Protokoll der Sitzung vom 22.06.2005

Zusatzfrage? – Bitte, Frau Stahmann!

Frau Senatorin, Sie haben das Bremische Kinder, Jugendund Familienfördergesetz zitiert: Trifft es zu, dass dann nur noch die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen erfüllt werden wie die Erziehungshilfe und dass die so genannten freiwilligen Leistungen wie die Cliquenarbeit und die stadtteilorientierte Jugendarbeit dann zur Kürzung anstehen würden?

Bitte, Frau Senatorin!

Ich kann Ihnen hier jetzt auch keine detaillierte Auskunft geben, weil wir noch nicht so weit sind, dass wir das im Einzelnen bewertet haben, was in Zukunft noch machbar wäre und was nicht. Wir stehen auch hier am Anfang von Haushaltsberatungen. Unser Ziel ist es, dass wir den stadtteilorientierten Teil des Anpassungskonzepts möglichst ohne Einschnitte auf dem Level des Status quo weiterfahren können. Wenn wir das schaffen, wäre ich schon sehr froh.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, nach welchen Kriterien werden Sie diese Kürzung verteilen? Sie werden Überlegungen angestellt haben und sagen, nach folgenden Kriterien können wir auf bestimmte Angebote verzichten. Gibt es so eine Kriterienliste in Ihrem Haus?

Bitte, Frau Senatorin!

Die gibt es noch nicht. Wir haben jetzt erst einmal geleistet, dass wir die Eckwerte des Senats auf die einzelnen Haushaltsstellen her

untergebrochen haben. Da haben wir in den einzelnen Produktbereichen entsprechende Vorschläge gemacht. Auf dem Stand sind wir jetzt. Eine weitere Konkretisierung oder Entwicklung von Kriterien haben wir noch nicht vorgenommen.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Denken Sie, dass diese Kürzungen, wir haben gehört, dass es eine sehr hohe Bereitschaft zum Ehrenamt gibt in diesem Bereich, die Freiwilligenarbeit und das bürgerschaftliche Engagement fördern?

Bitte, Frau Senatorin!

Natürlich nicht! Ich befürchte, dass es vielleicht zu der umgekehrten Entwicklung kommen könnte. Aber wir werden alles dafür tun, dass genau dies nicht eintritt, weil es sehr wichtig ist, dass wir das ehrenamtliche Engagement auch im Bereich der Jugendlichen weiter unterstützen.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Damit sind wir am Ende unserer heutigen Fragestunde angelangt.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Ihnen wie gestern in der Stadtbürgerschaftssitzung davon Kenntnis geben, dass mir der Landeswahlleiter mitgeteilt hat, dass Herr Michael Bartels seit dem 1. Juni 2005 wieder Mitglied der Bremischen Bürgerschaft ist.

Ich wünsche Ihnen bei der Ausübung Ihres Mandats alles Gute und viel Erfolg.

(Beifall)

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde ist von den Fraktionen kein Thema beantragt worden.

Modernisierung der beruflichen Bildung

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 8. Februar 2005 (Drucksache 16/526)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 10. Mai 2005

(Drucksache 16/615)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, Herr Senator, dass Sie darauf verzichten wollen, so dass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Ich weise noch darauf hin, dass für den jeweils ersten Redner je Fraktion verlängerte Redezeit bis zu 20 Minuten vereinbart worden ist.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Ravens.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um das vorweg zu sagen, die Antwort auf unsere Große Anfrage, das muss man einmal lobend sagen, ist ausgezeichnet. Ich glaube, das Land Bremen ist im Bereich der beruflichen Bildung gut aufgestellt, obwohl es natürlich an einigen Ecken hakt, das wissen wir. Daran wollen wir weiterhin arbeiten, und ich empfehle auch, das, was ich Ihnen jetzt so als Grundsatz meiner Fraktion darstelle, und die Punkte, die ich für verbesserungsbedürftig halte, im Ausschuss berufliche Bildung weiter zu behandeln, weil wir hier nicht ins Detail gehen können. Ich kann hier nur die Grundzüge unserer Politik darstellen. Wenn Sie es gern nachlesen, der Kollege Ravens hat für seine Fraktion ein Positionspapier erarbeitet. Das, was ich unter beruflicher Bildung verstehe, habe ich darin niedergeschrieben. Es muss ja nicht alles richtig sein.

(Abg. F o c k e [CDU]: Kostet aber nichts!)

Nein, es kostet nichts, aber das darf man doch einmal sagen!

