Protokoll der Sitzung vom 01.07.2004

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist keinesfalls überraschend, dass hier wieder einmal in Gegenreden zum DVUAntrag Zahlen und Fakten verdreht und verfälscht werden. Es wird bewusst die Unwahrheit verbreitet, um die Bevölkerung über die tatsächlichen Auswirkungen des Zuwanderungsgesetzes im Unklaren zu lassen. Was ist eigentlich davon zu halten, wenn Senator Röwekamp einerseits dem „Weser-Report“ erklärt, Wirtschaftslage und Arbeitsmarkt lassen keinen Raum für eine vermehrte Zuwanderung von Ausländern, und man sollte ohne ideologische Vorbehalte über Abschiebungen reden, und zudem wissen lässt, wir brauchen neue Gesetze, und zwar solche, die die Zuwanderung von Ausländern begrenzen, die Integration fördern und Abschiebungen erleichtern? Nachzulesen im „Weser-Report“ vom 16. Mai 2004!

Meine Damen und Herren, aber andererseits wird hier üble Stimmung gegen den DVU-Antrag gemacht. Das ist an Scheinheiligkeit und Unehrlichkeit nicht mehr zu übertreffen. Am Ende geht es den Multikultipropagandisten nur darum, in Deutschland Deutsche durch Ausländer zu ersetzen, so wie es der SPD-Spitzenpolitiker Öger öffentlich vorausgesagt und deutlich erklärt hat.

Meine Damen und Herren, schon jetzt nimmt das kleine Deutschland die meisten Asylbewerber auf, mehr als jedes andere europäische Land und sogar mehr als die großen USA, und am Ende werden maximal nur neun Prozent als asylberechtigt anerkannt. Trotzdem müssen die wenigsten Asylbetrüger oder Asylkriminellen mit Abschiebung rechnen. Sie bleiben auf Kosten und zu Lasten des Gemeinwesens in Deutschland. Der größte Schaden aber ist, dass politische Entscheidungsträger diesen katastrophalen Zustand nicht etwa beenden wollen, sondern auch noch fördern. Wenn zudem offenbar auch Umvolkung und Zerstörung von nationaler Identität Gesetz wird, ist das Höchstmaß der Niedertracht erreicht.

Meine Damen und Herren, es ist für mich sehr gut nachvollziehbar, aber unverantwortlich, dass ausgerechnet die großen Wirtschaftsunternehmen diesem Zuwanderungsgesetz entgegenfiebern und es jetzt auch freudig annehmen. Es ermöglicht ihnen, billige Fachkräfte aus dem Ausland verstärkt einzustellen und anzuwerben, wobei auf der anderen Seite zum Beispiel nur allein in München sage und schreibe über 700 sehr gut ausgebildete deut

sche Informatiker und Computerspezialisten arbeitslos sind, und in anderen Fachbereichen sieht es genauso dramatisch aus.

Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, brauchen wir keine Billiglohnfacharbeiter aus dem Ausland. Wir haben im eigenen Land genügend deutsche hochqualifizierte Facharbeiter, die händeringend nach Arbeit suchen, aber keine Arbeit bekommen, weil große Wirtschaftsunternehmen lieber billige Facharbeiter durch dieses Zuwanderungsgesetz verstärkt aus dem Ausland einstellen und anwerben. Diese Tatsache ist für die Deutsche Volksunion unerträglich und unsozial.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Tittmann, DVU, mit der Drucksachen-Nummer 16/248 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Abg. W e d l e r [FDP])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Gesetz zur Änderung des Bremischen Abgeordnetengesetzes

Antrag des Abgeordneten Wedler (FDP) vom 17. Mai 2004 (Drucksache 16/249) 1. Lesung

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Wedler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei der kurzen Debatte über den Bericht des Bürgerschaftsvorstandes zur Höhe der Fraktionszuschüsse im März dieses Jahres hatte ich unter anderem darauf hingewiesen, dass unser Abgeordnetengesetz in einigen Punkten geändert werden muss, um bestehende Regelungslücken zu füllen und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, präzisiert unter Umständen durch die anstehende Entscheidung unseres Staatsgerichtshofs,

zu berücksichtigen. In welche Richtung dies gehen sollte, habe ich versucht, in dem vorliegenden Gesetzesantrag zu formulieren.

