Die 16. Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist eröffnet. Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Als Gäste begrüße ich recht herzlich eine Gruppe Grundwehrdienstleistende und Unteroffiziere der Nachschubschule des Heeres in Garlstedt. Meine sehr geehrten Herren, seien Sie ganz herzlich hier im Rathaus der Freien Hansestadt Bremen willkommen!
Ich begrüße auch eine zehnte Klasse der WilhelmRaabe-Schule aus Bremerhaven, die dort auf der Tribüne Platz genommen hat. Seien auch Sie ganz herzlich willkommen!
Gemäß Paragraph 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt: Demontage erfolgreicher Entwicklungszusammenarbeit beenden – Bremens Stärken liegen auch buten, Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 17. März 2004, Drucksache 16/195. Gemäß Paragraph 21 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung muss das Plenum zunächst einen Beschluss über die Dringlichkeit des Antrags herbeiführen. Wer einer dringlichen Behandlung des Antrags zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt einer dringlichen Behandlung zu.
Ich schlage Ihnen vor, diesen Antrag mit dem Punkt außerhalb der Tagesordnung „Bremens Entwicklungszusammenarbeit fortführen“, DrucksachenNummer 16/190, zu verbinden. Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann stelle ich Einvernehmen mit diesem Vorschlag fest. Wir treten in die Tagesordnung ein.
Verantwortlicher Umgang mit der Vergabe von Hormonen in den Wechseljahren Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der SPD vom 16. März 2004 (Drucksache 16/191)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verantwortlicher Umgang mit der Vergabe von Hormonen in den Wechseljahren, ich betone, verantwortlicher Umgang, meine Damen und Herren, das macht, denke ich, deutlich, wo die Zielsetzung unseres interfraktionellen Antrags ist: erstens, verantwortlicher Umgang von denen, die diese Hormone verschreiben, und zweitens, verantwortlicher Umgang von denen, die über die Risiken und über den Nutzen dieser Therapie informieren und Informationen herausgeben! Dieses Verantwortungsbewusstsein ist notwendig, damit Frauen sich selbstbestimmt für und wider eine Hormontherapie entscheiden können, und zwar, und das ist mir besonders wichtig, nach dem letzten wissenschaftlichen Stand. Ebenso wichtig ist es, dass Frauen Informationsmaterial bekommen, das objektiv und nicht von wirtschaftlichen Interessen geprägt ist und von Interessengruppen herausgegeben wird.
Lassen Sie uns einmal zurückblicken, was in den letzten Jahren passiert ist! Warum ist die Hormonersatztherapie nicht mehr bedenkenlos einzusetzen? Dazu möchte ich ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen.
Lange Zeit war die Hormontherapie für Frauen in den Wechseljahren medizinischer Standard. Ärzte versprachen sich davon zum einen eine Linderung klassischer Beschwerden in den Wechseljahren wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche, zum anderen setzten die Ärzte viele Jahre ihre Hoffnungen darauf, mit Gabe von Hormonen verschiedene Erkrankungen wie zum Beispiel die koronare Herzkrankheit, Osteoporose oder auch Hirnleistungsstörungen verhindern oder zumindest verzögern zu können. Günstige Wirkungen erhoffte man sich auch bei Depressionen, Schlafstörungen und Hautalterungen.
Viele Beobachtungsstudien hatten diese positiven Affekte der Hormontherapie auch beschrieben. Langzeitstudien über Risiken lagen seinerzeit nicht vor. Die Folge war, dass in den neunziger Jahren die Zahl der Verordnungen rapide anstieg. Innerhalb von zehn Jahren verdoppelte sich nahezu die Zahl der Hormonanwendungen allein in der gesetzlichen Krankenversicherung von 1,6 Millionen auf rund 2,9 Millionen betroffener Frauen, aber zugleich mahnten Expertinnen und Frauen aus der Frauengesundheitsbewegung, die verbreitete Anwendung von Hormonen kritisch zu betrachten. Immer mehr wurde kritisiert, dass die natürliche Lebensphase der Frau, die so genannte Post-Menopause, wie man sie nennt, zu einer Hormonmangelkrankheit definiert wurde.
