Protokoll der Sitzung vom 26.05.2005

Die 41. Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist eröffnet.

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Teilnehmer der Elternschule aus dem Stadtteil Lehe, Bremerhaven. Sie sind noch nicht da, ich wiederhole es nachher noch einmal!

Bevor wir in die Tagesordnung, meine sehr geehrten Damen und Herren, eintreten, wollte ich, das muss ich auch später machen, weil Frau Arnold-Cramer noch nicht auf ihrem Platz ist, ihr nämlich gern zum Geburtstag gratulieren. Das werden wir auch später machen, wenn das Haus dann voller ist.

Meine Damen und Herren, wir treten dann jetzt in die Tagesordnung ein.

Regionaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Bremen und Bremerhaven

Mitteilung des Senats vom 8. Februar 2005 (Drucksache 16/535)

Wir verbinden hiermit:

Regionaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs und Ausbildungsplatzsituation im Land Bremen

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD vom 8. Februar 2005 (Drucksache 16/527)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 10. Mai 2005

(Drucksache 16/616)

s o w i e

Ausbildungs- und Beschäftigungschancen für Jugendliche verbessern

Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU vom 24. Mai 2005 (Ducksache 16/627)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Röpke.

Meine Damen und Herren, gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Sehr geehrte Frau Senatorin, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten werden, so dass wir gleich in die Aussprache zu diesen Tagesordnungspunkten eintreten können.

Die gemeinsame Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Versorgung von Jugendlichen mit einem Ausbildungsplatz ist eine der wichtigsten Aufgaben von Politik und Wirtschaft im Bund wie auch im Land, um jungen Menschen eine Chance für ihre Zukunft zu geben und andererseits aber auch Fachkräfte für die Wirtschaft zu generieren. So hat dann auch dieses Thema vor einem Jahr große Wellen geschlagen. Der Bund forderte eine Ausbildungsplatzabgabe. Die Wirtschaft, namhafte Wirtschaftswissenschaftler und nicht zuletzt auch die CDU setzten auf freiwillige Vereinbarungen, um allen Schulabgängern eine Berufsausbildung zu ermöglichen.

Sie erinnern sich, die Ausbildungsplatzabgabe fand damals keine Mehrheit, auch in den eigenen Reihen der SPD nicht. Stattdessen wurde im Juni des vergangenen Jahres im Bund für die Dauer von drei Jahren ein nationaler Pakt für Ausbildung zwischen Wirtschaft, Politik und Arbeitsagentur beschlossen und als Pendant hierzu ein regionaler Pakt für Ausbildung und Führungskräftenachwuchs in Bremen.

Die entscheidende Frage für die CDU ist nun: Welches Ergebnis hatte dieser Pakt in Bremen? Wo sind wir gut, wo besteht noch Handlungsbedarf? Daher haben die Koalitionäre die Große Anfrage gestellt.

Das Ergebnis ist ein großer Erfolg. Im Land Bremen konnte die Gesamtzahl der Ausbildungsplätze um über zehn Prozent gesteigert werden. Damit ist Bremen Bundessieger geworden. Kein anderes Land kann eine solche Steigerungsquote vorweisen. Daher gilt mein ganz besonderer Dank allen Akteuren, die dafür gesorgt haben, dass so viele Jugendliche untergebracht werden konnten, insbesondere aber der Wirtschaft in Bremen, die diese Plätze zur Verfügung gestellt hat. Allein in den Unternehmen vor Ort konnten bis zum Jahresende 981 neue Ausbildungsplätze eingeworben werden.

Meine Damen und Herren, im Mai vor einem Jahr haben wir hier an dieser Stelle heiß diskutiert, ob die Keule einer Ausbildungsplatzabgabe sinnvoll ist oder nicht. Sehr geehrte Frau Ziegert, Sie haben damals erklärt, die Selbstverpflichtung der Wirtschaft funktioniere nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Die Wirtschaft hat ihre Verantwortung und Verpflichtung weit über das geforderte Maß hinaus – das damals geforderte Maß waren 280 Ausbildungsplätze – wahrgenommen. Ihre Einschätzung, sehr geehrte Frau Ziegert, war damals also falsch.

Sie haben auch in der Debatte die Unterstützung der Paktpartner durch die Gewerkschaften zugesichert. Daraus ist leider nichts geworden. Die Gewerkschaften haben sich an dem regionalen Pakt nicht be

teiligt ebenso wie die Arbeitnehmerkammer. Die Gewerkschaften treten zudem auch dadurch hervor, dass sie im vergangenen Jahr null zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben. Soweit zur Verantwortung der Arbeitnehmervertreter für ihre Mitglieder! Frau Ziegert, ich finde, hier ist Nachbesserung notwendig.

Sehr geehrte Frau Schön, auch Sie waren eine vehemente Vertreterin der Ausbildungsplatzabgabe. Ich hoffe, auch Sie haben inzwischen erkannt, dass nur freiwillige Anstrengungen der Wirtschaft Erfolge bringen und dass staatlicher Druck auf die Wirtschaft kein geeignetes Mittel ist, zu mehr Arbeitsplätzen und damit auch zu mehr Lehrstellen zu kommen. Immerhin, Frau Schön, haben die Grünen – übrigens gemeinsam mit der CDU – je einen Ausbildungsplatz im vergangenen Jahr eingerichtet. Bei der SPD warten wir noch darauf.