Eine dieser Änderungen in meinem Gesetzesantrag bezieht sich auf Paragraph 7 unseres Abgeordnetengesetzes, das heißt auf die Regelungen zur Amtsausstattung der einzelnen Abgeordneten. Hier soll nach meiner Auffassung auch der so genannte Oppositionszuschlag verankert werden. Dieser Zuschlag ist derzeit in Paragraph 40 unseres Abgeordnetengesetzes geregelt und wird dort nur im Zusammenhang mit Fraktionen gesehen. Die Regelungen des Paragraphen 45 über die Finanzausstattung parlamentarischer Gruppen erwähnt zwar auch diesen Zuschlag, Näheres wird dort aber nicht ausgeführt.

Der Oppositionszuschlag, der als Ausgleich für die Vorteile gedacht ist, die die Regierungsparteien dadurch erhalten, dass sie über ihre Regierungsmitglieder Zugriff auf den Verwaltungsapparat der Regierung erhalten, wird von mir nicht in Frage gestellt. In Frage stelle ich allerdings die Tatsache, dass dieser Zuschlag gewählten Einzelabgeordneten der Opposition nicht zusteht. Dies soll durch meinen Änderungsantrag korrigiert werden. Die Aufgabe der Opposition kommt nicht nur den Fraktionen der Minderheit zu, sondern allen Abgeordneten, die die Regierung nicht tragen. Jedes andere Verständnis würde darauf hinauslaufen, oppositionellen Einzelabgeordneten jegliche Funktion im Parlament abzusprechen. Das vertrüge sich selbstredend nicht mit der Gewährleistung des freien Mandats und der Gleichberechtigung aller Abgeordneten. Es verletzte auch Artikel 78 Absatz 1 der Bremischen Landesverfassung, durch welchen das Recht auf Bildung und Ausübung parlamentarischer Opposition gewährleistet wird.

Wenn im Absatz 2 dieses Artikels die Oppositionsfraktionen besonders genannt sind, dann deshalb, um die Mehrheit daran zu hindern, das Recht auf politische Chancengleichheit und den Anspruch auf die erforderliche Ausstattung zu mindern oder gar zu beseitigen. Keineswegs ist damit die Oppositionsfunktion ausschließlich auf Oppositionsfraktionen beschränkt, denn dann wäre eine umfassende Gewährleistung parlamentarischer Opposition inhalts- und funktionslos, die im Absatz 1 geregelt wird. Eine Auslegung der Verfassung, die eine ausdrückliche Vorschrift schlicht für funktionslos erklärt, ist aber bekanntermaßen nicht zulässig.

Darüber hinaus ist ein weiterer besonderer Grund für die von mir vorgeschlagene Änderung Folgendes: Mitglied in diesem Parlament kann nach dem geltenden Wahlrecht nur werden, wer auf einer Liste in einem der beiden Wahlbereiche gewählt wurde. Das setzt voraus, dass mehr als fünf Prozent der gültigen Stimmen auf diesen Listenvorschlag in dem Wahlbereich entfallen. In dieser Weise bin ich für meine Partei, die FDP, in dieses Parlament gewählt worden. Ich bin nicht aus einer Fraktion aus

getreten oder von ihr ausgeschlossen worden, sondern ich bin direkt unmittelbar aufgrund eines Wahlvorschlages gewählt worden.

Auch wenn ich nur ein einzelner Abgeordneter bin, bin ich durch den Wahlvorgang Repräsentant einer eigenständigen politischen Richtung und eines entsprechenden Wahlvorschlags. Nicht legitim ist das Ansinnen, mich entweder einer anderen Fraktion anzuschließen oder in meiner Funktion als oppositioneller Abgeordneter ungleich behandeln zu lassen. Dass in Fraktionen der Aufwand für Koordination besonders zu berücksichtigen ist, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, wird von mir ebenfalls nicht in Frage gestellt, wohl aber unsere Regelung hier im Bremischen Abgeordnetengesetz, die die Aufgabe der Opposition eines Einzelabgeordneten nicht kennt beziehungsweise völlig ignoriert.