Unterstützung fanden diese kritischen Stimmen im Sommer 2002. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein Teil der weltweit umfangreichsten Studie zur Hormontherapie der Women Health Inititative, der WHI, vorzeitig beendet. Der Grund dafür war, dass die Gesundheitsrisiken einer Hormontherapie deutlich höher waren als ihr Nutzen. Die Hormone erhöhten das Thromboserisiko, das Schlaganfallrisiko sowie das Brustkrebsrisiko. Jetzt war eine neue wissenschaftliche Grundlage geschaffen. Eigentlich hätte es zu einem deutlichen Rückgang der Hormonvergabe kommen müssen. Ich möchte hier, und das ist mir wirklich wichtig, besonders deutlich machen, dass es eine Information über Nutzen und Risiken geben muss. Diese muss den Frauen wirklich zur Verfügung gestellt werden, denn nur so können sie eine selbstbestimmte Entscheidung treffen.
Leider finden diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nur mühsam ihren Weg in die ärztlichen Praxen, obwohl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angeordnet hat, dass in den Produktinformationen von gerade diesen Arzneimitteln erweiterte Angaben über Risiken aufgenommen werden. Außerdem wird empfohlen, eine Behandlung so kurz wie möglich und so niederschwellig wie möglich durchzuführen. Auch die Stellungnahme der Ärztekammer Bremen geht in diese Richtung. Aufklärung und Selbstentscheidung stehen hier im Mittelpunkt, so die Aussage der Kammerpräsidentin, und das können wir nur unterstützen.
Jetzt könnten wir doch denken, dass hier in Bremen alles in Butter ist, und fragen: Wo ist das Problem, warum jetzt dieser Antrag? Leider sieht die Realität anders aus. Das Wissenschaftliche Institut der AOK hat im Dezember des letzten Jahres Zahlen über die Verordnung von Hormonen veröffentlicht. Darin gibt es große regionale Unterschiede zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen. Die KV Bremen liegt hier an der Spitze. Die Bremer Ärzte verordneten doppelt soviel Östrogen- und Gestagenpräparate wie ihre Kollegen in Sachsen. Ich denke, das kann man nicht akzeptieren. Deshalb fordern wir in unserem Antrag auch, dass Gespräche mit der KV und der Ärztekammer durchgeführt werden müssen. Doch kommen wir zurück zur Information und zur Aufklärung von Frauen!
Wie ich schon gesagt habe, ist es uns besonders wichtig, dass Frauen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auch zugänglich gemacht werden. Erfreulicherweise hat es in Bremen in den letzten Jahren eine Reihe von Veranstaltungen zu diesem Thema gegeben: Veranstaltungen mit Beteiligung der ZGF, des Forums Frauengesundheit, Insti
tut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, des Senators für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales und auch anderen, die ich hier jetzt nicht alle nennen möchte. Ich denke, diese Informationsveranstaltungen müssen fortgeführt werden, sie sind ein wichtiges Mittel für die Aufklärung der Frauen.
Jetzt möchte ich auf die Informationen eingehen, die Ärztinnen und Ärzte und auch Krankenhäuser Patientinnen und interessierten Frauen zur Verfügung stellen! Da haben wir zunächst einmal die Faltblätter und die Informationen, die in den Praxen ausliegen, die auch von der Pharmaindustrie bereitgestellt werden, aber zunehmend nutzen Ärztinnen und Ärzte und auch Krankenhäuser das Internet, um ihre Leistungen und auch ihre Philosophie und Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese Internetseiten hat das Zentrum für Public Health der Universität Bremen untersucht, auch im Auftrag des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Ich muss Ihnen sagen, ich war entsetzt über diesen Abschlussbericht. 97 Internetseiten wurden untersucht, 68 Prozent äußern sich positiv zur Hormontherapie. Nur neun Prozent nehmen eine ausgewogene Position ein. Breit wird der Einsatz dieser Präparate empfohlen, Risiken werden bagatellisiert. Ich denke, das macht folgendes Zitat aus einer der Internetseiten deutlich, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:
„Östrogene sind schon in vielen Millionen Jahren alten fossilen Pflanzenteilen nachweisbar. Eine Substanz, die sich in der gesamten Entwicklungsgeschichte im Tier- und Pflanzenreich durchgesetzt hat, kann nicht zerstörerisch wirken. Die Natur hätte sie ausgemerzt.“
Ich muss sagen, das hat mich kurzfristig sprachlos gemacht, und das passiert nicht so oft, meine Damen und Herren, doch es kommt noch dicker: Auf vielen Seiten werden Östrogene als Anti-Aging-Therapie empfohlen. Auf der Internetseite eines Gynäkologen steht dazu, auch hier zitiere ich mit Erlaubnis des Präsidenten: „Was verstehen wir also unter Anti-Aging-Therapie? Später altern, gesünder sterben, mit hundert gesund in die Ewigkeit? Der Frauenarzt von morgen muss interdisziplinär die Auswirkungen dieser Hormondefizite in den verschiedensten Gewebeinformationen bedenken.“
Unter dem Text sind zwei Bilder eingefügt mit zwei Frauengesichtern, einmal das Gesicht von Sophia Loren als Dreiundsechzigjährige mit Hormonsubstitution, auf der anderen Seite das Abbild der Mutter Albrecht Dürers als Dreiundsechzigjährige ohne Hormonsubstitution. Ich habe diese Internetseite auf meinem Tisch liegen. Gehen Sie einmal vorbei, schauen Sie sich das an, und dann urteilen Sie darüber, ob das eine seriöse Informationspolitik ist!