Fazit, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Debatte über Sinn und Unsinn der Ausbildungsplatzabgabe ist: Die Betriebe haben befreit reagiert, als die Zwangsabgabe vom Tisch war. Sie kennen ihre Verpflichtung, und sie nehmen sie wahr, aber eben nicht unter Druck oder Zwang.

455 Lehrvertragsabschlüsse im Jahr 2004 mehr als im Jahr 2003! Eine sehr kompetente Nachvermittlungsaktion, bei der alle Ausbildungsplatzsuchenden, die sich gemeldet haben, einen Ausbildungsplatz oder eine Einstiegsqualifizierung erhalten haben, ein Ausbildungsplus auch beim Handwerk, das sind die weiteren Erfolge des regionalen Paktes. Es wird aber nicht leicht sein, diese Erfolge auch in den kommenden Jahren fortzuführen.

Das konjunkturelle Umfeld ist nicht besser geworden, im Gegenteil, und die Leistungen und das Engagement der Schulabgänger in vielen Fällen leider auch nicht. Im Kammerbezirk Bremen kamen 46 Prozent der Auszubildenden aus Niedersachsen, in Bremerhaven sind es sogar 58 Prozent. Es ist zwar sehr zu begrüßen, dass wir den Jugendlichen aus dem Umland in Bremen eine berufliche Chance geben können, diese Zahlen werfen aber auch die Frage auf, ob Bremer Schüler zu schlecht ausgebildet oder ausbildbar und damit weniger vermittelbar sind. Die hohe Abbrecherquote und die vielen Schüler ohne Schulabschluss lassen dies vermuten.

Die enormen Bemühungen des Senats um Berufsvorbereitungsmaßnahmen in der Schule und Einstiegsqualifizierungsangebote bei den Agenturen für Arbeit oder mit einer Bremer Initiative „Innovative Berufsbildung“ sind eine gute Reaktion auf diesen Missstand. Die Landschaft, die wir aber im Bereich Berufsvorbereitung in Bremen finden, ist wenig transparent, und ein abgestimmtes Konzept gibt es zurzeit nicht. Ich denke, das muss sich ändern. Auch eine Berufsorientierung in der Schule mit einem eigenen Curriculum ist nicht geplant. Es gibt also eine ganze Reihe von Ansatzpunkten, was wir hier in Zukunft

verbessern müssen. Da dies ein breites Thema ist, wird mein Kollege Herr Peters sich in einer zweiten Debattenrunde diesem Thema widmen.

Meine Damen und Herren, ich sagte schon, es wird nicht leicht sein, diese gute Steigerungsquote auch für die kommenden Jahre zu halten. Das heißt also, wir müssen noch eine Reihe von Problemen lösen, nicht nur die Ansprache der Wirtschaft, aber eben auch einen Teil von Problemen, die sich in dem Bereich Berufsvorbereitung darstellen.

Es ist also ein ambitioniertes Ziel, noch mehr Ausbildungsplätze und ausbildende Betriebe zu gewinnen. Die Wirtschaft weiß auch, dass es notwendig ist. Die Handelskammer hat daher mit dem Senat eine gemeinsame Aktion geplant, in der sie Unternehmen noch intensiver als bisher ansprechen und motivieren will. Das ist ein Schritt, der sehr zu begrüßen ist.

Wir müssen die Suche nach neuen Lehrstellen aber auch mit weiteren Erleichterungsmaßnahmen für die Wirtschaft flankieren. Dazu gibt es schon zahlreiche Vorschläge, zum Beispiel die Senkung der Vergütung der Lehrstellen in der Bauwirtschaft, die ja ganz besonders unter der wirtschaftlichen Misere leidet, oder eine Neuorientierung des Berufsschulunterrichts. Sie kennen die Frage: Ist es wirklich notwendig, dass wir zwei Berufsschultage haben? Oder aber der Abbau der hohen Personalkosten für Ausbilder und Auszubildende, aber auch die Verschlankung der Prüfungspraxis und auch die Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Betrieben und den einzelnen Berufsschulen! Nicht zuletzt auch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Ausbildung, unter anderem eine stärkere Flexibilisierung der Ausbildungsordnung und eine größere Differenzierung der Ausbildungsinhalte! Das wird ein Thema sein, das wir in der nächsten Bürgerschaft auch noch einmal intensiv diskutieren werden.

Meine Damen und Herren, schlussendlich wäre die durchschlagendste Maßnahme ganz sicherlich, grundsätzlich den Standort Deutschland für die Wirtschaft zu verbessern. Die Bundes-CDU hat dazu einen Pakt für Deutschland und ein Zehn-Punkte-Programm vorgeschlagen. Hierzu gehört in erster Linie, die Arbeitsmarktreform und ein Programm für den Mittelstand voranzubringen, um neue Arbeitsplätze und damit auch neue Ausbildungsplätze zu schaffen.

