Protokoll der Sitzung vom 03.06.2004

Meine Damen und Herren, es ist kurz vor 13 Uhr. Es ist interfraktionell vereinbart worden, jetzt die Vormittagssitzung zu beenden, in die Mittagspause einzutreten und dann um 14.30 Uhr mit der Land

tagssitzung fortzufahren. Ich wünsche Ihnen eine schöne Mittagspause.

Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung der Sitzung 12.49 Uhr)

Präsident Weber eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.

Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag).

Ich darf auf der Besuchertribüne recht herzlich begrüßen eine Besuchergruppe der CDU aus BremenStadt und Bremen-Nord und eine Gruppe AG 60 plus.

Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Misstrauensantrag gegen den Senator für Wirtschaft und Häfen, Bürgermeister Hartmut Perschau

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und von Abgeordneten der Fraktionen der SPD und der CDU vom 26. Mai 2004 (Drucksache 16/266)

Wir verbinden hiermit:

Keine weiteren öffentlichen Mittel für den Space-Park

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 26. Mai 2004 (Drucksache 16/267)

s o w i e

Entwicklung des Space-Centers voranbringen

Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU vom 2. Juni 2004 (Drucksache 16/271)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf.

Der am 26. Mai 2004 eingegangene Misstrauensantrag ist von allen Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und von Abgeordneten der Fraktionen der SPD und der CDU unterzeichnet und allen Abgeordneten und dem Senat am gleichen Tag mitgeteilt worden. Er hat insofern die in Artikel 110 Absatz 2 der Landesverfassung aufgeführten Erfordernisse für einen Antrag, einem Mitglied des Senats das Vertrauen zu entziehen, erfüllt.

Meine Damen und Herren, die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Trüpel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beantragen heute, Wirtschaftssenator Perschau das Misstrauen auszusprechen, weil er die politische Verantwortung für das Space-Park-Debakel trägt. Ich möchte gleich deutlich machen, dass es sich nicht um einen persönlichen Angriff handelt und wir ihm nicht persönliches Versagen oder gar Bereicherung vorwerfen,

(Unruhe bei der SPD und bei der CDU – Abg. F o c k e [CDU]: Das ist eine Unver- schämtheit! – Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Was haben Sie sich dabei gedacht?)

sondern es geht eindeutig um die politische Verantwortung für das Space-Park-Debakel.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich wiederhole, es geht mir eindeutig darum, hier die politische Verantwortung von Wirtschaftssenator Perschau und die des gesamten Senats und der Regierungsfraktionen zu thematisieren.

Der Space-Park, das Space-Center ist keine Erfolgsgeschichte, sondern, auch wenn Sie es immer als hitverdächtig dargestellt haben, Sie haben mit dem Space-Park und dem Space-Center bisher nichts als Teilniederlagen hingelegt. Sie, Herr Senator Perschau, haben als Wirtschaftssenator Bremen damit schweren Schaden zugefügt, finanziellen Schaden und Imageschaden.

1996, zu Beginn der großen Koalition, ist dieses Projekt mit den Stimmen von SPD und CDU auf den Weg gebracht worden. Das Vorzeigeprojekt der großen Koalition – und dass es sich darum handelt, daraus haben Sie nie einen Hehl gemacht –, das Flaggschiff der Tourismusstrategie ist leckgeschlagen. Millionen Euro Steuergelder sind versenkt, Darlehen sind verloren, nicht nur damals das Darlehen über die SWG an die Köllmann-Firmen, sondern auch die 40 Millionen an ProFun. Glaubt heute eigentlich noch irgendwer, dass Sie von diesen Darlehen noch einmal einen Cent wiedersehen werden? Meine Damen und Herren, das ist die Bilanz, und die ist schlecht, schlecht für Bremen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wer sind die Akteure? Die Dresdner Bank und das Land Bremen! Die Dresdner Bank ist Eigentümerin ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

der Gesamtimmobilie, nicht das Land Bremen. Das Land ist jedoch in vielfacher Hinsicht in das Projekt einbezogen: infrastrukturelle Erschließung, Betriebsmittelkredit für das Entertainment-Center und einiges mehr an Darlehen und Unterstützungen! Letztlich hat das Land Bremen diese Art der Nutzung des Geländes forciert und damit, ob der Senat es nun eingesteht oder nicht, eine städtebauliche Verantwortung für die Zukunft dieser Megaimmobilie.

