stattdessen bekommt er, meine Kollegin hat es gesagt, lediglich Therapieeinrichtungen genannt, und er bekommt vier Wochen nach der Entlassung sein Methadon weiter aus dem Gefängnis, damit, wie der Senat sagt, die Patienten die Gelegenheit erhalten, sich einen Arzt zur weiteren Behandlung zu suchen. Dabei muss man wissen, dass gar nicht wenige Strafentlassene noch nicht einmal eine Versichertenkarte in der Tasche haben, um überhaupt zum Arzt gehen zu können. Wer im Zuständigkeitssumpf von potenziellen Kostenträgern gefangen ist oder es leider innerhalb von vier Wochen nur auf die Warteliste eines methadonsubstituierenden Arztes schafft, der hat schnell verloren. Das darf nicht sein, meine Damen und Herren!
Auch innerhalb der Anstalt müssen Beigebrauchskontrollen sein, selbstverständlich! Wir brauchen ein transparentes, klares und akzeptiertes Verfahren. Momentan sieht das so aus, dass die Insassen eine Urinprobe abgeben und dann Tage später ein Formular zu sehen bekommen, aus dem lediglich ersichtlich ist, ob das Ergebnis positiv oder negativ war. In der Gefangenenzeitung „Diskus“ ist berichtet worden, dass eine Abteilungsleiterin selbst eine eigene Urinprobe unter dem Namen einer Gefangenen abgegeben hat, um aufkommender Kritik an dem Verfahren zu begegnen. Das Ergebnis soll allerdings positiv gewesen sein, was bei der Person ziemlich definitiv ausgeschlossen ist. Es bleiben also Fragen offen.
Zusätzlich zum Abbruch einer eventuellen Methadontherapie hat ein positives Ergebnis auf dem Zettel meist eine anstaltsinterne Sanktion zur Folge, zum Beispiel einen Nichteignungsvorbehalt. Der hat dann möglicherweise zur Konsequenz, dass der Insasse zu spät oder gar nicht vor seiner Haftentlassung die wichtigsten Dinge regeln kann, zum Beispiel eine Anschlussdrogentherapie. Weil die Konsequenzen so umfangreich sind und eine Überprüfungsmöglichkeit nicht gegeben ist, sind ein allgemein akzeptiertes Verfahren und eine genaue Kontrolle darüber unerlässlich.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in dem Antrag wird ja auf den Tod von Kevin hingewiesen und dass in diesem Zusammenhang die möglichen Auswirkungen einer mangelnden Beigebrauchskontrolle durch die behandelnden Ärzte zutage getreten seien. Der Arzt war verpflichtet, unangemeldet alle 3 Monate durch eine Urinprobe den Beigebrauch zu untersuchen. Kontrolliert wird das dadurch, dass eine Kommission stichprobenhaft Aktenkontrollen durchführt. Wie das dann zustande gekommen ist, was in den Akten steht, liegt allein in der Verantwortung des Arztes. Dessen Interessenlage sieht so aus:
Entweder er gibt gar nicht so wenig Geld für einen Test aus und geht das Risiko ein, bei einem positiven Ergebnis einen Methadonsubstituierten zu verlieren, für dessen Behandlung er gar nicht so wenig Honorar erhält, oder, zweite Alternative, er gibt kein Geld für den Test aus und geht auch kein Risiko ein.
Ob angesichts dieser Interessenlage und der fehlenden Kontrolle ein anderes Verfahren gefunden werden muss, darüber sollen Senat, Ärztekammer, Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung diskutieren. Ohne Festlegung würde ich sagen, dass eine Stärkung des Gesundheitsamtes dabei herauskommen kann. Das wäre eine vertrauenswürdige Institution, die allgemein akzeptierte Untersuchungen durchführen könnte. Nicht nur die Jugendamtsstrukturen, sondern auch die Drogenhilfestrukturen, ambulant und im Strafvollzug, gehören auf den Prüfstand. Darum stimmen wir diesem Antrag zu. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind hier im
Hause, glaube ich, in dieser Sache alle völlig einer Meinung.
Diese Bescheide sind teilweise 20 bis 30 Seiten lang, uneheliche Kinder sind zum Beispiel genannt worden. Darin stehen aber seit Neuerem auch Vereinbarungen, die zwischen dem Hilfeempfänger und der BAgIS getroffen werden, zum Beispiel zur Drogentherapie, zur Entschuldung oder Schuldenberatung. Man muss sich wirklich einmal vorstellen, zu welch einem Striptease die Leute gezwungen werden, wenn sie einfach nur eine Befreiung von den Rundfunkgebühren haben wollen.
Wir haben im Rechtsausschuss das Thema ganz lange und mehrfach erörtert, es ist eine Bremer Lösung gefunden worden. Es ist alles, wenn man sich das einmal anschaut, ziemlich absurd gewesen, worum es da gegangen ist. Der Hintergrund ist eine Regelung im Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Möglicherweise reicht es nicht aus, wenn man die Gesetze zum Arbeitslosengeld II verändert, möglicherweise muss man an diesen Rundfunkgebührenstaatsvertrag auch heran.
Zur Frage, wie das Schicksal dieser Bremer Lösung, die gefunden worden ist, aussieht, gibt es uneinheitliche Aussagen. Angeblich soll es so sein, dass man immer noch zur BAgIS gehen kann und dann auf dem Antrag, den man bei der GEZ stellt, bescheinigt bekommt, dass die Angaben, die man gemacht hat, in dem Antrag zutreffend sind und mit dem übereinstimmen, was im Bewilligungsbescheid für das Arbeitslosengeld II auch steht.
Die Anträge auf Rundfunkgebührenbefreiung sind bislang in Bremen verarbeitet worden, inzwischen ist es aber eine bundeseinheitliche Verwaltung. Es ist wohl so organisiert, dass, je nachdem, welchen Nachnamen man hat, unterschiedliche Mitarbeiter zuständig sind. Es kann einem also passieren, wenn man einen häufigen Nachnamen hat und der jeweilige Sachbearbeiter die Bremer Lösung kennt und bereit ist, sie anzuwenden, dass man überhaupt keine Probleme hat, mit diesem Vermerk – also ohne Vorlage dieses 20- bis 30-Seiten-Bescheides – tatsächlich eine Rundfunkgebührenbefreiung zu bekommen. Wenn man aber das Pech hat, einen seltenen Nachnamen zu haben und der jeweilige Sachbearbeiter, der bundesweit für Leute mit demselben Nachnamen zuständig ist und der noch nie eine Bremer Lösung gesehen hat, dann kann es erst einmal zu Nachfragen kommen.
Das ist absurd. Es versteht kein Mensch, warum das so geregelt wird. Das ist ein gutes Beispiel für schlechte Verwaltung und schlechte Politik, und das wollen wir nicht!
Wenn dieser Antrag dazu führt, dass dieser Unfug ein Ende hat, dann haben wir etwas Gutes erreicht. – Vielen Dank!
Herr Staatsrat, Sie hatten dargestellt, dass 2 Gefangene über die Mauer in Oslebshausen geflohen sind. Können Sie sagen, wie hoch die Mauer an der Stelle war, an der sie geflohen sind?
Überhaupt nicht! Wir können aber trotzdem wahrscheinlich gemeinsam feststellen, dass es nicht allein von der Höhe der Mauer abhängt, ob jemand sie übersteigen kann, sondern dass auch andere Faktoren maßgeblich sind und dass die Mauer an der Stelle nun genau dem Standard entspricht, der auch bei Neubauten gefordert wird, also dass es nicht an einer zu niedrigen Mauer gelegen hat, dass diese Ausbrüche möglich waren!
Über die 3,50 Meter hohe Mauer ist in den letzten Jahren niemand entwichen?
Aber Sie stimmen mir insgesamt in der Bewertung zu, dass es sich bei der Anstalt in Oslebshausen um eine sichere Strafanstalt handelt?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Tittmann, ich glaube, wenn Ihnen der Schutz der Opfer wirklich am Herzen läge, dann hätten Sie hier nicht so eine Rede gehalten,
in der Sie letztlich die Opfer weiter missbraucht haben für Ihre Hetze gegen die sogenannten Altparteien, gegen die demokratischen Parteien hier im Hause.
Kaum ein Bereich des Strafrechts erhält solch eine große Aufmerksamkeit und öffentliche Beachtung wie das Sexualstrafrecht. Das mag damit zusammenhängen, dass immer wieder spektakuläre Einzelfälle in den Medien diskutiert werden und besonders solche Fälle, in denen Menschen das Opfer von Serientä––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
tern werden. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung finden im Wesentlichen im sozialen Nahraum statt, vor allem innerhalb der Familien. Das Dunkelfeld ist in der Familie am größten. Während für einen Teil der Bevölkerung die Familie ein Hort des Glücks und der Liebe ist, bedeutet die Familie für den anderen, nicht gerade kleinen Teil der Bevölkerung in erster Linie Herrschaft und Gewalt.
Es wird viel über Familienfreundlichkeit und Familienförderung geredet, aber dabei dürfen wir nicht vergessen, dass sich niemand aussucht, in welche Familie er oder sie hineingeboren wird, dass sich niemand beim Gründen einer Familie vorstellt, dass sich das Ganze gewalttätig entwickelt, und dass für viele Opfer von familiärer Gewalt, von sexueller Gewalt in der Familie real kaum die Möglichkeit besteht, sich aus der bestehenden Familie zurückzuziehen und wegzulaufen.
Die Zahlen, die vorliegen, beziehen sich auf Fälle, in denen der Staat von der Straftat erfahren hat. Die Dunkelziffer liegt weit höher, und zwar vor allem im Bereich der Familie, weil viele Opfer immer noch an das Ideal der heilen Familie glauben, selbst wenn sie sich eigentlich jeden Tag vom Gegenteil überzeugen können. Sie sind der Auffassung, dass sie der Familie schaden würden, wenn sie Straftaten zur Anzeige bringen. Ich glaube, dass wir hier im Hause alle der Meinung sind, nicht derjenige, der Straftaten anzeigt, zerstört die Familie, sondern derjenige, der sie begeht.
Was den Schutz von Opfern betrifft, ist einiges Richtige in den letzten Jahren passiert, leider nicht ausreichend. Manche wichtige Errungenschaften sind Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen. Ich möchte hier an die Schließung der Kriseneinrichtung des Mädchenhauses erinnern, wo bis Ende Mai dieses Jahres ein spezielles Angebot für Mädchen und junge Frauen bestanden hat. Mehr als die Hälfte der bisherigen Nutzerinnen taucht in den Zahlen des Senats zu dieser Großen Anfrage auf, weil sie Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, irgendwelche Versprechungen, die nicht gehalten werden können, liegen mir fern. Dennoch sollten wir uns aber vor Augen halten, dass nicht nur das Sozialressort und das Bildungsressort große Bereiche sind, in denen die soziale Wirklichkeit vom Staat aktiv gestaltet wird, sondern dass das auch die Aufgabe des Justizressorts ist.
Als auf Bundesebene noch die große Reform des Sanktionenrechts angedacht wurde, da gab es von grüner Seite die richtige Forderung, dass ein bestimmter Teil der Geldstrafen den Opferhilfeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden sollte. Bei aller Geldknappheit und systematischen Bedenken war und
bleibt genau dieser Vorschlag in der Richtung zutreffend genauso wie die Forderung nach einem Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Opferhilfeeinrichtungen.
