Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

(Einstimmig)

Meine Damen und Herren, der nächste Punkt wäre Tagesordnungspunkt 20. Interfraktionell ist vereinbart worden, weil im Januar eine Mitteilung des Senats vorliegt, diese Debatte in den Januar zu ziehen und somit heute auszusetzen.

Besteht darüber Einverständnis?

Das ist der Fall. Dann ist dieser Punkt ausgesetzt.

Einverständnis besteht auch darüber, dass wir jetzt nur noch den Tagesordnungspunkt 23 aufrufen. In Anbetracht der Zeit, wir haben noch 19 Tagesordnungspunkte ohne Debatte, und wir haben auch noch den Nachtragshaushalt in der Stadtbürgerschaft, empfehle ich Ihnen, dass wir jetzt noch den Punkt 23 aufrufen, dann die Tagesordnungspunkte ohne Debatte und anschließend die Stadtbürgerschaft.

Besteht darüber Einverständnis? – Ich danke Ihnen!

Kinderarmut durch gezielte Familienförderung bekämpfen

Antrag des Abgeordneten Tittmann [DVU] vom 21. Oktober 2005 (Drucksache 16/785)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Röpke.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine erschreckende Tatsache, dass in Deutschland auf der Grundlage einer verfehlten und unsozialen Familienpolitik die Kinderarmut dramatisch zugenommen hat. Allein in Bremerhaven leben zirka 40 Prozent der Kinder unter 15 Jahren in Armut. Das heißt, wer ein durchschnittliches Monatseinkommen von zirka 800 Euro erhält, gilt als arm, und das sind gerade in Bremerhaven nicht wenige Menschen. Dieser Zustand ist für die Deutsche Volksunion unerträglich. Hier muss endlich umgehend politisch gehandelt werden. Zwar wurde pro forma eine Alibiarbeitsgruppe gegründet, die sich aber erfahrungsgemäß, ohne effektiv zu handeln, in unendlichen Diskussionsrunden und ohne Ergebnisse aufreiben wird.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, das ist gerade in Bremerhaven eine tickende Zeitbombe, denn Kinderarmut ist das größte Bildungsrisiko überhaupt. In der für Bremen grausamen Pisa-Studie können Sie Ihre Politik einer bis dahin nie gekannten sozialen Kälte schwarz auf weiß nachlesen. Die Bundesregierung und die Regierungen der Länder haben es selbst in der Hand, ob Kinder in Armut aufwachsen müssen oder nicht. Sie können Ihre sehr großen Probleme nur in den Griff bekommen, indem sie Kinder vor Ausgrenzung und sozialer Benachteiligung bewahren, so wie es Ihre politische Verantwortung und Aufgabe ist, denn Kinder, die heute in Armut leben müssen, bleiben erfahrungsgemäß auch im späteren Leben arm und zukunftslos.

Die Folge Ihrer gescheiterten Politik ist, auch Kinder armer Eltern werden in Armut leben müssen, denn aus Armut gibt es kaum ein Entkommen. Kinderarmut ist ein grausames, deutliches Armutszeugnis politisch Verantwortlicher. Die erschreckende Zunahme einer verfestigten Kinderarmut bedeutet für die betroffenen Kinder, der Gesundheitszustand verschlechtert sich, sie werden ausgegrenzt, sie leiden an Konzentrationsschwäche, sie haben Angstzustände, sie werden Außenseiter, weil sie aufgrund ihrer Armut zum Beispiel nicht an Klassenfahrten teilnehmen können und so weiter. Sie können oft

nicht mit Gleichaltrigen ins Kino gehen, ins Schwimmbad, sie haben große Schulprobleme und werden von anderen Kindern viel zu selten zu Hause besucht oder eingeladen.

Das Schlimmste, was man sich überhaupt vorstellen kann, dass so etwas überhaupt in Deutschland möglich ist, und ich rede hier jetzt über unerträgliche Verhältnisse und Zustände in Deutschland und nicht etwa über ein Entwicklungsland, einen Entwicklungsstaat der Dritten Welt, ist: Viele Kinder in Deutschland müssen täglich großen Hunger leiden. Ihre einzige Chance besteht darin, sich im Kindergarten noch einmal richtig satt essen zu können, weil sie genau wissen, dass sie eine lange Zeit nichts Richtiges zu essen bekommen werden. Das ist ein sozialpolitischer Skandal sondergleichen. Das ist das Ergebnis Ihrer unsozialen Familienpolitik. Das ist Ihre Politik einer sozialen Kälte, die unverantwortlich auf dem Rücken und zu Lasten unserer Kinder niederträchtig und skrupellos täglich betrieben wird.