Die zweite Änderung meines Gesetzesantrags bezieht sich auf den Paragraphen 40 unseres Abgeordnetengesetzes. Hier soll in Absatz 2 eine Ergänzung vorgenommen werden, die sich auf die so genannten Fraktionszulagen bezieht, die Fraktionen in Einzelfällen an Fraktionsmitglieder für die Wahrnehmung besonderer Funktionen zahlen. Das Bundesverfassungsgericht hat, wie Sie wissen, im Jahr 2000 ein grundlegendes Urteil gefällt, nach dem alle Abgeordneten in Statusfragen, und dazu gehört die Zahlung von Zulagen an Fraktionsmitglieder, formal gleich zu behandeln sind, damit keine Abhängigkeiten und Hierarchien entstehen über das für die Funktionsfähigkeit des Parlaments hinaus notwendige Maß.

Es ist überhaupt kein Grund ersichtlich, warum ausgerechnet wir in Bremen als ein durchaus überschaubares kleines Bundesland und entsprechendes Parlament nicht diesem Maßstab genügen sollten. Im Gegenteil, seine Erfüllung muss uns ein besonderes Anliegen sein, indem wir wegen der besonderen Haushaltsnotlage unseres Bundeslandes die Kosten der politischen Führung besonders gering halten und von unseren politischen Repräsentanten, insbesondere auch den Parlamentariern, ein besonderes Engagement auch ohne besondere Vergütung erwarten können. Mit meinem Gesetzesantrag möchte ich den Paragraphen 40 Absatz 2 unseres Abgeordnetengesetzes im Sinne dieser puristischen Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ergänzen und damit deutlich machen, in welche Richtung meine Überlegungen in dieser Sache gehen.

Im Vorfeld dieser Debatte wurde verschiedentlich auf das laufende Verfahren zu diesen Punkten vor dem bremischen Staatsgerichtshof hingewiesen, und zwar mit dem Verständnis, eine Entscheidung solle erst einmal abgewartet werden. Aber dieses Verfahren macht gerade diese Debatte und die Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers nicht überflüssig, im Gegenteil. Es ist vornehmstes Recht und damit auch Pflicht dieses Parlaments, die recht

liche Gestaltung vorzunehmen. Dazu muss es nicht darauf warten, bis die dritte Gewalt es entsprechend auffordert oder sogar zu Maßnahmen zwingt. Es sollte vielmehr seine Souveränität zur Gestaltung bejahen und nutzen, zumal die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits genügend Anlass in diese Richtung gibt. Einen besseren Grund, ein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof überflüssig zu machen, als eine Regelung zu treffen, die von niemandem verfassungsrechtlich in Zweifel gezogen wird, kann es eigentlich nicht geben.

Einen entsprechenden Effekt konnten wir zu einem anderen Aspekt der Fraktionsfinanzierung schon feststellen. Die CDU-Fraktion hat, wie man ihrem Rechenschaftsbericht für das Haushaltsjahr 2003 entnehmen kann, die von mir beanstandete und angegriffene Sonderzahlung aufgrund der gesunkenen Mandatszahl inzwischen an die Bürgerschaft zurückgezahlt, allerdings erst in diesem Jahr und nicht schon im letzten Jahr, wie das seinerzeit in den Medien zu lesen war. In diesem Sinn rufe ich Sie auf, Ihrer Gestaltungsaufgabe im Verfassungsleben und im Verfassungsrecht und dabei in eigener Sache nachzukommen und meinem Gesetzesänderungsantrag zuzustimmen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wedler, irgendwie hat man den Eindruck, bei Ihren vielen Anträgen in einem Zustand des permanenten Déjà vu zu leben. Wir haben bereits die Fraktionszuschüsse dreimal beraten, wir haben auch diese Geschichte schon im Parlament diskutiert. Ich bin ein wenig irritiert von Ihrem Rechtsstaatsverständnis. Ich habe mir die Daten noch einmal herausgesucht, Sie haben sehr schön begründet, warum man auch während eines laufenden Staatsgerichtshofverfahrens durchaus ein Gesetz ändern kann, dieser Ablauf irritiert mich allerdings. Sie haben am 4. Mai 2004 eine Ladung für die Staatsgerichtshofverhandlung am 25. August 2004 erhalten. Am 17. Mai 2004 geht der vorliegende Gesetzesantrag ein. Daraus kann ich für mich nur schließen, dass Sie Ihre Aussichten vor dem Staatsgerichtshof für nicht so besonders erfolgreich halten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich als Parlamentarier begreife ein Parlament nicht als Reparaturbetrieb für fehlgeleitete Klagen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Damit wollte ich es eigentlich bewenden lassen, aber nach dem vorhergehenden Auftritt des undemokratischen Teils des Parlaments muss ich auch ganz ehr