Wenn das Sexualstrafrecht nach der letzten erheblichen Reform von 2003 erneut reformiert werden soll, dann stellt sich die Frage, was denn eigentlich verändert werden soll. Wenn es um eine neue Systematisierung und um die Beseitigung von Wertungswidersprüchen in diesem in den letzten Jahren so häufig geänderten Bereich des Strafrechts gehen soll, dann geht das genau in die richtige Richtung. Was allerdings die Ausweitung von Strafbarkeiten, dass also bislang straffreies Verhalten künftig strafbar sein soll, angeht, ist das Ende der Fahnenstange in der Sache langsam erreicht. Schon jetzt wird die Verbreitung von rein fiktiven Darstellungen von Gewalttätigkeiten gegen menschenähnliche Wesen mit bis zu einem Jahr Haft bestraft, ein Delikt, das kein Opfer hat! Moralvorstellungen per Strafgesetz durchzusetzen, ist rechtspolitisch höchst problematisch, wenn es ein tatsächliches Opfer nicht gibt und nicht geben kann.
Wenn wir uns die neuesten Vorschläge des Bundeskabinetts anschauen, wo noch Strafbarkeitslücken geschlossen werden sollen, dann kann man sicher sagen, dass es den einen oder anderen Fall geben mag, wo das sinnvoll ist. Die praktischen Probleme liegen aber woanders. Das, was Juristen fragmentarischen Charakter des Strafrechts nennen, hat seinen Sinn. Wenn künftig auch der vierzehnjährige Freier einer minderjährigen Prostituierten sich strafbar machen soll und nicht erst wie bislang der erwachsene Freier einer unter Sechzehnjährigen, dann weiß ich nicht, welche Fälle die Juristen, die sich das ausgedacht haben, jemals in der Wirklichkeit dazu gesehen haben. Wir geraten da immer mehr in einen Bereich der Bestrafung von Lehrbuchkriminalität, die es in der Wirklichkeit entweder gar nicht gibt, oder wo das, was wir alle als strafbares Unrecht bewerten, schon nach anderen Vorschriften strafbar ist, zum Beispiel im Bereich des Menschenhandels.
Wir dürfen nicht in eine Situation geraten, in der die Politik jedes Jahr aufs Neue weitere Vorschriften im Bereich Sexualstraftaten erfindet, und zwar deshalb, weil immer dann der Eindruck erweckt wird und immer wieder die Rede von Herrn Tittmann provoziert wird, dass bislang das Strafrechtssystem nicht in Ordnung gewesen wäre, dass das bislang nicht funktioniert hätte. Das Schutzgut, um das es geht, ist die sexuelle Selbstbestimmung, und es kann nicht darum gehen, zu den 36 möglichen Begehungsweisen, die ja alle schon Untervarianten haben, noch möglichst viele weitere Fälle auszudifferenzieren. Eine neue Systematisierung, wie sie im Koalitionsvertrag auf Bundesebene der Großen Koalition vorgesehen ist, ist da genau richtig.
Die Pläne der Bundesjustizministerin haben nichts mit dem zu tun, was hier in der Überschrift der Großen Anfrage steht, nämlich Prävention und Schutz
vor Wiederholungstätern. Man muss hier zunächst einmal sagen, dass bei den Maßnahmen der Justiz im engeren Sinne es ja tatsächlich nur um die 80 bis 90 Täter geht, die insgesamt jährlich in Bremen wegen Sexualstraftaten verurteilt werden, darunter 2004 zehn Vergewaltiger. Die nicht gefassten Täter oder die Täter im Dunkelfeld, meist im Nahbereich des Opfers, bleiben außen vor. Bei den 80 bis 90 Tätern, das macht die Antwort auf die Große Anfrage deutlich, sind eben Unterschiede zu machen, wie auch in der Antwort vier, wo die kriminologische Zentralstelle zitiert wird, wie das da eben dargestellt ist. Es geht darum, effektive Maßnahmen zu ergreifen, und das heißt auch, für unterschiedliche Fallgruppen unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen.
Über die Zahl von Wiederholungstaten ist nicht viel bekannt. Wer eine klare Antwort des Senats erwartet hätte, wie effektiv denn Maßnahmen des Strafvollzugs, Einsperren und Therapie, tatsächlich sind und wie hoch die Zahl der Wiederholungstäter ist, wird, wie zu erwarten, enttäuscht. Nicht nur bei Sexualstraftaten, aber insbesondere da fällt der Mangel sofort auf, insgesamt ist das gesamte Strafverfolgungssystem eine Black Box. Die erste Rückfallstatistik ist 2003 erstellt worden, im 133. Jahr des Geltens des Strafgesetzbuchs. Wir brauchen eine Rückfallstatistik für Sexualstraftaten, wie es auch vom Senat gefordert worden ist, schon als Qualitätsmessinstrument für die Strafrechtspflege. Wenn man das hinbekommt, dann ist das, glaube ich, ein Schritt in die richtige Richtung. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin richtig froh darüber, dass mein Redemanuskript, das ich vorbereitet habe, völlig hinfällig ist, weil meine Vorredner eigentlich alle Punkte gesagt haben. Es ist richtig klasse!
Das war ja nicht immer so, die Einführung der Insolvenzordnung war nicht vollkommen unumstritten. Zwar ist damals gesagt worden, dann fingen die Leute, die sowieso nicht mit Geld umgehen könnten, an, richtig groß zu shoppen, und dann gehe die Party los. Die ganzen Unternehmen gingen pleite, weil sich alle verschuldeten, und dann gingen sie in die Privatinsolvenz. Nach sieben Jahren seien sie schuldenfrei, die Unternehmen alle pleite, und alles funktioniere nicht mehr in dieser Wirtschaft! Von diesen Tönen war hier Gott sei Dank überhaupt nichts zu spüren! Es hat sich ja auch in der Realität von den damaligen Befürchtungen überhaupt nichts in der Wirklichkeit eingestellt.
Bremen ist wesentlich stärker betroffen als alle anderen Bundesländer. Bremerhaven ist, sagt Creditreform, also ein Unternehmen, das Geld mit den Schulden anderer Leute verdient, die Stadt, die mit Abstand am schlimmsten privat verschuldet ist mit 21 Prozent verschuldeter Haushalte. Die nächste Stadt, die folgt, ist dann bei 17 Prozent überschuldeter Haushalte. Es ist also wirklich eine ganz dramatische Lage, in der die Menschen in Bremerhaven sich befinden. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass vier von zehn Kindern in Bremerhaven in Armut leben, dann wird deutlich, wie groß und wie schlimm das Problem tatsächlich ist. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Wir dürfen nicht vergessen, dass Unternehmen auch Gewinne durch übermäßige Verschuldung ihrer Kunden machen. Man denkt immer, welches Interesse soll eigentlich ein Unternehmen haben, das leichte Kredite und Bargeld jederzeit zur Verfügung stellt? Welches Interesse hat ein Unternehmen, Schüttelkunden zu bekommen, von denen sie ihr Geld nie wieder sehen? Sie nehmen einfach riesige Summen an Zinsen! Das, was an Ausfallrisiko bei ihnen vorhanden ist, legen sie um auf ihre Kunden, und so werden Menschen, die in einer ganz extremen konkreten Situation sind, die schauen müssen, wie ihr Essen für die nächste Woche bezahlt, wie die Miete bezahlt wird, noch viel weiter durch solche Unternehmen in die Krise getrieben.
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es zahlreiche Inkasso-Büros gibt, die richtig rechtswirksam titulieren mit Gebühren, die vollkommen überhöht sind, wo auf einen Mahnbescheid eingetragen wird, wir wollen eine bestimmte Summe an Gebühren kassieren, dafür gibt es gesetzliche Vorschriften, wie viel sie nehmen dürfen. Zahlreiche Unternehmen nehmen einfach deutlich mehr als das, und weil sich die Schuldner nicht damit auskennen, akzeptieren sie das einfach so, und der Mahnbescheid wird wirksam und irgendwann vollstreckbar. Das ist eine Situation, bei der man sich schon überlegen muss: Reichen da die bisherigen rechtlichen Möglichkeiten aus, kann man sich das so gefallen lassen als Staat, finden wir das so richtig?
Genau die Richtung verfolgen wir mit unserem Antrag. Wir wollen das ganze System noch einmal näher anschauen, um auch kreative Lösungen zu finden, auch Lösungen zu finden im Bereich des Zivilrechts, wie man da zu Veränderungen möglicherweise kommt, dass weniger Menschen unter einer Schuldenlast erdrückt werden. Wir unterstützen vollkommen den Antrag, wie er gestellt worden ist. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Irgendwie hat man fast den Eindruck, es ist bald Weihnachten, und alles ist versöhnlich gestimmt. Trotzdem, der Herr Kollege Grotheer hat darauf hingewiesen, dass die SPDFraktion beziehungsweise die Koalition es nicht zulassen wollte, dass die Gefängnisse in Oslebshausen und Bremerhaven verrotten würden. Man muss ja, so bitter es ist, schlicht sagen, das ist die Situation gewesen vor der Entscheidung der Koalition, ihren Kurs um 180 Grad zu wenden. Ich kann nur sagen, auch als grüne Opposition haben wir das ja immer gefordert, wir haben hier drei Debatten in der Bürgerschaft allein zu dem Thema durchgeführt, dass endlich der Kurswechsel vollzogen werden soll. Man kann nur sagen: Herzlichen Glückwunsch dazu, dass das angekommen ist! Die Hafträume müssen dringend saniert werden, es muss mehr Wohngruppenvollzug her, Mehrfachbelegungen müssen abgebaut werden. Im Verwaltungsgebäude, wenn man sich das einmal anschaut, hängt ein Foto vom Verwaltungsgebäude, wie es dort vor 100 Jahren aussah. Der wesentliche Unterschied zum jetzigen Zustand ist, dass damals dort kein solches Foto hing! Die Krankenstation ist in den Fünfziger-, Sechzigerjahren zum letzten Mal saniert worden. Einer der Anstaltsärzte hat in einer Veranstaltung berichtet, dass die einzige Veränderung, die seitdem passiert ist, darin bestand, dass der Tisch am Boden festgeschraubt worden ist, nachdem ein Insasse ihn auf einen Bediensteten geworfen hatte. Wer meint, die Frage der Sicherheit sei eine Frage der Höhe der Mauer, der irrt. Es hat ja, wenn wir uns die letzten Jahre anschauen, tatsächlich einen Fall gegeben, in dem Gefangene über die Mauer getürmt sind. Das war, wie wir es heute Morgen ja auch schon gehört haben, eben nicht die alte, 3,50 Meter hohe Mauer, sondern das war bei den Werkbetrieben, wo die Mauer bereits jetzt 6 Meter Höhe hat. Es ist schlicht herausgeworfenes Geld, Millionen Euro in den Neubau einer Mauer zu stecken, wenn man zusätzlich einen 6 Meter hohen Innenzaun mit Bewegungsdetektoren baut, der ja Konsens ist. Sinnvolle Maßnahmen ja, Geld herauswerfen nein, meine Damen und Herren!
Ich dachte – und das entspricht auch dem, was im Rechtsausschuss immer gesagt worden ist –, dass der Neubau der Mauer im Prinzip vom Tisch ist und es lediglich dort, wo ohnehin an der Außenseite der Anstalt etwas passiert, zum Beispiel beim Pfortengebäude, einen Neubau gibt. Wir hatten das ja vor nicht allzu langer Zeit im Rechtsausschuss besprochen, wo ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
leider nur eine veraltete Zeichnung vorgelegt werden konnte, auf der dann in der Tat noch der komplette Neubau zu sehen war, dennoch hat man sich ja da entsprechend inhaltlich eingelassen. Trotzdem geht die Antwort des Senats von einem Neubau der Mauer aus, und diesen Widerspruch sollte der Senat einmal erklären.
