Protokoll der Sitzung vom 15.06.2006

Ich eröffne die 62. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Schülerinnen und Schüler der Erwachsenenschule Bremen und eine zehnte Gymnasialklasse der JohannGutenberg-Schule aus Bremerhaven. Ich wünsche Ihnen einen doch spannenden Vormittag!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, zur Abwicklung der Tagesordnung wurde nachträglich interfraktionell vereinbart, die Tagesordnungspunkte 13, Einnahmesituation Bremens verbessern, und den Tagesordnungspunkt 16, Krankenhausplanung nach Fallpauschalensystem, für diese Sitzung auszusetzen.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein.

Fragestunde

Für die Fragestunde der Bürgerschaft (Landtag) liegen 13 frist- und formgerecht eingebrachte Anfragen vor. Die Anfragen Nummer zwei und Nummer zehn sind inzwischen von den Fragestellern zurückgezogen worden.

Die erste Anfrage trägt die Überschrift „Betreuung und Vermittlung arbeitsloser Jugendlicher“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Ziegert, Dr. Sieling und Fraktion der SPD.

Bitte, Frau Kollegin Ziegert!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Ist die im Zuge der Arbeitsmarktreform zugesicherte Verbesserung der Betreuungsrelation für jugendliche Arbeitlose unter 25 Jahren auf eins zu 75 bei der Bagis in Bremen und der Arge in Bremerhaven erreicht?

Zweitens: Wie gewährleisten Bagis und Arge, dass die zirka 4000 jugendlichen Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II innerhalb von drei Monaten in Arbeit oder Ausbildung vermittelt werden beziehungsweise ein öffentlich gefördertes Beschäftigungs- oder Qualifizierungsangebot erhalten?

Drittens: Ist sichergestellt, dass alle arbeitslosen Jugendlichen ohne Schulabschluss ein Angebot erhalten, das ihnen die Chance eröffnet, einen solchen Abschluss zu erreichen?

Die Anfrage wird beantwortet von Frau Senatorin Röpke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: In Bremen erfolgte eine annähernde Umsetzung der Betreuungsrelation von eins zu 75 bereits im April 2005. Im regelmäßig von der Bundesagentur für Arbeit vorgelegten Monitoring zeigt sich über die vergangenen Monate eine enge Bewegung entlang des oben genannten Betreuungsschlüssels; mit Stand vom 20. Mai 2006 besteht eine Relation von eins zu 76,9. Diese Schwankungen mit leichter Abweichung vom Wert eins zu 75 entstehen durch Veränderungen bei den Zu- und Abgängen.

Auch in Bremerhaven konnte die im Zuge der Arbeitsmarktreform zugesicherte Verbesserung der Betreuung für arbeitslose Jugendliche und Erwachsene unter 25 Jahren erreicht werden. Die Betreuungsrelation beträgt dort aktuell eins zu 69.

Zu Frage zwei: Voraussetzung für die zeitnahe Unterbreitung eines Angebotes ist ein enger Kontakt mit den jugendlichen Kunden. Bei der Bagis in Bremen wird überwiegend eine Kontaktdichte von vier Wochen erreicht. So wird die persönliche Situation ständig evaluiert und die Vermittlung in geeignete Ausbildungs-, Arbeits- oder Qualifizierungsangebote geprüft. Mit Neukunden wird am Tag der Arbeitslosmeldung sofort ein qualifiziertes Beratungsgespräch geführt und in der Regel ein Angebot unterbreitet.

Zudem hat die Bagis im Arbeitsmarktprogramm 2006 das Maßnahmeangebot für Jugendliche weiter ausgedehnt. Es werden bedarfsorientiert weitere Angebote aufgenommen, zum Beispiel InJobs im niedrigschwelligen Bereich beziehungsweise mit Sprachunterricht, Erhöhung der Angebote von InJobs mit Hauptschulabschluss in Kooperation mit dem Bildungsressort.

