Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass nachträglich interfraktionell vereinbart wurde, den Tagesordnungspunkt 13, Auditierung Beruf und Familie im Konzern Bremen, und den Tagesordnungspunkt 23, Die deutschen Häfen – Verkehrsdrehscheibe in der Transportkette, für diese Sitzung auszusetzen.
Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) ist mit dieser interfraktionellen Absprache einverstanden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor wir nun endgültig in die Tagesordnung eintreten, möchte ich drei Kolleginnen und Kollegen zu ihrer heutigen Volljährigkeit gratulieren. Am 13. Oktober 1987, also genau vor 18 Jahren, zogen in dieses Haus Frau Wischer, Frau Marken und Herr Dr. Schrörs ein.
ter Lesung das Bremische Studienkontengesetz beschließen. Ich möchte Ihnen deshalb zunächst den Grund für dieses Gesetz sowie die wesentlichen Inhalte vermitteln. Anlass war zunächst das Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes aus dem Jahr 2002, mit dem die Bundesregierung die Einführung von Studiengebühren bundesweit verhindern oder untersagen wollte. Hiergegen haben einige CDUgeführte Bundesländer geklagt und vom Bundesverfassungsgericht im Januar 2005 folgende Entscheidung bekommen. Die Juristen bitte ich jetzt einmal, nicht ganz so pingelig zu sein, ich habe es etwas auf den Kern zusammengefasst. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Die bundesweite Untersagung ist im Hinblick auf die Rahmengesetzgebungskompetenz mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig.“
Das Bundesverfassungsgericht hat damit jedoch nicht die Einführung von Studiengebühren gebilligt. Das war auch nicht Auftrag dieser Entscheidung. Diese politische und juristische Entscheidung hat sich erwartungsgemäß sehr schnell auf Länderebene vertagt, und es war auch bekannt, dass einige Bundesländer in Erwartung der Entscheidung bereits fertige Gesetzentwürfe in der Schublade hatten. Doch ganz so einfach, wie einige sich dies vorgestellt hatten, ließ sich dies nicht umsetzen.
Auch Bremen hat sich vorbereitet. Seit 2003 befassen wir uns eigentlich in der Wissenschaftsdeputation und mit dem Ressort zusammen mit der Erarbeitung eines Studienkontengesetzes. Ein bisschen zur Chronologie: Ein erster Entwurf wurde in Bremen 2003 erarbeitet mit Leistungsanreizen und Sanktionen, insbesondere für Langzeitstudierende. Im Januar 2004 glaubten wir, in der Deputation schon einmal eine Entscheidung treffen zu können. Das ging aber nicht, weil der Dissens der beiden Koalitionsfraktionen doch größer war als gedacht. Im Juni 2004 fasste unser Fraktionsvorsitzender, Herr Böhrnsen, eigentlich den fast folgenschwersten und auch richtigen Entschluss, nämlich eine Landeskinderregelung einzuführen.
Es begann dann eine richtig turbulente Zeit für uns, insbesondere mit dem Beschluss des Koalitionsausschusses im März 2005 zur Erarbeitung eines Studienkontengesetzes in der Fassung, wie es uns heute vorliegt. Es begann also eine anstrengende Zeit des Verhandelns, und wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, galt es doch, gänzlich unterschiedliche Positionen der Koalitionspartner in Einklang zu bringen. Die Position der SPD-Fraktion, mit der auch im Bundestagswahlkampf geworben wurde, war im
Ich freue mich sehr, dass sich nach kürzlich noch auftretenden Irritationen wie Koalitionsstreit um das Studiengesetz die Aufregung gelegt hat. Die nachvollziehbaren Wünsche der CDU in die Begründung zum Gesetz sind eingearbeitet worden, und selbst Herr Perschau hat in seiner Pressemitteilung vom 27. September erklärt, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Die CDU-Bürgerschaftsfraktion unterstützt den heute im Senat verabschiedeten Entwurf des Studienkontengesetzes als zukunftsorientiertes Modell zur Qualitätsverbesserung in der Lehre.“ Vielen Dank, Herr Perschau! Geht doch, müsste man sagen!
(Abg. P e r s c h a u [CDU]: Wird dabei nicht bleiben, Frau Busch, weil wir die Hoch- schulen nicht ruinieren wollen!)
Wir wissen ja, das Gesetz ist begrenzt, es gilt nicht für ewig. Aber lassen Sie mich erst einmal fortfahren!