Das Problem mit der Funkanlage ist immer noch nicht gelöst, obwohl es seit Jahren bekannt und Gegenstand von heftigen Auseinandersetzungen ist. Es ist immer noch so, dass bei den jetzigen Geräten, die vor etlichen Jahren angeschafft worden sind, für wenige zehntausend D-Mark seinerzeit, schon einmal die Akkus abfallen oder die Geräte aus anderen Gründen schlicht und einfach nicht funktionieren.
Wie geht man in Bremen als Große Koalition mit so einem Problem um? Man tut erst einmal nichts und plant dann das Neueste und Teuerste. 1,5 Millionen Euro waren eingeplant für Geräte, die noch gar nicht entwickelt waren und sind, für ein Digitalfunksystem, das es auf keinen Fall vor 2010 gibt, eventuell kommt es ja nie. Durch Wolkenkuckucksheime werden Probleme nicht gelöst. Wenn man weiß, dass man einen kaputten Trabbi hat, dann soll man nicht über den Rolls-Royce nachdenken, sondern maximal über Golf oder Mercedes C-Klasse, vor allem, wenn man das Ganze kreditfinanzieren muss.
Das Bekenntnis zum Erhalt des Standortes Bremerhaven, wo ja kurze Freiheitsstrafen vollstreckt werden, fällt in der Mitteilung des Senats äußerst mager aus. Ich freue mich über die Auffassung der Koalitionsfraktionen, dass es geboten ist, die Justizvollzugsanstalt am Standort Bremerhaven zu erhalten, weil es unter Kostenaspekten nicht zu Einsparungen führen würde, den Standort zu schließen, und zwar auch über das Jahr 2007 hinaus, wie es richtig in der Anfrage heißt. Die Antwort des Senats lässt aber wieder einmal alles offen und geht eigentlich hinter den Stand der bisherigen Einigung zurück, als ob es da immer noch irgendwelche Planungen für Neubauten geben würde.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ein riesengroßes Problem des Bremer Strafvollzugs ist, dass stets und ständig völlig unterschiedliche Signale gesendet worden sind. Wir brauchen vor allem Klarheit, weil sonst die Beschäftigten nur weiter unnötig verunsichert werden.
Wir wollen hier eine klare, definitive Aussage des Senats, ob er den Standort Bremerhaven schließen will oder nicht.
Ich habe mehrfach im Rechtsausschuss verlangt, dass einmal vorgerechnet wird, durch welche Maßnahmen der Senat wie viele Stellen einsparen will. Ich habe im Rechtsausschuss in etlichen Sitzungen versucht, ein Konzept zu erhalten, wie der Senat damit
umgehen will – das ist ja Beschlusslage im Gegensatz zu dem, was vorhin so ein bisschen anklang –, dass bis 2009 ungefähr noch 50 Stellen eingespart werden sollen. Es ist keinesfalls so, dass der Personalbestand so bleiben soll, wie er ist und man dann technische Maßnahmen ergreift, und dann steht plötzlich mehr Zeit für die Betreuung von Insassen zur Verfügung, sondern es geht darum, dass bis 2009 von den 350 Stellen ungefähr noch 50 eingespart werden sollen.
Das Einzige, was im Rechtsausschuss nach zahlreichen Auseinandersetzungen vorgelegt werden konnte, waren Zahlen, wie viele Beamte bis 2009 in Pension gehen, und das ist kein Personalkonzept. Wir haben alle viel Hoffnung dort hineingesetzt, dass der positive Personalentwicklungsprozess, wie er beim Landgericht gelaufen ist, auf die Justizvollzugsanstalt übertragen werden könnte. Es ist leider nichts passiert, die Sache ist im Sande verlaufen. Ein bedauerlicher Führungsfehler!
Wir wissen bislang viel zu wenig, was innerhalb der Anstalt passiert. Straftaten, die innerhalb der Anstalt begangen werden, sind dem Rechtsausschuss bislang nicht systematisch mitgeteilt worden. Wir haben nun im Rechtsausschuss endlich seit kurzem wenigstens eine Übersicht über die Disziplinarmaßnahmen, und diese Zahlen erschrecken schon. Es sind über 100 Disziplinarmaßnahmen, die jeden Monat verhängt werden, bei zirka 700 Insassen. Da sind die besonderen Sicherungsmaßnahmen noch gar nicht erfasst, hierüber berichtet der Justizsenator nicht.
Wir wollten im Rechtsausschuss über die sogenannten Nichteignungsvorbehalte informiert werden. Zahlen gibt es dazu ebenso wenig wie den geforderten Bericht. Dabei handelt es sich bei diesen Nichteignungsvorbehalten um Maßnahmen, die schon von der Konstruktion her äußerst merkwürdig sind, weil sie nicht im Strafvollzugsgesetz vorgesehen sind, es keinen Rechtsschutz dagegen gibt, aber die Konsequenzen teilweise sehr erheblich sind, nämlich der faktische Entzug von Lockerungen. Das hat häufig negative Auswirkungen auf die Entlassungsvorbereitung, auf den Entlassungszeitpunkt und damit auch auf die Resozialisierungsmöglichkeiten.
Es müsste doch möglich sein, einmal positive Entwicklungsziele für die JVA aufzuschreiben, die Zielerreichung zu messen und Konsequenzen zu ziehen! Ein Qualitätsziel müsste sein, dass niemand nach der Endstrafenzeit letztlich dann ohne weitere rechtliche Möglichkeiten entlassen wird und noch nie vorher Lockerungen gehabt hat. Ein hoher Grad an Halboder Zweidrittel-Strafentlassungen wäre anzustreben, weil durch die dann anschließende Bewährungszeit dem ehemaligen Strafgefangenen mehr Hilfe zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft zuteil werden kann als durch ein Absitzen der Endstrafe.
Die JVA hätte mehr Möglichkeiten, sich um die Wiedereingliederung ihrer Insassen zu kümmern, wenn sie nicht auch noch mit der sehr großen Zahl von Insassen belastet wäre, die dort gar nicht hingehören, wo also niemals ein Richter gesagt hat, er oder sie solle ins Gefängnis. Da bin ich mit Herrn Knäpper völlig einer Meinung. Es geht darum, dass die Leute, die vom Richter zu einer Haftstrafe verurteilt worden sind, diese selbstverständlich absitzen. Da gibt es überhaupt kein Vertun, da gibt es keine rechtliche Möglichkeit, aus gutem Grund zu sagen, da wollen wir irgendeine Strafe nicht vollstrecken. Es gibt aber eine riesengroße Zahl weiterer Gefangener, nämlich ungefähr 70 bis 80, bei denen eben kein Richter gesagt hat, dass sie ins Gefängnis sollen, sondern wo eine Straftat mit einer Geldstrafe sanktioniert worden ist. Wer die nicht zahlt und keines der etlichen Angebote annimmt, die Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit abzuarbeiten, nach dem Motto „Schwitzen statt Sitzen“, der wandert ins Gefängnis. Die Zahl von 80 Personen ist ungefähr konstant, das sind einmal 70, einmal 60, einmal 80, und das Problem existiert seit vielen Jahren.
Wenn die Große Koalition nun zu diesem Komplex einen Berichtsantrag stellt, dann unterstützen wir das. In Wirklichkeit aber haben wir das Thema im Rechtsausschuss herauf- und herunterdiskutiert, und wir haben uns vor allem intensiv mit der Untersuchung von MAT aus dem Jahr 2005 beschäftigt. Da kam heraus, dass die meisten Leute Ersatzfreiheitsstrafen wegen Schwarzfahrens und wegen Ladendiebstahls verbüßen. Sie sind eben nicht zu einer Haftstrafe verurteilt worden, sondern zu einer Geldstrafe. Das ganze System der Ersatzfreiheitsstrafen ist ursprünglich entwickelt worden, weil man ein Druckmittel brauchte gegen diejenigen, die sich beharrlich weigerten und es nicht einsehen wollten, dass sie eine Geldstrafe auch bezahlen müssen.
Tatsächlich haben wir es aber heute dort mit Menschen zu tun, die sich häufig in einer Situation befinden, in der sie weder eine Geldstrafe bezahlen noch gemeinnützige Arbeit leisten können, weil sie schlicht nicht mehr Lage sind, einer wie auch immer gearteten Beschäftigung nachzugehen,
und Menschen, die sich sozusagen abgemeldet haben von der Gesellschaft, Überschuldete, Arbeitslose, Obdachlose, denen man so viele Schreiben schicken kann, wie man will, und trotzdem reagieren sie nicht. Da macht es dann auch keinen Sinn, weitere Leute einzustellen, die noch mehr Briefe schreiben.
Wir hatten hier in Bremen einen Fall, wo ein 68 Jahre alter Mann von einem Sondereinsatzkommando und mit vorgehaltener Waffe in seiner Wohnung verhaftet worden ist, weil er schwarzgefahren ist. Ich glaube, man kann MAT so zusammenfassen, dass
Geldstrafenschuldner, die keine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, sich von denjenigen, die eine verbüßen, dadurch unterscheiden, dass die einen ihr Leben organisiert bekommen, die anderen hingegen nicht mehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist ja vollkommen richtig, dass der Staat es sich nicht gefallen lassen kann, dass seine Bescheide den Bürger nicht interessieren. Es ist aber ebenso richtig, dass niemand deswegen inhaftiert werden sollte. Wenn es zutrifft, was der Senat in dieser Antwort sagt, nämlich dass teilweise die Geldstrafenschuldner die Situation in der Haft sogar als besser beschreiben als die Situation außerhalb der Justizvollzugsanstalt – beispielsweise hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung –, dann zeigt das, dass die JVA auch noch die Rolle eines Armenhauses mit übernommen hat, und das ist nicht in Ordnung, das überfordert diese Anstalt.
Wir sollten uns in dieser Legislaturperiode bemühen, dieses Problem anzugehen, zur Not mit einer dauerhaften Beschränkung der Vollstreckungskapazitäten für diesen Bereich, wo es kein richterliches Urteil für eine Haftstrafe gibt, was ja aus guten Gründen ausdrücklich zulässig ist. Ein anderer Bereich ist die Verlagerung des Schwarzfahrens in den Bereich von Ordnungswidrigkeiten. Wir stimmen dem Berichtsantrag zu. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu dem chaotischen Verfahren, das Herr Wedler gerade angesprochen hat, hatte Frau Linnert, unsere Fraktionsvorsitzende, gestern schon geredet. Darauf möchte ich jetzt nicht noch eingehen.
Eine Sache verstehe ich nicht, meine Damen und Herren von der SPD: Warum setzen Sie sich eigentlich immer noch an einen Tisch mit der CDU, wenn irgendwie klar ist, dass Sie, wenn Sie anfangen zu zocken, immer systematisch verlieren?
Für Sie ist die Verabschiedung dieses Gesetzes doch schlicht in jeder Hinsicht ein Desaster. Erst haben Sie geglaubt, dass die CDU sich an das halten würde, was sie mit dem Haushaltsaufstellungsbeschluss im Senat mitgetragen hat. Das war natürlich nicht so, das ist ja klar. Aber immerhin hatten Sie nun ein Druckmittel. Von der taktischen Sicht her war das kein besonders tolles Druckmittel. Wie viel es wert war, haben wir im letzten Monat bei der Verabschiedung des Haushalts erleben können.
