Protokoll der Sitzung vom 30.06.2004

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Verordnungsgeber für die dualen Ausbildungsberufe ist der Bund, der damit auch für den Trend verantwortlich ist, immer schmalere und damit hochspezialisierte Ausbildungsberufe zu konzipieren. Die Länder kritisieren diese Entwicklung und haben ihre diesbezügliche Position in einem Initiativpapier der Kultusministerinnen und -minister zur Sicherung der Berufsausbildung und Qualifizierung junger Menschen vom 4. 12. 2003 festgelegt. Darin heißt es unter anderem:

„Statt anerkannte Ausbildungsberufe grundsätzlich mit einer breit angelegten beruflichen Grundbildung oder mit breit angelegten Kern- und grundlegenden Fachqualifikationen zu entwickeln, folgt der Bund zu häufig den sehr spezifischen Interessen von Branchen und ihren Verbänden und lässt Ausbildungsberufe entwickeln, die überspezialisiert sind und über Nischenberufe nicht hinauskommen. Neue Ausbildungsberufe mit sehr engem Qualifikationsprofil werden geschaffen oder aus bereits bestehenden Ausbildungsberufen herausgelöst, während der Anteil der Querschnittsberufe reduziert wird.“

Eine solche Atomisierung führt dazu, dass der duale Partner Berufsschule bei verantwortbarem Ressourceneinsatz kein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot in der Fläche vorhalten kann. Um den Berufsschulunterricht für spezialisierte Ausbildungsberufe anbieten zu können, müssen in zunehmendem Maße große Einzugsbereiche gebildet werden, bis hin zu länderübergreifenden Fachklassen.

Die Länder verhandeln derzeit unter der Federführung von Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen mit dem Bund über die Frage, wie die einzelnen Punkte des vorgenannten Initiativpapiers umgesetzt werden können. Der Senat hofft im Interesse der ausbildenden Firmen und der Jugendlichen auf einen raschen Fortschritt in dieser Sache.

Zu Frage zwei: Aufgrund der zunehmenden Spezialisierung der Ausbildungsberufe wird die Vermittlung allgemeiner und fachlicher Lerninhalte unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen der einzelnen Ausbildungsberufe und damit die Bildung von Fachklassen in einzelnen Ausbildungsberufen immer schwieriger. Es müssen berufsübergreifende oder jahrgangsübergreifende Klassen bis hin zu Landesfachklassen gebildet werden. In einzelnen Berufen, so genannte Splitterberufe, werden die Auszubildenden darüber hinaus in länderübergreifende Fachklassen in andere Bundesländer überwiesen. Da die Bildung von Landesfachklassen in Bremen oder Bremerhaven oder die Überweisung in eine länderübergreifende Fachklasse in einem anderen Bundesland mit einem zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist, droht die heimische Wirtschaft häufig mit dem Abbau von Ausbildungsplätzen. Dadurch wird die Einrichtung von Landesfachklassen beziehungsweise länderübergreifenden Fachklassen, die aus monetären und fachlichen

Gründen dringend erforderlich wäre, erschwert und im Einzelfall verhindert.

In Bremerhaven kommt erschwerend hinzu, dass eine nicht geringe Anzahl von Schülerinnen und Schülern in der Berufsschule aus dem niedersächsischen Umland stammt, insbesondere aus dem Altkreis Wesermünde des Landkreises Cuxhaven, mit dem eine vertragliche Übereinkunft zum Besuch der Berufsschule in Bremerhaven besteht. Eine Überweisung nach Bremen hätte zur Folge, dass diese vertragliche Grundlage in Frage gestellt würde und sich die Situation an den Bremerhavener Berufsschulen weiter verschärfen würde. Trotzdem werden vor dem Hintergrund der vorgenannten Entwicklungen in verstärktem Maße Landesfachklassen und länderübergreifende Fachklassen eingerichtet werden müssen.

Zu Frage drei: Zurzeit gibt es Landesfachklassen in den Ausbildungsberufen Kosmetiker/Kosmetikerin und Verlagskaufmann/Verlagskauffrau, ab 2005/ 2006 in den Ausbildungsberufen Berufskraftfahrer/ Berufskraftfahrerin und Fachkraft im Fahrbetrieb. Zurzeit geprüft wird die Einrichtung von Landesfachklassen für die Ausbildungsberufe Elektroniker/ Elektronikerin für Maschinen- und Antriebstechnik und Pharmazeutisch-kaufmännischer Fachangestellter/Pharmazeutisch-kaufmännische Fachangestellte.

Darüber hinaus gibt es in der Stadtgemeinde Bremen aufgrund bilateraler schulischer Absprachen weitere Fachklassen, in die von Bremerhaven Schülerinnen und Schüler entsendet werden wie zum Beispiel Druckberufe, Laborantenberufe und Augenoptiker sowie länderübergreifende Fachklassen für die Splitterberufe Brauer und Mälzer, Fachkraft für Lebensmitteltechnik, Orthopädiemechaniker und Bandagist sowie Patentanwaltsfachangestellter. – Soweit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte sehr!

Herr Senator, ich verstehe Ihre Antwort so, dass auch Sie der Meinung sind, dass bei der Ausbildungsbereitschaft der Betriebe auch der Berufsschulstandort eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Bei der Aufzählung der Ausbildungsberufe, die durch bilaterale Absprachen der Schulen den Standorten zugeordnet werden, handelt es sich ausschließlich um Berufe, die in der Stadt Bremen beschult werden, während die zurzeit eingerichteten vier Landesfachklassen überwiegend in Bremerhaven angesiedelt sind. Darf ich diese Entscheidung so verstehen, dass Ihre Behörde bei der Einrichtung von Landesfachklassen ganz gezielt versucht, den Standortnachteil Bremerhavens auszugleichen, um die prekäre Ausbildungssituation nicht weiter zu verschlimmern?