Ich habe gesagt, dass wir im Bereich der beruflichen Bildung noch nicht am Ende des Weges sind. Da sind wir uns auch einig, aber ich glaube, wir arbeiten für die Zukunft unserer Jugend. Ich hatte vorhin 60 junge Menschen aus der Karl-Marx-Schule in Bremerhaven zu Besuch. Wenn wir für alle 60 einen Ausbildungsplatz hätten, wäre ich sehr zufrieden.

Meine Damen und Herren, rund zwei Drittel aller Jugendlichen in Deutschland absolvieren eine betriebliche Ausbildung. Im vergangenen Jahr waren es in Deutschland 1,7 Millionen junge Leute, die durch eine berufliche Ausbildung gegangen sind. Allein im Jahr 2000, das sind die Zahlen, die mir vorliegen, wurden rund 76 Berufe modernisiert und 26 neue kreiert. Es gab also 26 neue Berufe, und in diesem Jahr, weiß ich, kommen noch ungefähr 21 neue hinzu. Sie sehen, es gibt eine Riesenpalette von Ausbildungsberufen. Wir wissen, der hohe Standard unserer Berufsausbildung zählt auch zu den wichtigsten Standortfaktoren und Standortvorteilen in unserem Land. Unser Ausbildungssystem ist wegen seiner engen Verzahnung und Verbindung zum Beschäftigungssystem

auch von den allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig.

Wir wissen natürlich auch, ist der Arbeitsmarkt in Ordnung, stimmen die Rahmenbedingungen für die Berufsausbildung, für die Aus- und Weiterbildung. Dass derzeit die Rahmenbedingungen nicht so ganz stimmen, merken wir tagtäglich, wenn wir uns die Arbeitslosenzahlen ansehen. Wir wissen, dass wir etwas machen wollen.

Die Arbeitswelt, meine Damen und Herren, wird immer komplexer und erfordert auch immer mehr Theorie. Auch das wissen wir alle, darüber gibt es keinen Streit, dass eben nicht alle jungen Menschen mit diesem Fortschritt Schritt halten können, auch mit ihrer Vorbildung nicht. Die Kenntnisse reichen nicht aus, um in eine Berufsausbildung einzutreten.

Darum sage ich immer, unverzichtbare Grundlage einer erfolgreichen beruflichen Aus- und Weiterbildung sind gute schulische Leistungen und ein möglichst solider Schulabschluss. Die Klagen der Wirtschaft und Verwaltung, dass die Schulvoraussetzungen für die Ausbildungsfähigkeit und die Reife häufig nicht gegeben sind, sind berechtigt. Das sagt auch die Antwort auf unsere Frage drei. Das steht auch in der Antwort, sie ist offen und ehrlich, deshalb finde ich die Antwort auch sehr gut, dass man offen damit umgeht. Ich habe einen Artikel im „Hamburger Abendblatt“ gelesen, Überschrift: „Eine Chance auch für schwache Hauptschüler“. Darin steht dann, die Bewerber seien eine Katastrophe, klagen viele deutsche Unternehmen, aber ich zitiere ein Unternehmen, das wir alle kennen, E.on-Hansa in Hamburg. „Ich kann das nicht mehr hören“, sagt das Unternehmen und geht neue Wege in der Lehrlingsausbildung. Die Firma sagt, „wir brauchen in unserer Firma nicht nur die Elite. Ein guter Querschnitt ist nötig, und dazu gehören die Hauptschüler genauso wie die Abiturienten“. Dies kann ich nur sehr unterstreichen.

Wenn wir bei einem Bewerber trotz schlechter Schulleistungen gute Anlagen entdecken, bekommt er dennoch eine Chance. Diese Chance heißt EidA, das heißt Einstieg in die Arbeitswelt, meine Damen und Herren. Das ist ungefähr so wie das EQJ in Bremen. Ich finde es einen guten Weg, dass Unternehmen junge Leute erst einmal in ein Praktikum nehmen und sagen, Mensch, jetzt bist du ausbildungsfähig, jetzt kannst du bei uns auch einen Arbeitsplatz bekommen. Das ist der richtige Weg. Daran sehen Sie, dass wir in diesem Bereich gut aufgestellt sind, aber wir werden sicher noch vieles tun müssen.

Meine Damen und Herren, die Anforderungen der Wirtschaft an Berufsanfänger haben sich verändert. Sie brauchen nicht mehr nur eine breite Allgemeinbildung, sondern zunehmend Schlüsselqualifikationen wie Verantwortungs- und Leistungsbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit, soziale Kompetenz und die Fähigkeit, Probleme auch vernetzt übergreifend zu erkennen und zu lösen. Es ist hier auch Aufgabe der

allgemeinbildenden Schule, dies vorzubereiten. Darum sind die Reformen in den allgemeinbildenden Schulen, mit denen die Berufsausbildungschancen der Jugendlichen nachhaltig verbessert werden, dringend notwendig.