Wir haben im letzten Monat einen Haushalt beschlossen, in dem etwas anderes steht als das, was jetzt durch dieses Gesetz passieren soll. Sie schieben zwar Gelder hin und her zwischen den Haushaltsjahren, aber insgesamt sieht jetzt alles so aus, als ob die SPD den Beschäftigten im öffentlichen Dienst an das Geld will – Parteitagsbeschluss 420 Euro –, und die CDU stellt sich hin als Rächer der Enterbten, die für „ihre“ Polizeibeamten keine Kürzung hinnehmen will und sich jedenfalls mit diesem Kompromiss hinstellen und behaupten kann, das Allerschlimmste abgewendet zu haben.
Gegen den Willen der SPD! Die Einigung sieht dann so aus, dass die SPD dann auch noch der CDU die Änderung im Personalvertretungsgesetz in den Rachen werfen muss, die die CDU schon einmal in einer Koalitionsrunde im Frühling 2005 an Land gezogen hat. Sozusagen als Sahnehäubchen servieren Sie der CDU die Änderung im Personalvertretungsgesetz!
Sind Sie, meine Damen und Herren von der SPD, eigentlich der Meinung, dass man auf diese Art und Weise Wahlen gewinnen kann? Meinen Sie etwa noch, dass die SPD und ihre neue Führung an Ansehen in dieser Stadt und in diesem Land gewinnen können, je länger Sie mit dieser CDU Koalition spielen?
Wir sind ja inzwischen Einiges gewohnt.
Dass der Senat ein Gesetz einbringt, das von der Bürgerschaft einstimmig abgelehnt wird, statt dass der Senat es zurückzieht, wie am Dienstag, war neu. Man weiß ja nie, was noch alles kommt,
aber einer der Gipfelpunkte Ihrer Koalitionsstreitereien ist, dass Sie sich noch nicht einmal mehr so weit über den Weg trauen, um noch normale Vereinbarungen treffen zu können. Ich meine die Koalitionsverabredung darüber, dass Sie nicht nur das Weihnachtsgeld kürzen wollen, sondern dass Sie auch gleich noch die Anpassung der Gehälter für 2006 und 2007 streichen. Sie sind dazu übergegangen, Ihre koalitionspolitischen Vereinbarungen in Gesetze zu schreiben, so, wie man sich das bei einer Bananenrepublik vorstellt. Mir sind fast die Augen übergegangen, als ich den Gesetzestext gelesen habe, dass mit der Weihnachtsgeldauszahlung die Mittel, die für Besoldungsanpassung reserviert waren, ausgeschöpft sein sollten. Das hat keine rechtliche Wirkung. So etwas kann man überhaupt nicht in ein Gesetz hineinschreiben!
Das ist ein Merkposten für Ihren politischen Deal. Dafür, dass die SPD überhaupt einer Weihnachtsgeldauszahlung zustimmt, soll die CDU schon einmal vorab erklären, dass sie sozusagen gemeinsam, Seite an Seite mit der SPD gegen die Anpassung der Gehälter sein wird.
Ich kann Ihnen schon sagen, wie das ausgeht: So wie immer! Die SPD wird dann dastehen und auf die Einhaltung dieses unwirksamen Gesetzes pochen, und die CDU wird sich dann wieder als Rächer der Enterbten hinstellen und für den Inflationsausgleich bei den Gehältern kämpfen. Meine Damen und Herren, das kann doch keinen Spaß machen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, eigentlich wäre das Ganze ja recht lustig, aber es geht ja immer um etwas, es geht sogar um viel. Vor zwei Jahren haben Sie angefangen, das Prinzip zu brechen, dass die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verhandelt werden und dass nicht einseitig vom Dienstherrn, vom Arbeitgeber letztlich in der Tarifautonomie herumgefummelt wird. Bis dahin war es immer so, und das war auch richtig, dass die wesentlichen Bestandteile der Tarifeinigung zwischen den öffentlichen Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften im Beamtenbereich nachvollzogen wurden.
Das ist deshalb sinnvoll, weil wir keine Auseinanderentwicklung zwischen Angestellten, Arbeitern und Beamten haben wollen. Beamte dürfen aus gutem Grund keinen Arbeitskampf machen. Wenn jetzt durch einseitige Veränderungen bei den Beamten, gegen die sie sich nicht wehren dürfen, die Latte für den künftigen Tarifvertrag gelegt wird, den man als öffentlicher Arbeitgeber abzuschließen bereit ist, dann ist Tarifautonomie dahin.
Wir haben ja im Streik um den Tarifvertrag schon erlebt, wie das läuft. Da ist ja tatsächlich gesagt worden, dass die Gewerkschaften der Abschaffung des Weihnachtsgeldes und einer höheren Wochenarbeitszeit zustimmen sollten, um Ungleichheiten im Betrieb zu vermeiden, die aber erst dadurch entstanden sind, dass die öffentlichen Arbeitgeber einseitig die Bedingungen vorher verändert haben. Wir sind da in einer Abwärtsspirale, deren Ende nicht sichtbar ist. Wenn jetzt auch noch die kompletten Dienstrechtsbefugnisse im Zusammenhang mit der Föderalismusreform auf die Länder übergehen, dann muss man sich doch irgendwelche Mechanismen überlegen, dass dieser Fall nicht bodenlos wird.
Mit der Einigung zwischen SPD und CDU, keine Gehaltsanpassung vorzunehmen, macht Bremen jetzt den Vorreiter. Ich glaube, kein anderes Land hat sich bislang festgelegt, keine Erhöhung vorzunehmen. Bremen werden dann wieder andere Länder bis zur nächsten Runde folgen, und das kann nicht sein, meine Damen und Herren.
Nun ist es ja so, dass wir einen ganz frischen, aktuellen Tarifvertrag haben, um den ja nun wirklich ausreichend gekämpft worden ist. Normalerweise müsste man diesen Tarifvertrag eins zu eins auf die Beamten übertragen. Nun haben wir eine Sondersituation. Der Senat und ver.di verhandeln, und es wäre gut, wenn mit ver.di eine Einigung erzielt werden könnte, die sich auf den gesamten öffentlichen Dienst übertragen lässt.
Wenn man von Anfang an so verhandelt, dann sieht die Einigung möglicherweise auch etwas anders aus. Natürlich haben Sie Ihre Zwänge, die dagegen sprechen. Sie wollten ja unbedingt letzten Monat einen
Haushalt beschließen, von dem Sie wussten, dass es in einer so zentralen Frage wie diesem Gesetz keine Einigung gab. Wir haben gesagt, dieser Haushalt ist nicht beratungsfähig. Wir brauchen einen neuen Entwurf auf realistischer Grundlage. All die Zwänge, die Sie sich selbst durch Ihre Hin- und Hertaktiererei geschaffen haben, sind nicht unser Bezugsystem.
Das Heraufsetzen der Grenzen für die Freistellung von Personalvertretern folgt einer Haltung, die wir nicht teilen. Diese Haltung lautet, Personalvertretung sei Geldverschwendung, Mitbestimmung sei überflüssig, Personalräte machten nur Ärger. Genau das Gegenteil ist richtig, meine Damen und Herren. Wenn man eine leistungsfähige Verwaltung haben will, dann braucht man motivierte Mitarbeiter, und gerade dort, wo gesagt wird, hier blockiert der Personalrat ständig, spielt nicht mit, da ist es doch in der Realität meistens so, dass die Führung das Problem ist. Personalräte fungieren doch teilweise als Puffer zwischen einer schlechten Führung und einer durch allgemeinen Spardruck geplagten Arbeitnehmerschaft. In einer solchen Situation muss man sich doch überlegen, wie man die Personalvertretungen stärkt, aber nicht, wie man sie schwächt.
Wenn der DGB von einer Gefahr für den Betriebsfrieden spricht, dann muss man das auch ernst nehmen. Die bisherigen Regelungen entsprachen dem, was für die Privatwirtschaft gilt und im Betriebsverfassungsgesetz steht. Es trifft zwar zu, dass die neue Regelung dem entspricht, was der Bund und die meisten anderen Länder geregelt haben. Natürlich ist es auch nicht so, dass dies das Ende der Mitbestimmung ist, aber trotzdem ist und bleibt es ein Schritt in die falsche Richtung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Grünen werden dieses Gesetz ablehnen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nichtraucherschutz ist ein Ziel, das die grüne Fraktion immer verfolgt hat. Es kann nicht sein, dass Menschen dem gesundheitsschädlichen Rauch ausgesetzt werden, dass Menschen, die solchem Rauch ausgesetzt werden und das aber nicht wollen, ständig darum kämpfen müssen, nicht belästigt zu werden. Darum ist es auch grundsätzlich eine richtige Entscheidung, Rauchverbote einzuführen. Die Gesundheitsminister der Länder und des Bundes haben sich für mehr Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden ausgesprochen. Das Ziel, um das es dabei geht, steht schon in der Überschrift, das ist der Schutz von Menschen, die mit Rauch nicht konfrontiert werden wollen, der Schutz von Nichtrauchern. Das ist auch grüne Position, dass der Schutz von Nichtrauchern absolute Priorität hat.
Das ist auch der Grund dafür, warum die Grünen einen Antrag eingebracht haben, sich nicht nur um
Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser zu kümmern, sondern dass auch im Parlamentsgebäude nicht geraucht werden sollte. Das ist eine parallele Auseinandersetzung, darüber wird hier heute nicht abgestimmt. Man kann aber sagen, dass für diesen Bereich, für den wir selbst verantwortlich sind, wo es um unserer eigenes Verhalten geht, glaube ich, insgesamt eine vernünftige Regelung getroffen worden ist. Es gibt einen Raum, wo Personen, die von Rauch nicht belästigt werden wollen, auch nicht von Rauch belästigt werden. Es gibt einen Raum, wo Menschen nach wie vor rauchen können, aber es führt nicht zu Problemen für Nichtraucher. Selbstverständlich gibt es kein Bußgeld. Das wäre auch eine etwas absurde Vorstellung, wenn man davon ausginge, es würden Regelungen getroffen, und dann hielte sich einfach keiner daran.
Es gibt einen Wertungswiderspruch zwischen dem, was heute für Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser beschlossen wird, und dem, was das Parlament für seine eigenen Räumlichkeiten beschlossen hat. Das ist ein Problem. Das ist auch ein Problem in der Glaubwürdigkeit. Das ist doch etwas, was man auch ansprechen und diskutieren muss.
Wir haben zu diesem Gesetz einen Änderungsantrag eingebracht. Da geht es um zwei Punkte. Wenn dieser Änderungsantrag beschlossen werden wird, dann werden wir dem Gesetz zustimmen. Wenn Sie sich dem verschließen, werden wir uns enthalten. Wir verfolgen mit dem Änderungsantrag das Ziel, den Nichtraucherschutz zu verbessern und auch das Gesetz besser durchsetzungsfähig zu machen. Wir haben zwei wesentliche Kritikpunkte, sie sind auch schon angesprochen worden. Der eine ist das Bußgeld, und der andere ist die Bannmeile.
Das Problem bei der Bannmeile ist, das ist auch im Zwischenruf schon deutlich gemacht worden, dass man natürlich die Grenzen verschieben kann, wo dann Leute stehen und anfangen zu rauchen. Natürlich kann man sie immer ein bisschen weiter von der Schule entfernen, aber das ist, glaube ich, überhaupt nicht sinnvoll. Wir haben zum Beispiel in Hamburg erlebt, dass sich da Lehrerinnen und Lehrer Wohnwagen gemietet haben – ob es nun unmittelbar neben der Schule oder 50 Meter weiter ist, darauf kommt es nicht an –, wo sie sich dann hineinsetzen und rauchen. Wenn Sie einmal konsequent überlegen, welcher Habitus dahinter steht, was wollen Sie dann eigentlich genau mit Bußgeld erreichen? Wollen Sie dann „Hausdurchsuchungen“ nach Lehrern durchführen, die in einem Wohnwagen sitzen und darin rauchen? Ich glaube, wir sollten alle ein Interesse daran haben, dass wir die ganze Debatte wieder einmal etwas abrüsten, so dass wir wieder einmal etwas näher an die Realität herankommen und keine ideologischen Positionen vertreten.