Wir müssen aber leider auch in Bremen feststellen, dass zum Beispiel die Selbstverpflichtung für den Mittelstand in Form eines Mittelstandsfördergesetzes beim Koalitionspartner leider bisher noch keinen Anklang gefunden hat, sondern gerade erst abgelehnt worden ist. Dies ist bedauerlich, denn ein gesetzlich verankertes Anerkenntnis kleiner und kleinster Betriebe wäre eine vertrauensbildende Maßnahme, die auch helfen würde, die Wirtschaft zu ermutigen, noch mehr jungen Menschen eine Ausbildungschance zu geben.

Insgesamt aber, lassen Sie mich zum Schluss dieses ersten Debattenbeitrags festhalten, das Ergebnis des regionalen Paktes für Bremen ist ein sehr großer Erfolg! Nur, ausruhen dürfen wir uns auf diesem Erfolg nicht. Insbesondere die flankierenden Maßnahmen, die ich Ihnen aufgezählt habe, müssen zügig auf den Weg gebracht werden, auch damit die Wahlmöglichkeiten für die Jugendlichen in der Zukunft größer werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, darf ich jetzt auf der Besuchertribüne die Teilnehmer der Elternschule aus dem Stadtteil Lehe in Bremerhaven ganz herzlich begrüßen, und ich darf jetzt die Gelegenheit wahrnehmen, unserer Kollegin Frau ArnoldCramer ganz herzlich zu ihrem Geburtstag zu gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir erkennen die Erfolge des Ausbildungspaktes durchaus an. Die Ziele sind übererfüllt worden. Allerdings sind die Ziele auch nicht besonders hoch gesteckt worden. Zu dem, was an zusätzlichen Ausbildungsplätzen geschaffen werden sollte in Anbetracht der Ausbildungssituation, die wir haben, sagen wir nicht, dass es besonders ambitioniert war. Es ging in dem Ausbildungspakt auch nur um neue Ausbildungsplätze, also die, die es vorher noch nicht gab. Es ging aber nicht darum, die Gesamtzahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Also konnten in dem Rahmen natürlich auch Ausbildungsplätze, die es vorher gab, wieder wegfallen.

Frau Winther, zu der Ausbildungsplatzabgabe: Wir sind schon der Meinung, ein Ausbildungspakt wird seit Jahren angekündigt. Es gab ihn aber einfach nicht. Erst durch die Drohung mit der Ausbildungsplatzabgabe ist es endlich zu diesem Pakt gekommen, sonst hätten wir ihn bis heute nämlich nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. P e r s c h a u [CDU]: Glauben Sie das wirk- lich?)

Wir haben auch damals gesagt, wir sind für freiwillige Maßnahmen, freiwillige Maßnahmen sind immer besser als eine Abgabe, als eine staatliche Maßnahme. Wenn es aber nicht funktioniert, dann muss man zu dem Mittel greifen. Der Pakt ist jetzt ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

auf drei Jahre angelegt, und dann werden wir auswerten, was es in diesen drei Jahren unter dem Strich gebracht hat. Wie gesagt, es gibt Erfolge, und die erkennen wir auch an.

Nichtsdestoweniger muss ich an dieser Stelle trotzdem Wasser in den Wein schütten, und zum Feiern ist da nicht unbedingt Anlass. Sie haben auch darauf hingewiesen, die Problemlage ist nach wie vor vorhanden. Die Ausbildungssituation ist nach wie vor katastrophal und in Bremen besonders.

Ich möchte ein paar Anmerkungen zu der Senatsmitteilung zum Tagesordnungspunkt drei machen, es sind da ja beide Punkte zusammengefasst worden. Ich möchte es jetzt nicht so ausführlich machen wie Frau Winther, sondern einfach sagen, wo wir auch Differenzen haben. Einige Ausführungen, die da gemacht werden, stimmen unserer Meinung nach nicht. Der Senat schreibt, erstmals seit dem Jahr 2000 gebe es einen Anstieg der eingetragenen Ausbildungsverträge. Das stimmt unserer Meinung nach überhaupt nicht. Das Niveau aus dem Jahr 2001 ist immer noch nicht wieder erreicht worden. Im Jahr 2004 ist die Rede von 5758 Ausbildungsplätzen, um hier einmal ganz genau zu sein, und im Jahr 2001 waren es 5983. Das sind weit über 200 mehr gewesen.

Auch intendiert Ihre Antwort, dass die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze weit höher liegt, aber Fakt ist, dass sie in 2004/2005 weit unter dem Niveau der letzten drei Jahre liegt. Die aktuellen Zahlen von April liegen bei rund 4200 gemeldeten Ausbildungsplätzen, 2002/2003 waren es knapp 4900, also waren es erheblich mehr, als wir aktuell haben. Eine Trendumkehr, von der Sie in Ihrer Antwort sprechen, kann ich darin nicht erkennen, das ist völlig unverständlich.