Stichwort berufsbildende Schulen: Diese sind ein ganz wichtiger Punkt für mich, weil das im Land Bremen wichtig ist, was wir verbessern können. Unsere berufsbildenden Schulen, meine Damen und Herren, haben für mich einen ganz hohen Stellenwert. Auch sie gehören zu den ganz wichtigen Standortfaktoren unseres Landes. Sie vermitteln nicht nur Berufsfähigkeiten und die notwendige berufliche Flexibilität zur Bewältigung der sich wandelnden Anforderungen der Arbeitswelt, nein, sie sind für mich auch ein zugleich unverzichtbares Bindeglied zum allgemeinbildenden Schulwesen. Die Berufsschulen sind auch nicht nur Anhängsel, wie sie oft so genannt werden, sondern konstitutives Element des dualen Systems. Sie leisten für mich einen ganz wichtigen, unverzichtbaren Beitrag zur Ausbildung von Schlüsselqualifikationen.

Die Lehrkräfte haben nicht nur das Know-how für die Ausbildung in High-Tec-Berufen. Sie erziehen und bilden auch die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler aus, die in den berufsbildenden Schulen, das muss man leider sagen, oftmals das letzte Mal etwas mitbekommen. Darum ist es äußerst wichtig.

Gestatten Sie mir das einfach einmal zu sagen: Für mich ist viel zu lange über die geredet worden, die über die allgemeinbildenden Schulen das Abitur anstreben. Aus diesem Grund sind aus meiner Sicht die berufsbildenden Schulen mehr und mehr aus der Sicht verschwunden gewesen. Wir sollten mit dazu beitragen und, ich füge an, auch bei den Haushaltsberatungen daran denken, für welche wichtigen Aufgaben berufsbildende Schulen stehen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir stellen im Rahmen der Neuordnung von Berufen fest, dass die Sozialpartner auf Bundesebene in der Regel immer höhere Anforderungen und Ansprüche definieren, die von Hauptschulabsolventen nur noch in geringem Umfang erfüllt werden können. Gleichzeitig aber sind sie nicht bereit, überkommene Inhalte zu streichen. Auch darüber müssten wir einmal kritisch nachdenken, und diese Aufgabe können wir nicht allein im Land Bremen bewältigen. Das muss in Berlin gemacht werden. Grundsätzlich muss durch berufliche Ausund Weiterbildung eine dauerhafte Beschäftigung sichergestellt werden.

Lange galt die Berufsausbildung in Deutschland in aller Welt als Vorbild. Man kann das aber einmal so salopp sagen, auch Exportschlager kommen einmal in die Jahre. Das ist jetzt keine Kritik an irgendjemandem, aber ich muss es einmal ansprechen. Mit

mehr oder weniger politischem Geschick, das ist mein Empfinden gewesen, ist im vergangenen Herbst von Rotgrün und von CDU/CSU die Novelle im Bundestag über das Berufsbildungsgesetz geändert worden. Eine Neuerung ist, wenn man davon überhaupt reden kann, die Festschreibung der Verbundausbildung. Ich habe gesagt, das ist für mich ein alter Hut, den haben wir schon lange hier geführt. Das ist mit den Kammern vereinbart worden. Das ist jetzt nur im Gesetz festgeschrieben worden. Dann ist die Probezeit verlängert worden von drei auf vier Monate. Auch das ist keine weltmeisterliche Leistung.

Es ist die gestreckte Prüfung eingeführt, da laufen Sie bei mir offene Türen ein. Ich habe mich immer schon dafür eingesetzt. Die gestreckte Prüfung wird als zweite Prüfungsart neben der Abschlussprüfung eingeführt. Es gibt jetzt eine zweijährige Ausbildungszeit. Damit habe ich meine Probleme, dazu komme ich aber nachher noch. Die Auszubildenden, die sich zurzeit nach einer so genannten Kurzausbildung nicht weiterbilden können oder wollen, sind jetzt berechtigt, schon nach zwei Jahren Ausbildung die Abschlussprüfung abzulegen.

Meine Damen und Herren, ich habe aber bewusst ein großes Fragezeichen und ein Ausrufezeichen gesetzt, die Stufenausbildung ist damit de facto abgeschafft worden, und ich halte sehr viel davon. Wenn ich mich umdrehe, mein Präsident, der früher Leiter der Jugendwerkstätten in Bremen war, und wir hier im Haus haben auch heiße Diskussionen geführt, ich war damals gegen die Stufenausbildung, er dafür, heute kann ich sagen, Sie haben Recht behalten, Herr Präsident!

(Beifall bei der SPD)