Der beste Beweis hierfür ist die Aussage der Familienministerin Renate Schmidt, SPD, von solchen Aussagen verantwortlicher Politiker der Altparteien gibt es viele, sie sagte im Bayerischen Rundfunk auf die Frage: „Sterben die Deutschen aus?“ Herr Präsident, ich darf Familienministerin Renate Schmidt, SPD, zitieren: „Das ist für mich nicht das Problem. Die Frage, die Sie hier stellen, ist für mich eine, die ich an allerletzter Stelle stellen würde, denn das ist mir verhältnismäßig wurst.“

Meine Damen und Herren, solche Sätze muss man sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das hat eine maßgeblich verantwortliche und deutsche Familienministerin gesagt. Ich sage Ihnen im Namen der Deutschen Volksunion, wenn es einer deutschen Familienministerin völlig wurst ist, völlig egal ist, ob das deutsche Volk ausstirbt oder nicht, einer solchen verantwortungslosen Familienministerin ist auch eine zunehmende Kinderarmut wurst. Einer solchen Familienministerin ist es auch völlig wurst und egal, wenn in unserem Land Kinder hungern müssen.

Meine Damen und Herren, solche unfähigen und verantwortungslosen Politiker, die auch noch vom Steuerzahler sehr gut und überbezahlt werden, denen das grausame Schicksal vieler unschuldig verarmter Kinder in Deutschland wurst und egal ist, haben in der Politik nichts, aber auch gar nichts mehr zu suchen.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Ihre Zitate sind falsch und unverschämt!)

Deshalb spreche ich der Familienministerin auch das Recht ab, das Wort Familie überhaupt jemals wieder benutzen zu dürfen.

Es stellt sich nun die Frage: Was ist gegen die zunehmende Kinderarmut in Deutschland zu tun? Sie können soviel schreien, wie Sie wollen, das hat Ihre Familienministerin gesagt! Ich weiß, das hören Sie nicht gern!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Bringen Sie das Zitat doch einmal vollständig! Sagen Sie nicht immer Unwahrheiten!)

Die Wahrheit hören Sie nicht gern. Das ist mir aber wurst!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Ihre Unwahr- heiten hören wir nicht gern!)

Nein, ich kann es Ihnen beweisen!

Meine Damen und Herren, darum fordere ich im Namen der Deutschen Volksunion, erstens, eine Stärkung realistischer Familienmodelle, zweitens, flexiblere Beschäftigungsangebote, vor allem für Alleinerziehende, denn dort, wo Alleinerziehenden der Wiedereinstieg in den Beruf geglückt ist, hat sich die Lebenssituation der Kinder auch deutlich verbessert, drittens, Entlastung von Familien mit Kindern bei der Sozialversicherung sowie eine Grundsicherung durch eine stärkere einkommensunabhängige Kinder- und Familienförderung, viertens, mehr Kindergeld für deutsche Familien, denn ich glaube, es ist nur in Deutschland möglich, dass der deutsche Steuerzahler allein für ausländische Kinder, die zum Teil sogar in ihrem Heimatland leben, zirka drei Milliarden Euro jährlich bezahlt.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: So ein Quatsch!)

Den dadurch entstandenen unkontrollierbaren finanziellen Missbrauch habe ich noch nicht einberechnet. Hier fragen sich doch viele Bürgerinnen und Bürger zu Recht: Warum kommen die jeweiligen Regierungen für ihre eigenen Kinder finanziell nicht selbst auf?

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Dass Sie sich nicht schämen! Nicht einmal vor den Kindern machen Sie halt!)

Warum muss das der deutsche Steuerzahler machen, wo doch im eigenen Land, und das sage ich in aller Deutlichkeit, also mitten in Deutschland, Kinder hungern müssen und die Kinderarmut unweigerlich durch Ihre unsoziale und ungerechte Politik ins Unermessliche ansteigt? Das gibt es wohl nur in Deutschland, und dafür hat der Bürger zu Recht kein Verständnis mehr.

Meine Damen und Herren, ich habe nachweislich in unendlichen Redebeiträgen große realistische Einsparmöglichkeiten genannt. Im Jahr werden zirka 30 Milliarden Euro Steuergelder verschwendet. Es werden Milliarden Euro für Ihre unrealistische Ausländerpolitik, Integrationspolitik verschwendet. Ausländerkriminalität kostet uns auch Unsummen.

(Zurufe von der SPD)

Das hören Sie nicht gern, ich weiß das! Die Milliarden für sinnlos verschwendete Gelder im Bereich der Entwicklungshilfe, für kostenlose Krankenversicherungen für Eltern von Ausländern, die in ihrem Heimatland leben, Überbezahlungen in Milliardenhöhe für die EU, Überbezahlungen und Abfindungen, unrealistische Altersversorgung für etablierte, gescheiterte Politmanager und so weiter!