In den ersten vier Monaten des Jahres 2006 hat die Bagis 2767 Zugänge und 2624 Abgänge bei den jugendlichen Arbeitslosen unter 25 Jahren gezählt. Der Bestand wurde somit rein rechnerisch in vier Monaten „ausgetauscht“. Hinzu kommt, dass im April 2006 ein Fünftel der gemeldeten Jugendlichen kürzer als einen Monat arbeitslos war. Diese hohen Bewegungszahlen begründen sich in der intensiven Aktivierung der Jugendlichen und spiegeln die erfolgreiche Integrationsarbeit der Bagis im Bereich unter 25 wider. Im bundesweiten Benchmarking der U25-Integrationen erreicht die Bagis jeden Monat erneut Spitzenwerte. Der Controllingbericht 2005 der Bundesagentur weist beispielsweise im Vergleich zu den übrigen Argen der Vergleichsgruppe im so genannten Cluster im Bereich der unter Fünfundzwanzigjährigen für die Bagis eine Integrationsquote von 22,23 Prozent aus, während der Mittelwert bei 16,71 Prozent liegt und der Median bei 16,24 Prozent.

In Bremerhaven sind zurzeit 1031 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet. Für diese Per

sonengruppe werden insgesamt 1045 Angebote vorgehalten.

Zu Frage drei: Die Integrationsfachkräfte der Bagis im Bereich Jugendlicher unter 25 Jahren empfehlen in der Regel die Anmeldung bei der Erwachsenenschule. Da die Kapazitäten dort jedoch nicht ausreichen und der Hauptschulabschluss die schulische Minimalqualifikation für alle weiteren Integrationsschritte darstellt, hat die Bagis ab September 2005 für den Personenkreis der unter Fünfundzwanzigjährigen ohne Hauptschulabschluss in Kooperation mit dem Senator für Bildung 120 InJob-Plätze in Kombination von Praxis mit der Vorbereitung des Hauptschulabschlusses eingerichtet. Für 2006 ist eine Erhöhung dieser Maßnahmeart auf 150 Plätze geplant. Diese Anzahl ist gesichert. Da die Bagis mit einem höheren Bedarf rechnet, ist die Bagis über eine weitere Erhöhung mit dem Senator für Bildung im Gespräch.

In der Regel werden arbeitslosen Jugendlichen ohne Schulabschluss in Bremerhaven ebenfalls Maßnahmen angeboten, die als Qualifizierungsinhalt das Nachholen eines Schulabschlusses ermöglichen. Dieses Angebot kann in Bremerhaven zurzeit für zirka 60 Prozent der Zielgruppe unterbreitet werden. Eine Ausweitung des Angebots wird auch hier angestrebt, um eine noch bessere Quote zu erreichen. – Soweit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich habe eine Frage zu der Antwort auf Frage zwei und auf Frage drei. Zunächst einmal zu Frage zwei: Es war ja vor allen Dingen auch bezweckt mit der Einrichtung der Argen beziehungsweise der Bagis, dass Langzeitarbeitslosigkeit bei Jugendlichen verhindert wird, dass also Jugendliche sich nicht erst an diesen Zustand von Arbeitslosigkeit oder eben nichts zu machen, zu Hause zu sitzen, herumzuhängen, gewöhnen. Daher wüsste ich gern etwas genauer, wieweit es jetzt bei der Bagis und bei der Arge auch gelingt, eine solche Langzeitarbeitslosigkeit von Jugendlichen zu vermeiden, indem sie nicht nur sofort angesprochen werden, sondern indem ihnen sofort auch eine Vermittlung in ein Angebot unterbreitet wird, und zwar allen, und sie eben dann im Zuge des Förderns und Forderns letzten Endes auch dazu motiviert werden, dieses Angebot anzunehmen. Für Bremerhaven gibt es da relativ genaue Zahlenangaben. Da steht, dass für 1031 junge Menschen 1045 Angebote vorgehalten werden.