Bitte, Herr Senator!

Das ist absolut richtig!

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Vielen Dank!)

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die zwölfte und damit letzte Anfrage in der Fragestunde befasst sich mit dem Thema „Vergabegesetz für das Land Bremen“. Die Anfrage trägt die Unterschriften der Abgeordneten Kleen, Jägers, Böhrnsen und Fraktion der SPD.

Bitte, Herr Kollege Kleen!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Wie viele Angebote für öffentliche Aufträge fielen seit In-Kraft-Treten des Landesvergabegesetzes unter dessen Anwendungsbereich, das heißt, in wie vielen Fällen sind Leistungsangebote nach diesem Gesetz geprüft und Aufträge vergeben worden?

Zweitens: Wie viele Angebote mussten bisher aufgrund der Nichteinhaltung der Vorschriften des Gesetzes vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden?

Drittens: Welche konkreten Vorschriften wurden in diesen Fällen missachtet und führten damit zu einer Ablehnung der Angebote?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Staatsrat Dr. Färber.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Öffentliche Aufträge werden durch öffentliche Auftraggeber, so genannte Vergabestellen, vergeben. Dies sind in Bremen vornehmlich Gesellschaften, denen durch Geschäftsbesorgungsvertrag die operativen Aufgaben übertragen wurden. Zu diesen Aufgaben gehört auch die Durchführung von Bauleistungen, zu denen insbesondere die Unterhaltung bestehender Anlagen oder der Neubau gehören. Aufgrund des Landesvergabegesetzes bestehen keine Pflichten der Vergabestellen, Details über die Abwicklung der einzelnen Vergabeverfahren statistisch zu erfassen und dem für das öffentliche Auftrags- und Beschaffungswesen zuständige Ressort mitzuteilen. Insofern können die Fragen nur tendenziell beantwortet werden.

Zu Frage eins: Es ist davon auszugehen, dass bei einer Vielzahl von Aufträgen aufgrund des im Landesvergabegesetzes festgelegten Schwellenwertes von 10 000 Euro die Bestimmungen des Landesvergabegesetzes zu beachten waren.

Zu Frage zwei: Es ist festzustellen, dass zu Beginn des In-Kraft-Tretens des Gesetzes noch eine größere Anzahl von Bietern aus Unkenntnis die geforderten Unterlagen dem Angebot nicht beigefügt hatten. Dies kommt jetzt nur noch in Ausnahmefällen vor.

Zu Frage drei: Wenn von Vergabestellen nach Landesvergabegesetz geforderte Unterlagen dem Angebot nicht beigefügt wurden, sind diese Bieter ausgeschlossen worden.

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege? – Bitte sehr!

Ich darf feststellen, dass die Antwort wenig ergiebig und nicht wirklich befriedigend ist. Ich darf aber nachfragen: Herr Staatsrat, gibt es auf Arbeitsebene innerhalb der Verwaltung eine Arbeitsgruppe, an der mindestens drei, vier Ressorts teilnehmen, die darüber nachdenken, wie man Schwachstellen des Vergabegesetzes nachbessern kann, um Probleme innerhalb der Vergaben zu lösen? Können Sie mir sagen, wie der Senat zu der Erkenntnis gekommen ist, dass es da möglicherweise Schwachstellen gegeben hat, denn ich lese die Antwort des Senats so, dass das Vergabegesetz im Prinzip gut läuft?

Bitte, Herr Staatsrat!

Ich kann Ihnen bestätigen, dass wir auf Arbeitsebene selbstverständlich immer wieder hinterfragen, ob Dinge vernünftig laufen oder nicht. Über Inhalte und besondere Erkenntnisse in dieser Arbeitsgruppe kann ich Ihnen hier nichts berichten.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Es liegt vielleicht daran, dass das auf Arbeitsebene gemacht wird und nicht auf Staatsräteebene, obwohl ich Ihnen nicht unterstelle, nicht Arbeitsebene zu sein.

(Heiterkeit – Staatsrat D r. F ä r b e r : Das wollte ich gerade anmerken!)

Entschuldigung!

Darf ich davon ausgehen, da es inzwischen vielleicht doch auch etwas positiv bei Ihnen besetzt ist, dass wir dann bald mit der im Gesetz vorgesehenen Verordnung zum Vergabegesetz im Hinblick auf die Tariftreue rechnen dürfen?

Bitte, Herr Staatsrat!

Ich habe nicht den Eindruck, dass es im Moment unbedingt an meinem Haus

scheitert, dass diese Verordnungen beschlossen und verkündet werden können. Ich glaube, dass das Probleme vielfältiger Art sind, die von vielen in die Diskussion gebracht worden sind.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wären Sie vielleicht so freundlich, mir zu bestätigen, dass Sie dafür zuständig sind?

Bitte, Herr Staatsrat!

Das ist richtig!

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Könnten Sie uns als Parlament versichern, dass Sie Ihre Kraft da hinein legen werden, diese Verordnung voranzutreiben und die möglichen Widerstände in anderen Häusern mit all Ihrer Kraft zu überwinden?

Bitte, Herr Staatsrat!

Das sage ich Ihnen gern zu!

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Mit der Beantwortung dieser letzten Anfrage ist die Fragestunde erledigt.

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