Ich habe Ihnen also unzählige konkrete und realistische Einsparmöglichkeiten genannt, womit es möglich wäre, ohne schmerzliche Steuererhöhungen für den Bürger möglich wäre, Milliarden Euro einsparen zu können. Diese eingesparten Milliarden Euro könnte man zum Beispiel für eine bessere und kinderfreundlichere, sozial gerechtere Familienpolitik verwenden, zum Beispiel gegen die zunehmende Kinderarmut in Deutschland. Sie sehen, es wäre genügend Geld vorhanden, wenn etablierte Politiker aller Altparteien nicht viele Milliarden an Steuergeldern verschwenden würden. Sagen Sie also ja nicht, es wäre kein Geld für eine bessere, sozialere Familienpolitik vorhanden! Das stimmt nicht. Da könnte ich Ihnen hier noch stundenlang weitere Einsparmöglichkeiten nennen,

(Abg. D r. S c h u s t e r [SPD]: Verschonen Sie uns!)

aber, wie gesagt, ich habe leider nur eine begrenzte Redezeit.

Unsere Kinder sind die Zukunft unseres Landes. Darum haben gerade unsere Kinder ein Recht darauf, mit verständnisvoller Liebe behütet und umsorgt in einem sozial abgesicherten, gerechten Land mit den größten Bildungschancen zukunftsorientiert und demokratisch aufwachsen zu können. Sie haben es aber wahrlich nicht verdient, durch jahrzehntelanges politisch eigennütziges Fehlverhalten einer in allen Bereichen gescheiterten Politik der Altparteien in Kinderarmut zukunftslos und orientierungslos aufwachsen zu müssen.

Meine Damen und Herren, gegen Kinderarmut kämpft die Deutsche Volksunion schon seit Jahrzehnten, und das sollten Sie überparteilich im Sinne und zum Nutzen unserer Kinder auch tun, darum stimmen Sie diesem Antrag der Deutschen Volksunion zu!

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Crueger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Tittmann, ich finde es ist schon ein Stück weit bemerkenswert, wie Sie von einem Antrag, der da lautet, „Kinderarmut durch gezielte Familienförderung bekämpfen“, dann am Schluss doch wie-der zum Thema Ausländerfeindlichkeit kommen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

um hier wieder Ihre immer gleichen Parolen zu verbreiten.

Ich glaube, es ist der Sache auch nicht dienlich, auch wenn Sie hier mit solchen Mantras wie Entwicklungshilfeausgaben um sich werfen, könnten wir auch gut eine Debatte über die soziale Situation und die Armut in der Dritten Welt führen und könnten vielleicht auch noch einen historischen Diskurs anknüpfen, wem die Dritte Welt das zu verdanken hat, dass sie wirtschaftlich dort steht, wo sie steht, und dass wir da auch eine gewisse Verantwortung als Europäer haben. Wir könnten auch über die EU diskutieren, Herr Tittmann, das haben Sie auch als einen der Sparvorschläge hier genannt. Wir könnten darüber diskutieren, welche Maßnahmen im Sozialbereich gerade auch in Bremen und Bremerhaven von der EU finanziert werden, aber darum geht es ja heute nicht.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Peanuts!)

Ich möchte, glaube ich, im Namen aller demokratisch gesinnten Abgeordneten in diesem Haus zunächst einmal zurückweisen, dass der ehemaligen Bundesfamilienministerin Renate Schmidt das Thema Kinder und soziale Gerechtigkeit gleichgültig sei. Ich glaube, das ist es niemandem. Sie können natürlich hier versuchen, mit herbeigezogenen Zitaten das Gegenteil zu suggerieren, aber ich glaube, damit werden Sie keinen Erfolg haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Sie haben vor allem gesagt, was Sie nicht wollen, nämlich Kinderarmut, und Kinderarmut will niemand, aber Sie haben relativ wenig dazu gesagt, was Sie denn wollen, sprich, wie Sie denn Ihre politischen Strategien ansetzen, es besser zu machen. In Ihrem Antrag lese ich: „wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der grassierenden Kinderarmut im Bundesland Bremen zu ergreifen“, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten. Ich zitiere weiter: ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

„Mit einer umfassenden Familienförderung deutscher Familien im Zwei-Städte-Stadtstaat zu beginnen, die auch alleinerziehende Mütter und Väter einschließt.“ Herr Tittmann, bei dieser Debatte, die wir fachpolitisch führen, habe ich Sie bislang immer vermisst, das ist der erste Antrag, den Sie hier, seit ich in der Bürgerschaft bin, zu diesem Thema eingebracht haben, bislang haben Sie sich dazu hier noch nicht geäußert. Das ist das erste Mal, dass Sie das tun, und ich meine, fachpolitisch sind wir da bei dieser Debatte an einer ganz anderen Stelle, und wir diskutieren über ganz andere Fragestellungen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)