Meine Damen und Herren, dieses Zukunftsprojekt, wie es der Senat immer genannt hat, ist in schwere Strudel geraten. Die Werbebotschaft war seit Jahren genau das Gegenteil, hier ist immer Mist für Gold verkauft worden. Ich möchte Sie noch einmal erinnern: Von 1996 an hieß es am Anfang, eine einmalige Shopping-Destination, einmalig in Europa, und zwar nur im Doppelpakt mit dem Ocean-Park wird es ein wirklich gewinnbringendes Unternehmen. Dann ist Ihnen dieser Zwilling abhanden gekommen. Dann allerdings galt der singuläre Space-Park als der wahre Renner. Er sollte zur Expo 2000 fertig sein und viele Besucherinnen und Besucher nach Bremen holen. Nichts davon ist passiert! Dann gab es das so genannte Softopening, allerdings nur des Space-Centers, weil die Mall da in der Branche schon als Investitionsruine galt, diese riesige Betonhülle, die leer steht. Jetzt könnte man fast böse sagen, offensichtlich sind Sie vom Softopening zum Softclosing gekommen.

Mit der Ankündigung der Dresdner Bank, die Kreditlinien zu kündigen, ist offensichtlich geworden, dass die Bank nicht mehr von einem Erfolgsprojekt ausgeht. Ich möchte Ihnen mit Genehmigung des Präsidenten ein Zitat vorlesen von Bürgermeister Dr. Scherf vom 28. Mai, also von letzter Woche, aus der „Süddeutschen Zeitung“: „Scherf nimmt Perschau in Schutz“, Zitat Scherf: „Der Space-Park ist kein Problem Perschau, sondern ein Regierungsproblem. Es ist ein Alptraumprojekt.“ Meine Damen und Herren, dem haben wir nichts hinzuzufügen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist aus Ihrem Vorzeigeprojekt geworden, so weit ist es gekommen, dass der Präsident des Senats in der bundesweiten Presse von einem Alptraumprojekt spricht! Ist das positives Marketing für Bremen? Es ist in Beton gegossener Größenwahn, monostrukturiert, ein großer wirtschaftspolitischer Fehler!

Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, im Dezember 2003 wurde dann das Space-Center auf einmal als Ankermieter für die Mall verkauft. Weil man die Mall nicht füllen konnte, drehte man die Argumentation einfach um. Jetzt sollte nicht mehr irgendwie ein großer Unternehmer Ankermieter in der Mall sein, sondern jetzt behaupteten die Herren von ProFun, nein, das Space-Center selbst sei der Ankermieter für die Mall.

Dann gab es hier im Dezember 2003 eine Debatte, und es wurde wieder behauptet, alles wird jetzt wunderbar. Es sei sogar billiger geworden, verstieg sich Wirtschaftssenator Perschau, außerdem sei es alles nur altes Geld. Dass es billiger geworden ist – das Gegenteil, nämlich dass es teurer wurde, haben wir Ihnen dann vorgerechnet –, war schlicht die Unwahrheit, was Herr Senator Perschau hier dem Hause verkündet hatte. Wem wollen Sie das eigentlich noch verkaufen? Offensichtlich gerade noch einem Teil der Senatskollegen und den Regierungsfraktionen! Wir haben gehört, dass in der letzten Senatssitzung, als Sie jetzt die neue Lösung im Senat zur Kenntnis genommen haben, Herr Senator Dr. Nußbaum und Herr Lemke gar nicht mitgemacht haben.

Wissen Sie eigentlich, was die Menschen in der Stadt reden? Es hat jetzt vom „Weser-Kurier“ dieses Stadtschnackergebnis gegeben. 83 Prozent derjenigen, die sich daran beteiligt haben, haben sich dafür ausgesprochen, dass es keine weiteren öffentlichen Mittel für dieses Projekt gibt. Sind das eigentlich alles Idioten für Sie?

