Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

Bitte, Frau Stahmann!

Es ist eher eine Zwischenbemerkung, die mir laut Geschäftsordnung erlaubt ist. Herr Wedler, ich möchte sehr dafür plädieren, dass Sie die Elterngespräche und auch die Lernentwicklungsberichte als notwendiges Instrument ansehen, denn Eltern und Lehrer, und das ist auch unbestritten Meinung in der Bildungsdeputation, müssen Hand in Hand arbeiten, um Kinder bestmöglich zu fördern.

Ich stimme Ihnen zu, was die Elterngespräche und die Elternarbeit betrifft. Dies ist zwingend notwendig, das ist auch gängige Praxis seit Urväterzeiten, das war schon zu meiner Schulzeit so, das ist auch nichts Neues. Ob es nun Lernentwicklungsberichte sind oder Zensurenzeugnisse, so wie ich sie mir vorstelle, das ist eine zweite Frage. Da gehen dann die Wege auseinander. Da denke ich schon, dass in den Elterngesprächen auch über Lernfortschritte oder Lernentwicklungen der einzelnen Kinder geredet wird. Das ist auch selbstverständlich. Das wird den Eltern dann auch, denke ich, so mitgeteilt. Insofern gibt es an der Stelle, was Elternarbeit und Elterngespräche betrifft, auch keine Unterschiede.

Unsere FDP-Position möchte ich hier in diesem Bereich auch deutlich machen, sie ist im Bereich der

Schülerbeurteilung beziehungsweise der Zeugnisordnung so, dass wir in den ersten beiden Grundschulklassen keine Zensurenzeugnisse geben wollen, sondern stattdessen detaillierte Lernentwicklungsberichte. Das erscheint uns in der Lernanfangsphase bei den Kindern in der Grundschule auch sehr angemessen und ist auch sinnvoll. Insofern teile ich an der Stelle voll das, was Sie von der CDU-Seite hier dazu sagen.

Ab der dritten Grundschulklasse plädieren wir allerdings für das klassische Zensurenzeugnis – insofern kommt jetzt gleich von Ihnen der Vorwurf –, das dann durch die Elternsprechtage oder die Elternarbeit ergänzt wird. Insofern dann auch hier diese Dualität und nicht die noch zusätzliche Ergänzung durch Lernentwicklungsberichte! Das liegt nach meinem Dafürhalten und nach unserem Verständnis im Interesse der Schüler, die gern wissen wollen, wie und wo sie stehen in ihrer Klasse und auch im Vergleich zu anderen Klassen. Gerade auch im Vergleich der Klasse ist das ein sehr wichtiger Gesichtspunkt. Das geht bei Lernentwicklungsberichten, ich komme gleich noch einmal darauf zurück, verloren, diese Vergleichbarkeit innerhalb der Klasse und über die verschiedenen Klassen hinweg.

Es liegt aber auch im Interesse der Lehrer, denn sie müssen ihre Arbeitsökonomie sehen und müssen zusehen, dass sie nicht nur ihre Unterrichtsgestaltung, die Vorbereitung und Nachbereitung machen, sondern auch diese notwendige „Verwaltungsarbeit“, sprich Zeugnisse schreiben. Da müssen wir aufpassen, dass wir da nicht durch Zeugnisordnungen, wie wir sie hier gemacht haben, dann von den Lehrern mehr verlangen, als eigentlich notwendig ist.

Das klassische Zensurenzeugnis hat auch die Möglichkeit, Bemerkungen zu machen, die sich mit der Lernentwicklung, dem Lernfortschritt und anderen schulischen Verhaltensweisen beschäftigen. Das ist genau der Punkt, an dem man deutlich machen kann, um in Ihrem Beispiel zu bleiben, Frau Stahmann, mit dem Kind, das mit 60 Fehlern dann weiterhin die Sechs bekommt und, auf die Hälfte heruntergekommen, wieder die Sechs bekommt, dass man dann diesen Lernfortschritt, diese Lernentwicklung, die da stattgefunden hat, durchaus in der Bemerkungsspalte dokumentieren kann.

Die Möglichkeiten gibt es also auch in dem klassischen Zeugnis, und es wird auch vielfältig praktiziert. Ich kenne das von meiner Frau, die, gerade was diese Bemerkungen anbetrifft, sehr vielfältige Überlegungen anstellt.

Eine Reduzierung der Schüler beziehungsweise der Eltern auf die reine Lernentwicklungsberichterstattung halten wir, wie gesagt, nicht für sinnvoll. Ich habe mir einmal in der Vorbereitung auf diese Debatte einen Lernentwicklungsbericht von einer Bremerhavener Grundschule in dem Fall angesehen. Das sind sechs Seiten, und wenn ich mir das einmal anschaue, ist das nach den verschiedenen Fächern sortiert und zum

Teil sehr umfassend. Deutsch ist über eine DIN-A4-Seite. Dann gibt es da unterschiedliche Unterpunkte, und jeder einzelne Unterpunkt muss dann noch beurteilt werden, jetzt allerdings nicht in Form einer Zensur, sondern ich nenne das einmal so, es wird angekreuzt. Es gibt Rubriken: kaum, selten oder teilweise, überwiegend. Das heißt also, von unten nach oben wird das hier beurteilt. Das wird angekreuzt. Dann hat man also als Eltern und Schüler solch ein sechsseitiges Papier in der Hand.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Von wann ist das?)