Ich muss sagen, der zweite Punkt ist ziemlich bitter. Er beinhaltet die Frage des Bußgelds. Bremen ist das einzige Bundesland, das ein Bußgeld einführt. Ich frage mich, woher diese autoritäre Denkweise kommt, dass nur mit Gewalt und mit Androhung von Strafen durchgesetzt werden kann, was eigentlich normal und vernünftig ist.
Selbstverständlich ist das eine Strafe, wenn Leute 500 Euro zahlen sollen. Das wollen die bestimmt nicht, Frau Kollegin!
Die Regeln des normalen menschlichen Zusammenlebens basieren darauf, dass sich jeder deshalb daran hält, weil niemand will, dass seine eigenen Interessen von anderen Menschen verletzt werden. Das ist auch das Erziehungsziel, das wir in der Schule verfolgen sollten. Wir wollen keine autoritären Zwangscharaktere züchten, die sich deshalb an Regeln halten, weil sie ansonsten dazu gezwungen werden, sondern wir wollen eine Auseinandersetzung über die Frage, ob das Verhalten sinnvoll ist oder nicht.
In der Schule geht es nicht nur um Rauchen, sondern da geht es auch um andere soziale Verhaltensweisen, die erwünscht oder unerwünscht sind und wozu sich junge Menschen eigene Gedanken machen müssen, weil sie sich ihr ganzes Leben, auch wenn kein Lehrer hinter ihnen steht und sie gegebenenfalls mit einem Bußgeld belegt, vernünftig verhalten können müssen. Das ist der Grund, weshalb wir sagen, dass wir kein Bußgeld wollen. Das ist ein Schritt in die vollkommen falsche Richtung. Es gibt in der Schule Ordnungsmaßnahmen. Es gibt einen pädagogischen Umgang mit Fehlverhalten. Das müssen wir stärken, das ist absolut richtig. Wir wollen aber nicht den Einstieg in Regelungen, nach denen wir plötzlich mit Bußgeldern gegen Schülerinnen und Schüler vorgehen. Das ist wirklich absolut das Gegenteil von dem, was wir wollen, meine Damen und Herren.
Im Schulgesetz steht aus guten Gründen, dass eigenverantwortliches Gesundheitshandeln gefördert werden soll. Das heißt, dass sich bei Schülerinnen und Schülern eine Einsicht entwickeln soll. Schülerinnen und Schüler sollen selbst darüber nachdenken und aufgrund der Argumentation und der Auseinandersetzung, die sie geführt haben, eigene Entscheidungen treffen. Alles andere ist im Übrigen auch vollkommener Unsinn.
Das ist der Grund, weshalb wir diesen Änderungsantrag eingebracht haben. Wenn unserem Änderungsantrag zugestimmt wird, dann, glaube ich, bekommt man – es ist auch gerade eine merkwürdige Stimmung an den Schulen – langfristig eine bessere
Situation, um mehr Menschen dazu zu bewegen, Rauchen aufzugeben oder nicht mit dem Rauchen anzufangen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Menschen können und wollen am liebsten selbst bestimmen, wo und unter welchen Umständen ihr Leben endet. Die meisten wünschen sich ein Sterben zu Hause, doch die Realität sieht anders aus. Nur wenige Menschen wollen im Krankenhaus sterben oder im Pflegeheim, tatsächlich sterben dort aber die meisten Menschen. Selbstbestimmung ist der Wunsch, aber schon der Gegenstand, um den es geht, ist keine Angelegenheit allein des Willens, sondern auch des Körpers mit seinen Bedürfnissen, aber auch den Möglichkeiten, die durch die Lebensbedingungen von Familie oder von Freunden gegeben sind.
Jeder Mensch hat das Recht, sich umzubringen. Religiöse Begründungen gegen dieses Recht oder die Auffassung, der Staat oder die Obrigkeit habe über das Leben zu entscheiden und nicht der Mensch selbst, sind erfreulicherweise nahezu vollständig verschwunden. Jemand, der schwer krank im Krankenhaus liegt und sein Leben beenden will, hat aber meist nicht die Möglichkeit zum Suizid. Er ist darauf angewiesen, dass andere ihm helfen, seinen Willen durchzu
setzen. Das ist für sich genommen immer ein Problem. Dennoch hat jeder Mensch das Recht, dass ein Arzt auf den Knopf drückt und die medizinischen Geräte ausstellt, wenn der Patient sterbenskrank ist und das ausdrücklich will. Der Patient stirbt infolge seiner Krankheit, die nicht mehr behandelt wird, nicht aber durch das Tun des Arztes. Wenn ein Mensch nicht behandelt werden will, dann ist das sein gutes Recht, auch wenn es unvernünftig ist.
In anderen Fällen geht es darum, dass auf Wunsch des Patienten das Behandlungsziel geändert werden muss. Lebensverlängerung ist ja nicht das einzige Ziel, das die Medizin verfolgt. Wenn die Krankheit tödlich ist, kann der Patient verlangen, dass vorrangig nicht mehr die Krankheit bekämpft wird, sondern sein Leiden gelindert wird, auch wenn das zu einem früheren Tod führt. Diese sogenannten Fälle von passiver und indirekter Sterbehilfe sind legal, und das ist auch richtig so.
Es kommt auf den erklärten Willen an. Für den Fall, dass man nicht mehr selbst entscheiden kann, was mit einem passiert, können Patientenverfügungen, aber zum Beispiel auch Vorsorgevollmachten abgefasst werden. Wer sich überlegt, eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht abzufassen, der sollte sich unbedingt beraten lassen, zum Beispiel bei der Unabhängigen Patientenberatung oder auch bei Selbsthilfegruppen. Vordrucke, wo man ein paar Kreuzchen macht, werden meistens der Situation nicht gerecht, für die man eigentlich vorbereitet sein wollte.
Es ist sicher richtig, wenn der Senat nähere gesetzliche Regelungen zu Voraussetzungen, Verbindlichkeiten und Reichweite von Patientenverfügung für geboten hält. Er sagt in seiner Antwort leider nicht, welche Regelungen es denn konkret sein sollen. Das ist ja auch sehr kompliziert. Zwei Extreme wären denkbar: Entweder es kommt ausschließlich darauf an, was der Patient auf dem Papier geschrieben hat, und es ist kein Raum für Interpretationen, oder das andere Extrem, Ärzte, Richter, Betreuer entscheiden, und das, was der Patient verfügt hat, ist dann allenfalls ein Anzeichen dafür, was der Patient in der aktuellen Situation wahrscheinlich selbst wollen würde.
Beide Extrempositionen sind gleichermaßen falsch, weil sie in den seltensten Fällen der Wirklichkeit gerecht werden. Dennoch bleibt festzuhalten, immer dann, wenn eine konkrete Willenserklärung vorliegt, die so klar für den konkreten Fall des Sterbens Anweisungen trifft, dass sie unmissverständlich ist, muss sie eingehalten werden, und das ist jetzt auch Rechtslage.
Wer aber zum Beispiel nur pauschal sagt, er möchte keine Apparatemedizin, der drückt sich eben leider
nicht klar genug aus. Um welche Apparate bei welchen Krankheiten in welchem Stadium geht es beispielsweise? Weil das Leben bunt ist, wird immer ein Graubereich übrig bleiben, in dem andere Menschen den vermeintlichen Willen des Betroffenen ermitteln müssen. Niemand sollte meinen, mit dem besten Gesetz bekäme man automatisch alle Probleme beseitigt. Man kann den Tod nicht mit Formularen erschlagen.
Die jetzige Rechtslage erlaubt bei Wachkomapatienten, bei denen das Sterben nicht genau vorhersehbar ist, was jahrelang oder jahrzehntelang dauern kann, kein Abstellen der Geräte, selbst wenn ein ausdrücklicher schriftlicher niet- und nagelfester Patientenwille vorliegt. Das hat der Bundesgerichtshof zwar dogmatisch richtig hergeleitet, schränkt aber die Patientenautonomie zu stark ein. Für diesen seltenen Fall muss es die Möglichkeit geben, verbindlich im Vorfeld zu verfügen.
Die Grünen sind mit dem Senat der Auffassung, dass dagegen die sogenannte aktive Sterbehilfe weiterhin verboten bleiben muss. Ich bin froh, dass hier das keiner in Frage stellt. Bei der aktiven Sterbehilfe geht es darum, dass der Patient zwar sterben will, aber dass es nicht der Patient selbst ist, der das Heft des Handelns in der Hand hat, sondern der Arzt. Der Arzt nimmt eine Spritze, füllt sie mit Gift und setzt die Nadel an die Vene, um einen anderen Menschen zu töten. Das ist eine Vorstellung, bei der es mich gruselt. In Holland und in Belgien gibt es Situationen, in denen das erlaubt ist. Natürlich sind dort die Voraussetzungen genau geregelt, sie werden aber nicht eingehalten, Herr Kollege Grotheer hat darauf hingewiesen.
In Holland ist es zum Beispiel Pflicht, dass die Fälle gemeldet werden, und schon 1996, als das Gesetz noch frisch war und man eigentlich schon deshalb damit hätte rechnen sollen, dass es besonders akribisch angewandt würde, rechnete das Gesundheitsministerium mit 60 Prozent nicht gemeldeten Fällen. Es ist so, wenn man die Statistiken anschaut, dann geht die Zahl der gemeldeten Fälle jedes Jahr erheblich zurück, und in Altenheimen findet im Prinzip keine Sterbehilfe statt, wenn man den Statistiken glauben mag. Wenn dann auch noch ein beträchtlicher Teil dieser Menschen getötet worden sein soll, ohne dass diese Menschen ausdrücklich danach verlangt haben, und zwar sei es deshalb, weil es medizinisch sinnvoller erschien oder weil Angehörige des Patienten Leid nicht mehr ansehen konnten, wie es in der Senatsmitteilung heißt, dann zeigt das, wie falsch es wäre, diesen Weg einzuschlagen.
Vergessen wir nicht, dass es gesellschaftlich akzeptierte Interessen gibt, die sich auch gegen kranke, alte und behinderte Menschen massiv richten, egal
ob beabsichtigt, unbeabsichtigt, ausgesprochen oder unausgesprochen. Im Gesundheitssystem geht es um die Auskömmlichkeit von Fallpauschalen, wir haben dazu gestern etwas gehört, um Wirtschaftlichkeit, um Märkte. Wir erinnern uns an einen CDU-Politiker, der inzwischen im Bundestag sitzt, der gesagt hat, dass er nichts davon halte, wenn Fünfundachtzigjährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekämen. Es geht also nicht um rein hypothetische Gefahren, sondern es geht um ganz reale materielle Interessen.
Wir wollen nicht, dass unter dem Deckmantel der Patientenautonomie in Wirklichkeit gesellschaftliche Strukturen eingezogen werden, die es ermöglichen, dass zwischen lebenswertem und nichtlebenswertem Leben unterschieden wird. Wenn vom freien Willen der Patienten geredet wird, dann wird manchmal vergessen, dass dieser Wille häufig gar nicht so frei ist, wie er es sein sollte. Es darf keine Erwartungshaltung der Gesellschaft geben, dass ein Mensch unter bestimmten Umständen in seinen Tod einwilligen soll.