lich sagen, inhaltlich habe ich überhaupt kein Interesse daran, Einzelabgeordneten mehr Geld zukommen zu lassen, als ihnen nach jetziger Rechtslage zusteht.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag des FDPAbgeordneten ist nichts weiter als billige Effekthascherei. Allein die Formulierung „ein Abgeordneter, der den Senat nicht trägt, erhält einen Oppositionszuschlag“ verleitet nicht gerade dazu, diesen Antrag ernst zu nehmen. Was heißt „nicht trägt“? Die Abgeordneten sollen unabhängig und nur ihrem Gewissen verpflichtet sein. Sinnvoller wäre es allerdings, Vorstöße gegen den so genannten Fraktionszwang zu unternehmen, denn der lässt für Unabhängigkeit und Entscheidungen keinen Raum.

Bei allen hier vertretenen Altparteien wurde immer wieder deutlich, wer sich nicht an Fraktionsvorgaben hält und anders abstimmt, als diktiert ist, ist weg vom Fenster. Deshalb wagt auch keiner, Anträgen der Deutschen Volksunion zuzustimmen. Dies, so wird befürchtet, hätte das Ende der politischen Karriere zur Folge.

Sie lachen, ich habe gute Beispiele! Das Beispiel des früheren Abgeordneten vom Bündnis 90/Die Grünen Walter Ruffler lieferte uns in der dreizehnten Wahlperiode den unzweifelhaften Beweis. Er wagte es nämlich, einem DVU-Antrag zuzustimmen, und hat dementsprechend auch gleich gehen müssen. Das war sein Todesurteil.

(Lachen beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist doch Tatsache, oder nicht, Herr Möhle? Er musste doch gehen! Das war eine hektische Betriebsamkeit, als er unserem Antrag zugestimmt hat. Sie waren nicht dabei, Sie können es nicht wissen. Aber da waren Sie blass, das kann ich Ihnen aber sagen!

Es wäre wesentlich sinnvoller, gegen das Fraktionsdiktat vorzugehen und für die Unabhängigkeit des Mandats zu streiten, statt hier Scheinanträge dieser Art zu behandeln, mit denen Bedeutsamkeit und Demokratie vorgegaukelt wird. Weil eine Krähe der anderen Krähe bekanntlich kein Auge aushackt, wird sich, ob Herr Wedler Anträge stellt oder nicht, auch nichts daran ändern, dass die SPD-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft, Landtag, ihren beiden Stellvertretern jeweils eine Diät zusätzlich gewährt, die CDU-Fraktion den eineinhalbfachen Satz oben darauf überweist und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen immer noch doppelte Aufwandsentschädigung zahlt.

Meine Damen und Herren, Heuchelei und Verlogenheit habe ich hier im Übermaß kennen gelernt. Deshalb lohnt sich auch eine weitere Beschäftigung mit diesem Antrag nicht. Unsere Bürger im Land Bremen, Herr Wedler, müssen leider damit leben, dass wir mit der damaligen FDP-Ampelkoalition sehr schlecht und hoch verschuldet regiert wurden. Dass aber viele Ihrer Spitzenpolitiker wie zum Beispiel der vorbestrafte Graf Lambsdorff oder der zurückgetretene Skandalminister Döring und viele andere FDPSpitzenpolitiker keinen Respekt vor Recht und Gesetz haben, das haben unsere Bürger nicht verdient, genauso wenig wie Ihren Showantrag.