Das hat mir meine Frau gerade gestern erst besorgt.

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Warum redet seine Frau denn nicht hier?)

Das ist von der Gauss-Schule I in Bremerhaven, das ist ein Beispiel. Es ist natürlich ein Blankoformular. Deswegen kann ich nicht sagen, ob das von diesem Schuljahr ist.

Dieses Ankreuzen ist für mich die Hölle, und so differenziert, das ist sehr schlecht. Deswegen kann es nicht Stand einer solchen Lernentwicklungsberichterstattung sein.

Warum wir uns für die klassische Leistungsbeurteilung in Form eines Zensurenzeugnisses ab der dritten Klasse aussprechen, hat auch etwas mit der Vergleichbarkeit über die Landesgrenzen hinweg zu tun. Das ist hier vorhin auch schon gesagt worden, denn viele Bundesländer haben solche Zensurenzeugnisse und weniger diese Lernentwicklungsberichte, die im Grunde genommen beim Länderwechsel wenig aussagen.

Das hat, wie gesagt, etwas mit der Arbeitsökonomie der Lehrer zu tun. Es hat auch etwas mit unserer Vorstellung von Verzahnung des Kindergartenbereiches mit dem Schulbereich und mit der frühzeitigen Förderung schon vor der Einschulung zu tun, einer Förderung, die sich insbesondere mit den sprachlichen, sozialen und kognitiven Defiziten der einzuschulenden Kinder beschäftigen kann. Wir wollen mehr Chancengleichheit beim Start der Schullaufbahn, und erst dann soll die Leistungsdifferenzierung zum Tragen kommen.

Wenn Schüler erst, von Ausnahmen einmal abgesehen, ab der fünften Klasse Zensurenzeugnisse erhalten sollen, so lese ich die neue Zeugnisordnung, in der Zeit der Pubertät also, dürfte dies sicherlich nicht besonders förderlich für die Kinder und ihre Entwicklung sein. Deshalb wollen wir die Zensurenzeugnisse schon früher, spätestens ab dem dritten Jahrgang, und das, denke ich, kann man auch sehr gut begründen.

Dem Antrag der Grünen könnte ich in der Begründung und im zweiten Teil des Antrags nicht zustimmen.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann lehnen Sie ihn ab, Herr Wedler!)

Höchstens dem ersten Halbsatz könnte ich zustimmen, aber im Ergebnis, kann ich Ihnen Recht geben, werde ich den Antrag natürlich ablehnen, weil er in der Diktion und in der Stoßrichtung eigentlich genau anders gepolt ist als das, was wir politisch wollen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst einen nicht ganz ernst gemeinten Hinweis angesichts der traurigen Stimmung bei weiten Teilen des Hauses wegen der gestrigen Werder-Niederlage! Was meinen Sie, was sich die Spielerinnen, nein, die Spieler von Werder Bremen oder anderer Vereine am Samstagabend nach einem Bundesligaspieltag zuerst anschauen, wenn sie die „Bild am Sonntag“ oder die „Welt am Sonntag“ in die Hand nehmen? Was meinen Sie, was sie sich ansehen? Die Noten sind das, was die Spielerinnen, Entschuldigung, die Spieler der Bundesligaclubs und sicherlich auch der Damenmannschaften, um hier niemanden zu verprellen, sich anschauen. Das ist nicht ganz ernst gemeint, aber die Notengebungen sind etwas in Deutschland sehr Verbreitetes und haben das allergrößte Interesse. Auch ich habe mir heute Morgen nicht den langen Bericht angesehen, sondern ich habe nur auf die Noten geschaut. Dies nur vorab und nicht ganz ernst gemeint!

(Unruhe beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin eben zu gestern zitiert worden. Ich wollte Sie nur auf den Widerspruch gestern bei der Debatte aufmerksam machen, liebe Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bei der Hochschuldebatte haben Sie vehement gefordert, man sollte mehr Wert legen auf die Durchschnittsabiturnote und andere Dinge vernachlässigen wie Eingangstests, Motivation et cetera. Da gibt es einen Widerspruch! Ich habe nicht von – –.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber dass Sechsjährige nicht Abi- tur machen, da sind wir uns einig?)

Bitte? Über Sechsjährige reden wir gar nicht, liebe Frau Linnert, wir reden hier von Drittklässlern und Viertklässlern!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Schön?

Von Frau Schön immer!

Bitte, Frau Kollegin!