Wer über Kriterien diskutieren will, der befindet sich bereits auf der schiefen Ebene. Erst findet man eine Fallgruppe, dann eine zweite, und irgendwann gibt es kein Halten mehr. In Holland hatten die dortigen Liberalen gefordert, Altersdemenz als Rechtfertigung für aktive Sterbehilfe, Todesspritze anzuerkennen. Das ist richtigerweise abgelehnt worden, zeigt aber, wohin die Reise gehen kann, wenn man nicht absolute Grenzen einzieht.
Aus diesem Grund wollen wir auch nicht, dass es eine geschäftsmäßige Vermittlung von Selbstmordgelegenheiten gibt. Warum es Vereine gibt, die es sich zum Ziel gesetzt haben, anderen beim Selbstmord zu helfen, das will ich nicht bewerten, aber wir wollen nicht, dass so etwas stattfindet. Immer dann, wenn eine Institution gegründet wird, ein eingetragener Verein, dann wird damit ein bestimmtes gesellschaftliches Interesse verfestigt. Da geht es ja nicht um die Beratung von Menschen in Extremsituationen, die natürlich nicht nur legal ist, sondern die sinnvoll und absolut notwendig ist, es geht hier um Vereine, die Selbstmordanleitungen verbreiten, die Hilfsmittel dazu vertreiben und allgemeine Lösungen anbieten, wo individuelle nötig wären. Eine solche Tätigkeit von Vereinen muss unterbunden werden, weil sonst Stück für Stück der Wert des Lebens in den Hintergrund tritt.
Dass man da natürlich nicht zuerst an Strafrecht denken sollte, das sieht der Senat erfreulicherweise genauso wie wir. Es ist eine Angelegenheit des Ordnungsrechts.
Die Grünen halten es für absolut richtig und notwendig, die Institution der Hospizbewegung und der Palliativmedizin zu stärken. Auch das ist ja Position des Senats. Diese Institutionen sind Ausdruck davon, dass die Medizin erkannt hat, dass allein die Verlängerung des Lebens nicht immer ein sinnvolles Ziel ist. Es geht darum, Menschen, die sicher absehbar sterben, einen würdevollen Tod zu ermöglichen, so weit es eben geht. Diese Angebote werden positiv aufgenommen, und wir sind wahrscheinlich alle der Auffassung, dass das der richtige Weg ist. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beim Stalking geht es darum, den Willen eines anderen Menschen zu brechen, das eindeutige Nein nicht zu akzeptieren und immer wieder mit gezielten Angriffen die private Sphäre des Opfers zu verletzen. Vor nicht allzu langer Zeit ist das alles belächelt worden. Gewalt, vor allem gegenüber Frauen, im Zusammenhang mit Beziehungen sind lange Zeit nach dem Motto betrachtet worden, die soll sich nicht so anstellen. Wir hier sind im Hause alle der Auffassung, und es ist absolut richtig und notwendig, in unserer Gesellschaft das Prinzip durchzusetzen, Nein heißt Nein. Wer ein eindeutiges Nein als Aufforderung begreift, quasi noch intensiver dem Opfer nachzustellen, der hat alles andere im Sinn als eine friedliche Beziehung, sondern der will sich das Opfer untertan machen.
Wir in Bremen haben viel früher als alle anderen Bundesländer auf dieses Verhalten und das veränderte Frauenbild in der Gesellschaft reagiert. Es ist der hervorragenden Arbeit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Kriseninterventionsteams des Täter-Opfer-Ausgleichs zu verdanken, dass wir sagen können, in Bremen gibt es einen Schutz von Opfern von Stalking, den sich die anderen Bundesländer zum Vorbild nehmen können. Das tun sie auch.
Bereits seit 2001 gibt es extra Spezialisten bei der Polizei und bei der Staatsanwaltschaft. Es gibt ein Merkblatt für die Opfer, es gibt bei den einzelnen Polizeiinspektionen Stalkingbeauftragte, die ganz speziell aus- und fortgebildet werden. Es gibt abgestimmte Verfahren, wie Polizei und Staatsanwaltschaft intensiv miteinander zusammenarbeiten. Die Stalkingbeauftragten sind ein fester Ansprechpartner für das Opfer. Niemand, der das Opfer von Stalking geworden ist, braucht zu befürchten, dass er oder sie von
Pontius zu Pilatus geschickt wird. Es gibt eine feste Ansprechpartnerin, einen festen Ansprechpartner.
Klar, wer zur Polizeiwache geht, der trifft dort vielleicht nicht als Erstes auf eine Expertin oder einen Experten. Aber auch für jeden einzelnen Beamten und für jede einzelne Beamtin in Bremen gibt es eine Checkliste und einen Leitfaden zur Opfernachsorge. Wenn bei der Debatte auf Bundesebene im Bundestag als eines der wesentlichen Probleme genannt wird, dass laut der Opferschutzorganisation Weißer Ring 70 Prozent der Opfer sagen, dass die Polizei nach dem Eindruck des Opfers gar nicht begriffen habe, was sie oder er der Polizei mitteilen wollte, dann können wir sagen, das sind sicher keine Zahlen aus Bremen, das läuft in Bremen anders. Mancherorts in dieser Republik gilt, uniformiert ist gleich uninformiert. Wir in Bremen sind Vorbild für andere Länder. Da können wir weitermachen.
Es gibt hier in Bremen das sogenannte StalkingKriseninterventionsteam des Täter-Opfer-Ausgleichs. Jetzt könnte man stutzen, was hat denn der TäterOpfer-Ausgleich mit Stalking zu tun, es geht doch gerade darum, dass die Opfer keinen Kontakt mit dem Täter haben wollen. Richtig, der Täter-Opfer-Ausgleich ist Träger des Projekts. Die Ressourcen, die es dort gibt, der Schatz an Organisationswissen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, fast alles ausgebildete Psychologinnen und Psychologen, können genutzt werden für das Thema „sofortige Krisenintervention und Opferhilfe“.
Paargewalt, häusliche Gewalt, macht bereits jetzt auch in den anderen Tätigkeitsfeldern des TäterOpfer-Ausgleichs einen nicht unerheblichen Anteil aus. Das sind Expertinnen und Experten, die sich auskennen und sich um das Opfer gegebenenfalls auch nachts kümmern. Es geht immer um Soforthilfe für das Opfer. Die innere Sicherheit des Opfers muss wieder hergestellt werden, und das Selbstwertgefühl, das durch den Eingriff des Täters in die private Sphäre erheblichen Schaden leidet, muss der Frau oder dem Mann wieder zurückgegeben werden. Es ist häufig die Opferrolle, die dem Täter noch mehr Motivation gibt, weiter zu stalken. Es ist richtig und nötig, dem Opfer aus seiner Rolle zu helfen.
Das Kriseninterventionsteam kümmert sich auch um die Täter. Es wird versucht, dem Täter sofort, teilweise auch, bevor ein Ermittlungsverfahren auch nur eingeleitet ist, am selben Tag Grenzen zu setzen, und zwar durch zahlreiche Möglichkeiten, zum Beispiel, dass der Tatvorwurf konkretisiert und bearbeitet wird. Bestenfalls, und das sind nicht ganz wenige Fälle, das sollte man nicht unterschätzen, führt bereits das zu einer Verhaltensänderung beziehungsweise zu einer Schutzerklärung für das Opfer. Der Täter muss
in die Verantwortung für sein Handeln genommen werden, und die Folgen müssen ihm deutlich werden.
Stalking ist strafbar! In allen konkreten Fällen, die in den Zeitungen standen, lagen Straftaten nach zahlreichen Vorschriften des Strafgesetzbuchs vor. Es gibt das Gewaltschutzgesetz, das sich im Wesentlichen auch anerkannt gut bewährt hat. Was die Veränderung von Vorschriften des StGB betrifft, die das Ziel des Antrags ist, bleibt die grüne Fraktion bei der Position, die wir im Februar letzten Jahres bezogen haben.
Wenn nach der Veränderung strafrechtlicher Vorschriften gerufen wird, dann erweckt man leicht den Eindruck, jetzt sei alles nicht zufriedenstellend, unzureichend, und durch die Änderung würde etwas besser werden. Ich bin überzeugt, dass das das Ziel ist. Aber ich fürchte, mit dem, was Sie vorhaben, werden Sie dieses Ziel nicht erreichen. Alle Lösungen, die zurzeit auf dem Tisch liegen, erreichen es nicht. Die Kritik, die ich hier im Februar letzten Jahres bereits vorgetragen habe, ist im Wesentlichen identisch mit der Position, die der Justizsenator damals vertreten hat. Schauen Sie auf die Details! Wir reden immer über ganz große Überschriften, aber manchmal ist es sinnvoll, sich anzusehen, wie etwas in der Praxis wirkt.
Sie wollen dieses Extradelikt als Privatklagedelikt ausgestalten. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten aus der letzten Debatte im Februar 2005: „Gegen den Vorschlag Hessens sind vielfach Bedenken geäußert worden. Vor allem wird gegen die Formulierung des Tatbestands eines neuen Paragraphen 241 a StGB eingewandt, dieser trage dem verfassungsrechtlichen Bestimmungsgebot nicht ausreichend Rechnung. Der Senator für Justiz und Verfassung teilt diese Auffassung. Nicht unproblematisch erscheint auch die von Hessen vorgesehene Ausgestaltung des neuen Paragraphen 241 a als Privatklagedelikt, was der Staatsanwaltschaft in vielen Fällen, vor allem bei Stalking im sozialen Nahraum“ – wir haben gehört, das sind die meisten Fälle – „erlauben würde, ein öffentliches Interesse an der Erhebung der Klage zu verneinen und das Verfahren mit dieser Begründung einzustellen.“
Diese Kritik gilt unverändert für alle hier vorliegenden Entwürfe. Es bedeutet, dass in der Mehrzahl der Fälle das Opfer eine Anzeige macht und dass das Verfahren sofort von der Staatsanwaltschaft eingestellt werden muss. Das Opfer muss dann auf den Privatklageweg verwiesen werden, selbst in die Rolle des Staatsanwalts schlüpfen und die Anklage vertreten. Das ist doch genau das Gegenteil von dem, was sinnvoll ist, genau das Gegenteil von dem, was wir wollen.
Es wird eine Formulierung für das Gesetz gewählt, die wahrscheinlich vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben wird, weil sie zu unbestimmt ist. Man kann natürlich der einen oder anderen Auffassung sein, aber ich möchte Sie einmal bitten zu überlegen, welches Signal davon ausgehen würde. Was nützt ein solches Gesetz, das dann vom Gericht kassiert wird, und in der Öffentlichkeit kommt an, jetzt wird hier der Schutz gegen Stalking verschlechtert? Das wäre schlicht Unsinn, aber es wäre die öffentliche Nachricht, die bei dieser Konstellation herauskommen würde. Es werden Menschen durch das verunsichert, was hier passiert. Das Ziel müsste gerade sein, Sicherheit zu schaffen.