Was haben wir also vor? Ziel des Gesetzes ist es, die Studierenden zu einem effizienten und zügigen Studium anzuhalten und sie zu veranlassen, durch Wohnsitznahme im Land Bremen dazu beizutragen, dass die vom Land unterhaltenen Hochschulen die erforderliche Ausbildungskapazität und -qualität sicherstellen können. Das ist ein hehres Ziel. Ich weiß, dieses Thema wird uns sicherlich in der Zukunft noch länger beschäftigen, und daran arbeiten wir auch, das sichere ich auch den Studierenden zu. Dazu erhalten alle Studierenden mit erstem Wohnsitz im Land Bremen ein Studienguthaben von 14 Semestern. Ein freiwilliges Teilstudium im Ausland erhöht das Guthaben um zwei weitere Semester. Nach Verbrauch des Guthabens werden Studiengebühren in Höhe von 500 Euro je Semester fällig.
Um den Anforderungen des Grundgesetzes und des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialverträglichkeit zu genügen, wurden umfangreiche Ausnahmetatbestände im Gesetz aufgenommen. Diese betreffen BAföG-Empfänger, Beurlaubte, Eltern von unter zwölfjährigen Kindern und Studierende mit besonderen Funktionen. Nicht unumstritten: Nach Vollendung des 55. Lebensjahres wird ein Studienguthaben nicht gewährt. Dies soll nicht altersdiskriminierend sein – ich habe Herrn Oppermann gestern gut zugehört –, aber in der Abwägung, wem eher eine Studienmöglichkeit zu geben ist, haben die jungen Menschen Vorrang vor denen, die das Studium nicht mehr zur Erlangung ihrer Berufstätigkeit benötigen.
Dass wir als Koalition dieses Gesetz heute vorlegen können, widerlegt eindrucksvoll die Behauptung von Frau Dr. Mathes in einer Debatte gestern, dass
immer, wenn die Koalition sich nicht einig ist, sie nichts tue und damit handlungsunfähig sei. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ressort, das Parlament und auch wir Wissenschaftsdeputierte haben in der Diskussion um dieses Gesetz turbulente Zeiten erlebt. Demonstrierende Studenten haben das Haus des Wissenschaftsressorts am Rembertiring gestürmt und damit auch unsere dortige Deputationssitzung. Wir haben das gut überstanden und konnten nach anfänglicher Aufregung auch noch unsere Argumente austauschen. Entsetzt bin ich aber heute noch darüber, dass ein Mitarbeiter durch sehr gewalttätiges Vorgehen verletzt wurde und erheblicher Sachschaden im Gebäude entstanden ist.
Andererseits waren mir die Argumente, die vorgetragen wurden, sehr hilfreich. Studierende haben das Angebot gemacht, den Alltag mitzuerleben. Ich habe das wahrgenommen, und ich habe festgestellt, der Alltag der Studierenden ist kein Zuckerschlecken. Deshalb haben wir als SPD-Fraktion auch die ASten der Hochschulen des Landes noch einmal eingeladen, mit ihnen diskutiert und die Standpunkte noch einmal vertieft und erläutert. Einig waren wir uns darüber, dass die Ausbildungskapazität und -qualität an den Hochschulen zu verbessern sind und Studiengebühren allein dafür nicht ausreichen. Wenn man die Zahlen sieht, die Einahmen aus Studiengebühren werden dann mit zirka einer Million Euro netto mit der Verrechnung der Kosten beziffert. Wichtig sind für uns aber natürlich auch die zu erwartenden Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich, die auf etwa 25 Millionen Euro geschätzt werden.
Nicht einig waren wir uns in der Forderung nach Gebühren für Langzeitstudierende. Ich stehe ganz dazu. Ich finde die Regelung richtig, und ich denke, wir schaden den Studierenden nicht, wenn wir ihnen 14 Semester gewährleisten und auch noch Ausnahmetatbestände zulassen. Ich denke, damit können auch Studierende leben.
Diese 14 Semester waren anfänglich nicht in der Diskussion, sondern wir waren damals noch von unterschiedlichen Semesterzahlen je nach Studiengang ausgegangen. Hier haben wir dem Wunsch der Rektoren Rechnung getragen, die gesagt haben, zur Vereinfachung des Verfahrens sei es ihnen lieber, man würde eine einheitliche Semesterzahl festsetzen, um das Verfahren nicht unnötig zu verkomplizieren. Mir ist klar, dass die Studierenden, auch wenn sie in Bremen wohnen, mit diesem Gesetz nicht einverstanden sind. Sie wollen ein gebührenfreies Studium für alle und möglichst ohne Begrenzung. Wir kommen vielleicht darauf noch zu sprechen, wenn wir noch auf die Situation der anderen Bundesländer eingehen. Das erspare ich mir im Moment, dazu komme ich vielleicht später noch. Die Studierenden müssen aber auch verstehen, dass man lieber einen Kompromiss
schließt, ehe gar nichts zustande kommt oder die Diskussion bei uns schon so wäre, wie sie im Moment im Nachbarbundesland Niedersachsen läuft.