In Bremen steht das da nicht so. Sehr positiv ist natürlich der hohe Anteil, den Bremen in der direkten Vermittlung in den ersten Arbeits- oder Ausbildungsmarkt erreicht. Das wollen wir eigentlich auch erreichen. Aber wie sind da jetzt genau die Relationen? Kann man guten Gewissens sagen, in Bremen

ist es so, dass kein Jugendlicher langzeitarbeitslos wird und dass wirklich alle Jugendlichen erreicht werden, so dass also solche Fälle, wie wir sie früher hatten, dass Jugendliche zum Sozialamt gingen, sich ihre Stütze abholten und weiter war nichts, nicht vorkommen?

Zu Frage zwei mit den Schulabschlüssen habe ich die Frage: Es ist natürlich das Hauptproblem für Jugendliche, wenn sie ohne Schulabschluss auch noch auf den Arbeitsmarkt kommen.

Liebe Frau Kollegin, das nähert sich jetzt schon einem kleinen Redebeitrag. Ich möchte Sie doch bitten, jetzt die Frage präzise zu stellen! – Bitte, Frau Senatorin!

Ich kann jetzt hier aus dem Stand die Zahlen, die Sie abgefragt haben, nicht liefern, bin aber gern bereit, Ihnen diese nachträglich zu liefern. Natürlich ist es so, dass wir jetzt in der Bagis auch einen Bestand von Jugendlichen haben, die schon länger sozusagen in der Kundenkartei sind, die auch schon länger arbeitslos sind. Die Aufgabe wird sein, und da ist es besonders schwierig, mit den Jugendlichen eine Lösung zu finden, die eben schon zwei, drei Jahre oder manchmal ja auch sogar noch länger arbeitslos sind, die bestimmte Voraussetzungen nicht mitbringen, eine Perspektive zu entwickeln. Das heißt, zunächst einmal muss daran gearbeitet werden, bestimmte Qualifizierungen überhaupt erst einmal zu erreichen, so dass wir nicht sagen können, wir haben es geschafft, jetzt sofort jedem Jugendlichen auch tatsächlich einen Ausbildungsplatz anbieten zu können.

Da ist sehr viel gerade auch noch für diese Zielgruppe zu tun, und das ist ja manchmal auch eine Zielgruppe, bei der es besonders schwierig ist. Sie wissen selbst, wenn Sie sich in solchen Projekten umsehen, was Sie ja tun, wie mühsam es ist, mit diesen Jugendlichen erst einmal überhaupt Strukturen zu entwickeln. Da ist noch sehr viel zu leisten seitens der Bagis, das ist überhaupt keine Frage.

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte sehr!

Ich will dazu nur sagen, ich bin sehr dankbar, wenn ich dann die genauen Zahlen vorgelegt bekomme. Wichtig ist mir nur, dass sichergestellt ist, dass auch gerade für diese schwierigen Jugendlichen Angebote unterbreitet werden. Aber jetzt noch einmal zu meiner Frage zu Frage drei: Es ist auch gesagt worden bei der Bagis, gut, wir haben jetzt die Jugendlichen, ein großer Teil von ihnen hat keinen Hauptschulabschluss, und wir sagen ihnen dann, sie sollen zur Erwachsenenschule gehen. Dann gehen sie zur Erwachsenenschule und bekommen die Nachricht, dass dort keine Plätze frei sind und es eine

Wartezeit gibt. Dann ist für mich die Frage: Was passiert denn mit den Jugendlichen in dieser Wartezeit?