Die Regelung zur Vorbeugeuntersuchungshaft hatte das Bundesjustizministerium bislang als verfassungswidrig bezeichnet, als es noch eine andere Regierung gab. Jetzt hat es den Regierungswechsel gegeben, und dieselbe Ministerin sagt jetzt etwas anderes. Das klingt nicht nach einem seriösen Umgang mit der Verfassung. Der ganze Ansatz ist vielleicht auch etwas fehlerhaft. Es ist zu überlegen, ob das Strafgesetzbuch der richtige Ort ist oder ob es sich insgesamt um eine Angelegenheit handelt, bei der es um Gefahrenabwehr geht. Gefahrenabwehr ist keine Angelegenheit des Strafgesetzbuchs, sondern eine Angelegenheit, die im Polizeigesetz geregelt werden muss und im Übrigen auch geregelt ist.
Ich bitte noch einmal um die Erläuterung eines Satzes aus der Antragsbegründung, Zitat mit Genehmigung des Präsidenten: „Das Gewaltschutzgesetz bietet in diesen Fällen“ – da geht es um Briefe, Telefonterror und Nachstellungen – „keine geeignete Grundlage für ein polizeiliches Einschreiten, da sich die Täter nicht immer von zivilrechtlichen Anordnungen abschrecken lassen.“
Das ist irgendwie verquer. Wer sich an die Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz nicht hält, der macht sich nach der geltenden Rechtslage strafbar, und zwar nach einer Vorschrift, die verfassungskonform ist und auch vernünftig angewendet werden kann. Die Rechtsgüter, die nach dem Gewaltschutzgesetz geschützt sind, sind im rechtlichen Sinn Bestandteile der öffentlichen Sicherheit. Das wird geschützt durch das Polizeigesetz mit seinen zahlreichen Eingriffsmöglichkeiten. Dahin gehört es eben auch! Es macht keinen Sinn, Polizeirecht und Strafrecht in einem Mixer miteinander zu verquirlen.
Wir lehnen diesen Antrag ab, weil er erstens überholt ist, zweitens teilweise verfassungswidrig ist und drittens – und das ist der wesentliche Punkt – den Frauen, den Opfern eben gerade nicht hilft.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, im Bereich des Stalkings sollten wir den Menschen auch durch die Art und Weise, wie wir damit umgehen,
Sicherheit verschaffen. Wir sollten die hervorragende Arbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und dem Stalkingkriseninterventionsteam stärken und unterstützen. Ich zitiere Henning Scherf aus der letzten Sitzung, in der wir das diskutiert haben, mit Genehmigung des Präsidenten: „Es gibt, was die Praxis angeht, wirklich keinen Anlass für Kritik.“ Der Mann hatte Recht, wir haben das damals gesagt, das sagen wir auch heute. – Vielen Dank!
Sie haben eben Ausführungen gemacht zu dem Punkt, dass es sich um ein Antragsdelikt handelt. Das finde ich völlig unproblematisch. Der Punkt, den ich genannt hatte, war, dass es ein Privatklagedelikt werden soll, das ist ja nun etwas anderes als ein Antragsdelikt. Über die Frage sind wir, glaube ich, einer Auffassung, aber was den Punkt des Privatklagedelikts betrifft, das ist eine völlig andere Fragestellung.
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie gedenkt der Senat, das am 23. Mai 2006 ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur so genannten Rasterfahndung umzusetzen?
Zweitens: Bis wann wird der Senat der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bremischen Polizeigesetzes vorlegen, der die vom Bundesverfassungsgericht gemachten Vorgaben in bremisches Recht umsetzt?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diesem Haushalt kann die Bürgerschaft heute nicht zustimmen. Artikel 102 der Landesverfassung lautet, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Die Bürgerschaft darf keine Ausgabe oder Belastung beschließen, ohne dass ihre Deckung sichergestellt ist.“ Sie können sich hier nicht wie beim Kanzlerbrief mit einer Falschbehauptung retten nach dem Motto, wir hoffen, dass alles gut wird. Hier können Sie die Verantwortung nicht auf andere schieben.
Zwischen diesem Haushalt und dem politischen Willen der Koalition von SPD und CDU klafft eine Lücke von jährlich weit über 25 Millionen Euro. Sie wissen seit gestern, dass die nötigen Gesetze nicht vorliegen, dass die Einigkeit in der Koalition nicht vorhanden ist und dass der Senat in seiner ZehnMinuten-Sitzung gestern nichts beschlossen hat. Dann können Sie heute nicht wider besseres Wissen einen Haushalt beschließen, in dem das Geld eingebucht ist, wo durch Ihre eigene politische Verantwortlichkeit nur ein Loch ist.
Das politische System funktioniert so, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt Entscheidungen getroffen werden müssen und nicht weiter vor sich her geschoben werden können. Nächsten Monat wäre für das Jahr 2006 das letzte Mal die Möglichkeit, das Gesetz zur Beamtenbesoldung im Hauruck-Verfahren durchzuziehen, wenn das der Hoffnungsschimmer für Ihre Einigung ist. Wenn das so ist, dann müssen Sie heute diesen Haushalt aussetzen. Wir können dann die Debatte abbrechen, weil wir nicht wissen, ob ansonsten umfangreiche Änderungen im gesamten Haushaltsplan nötig sind. Es gibt ja nur zwei Alternativen. Entweder ist das Ganze ein rein taktisches Manöver der CDU, um den öffentlichen Dienst und die Gewerkschaften gegen die SPD aufzubringen, und im Juli kommt das Gesetz dann, oder es gibt schlichtweg einen anderen Haushaltsplan. Oder wollen Sie allen Ernstes die Beschlussfassung eines Nachtragshaushalts im Juli vorschlagen? Wollen Sie eine JuniFassung und eine Juli-Fassung des Haushaltsplans nach Karlsruhe schicken? Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein.
Übrigens gilt für die Hundesteuer und für die Vergnügungssteuer exakt dasselbe. Sie wollen heute Zusatzausgaben beschließen, die Sie mit einer Steuererhöhung finanzieren wollten, aber auf das Gesetz können Sie sich nicht einigen. Sie sind eine Regierung, die jede Regierungsfähigkeit längst verloren hat.
In einer parlamentarischen Demokratie ist der Haushaltsplan das zentrale Dokument, mit dem die gemein
same Politik in Handlungsermächtigungen für die Verwaltung umgesetzt wird. Wir können feststellen, dass diese Koalition keine gemeinsame Politik mehr macht. Das haben wir gestern bei der Debatte über die Ortsamtsleiterwahlen gesehen. Das ist dann ja wohl auch der Grund dafür, warum Frau Linnert die einzige Fraktionsvorsitzende ist, die heute redet. Von Bürgermeister Böhrnsen, er war heute kurz einmal da, ist kein Ton gekommen, als ob das ein Thema allein für den Finanzsenator wäre. Mit der Ausnahme des Redebeitrags von Frau Kollegin Linnert hat es hier heute keine Generaldebatte über die Leitlinien der Politik gegeben.
Das fällt in diesem Jahr aus, und zwar deshalb, weil es von der großen Koalition keine gemeinsamen Leitlinien und keine gemeinsame Politik mehr gibt.
Herr Kollege Pflugradt, es funktioniert nicht, wenn Sie hier immer wieder Ihre falschen Zahlen vortragen. Ich möchte darauf verweisen, dass sich der Rechnungshof letztes Jahr sehr umfangreich mit den Ergebnissen der Sanierungspolitik in Bremen auseinander gesetzt hat. Da ist doch die wirklich bittere Erkenntnis, dass es eben nicht gelungen ist, bei den Einwohnern die Ziele zu erreichen, die eigentlich sinnvoll gewesen wären, dass es nicht gelungen ist, tatsächlich ein Wirtschaftswachstum zu generieren, das uns an den bundesweiten Trend wieder annähert. Genau das Gegenteil ist der Fall gewesen. Beim Wirtschaftswachstum, das hat der Rechnungshof festgestellt, sind wir weiter von dem abgefallen, was in den anderen Ländern passiert ist.
Die Ressorts nehmen nicht mehr gemeinsam Verantwortung wahr, sondern sie arbeiten gegeneinander. Es ist bitter nötig, den Paragraphen 2 a in die Haushaltsgesetze zu schreiben, und es ist deshalb bitter, weil er etwas vollkommen Selbstverständliches regelt. Die Verwaltung wird verpflichtet sicherzustellen, dass erstens die Kreditermächtigungen von Land und Gemeinden nicht überschritten werden, zweitens die Finanzplanung 2006 und 2007 für Bremen und Bremerhaven eingehalten wird und drittens der Haushaltsausschuss informiert wird, wenn dabei etwas schief geht. Der Finanzsenator muss dann zentral eingreifen.
Das sind doch Selbstverständlichkeiten! Wir gehen davon aus, dass ein beschlossener Haushalt eingehalten werden muss. Eine Finanzplanung ist für alle Gliederungen des Staates verbindlich. Dass Sie dafür ein extra Gesetz, ein Zusatzgesetz, und Ermächtigungen für den Finanzsenator brauchen, das lässt schon tief blicken. Es muss Praxis aller Ressorts und beider Gemeinden sein, diese Ziele zu verfolgen.
Die Ressorts können ihre Verantwortung für das Sparen nicht auf den Finanzsenator abschieben. Wir haben hier gestern gehört, wie der Bausenator mit den so genannten Wettmitteln umgehen will. Er nimmt genauso viel ein wie letztes Jahr, 863 000 Euro, für Projekte, alles Sachen, bei denen sich Leute ehrenamtlich engagieren, wo mit wenig Geld viel passiert, da werden 719 000 Euro in den Haushalt als Ausgabe eingestellt. Tatsächlich haben wir gestern erfahren, dass der Umweltsenator noch nicht einmal 550 000 Euro für Projekte ausgeben will, weil er lieber etwas anderes mit dem Geld machen will. Es ist seine eigene politische Entscheidung, aber den Projekten wird erzählt, dass der Finanzsenator das Geld weggenommen hat. Das ist kein verantwortliches Handeln!
Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wie das eigentlich funktioniert. Heute könnte die Koalition einen Haushalt beschließen, in dem 719 000 Euro für diesen politischen Zweck vorgesehen sind, aber der Bausenator sagte gestern schon, dass er einen großen Teil des Geldes für etwas völlig anderes ausgeben will. Darf er das? Das Schlimme ist, ja. Den einzelnen Ressorts sind in den letzten Jahren durch diese Koalition so weite Ermächtigungen übertragen worden, dass im Prinzip zwei der drei dicken Haushaltsbände fast vollständig überflüssig sind. Verbindlich ist im Wesentlichen der Produktgruppenplan. Die Ressorts können innerhalb der so genannten Produktgruppen fast beliebig Geld hin und her verteilen. Ob dabei die politischen Zwecke verfolgt werden, die das Parlament festgelegt hat, oder nicht, das entscheidet der Senator. Das kann nicht richtig sein, meine Damen und Herren!
Es ist Ihre verfassungsrechtliche Pflicht, ein konsistentes Sanierungsprogramm vorzulegen, wenn Sie über die eigentliche Grenze hinaus Kredite aufnehmen und das mit einer extremen Haushaltsnotlage rechtfertigen wollen. Ein solches Sanierungsprogramm gibt es nicht. Es gibt noch nicht einmal eine Vorstellung davon, was beispielsweise im Universitätsbereich passieren soll. Es stehen Studiengänge zur Disposition, nicht weil sie schlechte Arbeit gemacht haben oder es eine politische Entscheidung über die Schließung gibt, sondern deshalb, weil sie das Pech haben, dass dort zufällig gerade viele Leute in den Ruhestand gehen und die Stellen neu ausgeschrieben werden müssten, vollkommen ohne Plan.