Danke, das ist aber nett! Es ist auch eher eine Bemerkung. Ich nehme hier zur Kenntnis, dass wir hier über die Grundschule reden und nicht über das Abitur. Das ist erst einmal ein Unterschied, und zum anderen möchte ich noch einmal zur Kenntnis geben, dass ich gestern darüber geredet habe, dass gegenwärtig das Abitur die höchste Validität, die höchste Verlässlichkeit und die höchste Fairness hat und dass die anderen Instrumente nicht die hohe Validität zum jetzigen Zeitpunkt haben. Das zur Klarstellung zu gestern, nicht dass Sie noch weiter darauf herumreiten, worum es mir gestern gegangen ist! Ich habe es befürchtet, dass Sie jetzt darauf einsteigen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bleibe dabei, wir haben gestern über Noten geredet, nämlich über einen Notendurchschnitt beim Abitur, und wir reden heute über Noten an Grundschulen in der dritten und vierten Klasse. Da muss ich Sie zunächst einmal darauf hinweisen, dass Sie in Ihrem zweiten Absatz absoluten Unsinn schreiben. Sie schreiben hier, ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen: „Seit etwa 15 Jahren durften Bremer Grundschulen keine Noten unter die Zeugnisse der Schülerinnen und Schüler schreiben.“ Haben Sie gar keine Ahnung, was an unseren Bremer Grundschulen seit Jahren läuft?

(Beifall bei der CDU – Vizepräsidentin D r. M a t h e s übernimmt den Vorsitz.)

Selbstverständlich gibt es Notenzeugnisse in Bremen! Das ist doch gar keine Frage, warum schreiben Sie so etwas?

(Zuruf der Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen])

Es war den Schulen freigestellt, liebe Frau Stahmann, das wissen Sie doch!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das heißt doch, sie durften keine Noten geben!)

Sie durften Noten geben!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das steht da doch!)

Sie konnten machen, was sie wollten!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Also durften sie keine Noten ge- ben! – Heiterkeit bei der CDU)

Das erklären Sie einmal irgendwo draußen, da werden sich die Leute schon fragen, wie Sie hier argumentieren!

(Unruhe beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich komme jetzt also auf die drei Bereiche, die Sie hier kritisieren. Sie reden darüber, dass wir Lernentwicklungsberichte mit abschließenden Noten geben. Wir reden auch darüber, dass wir daran interessiert sind, eine stärkere Kommunikation zwischen den Elternhäusern und den Schulen zu erreichen. Wir in der großen Koalition haben beides umgesetzt, und ich bin sehr zufrieden über die Resonanz an den Schulen und habe eine völlig andere Wahrnehmung als Sie, liebe Frau Stahmann!

Wir haben 4000 Elternpaare in Bremen, die diese Lernentwicklungsberichte ihrer Kinder bekommen haben. Ich habe nicht eine einzige negative Zuschrift von irgendeinem Elternpaar bekommen, geschweige denn ist mir bekannt, dass irgendwo in meiner Behörde Klagen eingegangen sind. Sie haben eben zweimal den Begriff hier vorgetragen, Eltern hätten Klagen eingereicht. Mir ist nicht ein einziger Brief, nicht eine einzige Klage zu Ohren gekommen, im Gegenteil! Ich habe mit ganz vielen Schulleitern gesprochen, ich habe mit ganz vielen Eltern gesprochen, die sagen, endlich gibt es einen Lernentwicklungsbericht, der einmal den Leistungen meines Kindes gerecht wird.

Das sind die Fakten der Situation in unserer Stadt und nicht diese Aufgeregtheit, die Sie versucht haben, uns hier deutlich zu machen, dass es Unfrieden an den Schulen gibt. Genau das Gegenteil ist richtig! Wir haben endlich, möglicherweise nach Jahrzehnten, eine einheitliche Struktur in der Bewertung, in der Beurteilung unserer Kinder, und das ist ein richtiger Schritt und kein falscher Schritt!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Nun kann man darüber streiten, und darüber will ich auch gern mit Ihnen diskutieren, ob es richtig ist, in dieser umfangreichen Art und Weise diese Zeugnisse den Kindern, den Eltern auszuhändigen. Darüber, das wissen Sie auch, das habe ich in der Deputation vorgetragen, haben wir jetzt mit Experten, auch mit dem Grundschulverband gesprochen. Wir werden dort mit den Schulleitern reden und natürlich auch mit dem ZEB, um zu einer Verbesserung dieses ersten gemeinsamen Entwurfs zu kommen. Da haben Sie mich an Ihrer Seite.

Ich bin neulich auch darauf hingewiesen worden, dass in der ersten Rubrik auch die Methodenkompetenz in Grundschulzeugnissen mit berücksichtigt wird. Da teile ich möglicherweise diese Kritik, die haben Sie hier nicht vorgetragen, da setze ich mit meiner Kritik an, da werden wir Differenzierungen vornehmen, da werden wir Korrekturen vornehmen. Wir sagen nicht, dass das jetzt endgültig das Amen in der