Die andere Frage, die ich mir stelle, ist allerdings auch, dass es sich ja häufig um misslungene Schulkarrieren bei solchen Jugendlichen handelt, die keinen Hauptschulabschluss haben. Die Frage ist ja, ob Schule, auch Erwachsenenschule, für sie dann überhaupt das Richtige ist oder ob es nicht richtiger ist, dann in der Form, wie das hier ja auch steht, dieses Nachholen des Schulabschlusses mit Hilfe von InJobs und in Verbindung mit Arbeit zu machen. Da wüsste ich gern, weil für Bremerhaven ja auch wieder die Zahlenrelationen dabei stehen, wie das mit den Relationen in Bremen aussieht.

Die weitere Frage ist, ob sichergestellt ist, und das ist ja, soweit ich weiß, ein Wunsch gewesen und eine Forderung der Sozialpartner in Bezug auf die Bagis, dass es Integrationsjobs für Jugendliche ohne Hauptschulabschluss gibt.

(Zurufe: Frage!)

„Ist sichergestellt, dass“, hatte ich gefragt, dass das ohne die Möglichkeit des Erreichens des Hauptschulabschlusses besteht?

Bitte, Frau Senatorin!

Auch hier müsste ich jetzt die Zahlen nachliefern, weil ich sie jetzt aus dem Stand auch nicht präsentieren kann, aber das können wir ja in der Deputation dann noch einmal vertiefen. Das ist ja völlig berechtigt, dass wir uns um diese Zielgruppe insbesondere kümmern. Wir machen bei der Zielgruppe ja auch die Erfahrung, dass sie über Schule eigentlich nicht oder schlecht zu motivieren ist, weil sie mit Schule eben sehr negative Erfahrungen gemacht hat. Sie ist besser zu motivieren, wenn sie in konkrete Projekte geht, also auch konkrete Arbeitsleistung machen kann, wo sie selbst erfahren kann, was ihre Stärken sind, wo sie sich selbst wieder motivieren kann.

Wir konnten, am Sonnabend war das, glaube ich, einen sehr guten Bericht im „Weser-Kurier“ lesen, wo genau über ein solches Fahrradprojekt berichtet worden ist, was ich sehr anschaulich fand. Das ist eben auch die Erfahrung in den InJobs, wo die Zielgruppe richtig zum Beispiel handwerklich arbeiten kann und mit Qualifizierungsmaßnahmen, die in diesen InJobs natürlich eingebettet sind, dann Stück für Stück erst einmal selbst wieder aufgebaut wird und sich die Strukturen aneignet. Das ist manchmal sehr viel besser geeignet als eine rein schulische Maßnahme wie in der Erwachsenenschule. Dass wir in der Erwachsenenschule das Kapazitätsproblem haben, das ist ja in der Antwort selbst hier auch noch einmal dargestellt worden.

Frau Kollegin, haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

(Abg. Frau Z i e g e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Nur Abschließendes, dass Sie dann gesagt hatten, dass Sie diese Relation für Bre- men auch noch nachliefern werden!)

Frau Senatorin, gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage von der Abgeordneten Schön? – Bitte, Frau Kollegin!

Frau Senatorin, ich wollte nachfragen, wie denn das Kapazitätsproblem bei der Erwachsenenschule gelöst wird, wenn klar ist, dass die Kapazitäten nicht ausreichen.

Bitte, Frau Senatorin!

Da bin ich jetzt an der Stelle die Falsche, das wissen Sie, dass dafür der Bildungssenator zuständig ist. Ich weiß, dass er sich darum sehr intensiv gekümmert hat, aber wie der aktuelle Stand der Dinge bei der Erwachsenenschule ist, ich bitte um Verständnis, dazu kann ich mich nicht äußern.

Frau Kollegin, eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ja, eine weitere Frage, aber auch die Bitte, dazu vielleicht eine Stellungnahme des Senats nachzureichen! Die andere Frage ist: Wie darf ich mir denn die Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss vorstellen? Wird der schulische Teil bei den Beschäftigungsträgern selbst gemacht, oder gibt es dafür in einer Bildungseinrichtung pädagogische Kräfte, und ist es angelehnt an schulische Curricula?

Bitte, Frau Senatorin!