Es gibt auch keine beschlossene Wirtschaftspolitikkonzeption. Das WAP ist 2004 ausgelaufen. Trotzdem wird da munter Geld ausgegeben. Es wäre notwendig gewesen, alle Ausgaben des Staates auf den Prüfstand zu stellen. Das verlangt die Verfassung, und
das macht auch inhaltlich absolut Sinn. Sie haben das richtig floskelhaft abgehandelt. Es wäre zu jedem einzelnen Zweck vom Senat darzulegen gewesen, dass auf jeden Fall eine Maßnahme ergriffen werden muss und dass es nicht kleiner und nicht billiger geht. Ich möchte nur ein Beispiel zitieren, weil Frau Kollegin Wiedemeyer darum gebeten hatte, was der Senat zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit des Anschlussinvestitionsprogramms sagt. Es sind immerhin 246 Millionen Euro im Jahr 2006 und 243 Millionen Euro im Jahr 2007, dazu zwei Mal 300 Millionen Verpflichtungsermächtigungen.
Zitat: „Die gegenüber ursprünglichen Planungen bereits deutlich reduzierte Höhe dieser vorrangig wachstumsorientierten Investitionen ist angesichts des nach wie vor beträchtlichen Investitionsrückstandes Bremens gegenüber dem übrigen Bundesgebiet vor allem unter längerfristigen Sanierungsaspekten“, und jetzt kommt das zentrale Argument, „absolut notwendig und vertretbar.“ Der Witz ist, dass da zu jedem einzelnen Projekt, sei es nun Marketing oder sei es Concordiatunnel, hätte stehen müssen, ob man das braucht oder nicht, ob das hätte billiger werden können oder nicht und ob man das überhaupt machen muss, ganz abgesehen davon, dass ein Investitionsrückstand, zumindest nach dem Gutachter Seitz, den Bremen beauftragt hatte, überhaupt nicht besteht.
Meine Damen und Herren, es muss Ihnen doch auffallen, dass eine Methode, die zum Einsparen von Geld führen sollte, offenbar überhaupt nicht zu Einsparungen geführt hat. Daran wird doch offensichtlich, dass es den ernsthaften Versuch, dieses Instrument zum Einsparen zu nutzen, vom Senat überhaupt nicht gegeben hat.
Es gibt auch keinen Überblick über die gesamte Staatstätigkeit. Dass ganz viele Bereiche in Staatstentakel, in Gesellschaften ausgegliedert sind, das ist hinlänglich bekannt. Warum der Beteiligungsausschuss noch nicht abgeschlossen ist, liegt übrigens daran, dass wir Berichtsbitten an den Senat beschlossen haben, die noch nicht erfüllt sind. Die große Koalition hat ein Wirrwarr an Kreditaufnahmemöglichkeiten, Haushaltsvorbelastungen und Sondervermögen erschaffen. Für welchen politischen Zweck wie viel Geld ausgegeben wird, das steht nicht im Haushalt, das können Sie einzeln aus vielen Haushaltsstellen zusammenpuzzeln.
Dieses Haus und jeder Bürger, jede Bürgerin, die sich dafür interessiert, bräuchte einen Überblick darüber, welcher politische Zweck tatsächlich wie viel abbekommt, was die tatsächlichen Belastungen der Zukunft sind und wo überhaupt Handlungsräume bestehen. Wir brauchen nicht irgendein Finanztableau, sondern eine detaillierte, ressortbezogene, umfassende mittelfristige Finanzplanung, um eine vernünfti
ge Kontrolle über die öffentlichen Finanzen in Bremen zurückzugewinnen.
Wir müssen die Vorverpflichtungen noch viel stärker ins Blickfeld rücken und alle Eingriffsmöglichkeiten herausfinden, sowohl im Investitionsbereich, der ja in den letzten Jahren vollkommen aus dem Ruder gelaufen ist, aber genauso auch bei den laufenden Kosten. Wir brauchen etwas deutlich Besseres als das, was den Ländern durch den Bund gesetzlich vorgeschrieben wird.
Aber die große Koalition hält sich noch nicht einmal an das, was vorgeschrieben ist. Sie wäre dieses Jahr verpflichtet, eine Finanzplanung bis 2010 vorzulegen. Uns liegt aber nur ein Papier bis 2009 vor. Das hat zunächst einmal einen ganz einfachen Grund. Bei dem vom Senat beschlossenen Mittelrahmen für Ihr Anschlussinvestitionsprogramm gibt es einen ganz hässlichen Knick zwischen 2009 und 2010. Da steigt das dann plötzlich von 215 Millionen Euro auf 268 Millionen Euro. Da geraten Sie dann gegenüber dem Bundesverfassungsgericht plötzlich in Darstellungsschwierigkeiten.
Wir wollen nur hoffen, dass kein Richter mitbekommt, dass mit der so genannten Bürgermeistereinigung innerhalb des Finanzrahmens noch einmal 100 Millionen Euro Zusatzausgaben beschlossen worden sind, finanziert durch das Hin- und Herschieben von Ausgaben, so lange, bis es gepasst hat. Während woanders überall Reste einkassiert worden sind, werden im Investitionsbereich Spielräume sofort für neue, zusätzliche Ausgaben genutzt. Sie haben letztlich durch Reste Abfinanzierungen vorgezogen, wogegen nichts zu sagen ist, aber Sie machen das nur deshalb, damit im fraglichen Zeitraum 2006 und 2007 wieder genügend Geld zur Verfügung steht, um noch mehr zu investieren, anstatt früher von den Schulden herunterzukommen. Diese Tilgungen werden dann auch noch als Argument dafür angeführt, wiederum geplante Raten der Jahre 2006 und 2007 für den SpacePark und die Stadthalle weiter in die Zukunft zu verlagern, weil man ja schon so viel getilgt hat.
Es sind Rechentricks, mit denen Sie da arbeiten, und wenn es dieses ganze komplizierte Konstrukt Anschlussinvestitionsprogramm mit Kapitaldienstfinanzierung, Zwischenfinanzierungskontingenten, Barmittelkontingenten und so weiter nicht gäbe, sondern einen richtigen, übersichtlichen, einheitlichen Haushalt, dann hätten Sie die Millionen für den Erhalt Ihrer Koalition nicht zusammenrechnen können. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine leistungsfähige Justiz ist nicht nur unverzichtbar für die wohl wichtigste Errungenschaft der letzten 200 Jahre, nämlich den Rechtsstaat mit seinem Gewaltmonopol, sondern gut und genau arbeitende Gerichte, schnelle Registerverfahren und moderne Kommunikation sind auch das Rückgrat eines Handels- und Dienstleis
tungsstandortes wie Bremen. Trotz des Einsatzes moderner Technik sind wir da in manchen Bereichen an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt. Die Justiz hat in den letzen Jahren jede fünfte Mitarbeiterstelle verloren. Es sind bisher Bereiche von der PEPEinsparung ausgenommen gewesen, die jetzt auch zusätzlich erfasst werden.
Gleichzeitig steigen die Anforderungen. Es gibt immer mehr Verfahren, da brauche ich gar nicht den Bereich des Strafrechts anzusprechen, sondern ich kann zum Beispiel auch über die rasant steigende Zahl von Betreuungsfällen reden. Auch in den Jahren 2006/ 2007 sind die Haushalte nicht auskömmlich. Es hat im Vergleich zur Vergangenheit eine Verbesserung der Situation gegeben. Dennoch ist es so, dass Risiken enthalten sind, die nicht abgedeckt sind. Ich möchte nur zum Beispiel an die Hälfte des bisherigen Defizits von Judit erinnern. Ich darf nur daran erinnern, dass wahrscheinlich im Bereich sonstige Auslagen in Rechtssachen weitere Anstiege zu erwarten sind, die bislang nicht durch die Anschläge abgedeckt sind, aber das ist im Ergebnis keine neue Situation.
Auch 2006 ist das Justizressort trotz eines zweiten Nachtragshaushalts 2005 mit einem Verlustvortrag in das neue Jahr gestartet. Das wird wahrscheinlich 2007/2008 auch nicht anders sein. Ich glaube, man braucht da irgendwann einmal eine strukturell andere Lösung für die Bereiche, die politisch überhaupt nicht zu steuern sind, wo es vonseiten der Verwaltung überhaupt keine Möglichkeit gibt einzugreifen, Kosten zu senken, weil unabhängige Richterinnen und Richter, und da sind wir froh, dass sie da vollkommen unabhängig sind, über diese Kosten entscheiden.
Einer der wesentlichen Schwerpunkte der Justizpolitik 2006 und 2007 ist sicher der Justizvollzug. Die große Koalition hat wichtige Entscheidungen, wie es weitergehen soll, immer wieder zu Lasten der Insassen, zu Lasten der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und zu Lasten der Beschäftigten im Gefängnis, die zu Recht immer eine Perspektive eingefordert haben, hinausgezögert. Mit diesen Haushalten wird zum ersten Mal seit dem fürchterlichen RolandBerger-Gutachten von 2001, das bis letztes Jahr die Grundlage der Vollzugspolitik der großen Koalition gewesen ist, die Möglichkeit der Sanierung der baufälligen und maroden Gebäude in Oslebshausen und in Bremerhaven geschaffen. Es muss jetzt darum gehen, das Richtige mit den Sanierungsmitteln anzustellen.
Sicherheit wird vor allem durch das hergestellt, was innerhalb der Mauern stattfindet. Die bisherigen Ideen, zum Beispiel die Höhe der Mauer nahezu zu verdoppeln und gleichzeitig noch einen Innenzaun in gleicher Höhe zu errichten, sind echte Geldverschwendung. Wenn dann auch noch 1,5 Millionen Euro für neue Funkgeräte ausgegeben werden sollen, mit denen man die Position wie in Scienceficti
on-Filmen jederzeit in einer Hightech-Sicherheitszentrale, die es sonst so in keinem Gefängnis gibt, nachverfolgen kann, dann muss man sagen,
dass es viel bessere Alternativen gibt, die auch mit dem Personal einvernehmlich sind, die erheblich preisgünstiger sind und im Ergebnis die gleiche Sicherheit bieten.
Es geht um den Ersatz von Uraltgeräten, bei denen ständig der Akku abfällt, aber nicht um die Realisierung von irgendwelchen Hightech-Träumen. Ich bin ganz froh, dass in der Sache keine Entscheidung getroffen worden ist, welche konkrete Verwendung der Sanierungsmillionen beabsichtigt ist. Es ist eine Arbeitsgruppe nach der Presseberichterstattung eingerichtet worden, Sie werden sich daran erinnern. Es ist auf unser aller Wunsch hin der Versuch unternommen worden, zwischen allen beteiligten Statusgruppen, zwischen allen beteiligten Fachleuten eine einvernehmliche und vernünftige Lösung zu finden.
Es ist eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern der Jugendrichter, der Strafverteidiger, der Anstaltsleitung, der Behörde und des Personalrats eingerichtet worden. Ich bin ganz froh, dass nach den anfänglichen Schwierigkeiten, die es da wohl gegeben hat, inzwischen das Ganze wohl offenbar auf Spur gebracht wird. Wir brauchen da einvernehmliche Lösungen und keine parteipolitischen Profilierungen in der einen oder in der anderen Richtung, sondern wir brauchen da Lösungen. Nach all dem, was in den letzten Jahren in dem Bereich angerichtet worden ist, brauchen wir eine Konsolidierung dieses Bereiches, und ich hoffe, dass wir diese Arbeitsgruppe auch zum Erfolg führen können. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nicht auf alles eingehen, was Herr Tittmann gerade gesagt hat. Ich möchte nur sagen, dass ich es unglaublich finde, dass wir hier über das Thema Sexualkundeunterricht reden