Ich möchte noch einmal betonen, dass die Menschen in der Stadt immer skeptisch waren, und ich möchte behaupten, nicht aus einer generellen Bedenkenträgerei, sondern weil sie befürchtet haben, dass dieses zu große Projekt nicht wirklich zu Bremen passt. Nur die große Koalition hat gegen alle Gegenargumente, und ich möchte behaupten, an manchen Punkten auch gegen besseres Wissen, an diesem Projekt festgehalten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, ich weiß, aus Ihrer Sicht sind wir, was das Thema Space-Park angeht, immer die Bad Girls der Stadt und des Landes gewesen. Ich will Ihnen aber einmal eines sagen: Eine wahre Erfolgsgeschichte kann man nicht kaputtreden. Denken Sie einmal, man würde das jetzt nach den großen Erfolgen von Werder Bremen versuchen! Glauben Sie so etwas wirklich? Gestern ist hier noch wieder behauptet worden, wir hätten den SpacePark kaputtgeredet. Wer sich wirklich zu solch dummen Argumenten vergreift, man könnte Erfolgsprojekte kaputtreden, ich glaube, der hat ziemlich wenig Ahnung von wirtschaftspolitischen Realitäten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt muss man den Eindruck gewinnen, auch nach den letzten Vorschlägen, die Sie gemacht haben, dass es Ihnen, vor allem den Vertretern im Senat, nur noch darum geht, die eigene Haut zu retten.

Ich möchte Ihnen noch einmal ein paar Zitate aus den letzten Jahren vorlesen! Das erste Zitat ist vom damaligen Wirtschaftssenator Hattig hier in der Bürgerschaft von Juli 2000: „Es ist ein Großprojekt, das

für die Sanierung Bremens im Rahmen des Sanierungsprogramms sehr wichtig ist und vielleicht sogar eine Schlüsselfunktion für die spezifische Gewichtung des Tourismus hat. Damit kommt Kaufkraft nach Bremen, und mit dieser Kaufkraft haben wir eben auch ein Einzelhandelsprojekt verbunden und in das Projekt eingebunden. Wir werden dieses Projekt konsequent weiterführen, denn Vertrauen ist für Bremen eine fast wichtigere Investitionsgröße als der Stempel aus Brüssel.“ Soweit Herr Hattig!

Dann kommt ein Zitat von Herrn Focke, Mai 2001, auch hier in der Bürgerschaft: „Es gibt keinen Anlass zu der Annahme, das Space-Park-Projekt könnte insgesamt oder in wesentlichen Teilen scheitern. Risikolos ist das Vorhaben jedoch nicht, aber die Chancen überwiegen bei weitem. Die Erfolgswahrscheinlichkeit wächst nach meinem Dafürhalten mit dem Realisierungsfortschritt.“ Soweit Herr Focke!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Das ist doch richtig! – Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Und was ist daran falsch?)

Nein, nur die Realität ist anders!

Jetzt das nächste Zitat von Frau Winther, Juli 1998: „Mit Raumfahrtattraktionen mit großer überregionaler Ausstrahlung und Wirtschaftlichkeit vorausgesetzt ist für die CDU-Fraktion der Space-Park nach wie vor ein Projekt, das eine Antwort auf die strukturellen Probleme Bremens bietet.“ Mittlerweile müssen wir feststellen, dass es eher Teil der großen strukturellen und finanziellen Probleme Bremens ist und nicht Teil der Lösung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Herr Hattig Wirtschaftssenator geworden ist und dieses Amt von Herrn Perschau übernommen hat, hatte er das, was er da auf dem Schreibtisch vorgefunden hat, kritisiert und dann den Vorschlag gemacht, es um die Mall zu erweitern. Wir müssen jetzt feststellen, dass das ein Verschlimmbesserungsvorschlag war. Aus der Mall ist bisher nichts geworden, und dann wurde mit Hilfe neuer Gelder, neuer Darlehen die Firma ProFun gewonnen, um dieses Space-Center zu betreiben.