Deshalb bin ich auch froh, dass die SPD und die CDU diesen Antrag mit unterstützt haben und freue mich
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Hoch hat hier so eine ausführliche Antragsbegründung gegeben, dass ich eigentlich gar nicht mehr viel hinzufügen möchte. Ein wichtiger Punkt ist die Frage, ob das ein Thema ist, das uns hier in der Bürgerschaft in der Politik des Landes Bremen zu beschäftigen hat oder nicht. Wer die seriösen Informationen oder besser gesagt eben die nicht seriösen Informationen kennt, die den Frauen als Aufklärungsmaterial zur Verfügung gestellt werden, und wer weiß, Frau Hoch hat das ausführlich beschrieben, dass in Bremen weit mehr Hormone verschrieben werden als in anderen Bundesländern, so ist das sehr wohl ein Thema, mit dem wir uns hier in Bremen zu beschäftigen haben.
Ich bin gespannt auf die Antwort des Senats, was dabei herauskommt, und ich bitte alle um Zustimmung! Wir sind froh, dass die Grünen diesen Antrag eingebracht haben. Ich hoffe, dass das dann auch bei uns noch ein breites Thema wird. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir legen hier einen interfraktionellen Antrag vor, in dem wir den verantwortungsvollen Umgang mit der Vergabe von Hormonen fordern. Wir haben in der Tat schon ausführlich von der Problematik gehört. Die Entscheidung zum Hormonersatz in den Wechseljahren gehört sicher zurzeit zu der umstrittensten und schwierigsten, die getroffen werden muss. Die Nachfrage von Patientenseite ist groß, und die Datenlage der Ärzte ist nicht unerheblich. Die Ärzteschaft und die Frauen dieses Landes brauchen jetzt angesichts der vielen kontroversen Interpretationen der vorliegenden Studienergebnisse eine unabhängige und kompetente Information. Da gebe ich hier allen Vorrednerinnen Recht.
Nach Auswertung der Ergebnisse der erwähnten internationalen Studien werden die Empfehlungen der europäischen Expertengruppen in allen europäischen Mitgliedstaaten bereits umgesetzt, auch in Deutschland, so die Bekanntmachung des Bundes––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
instituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 5. Dezember 2003. Die Ergebnisse der Studien möchte ich nicht bewerten, sie werden auch unterschiedlich interpretiert. Unabhängig davon ist sicher, dass eine Notwendigkeit besteht, Frauen über die Einnahme und die Wirkung der Hormonpräparate aufzuklären, ob es sich um Monopräparate oder um Kombinationspräparate handelt.
Inzwischen gibt es auch in Deutschland von der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Konsensempfehlungen zur Hormontherapie im Klimakterium und in der Post-Menopause. Man kann sagen, dass bereits die Fachverbände eine Neubewertung der Hormontherapie vorgenommen haben und diese als Leitlinien für die Gynäkologen dienen. Die Empfehlungen ergeben sich aus der Einschätzung des derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstands, basierend auf neuen Erkenntnissen werden diese auch regelmäßig aktualisiert.