Um noch einmal zu begründen, warum es der SPD so wichtig ist, ein gebührenfreies Erststudium anzubieten, helfen uns Fakten. Deutschland liegt nicht an erster Stelle, wenn es um die Zahl von Hochschulabsolventen geht. Unsere Absolventen sind älter als die anderer Länder, und was besonders alarmierend ist, die Zahl der Studienanfänger ist erstmals wieder rückläufig. Mit 37,5 Prozent ist die Studienanfängerquote zwar so hoch wie nie, liegt aber immer noch unter dem Durchschnitt von 51 Prozent, der von der OECD errechnet ist. Die Absolventenquote liegt hier bei 19 Prozent, während die OECD im Vergleich anderer Länder 32 Prozent ermittelt hat. Diese Fakten sind nicht nur Meinung der SPD, sondern sie werden auch als Aufgabe, die es zu bewältigen gilt, von anderen Fraktionen anerkannt.
Fakt ist auch, dass wir nicht wollen, dass Absolventen den Start ins Berufsleben mit einer hohen Verschuldung beginnen. Ich warne davor zu glauben, dass eine Problemlösung erreicht sei, wenn man Studierenden nur die richtigen Kreditfinanzierungsprogramme anbiete. Hierzu habe ich bereits in der Fragestunde der September-Sitzung meine Zweifel geäußert. Fakt bleibt auch, dass wir es uns nicht erlauben können, nur Kinder wohlhabender Eltern studieren zu lassen.
Wir wissen, dass mehr als zwei Drittel der BAföGGeförderten nach eigenen Angaben ohne diese Unterstützung nicht hätten studieren können. Frau Bulmahn, die derzeitige Bundesbildungsministerin, hat kürzlich mit Sorge festgestellt, dass der Anteil der Studierenden in den mittleren Bildungsschichten abgenommen hat. Auch Eltern mit durchschnittlichen Einkommen fällt es nicht leicht, die Kosten für ein Studium aufzuwenden. Es sind ja auch nicht nur die Kosten des Studiums selbst, sondern die ganzen Rahmenkosten, die auch noch dazugehören. Die Studierenden wollen natürlich auch noch leben.
Eine Befragung des Hochschulinformationssystems hat ergeben, dass bereits heute 21 Prozent der Befragten darauf verzichten, ein Studium zu beginnen, weil sie nicht wissen, wie sie es finanzieren sollen. Das zeigt mir: Die Pläne von CDU/CSU gehen mit der Einführung von Studiengebühren in den Ländern den falschen Weg.
Das Infragestellen von BAföG für sozial schwächere Studierende und die Umwandlung in ein Volldarlehen gehen eindeutig in die falsche Richtung. Junge Menschen dürfen nicht vom Studium ferngehalten werden. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen fin
de ich, dass die Koalition ein sehr gutes Gesetz erarbeitet hat. Ich bedanke mich und melde mich später noch einmal. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Kollegin Frau Busch hat ja schon beschrieben, dass dieser Vorgang sehr kontrovers diskutiert worden ist, dass wir da viele Debatten hatten und wir jetzt unter den Koalitionspartnern diesem Studienkontengesetz zugestimmt haben. Wir müssen aber auch noch einmal rückblickend betrachten, dass diese Zustimmung in der KoaRunde auch verabredet worden ist, dass inzwischen auch andere Vorgänge stattgefunden haben – ich komme gleich noch einmal genauer dazu – und wir auch noch überdenken müssen, ist das der richtige Weg.
Mit dem Studienkontengesetz sind wir in Bremen einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Frau Busch hat schon gesagt, es ist wichtig, dass wir uns überlegen, wie wir die Hochschulen weiter stabilisieren können. Wer zügig studiert, wird belohnt, und wer trödelt, muss zahlen. Damit haben wir die Möglichkeit, ein zügiges Studieren zu ermöglichen und das recht große Kontingent von Langzeitstudenten deutlich zu reduzieren. Wir müssen aber auch – Sie sprachen sich ja dafür aus, ein kostenfreies Erststudium mit 14 Semestern zu garantieren – gerade in Bezug auf den Bologna-Prozess überlegen. Die Bachelor-Abschlüsse dauern sechs Semester. Mit 14 Semestern kann ich da zwei Abschlüsse schaffen. Die Studenten müssen einfach lernen, mit ihrem Studienkontingent verantwortlich umzugehen, gerade die, die sich bis jetzt sehr viel Zeit gelassen haben.