Darüber hinaus hat Bremen einen Leitfaden „Hormontherapie“ bereits im Oktober 2003 herausgegeben, der noch wesentlich weiter geht als die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft, und zwar ausgearbeitet vom Institut für klinische Pharmakologie in Bremen. Ich denke, dass es sich hier um restriktive Empfehlungen handelt. Sie ermöglichen den Vertragsärzten auch heute schon, ihre Patientinnen besser über die Risiken und Nebenwirkungen zu informieren. Insofern sehe ich, dass die entsprechend Verantwortlichen auch schon gehandelt haben.
Mit diesem Antrag wird man diesem Thema noch einmal ein besonderes Augenmerk verleihen, wobei die Aufklärung der Patientinnen im Vordergrund steht. Insofern nimmt die CDU-Fraktion an diesem Antrag teil. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Land Bremen haben wir als Ressort zusammen mit dem BIPS unter anderem mit der ZGF und mit dem Forum Frauengesundheit schon seit vielen Jahren Beiträge zur Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse geleistet. Beispielhaft kann ich die Studie des BIPS in Kooperation mit dem WIdO zu Verordnungshäufigkeiten nennen, den Kongress „Wechseljahre multidisziplinär“, der vom BIPS, vom Zentrum für Public Health und vom Forum Frauengesundheit durchgeführt wurde, oder im letzten Jahr den Kongress „Bremer Wechseljahreswochen“ oder viele Einzelveranstaltungen, die zu diesem Komplex durchgeführt worden sind. Das heißt, wir sind schon sehr aktiv, was dieses Thema betrifft.
konferenzen, auf den Frauenministerkonferenzen dieses Thema eingebracht, haben Informationen für Hormonanwendungen gefordert, und zwar bundesweit, unabhängig von der Pharmaindustrie, haben die Ärztinnen und Ärzte aufgefordert, Fortbildungsmaßnahmen zu entwickeln und haben uns auch auf die Forschung hin orientiert und dies eingefordert. Die jüngste Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft dazu ist jetzt gerade im September 2003 kurzfristig erfolgt. Es bewegt sich also insgesamt doch einiges auch auf der Bundesebene in diese Richtung, und das ist sehr zu begrüßen.
Wir haben in der Tat einen hohen Verschreibungseffekt hier im Land Bremen zu verzeichnen, das ist richtig, aber wir können jetzt auch wir einen Rückgang erkennen. Wir beobachten das sehr genau über die GKV-Arzneimittelschnellinformation, abgekürzt GAMSI. Das gibt uns die Möglichkeit, auch quartalsweise den Blick darauf zu werfen. Das machen wir auch, und zwar zusammen mit den Krankenkassen und der Ärztekammer. Ich bin schon öfter mit den Krankenkassen und mit der Präsidentin der Ärztekammer, die da Gott sei Dank auch eine sehr fortschrittliche Position vertritt, zu diesem Thema unterwegs gewesen. Wir sind alle gemeinsam entschlossen, dieses Thema weiter konsequent zu verfolgen.
Wir werden auch unsere Aufklärungsarbeit weiter fortsetzen. Wir haben vor, einen so genannten Bremer Gesundheitsdialog zusammen mit dem BIPS und der Bremer Ärztekammer zu initiieren. Wir werden am 28. April dazu die Auftaktveranstaltung durchführen, natürlich mit dem Thema Hormontherapie. Ich denke, dass wir damit wiederum einen Beitrag leisten, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen und Frauen die Möglichkeit zu geben, sich unabhängig von der Pharmaindustrie zu informieren.
Wenn es Kritik an Internetseiten gibt, dann ist das berechtigt, wir hatten uns das gerade auch in der SPD-Fraktion demonstrieren lassen. Es ist in der Tat schon sehr fragwürdig, was da zum Teil abläuft. Soweit wir direkt Einflussmöglichkeiten auf unsere kommunalen Kliniken haben, haben wir auch darauf hingewirkt, dass unsere Internetseiten in den Kliniken den neuesten Forschungsergebnissen angepasst worden sind. Das heißt, wir achten sehr darauf, dass sich das auch dort wiederfindet und dort den Patientinnen eine entsprechende kritische Umgehensweise nahe gebracht wird.
Ich glaube, wir sind alle einer Meinung hier im Haus. Wir werden das in der Deputation sicherlich gemeinsam weiter verfolgen. Ich lade Sie alle zu unserem Gesundheitsforum ein. – Danke schön!